Nr. 283 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 4
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Vorwärts
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Freitag, den 4. Juni 1920
Die internationalen Kredite.
Paris , 3. Juni. Der Internationale Ausschuß für Heimat während der Fortführung der Verhandlungen gefordert bie Kreditgewährung zum wirtschaftlichen Wiederaufbau werden. Wenn diese Schwierigkeiten beseitigt seien, dann würden teilt mit, daß die Wiederaufbau- Kredite für Bolen, Jugoslawien , Verhandlungen über die Handelsbeziehungen von Vertretern die baltischen Staaten, Armenien , Georgien , Desterreich und Un- aller Regierungen geführt werden. Vertreter der franzögarn endgültig festgelegt worden sind, und zwar namentlich in fischen und der italienischen Regierung feien anwesend und bereit, Form von Lebensmittel, Rohstoff- und Manufat sich an der Fortführung der Verhandlungen zu beteiligen. turwaren Lieferungen. Diese Kredite werden gewährt Lloyd George bestritt mit Nachdruck, daß ihm irgend etwas von Dänemark , England, Holland , Norwegen , Schweden und der davon bekannt sei, daß in Frankreich über die Verhandlungen Schweiz . Frankreich wird bei seinem Barlament Kredite ver- Beunruhigung herrsche. Zum Schluß sagte er: die Tatsache, daß langen, wie dieses bereits in Argentinien und Italien geschehen ist, gewiffe Blätter versuchen, Zwietracht zwischen befreundeten und um am Wiederaufbauprogramm mitzuwirken. Man hofft, daß alliierten Ländern zu säen, deren Freundschaft so sehr im InterBelgien und Kanada demnächst teilnehmen werden. Spa effe der Welt liegt, ist kein Beweis für das Vorhandensein frannien hat noch nicht geantwortet, und die Vereinigten Staazösischer Besorgnisse.( Beifall.) ten, die sich nicht offiziell beteiligen, erleichtern die Kreditgewäh rungen durch ihre Zusammenarbeit mit den Kabinetten. Jedes Land gewährt seinen Kredit dem von ihm bestimmten Staate, wofür es als Sicherheit gemeinschaftliche Gutscheine erhält.
Der Vormarsch der türkischen Nationalisten.
Rotterdam , 4. Juni. ( In.) N. R. C." meldet aus Paris : Ans Konstantinopel kommt der Bericht, daß die Nationalisten dicht bei der Hauptstadt neue Erfolge errungen haben. Sie warfen die Regierungstruppen unter Asambur auf die Küste zurück. Jetzt stehen sie längs der ganzen Ostküste des MarmaraMeeres, einen Kanonenschuß von Konstantinopel . Man glaubt, daß die Regierungstruppen und die Regierung mit den Nationa listen gemeinsame Sache machen und daß fie die Schuld an den Siegen der Nationalisten habe.
Lloyd George über Krassins Besuch. London , 4. Juni. In einer Erwiderung auf die Anfrage über den Besuch Krassins und sein Beglaubigungsschreiben erklärte Lloyd George :
Krassin ist der Führer der russischen Delegation, die die kooperativen Organisationen bertritt, aber er ist auch Minister der Sowjetregierung, und als solcher handelt er zweifellos im Namen ber Sowjetregierung.
Lloyd George fügte hinzu, es müßten noch gewisse Fragen aus dem Wege geräumt werden, bevor die englische Regierung sich überhaupt in Verhandlungen einlasse. Eine davon sei die der englischen Gefangenen in Rußland . Ferner würden Garantien gegen Angriffe auf britische Interessen im Osten und in der
Amfterdam, 3. Juni. Laut„ Daily News" erklärte Krassin bei einer Besprechung mit Lloyd George , daß sich für Verhandlungen folgende drei Möglichkeiten ergäben: Wiederaufnahme des Handels bei gleichzeitiger Fortsetzung des
Krieges,
Wiederaufnahme des Handels bei gleichzeitigem Friedensschluß und endlich
Aufschub der Frage der Handelsbeziehungen bis zur Wiederherstellung des Friedens.
Die lette Möglichkeit bezeichnet Daily News" als die am wenigsten wünschenswerte, und die erste als die wahrscheinlichste.
Gasarbeiterstreit in England.
London , 4. Juni. ( Neuter.) Bei der Abstimmung der Ga 8- arbeiter des ganzen Landes stimmten gestern abend 96 Proz. für den Streit. Es handelt sich u. a. um Lohnforderungen.
Renaudel und die Ruhrkohlenfrage.)
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Außenpolitik und Wahlen.
Die Schicksalsfrage des 6. Juni.
Der 6. Juni wird nicht nur eine innerpolitische, sondern noch viel mehr eine außenpolitische Entscheidungsschlacht sein. Die Konferenz von Spa ist verlegt worden, um zu vermeiden, daß die deutschen Regierungsvertreter durch eine„ external préoccupation", wie es in der englischen Note heißt, abgelenkt seien.( Merkwürdigerweise wurde dies sinnwidrig mit äußerem Vorurteil" übersetzt. Préoccupation muß finngemäß mit Sorgen übersetzt werden; die wörtliche Uebersezung ließe sich am besten mit VorausOb dies der wirkliche beschäftigung wiedergeben.) Grund war, oder ob sich dahinter noch eine Nebenabsicht berbarg, wollen wir dahingestellt sein lassen. Wir wollen nur feststellen, welche folgenschwere Entscheidung in Spa gefällt werden wird und wie wir bis Spa gekommen sind.
Am 28. Juni wird es ein Jahr, seit Hermann Müller den Vertrag von Versailles unterzeichnete, angesichts der Vertreter von England, Siam, Frankreich, Liberia, Japan, Bolivien, Honduras, Italien, Guatemala, den Vereinigten Staaten, Haïti- wer zählt die Völker, kennt die Namen? -die sich unter dem Vorsitz des Tigers" versammelt hatten, um Deutschland einen beispiellosen Vertrag aufzuzwingen. dessen Bestimmungen nicht einmal diskutiert werden durften! Deutschland stand allein, fluchbeladen, wie der Verbrecher, der zum Richtplah geführt werden soll, umgeben von den Vertretern der Länder aller Erdteile, die über dasselbe ein unerbittliches Urteil gefällt hatten. Das war das Erbteil der wilhelminischen Weltmachtpolitik und ihrer Diplomatie der gepanzerten Faust.
Und nun begann das zähe Ringen unseres sozia demokratischen Außenministers. Die feindlichen Mächte waren und sind falsch informiert über Deutschland. Sie haben sich auch heute noch nicht von der Kriegspsychose befreien können, die in dem bekannten Wort„ Deutschland Einer Meldung aus Paris zufolge hat der französische So- wird bezahlen," das in Frankreich zum geflügelten Wort gezialist Renaudel in einem Gespräch über die Verhältnisse in worden war und womit man sich alle Sorgen über die Kosten Deutschland geäußert, während des Kapp- Butsches wäre es nüßlicher des Krieges aus dem Sinn schlug. ihren drastischen Ausgewesen, wenn Frankreich das Ruhrgebiet befest hätte anstatt druck fand. Der Finanzminister Clemenceaus verkündete Frankfurt und Darmstadt. Sollte sich ein Schauspiel wie der Kapp- von der Kammertribüne herab, daß Deutschland Butsch demnächst wiederholen, so wäre es die Pflicht der Alliierten, Frankreich allein 300 milliarden Goldmark bas Ruhrgebiet zu befeßen. Es ist wohl selbstverständlich, daß diese zahlen werde. Zu dieser phantastischen Zahl tam noch, was Worte, wenn sie gefallen sein sollten, die schärfste Zurückweisung verdienen. Wir können uns aber nicht denken, daß die Meldung den Tatsachen entspricht und erwarten eine Gegenäußerung Renaubels.
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wir an Belgien, England, Italien usw. zu zahlen hätten. Viel schwerer aber als diese gigantische Schuld, die so ungeheuerlich ist, daß sie fast tomisch anmutet, drückte auf Deutschland das Alpdrücken von Hay, Mißtrauen, Furcht und Verachtung, das uns das Hohenzollernregime hinterlassen hatte. Dazu kam die Unmöglichkeit der WiederWenn nach jahrzehntelangen Entbehrungen und Kriegen heute herstellung der deutschen Wirtschaft. das türkische Volt in seiner übergroßen Mehrheit 2 and pro. Aus dem Loch im Westen brachten die deutschen und aus: Aus türkisch- sozialistischen Kreisen wird uns geschrieben: Der Tetarier in Anatolien mit der Waffe in der Hand weiter- ländischen Schieber zu Wucherpreisen den Schund aus ameri Bertrag von San Remo ist ein Produkt des rein tapita tämpft, so geschieht dies nur, um ureigenes türkisches Land fanischen, englischen und französischen Heeresbeständen, von listisch imperialistischen Geistes, ein Mittel zu rüd vor Fremdherrschaft zu bewahren. Dieses gepeinigte Volt hat dem die Zivilbevölkerung Frankreichs und Belgiens nichts fichtsloser ökonomischer Ausbeutung. Es ist dem Entente- Stapi- genug der Kriege, es denkt nicht daran zu kämpfen, um Herrscher wissen wollte. Zugleich wurden die deutschen Fertigfabritate talismus nicht darum zu tun, die gerechten Forderungen nach in Mesopotamien, in Syrien oder sonst in nichttürkischen Ländern an das Ausland verschleudert. Das war der„ Segen" des Selbstbestimmung der Völker im Orient zu verwirklichen, sondern( Armenien! Red.) zu sein, es will aber Herr im eigenen Hause freien Handels. Die Börse spekulierte darum, neue Ausbeutungsgebiete zu gewinnen. Was bleiben. Wir verlangen auch vom sozialistischen Standpuntt aus. Deutschlands Untergang und zwar mit dem diese Art der Befreiung den Völkern bringt, tönnen wir in In- daß Smyrna und Adrianopel türkisch bleiben, da in diesen Resultat, daß wir Ende Januar für einen holländischen Gulden dien- und Aegypten sehr deutlich sehen. Gewiß besiben diese Provinzen auch nach den Zeugnissen der Ententekommissionen die 42 M., für eine dänische Krone 17 M., für eine schwedische Länder jetzt mehr Eisenbahnen und beſſere Wege, gewiß ist ihre übergroße Mehrzahl der Bevölkerung türkisch ist. Wir wollen diese 20 M., für eine norwegische 18,50 M., für einen Schweizer Landwirtschaft mit besseren technischen Mitteln ausgerüstet, aber arbeitsamen türkischen Bauern nicht einer haßerfüllten Franken 18 M. zahlen mußten. Während Deutschland des dies alles dient ausschließlich zur Vervollkommnung der tapita Fremdherrschaft preisgeben. Die Annerion dieser Pro- legten Hemdes beraubt wurde, das deutsche Voit hungerte, listischen Ausbeutung. binzen durch Griechenland wird die Leidenschaften auf- berdiente" man an der Börse und bei den Den Anfang bat die englische Militärherrschaft bereits in peitschen, fie wird eine ständige Gefahr für den Frieden im Ausfuhrgeschäften ungeheure Summen. Die deutsche Konstantinopel gemacht. Dort wird seit der Besetzung jede Orient sein. Mart war auf vier Pfennige ihres Nennwertes gefreie Meinungsäußerung rücksichtslos unterdrüdt. Die türWenn wir die Politik der Entente aufs schärfste verurteilen funken, aber die Schieber von drinnen und draußen sackten Fischen Zeitungen stehen unter einer so ungeheuer strengen Ben- und die Sozialisten aller Länder zu energischem Protest auf- fabelhafte Gewinne ein. Und nirgends ein Heifer. Die sur, daß sie auf die Wiedergabe der Nachrichten aus englischen herr- aanze Quellen sich beschränken und jeden Artikel, jeden kommentar unter- rufen, so find wir doch weit davon entfernt, die Politik der herr- ganze tapitalistische Welt hatte sich gegen Duellen sich beschränken und jeden Artikel, jeden Stommentar unter fchenben Klassen in der Türkei gutzuheißen. Aber die poli- Deutschland verschworen. Man sah nicht nur mit Tassen müssen. Alle politischen und intellektuellen Führer, die sich tische Selbständigkeit ist die Voraussetzung für den wirt aller Gemütsruhe zu, wie Deutschland gebunden und wehrlos nicht au agenten des englischen Imperialismus machen, werden schaftlichen Befreiungskampf des Proletariats. Die junge josi a- gemacht wurde, wie man ihm ein Stück deutsches Land um verhaftet und nach Malta geschickt. Bei diesen Verhaftungen Iistische Bewegung in der Türkei würde durch eine Frembherr- das andere aus dem lebendigen Leibe riß, wie man es bis geht das Militär auf die brutalſte Weise vor; 3. B. mißhandelten schaft im Keime erstickt und damit der Zusammenschluß, die Orga- aufs Mart aussog und ausplünderte, ja es wurde noch vor aller die zur Berhaftung des radikaldemokratischen Abgeordneten und nisation der proletarischen Klasse, die Vorbedingung ihrer Welt so hingestellt, als sei es Deutschland, das die anderen Führers Djela! Nuri in seiner Wohnung erschienenen eng Macht auf Jahrzehnte unmöglich gemacht werden. Länder bedrohte, heimlich Millionenheere unterhielt, mit den lischen Soldaten seine Familie derart, daß seine Mutter daran star b. Die Engländer töten systematisch das geistige Leben Für die Türkei wie für alle unterbrüdten Länder ist die wahre Bolschewisten einen Geheimbund geschlossen habe, mehr als je Für die Türkei wie für alle unterdrückten Länder ist die wahre des Landes; jede Versammlung ohne Ausnahme ist berboten, Befreiung schließlich nur durch den Sieg des internationalen von den imperialistischen Alldeutschen beherrscht werde und sich darauf vorbereite, die Hohenzollern im Triumph zu empdie Schulen werden von Militär bejezt und eine nach der ande- Sozialismus möglich. fangen. ren gezwungen, den Unterricht einzustellen. Die Universität Solche und ähnliche Tollhausgeschichten fonnte ist von Kolonia I truppen besetzt und alle ihre Professoren sind Schüßt die Versammlungsfreiheit! Das hessische Gesamt- man noch vor einem halben Jahre in der Presse der in Malta. Die Engländer haben eine Echeinregierung eingejezt ministerium erläßt folgende Bekanntmachung: In den letzten Ta- Alliierten lesen. Freilich bemühten sich die Alldeutschen auf und wollen den religiösen Einfluß des Kalifats für ihre imperia- gen sind wiederholt ernste Störungen öffentlicher Wahlversamm der einen Seite, die Unabhängigen auf der anderen, diesen listischen Zwede, für die Unterdrüdung der mohammedanischen lungen burch politische Gegner vorgekommen. In einem Falle ist Märchen immer wieder neue Nahrung zu geben. Und unsere Völker ausnüßen. Sie haben bereits ein" Fetwa" erzwungen, wo eine Versammlung gesprengt worden. Da die Verfassung unseres hochpatriotische Schwerindustrie, dessen hervorragendster nach den Mohammedanern die Bekämpfung der in Anatolien bemokratischen Staates jeber Bartei Versammlungs- und Vertreter, Stinnes, sich die Deutsche Volkspartei und über gegen den Stalifen" kämpfenden Türken eine religiöse Bflicht sein Redefreiheit aufichert, müssen Störungen af berfassungs: 60 patriotische Zeitungen dazu gekauft hat, weigerte sich widrig und ungefeßlich berurteilt werden. Im Interesse eines foll. Sie hoffen, damit die indischen Truppen, die nicht gegen ordnungsmäßigen Berlaufs der Wah handlung am 6. Juni wird schließlich, deutsches Geld in Zahlung zu die Anatolier sämpfen wollen und schon oft zu diesen überge die Regierung durch peinliche Sicherung der Wahllofale dafür nehmen. Wer Eisen haben wollte, mußte bis zu gangen sind, für sich zu gewinnen. Sorge tragen, daß jede Störung unterbleibt. ¡ 60 Proz. ausländische Devisen bringen. Wenn man hinzu
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