Milliardengeschäft nicht zu den erhofften Riesengewinnen führen konnte. Kaltlächclnd schritt die Großindustrie über Millionenopfer der Kriegsverlängerung in dem frohen Glauben, für jede dahingeraffte Menschenmillion hundert goldene Millionen in Belgien zu verdienen. Der Hauptinteressent an dem belgischen Riesenfischzug hieß Hugo Stinnes . Aber ganz gewiß ist die Stinnespresse„die berufene Vertreterin öffentlicher Interessen". Denn so steht es ja im Pro- gramm der Deutschen Volkspartei . WaS alles wird uns diese„berufene Vertreterin öffent- licher Interessen" noch bescheren, wenn sie in leicht erklärlichem Irrtum die privaten Geschäftsinteressen ihres Kapitalgebers mit den öffentlichen Interessen verwechselt. Ja, die Deutsche Volkspartei hat mit ihren Befürchtungen über den zcr- setzenden Einfluß der Schwerindustrie nicht so unrecht, nur daß sie selber eS ist. die den tatsächlichen Grund zu solchen Befürchtungen liefert. Nie hat ein davonlaufender Gauner brünstiger sein „Haltet den Dieb!" gerufen, als dies? Partei ihren Wahl- kampfruf gegen die„korrumpierte Schieberrepublit" ausstieß. Das Ideal der Sauberkeit und Lauterkeit, dem sie uns zuführt, läßt sich schon heute klar überblicken: der Hugo Stinncssche Zeitungstrust mit großen und kleinen Humanns als geistigen Lenker des deutschen Volkes. Der SchwerkriegSgewinnler und der Nachrichtenoffizier Ludendorffscher Schule an der Spitze der öffentlichen Meinimg! Wer zweifelt nun noch, daß Herr Stresemann uns herrlichen Zeiten entgegenführt?
Zur Regierungsfrage. Das große Raten um die Regierungsbildung geht un> mtwegt fort, obschon an eine ernsthafte Stellungnahme nicht gedacht werden kann, bevor die Fraktionen des Reichstags zusammengetreten sind und ihre Auffaffung zur(Geltung bringen können. Daß die Deutschnationalen und die Stresemänner sogar zu dem„Opfer" bereit sind, mit der Sozialdemokratie in einem Kabinett zu sitzen, obschon sie eben diese Sozialdcmo- krotie vor wenigen Tagen noch als korrupte Schiebcrpartei und noch ärgere- da--»stellcn suchten, ist schon bekannt und wird rnit jedem neuen Tage wieder bestätigt. Ebeüso bekannt ist schon, daß die Unabhängigen sich weigern, die Verpflich- tung zu erfüllen, die ihnen ihre Wähler zugedacht haben. Die Unabhängigen wollen auch fernerhin als„Diskutierklub" im Reichstag weiter existieren. Es gibt allerdings auch in dieser Partei erfahrene Politiker, die das Unsinnige ihrer Taktik einsehen. So äußerte sich z. B. der langjährige Führer der Unabhängigen, Richard L i tz i n s k i, auf dem sächsischen Parteitag sehr verständig so: Wir diskutieren, und die Bürgerlichen schieben dadurch ihr« Leute in alle einflußreichen Stellen deS Staate? und festigen dadurch ihre Macht. Wir dürfen nicht i m sformalismus ersticken, sondern muffen handeln, wo sich dazu Gelegenheit bietet. Mit endlosen Debatten wird die Welt nicht umgebildet. Wir muffen auch einmal den Mut haben, einzu- gestehen, daß- wir viele Dummheiten gemacht haben.. Dies? vernünftige Ansicht kam schon am 24. April zutage, als eS sich um die Neubildung der sächsischen Regierung handelte. Aber was damals für die Unabhängigen galt, sollte in vergrößertem Maße doch auch heute gelten, wo viel mehr �für die Arbeiterschaft auf dem Spiele steht, als im beschränkteren sächsischen Ausmaß. Aber nach der„Freiheit", nach Dittmann und Breitscheid zu urteilen, wollen die Un- abhängigen auch weiter diskutieren und„im Formelkram ersticken", anstatt mit der Sozialdemokratie einer neuen Koalitionsregierung das sozialistische Rückgrat zu geben. Sie spielen weiter mit dem Gedanken, daß Hclfferich als Reichs- kanzler„größere Klarheit" brächte und dadurch die Kampf-
Das /lfplrecht in perflen. Der Angriff auf das deutsche Konsulat in Täbri», in desien Schutz persische Bolschewisten sich geflüchtet haben sollen, ist nicht nur eine gegen alles Völkerrecht verstoßende Verletzung der Sxterri- torialität der fremden Konsulate, sondern zugleich ein Bruch des gerade in Persien seit undenklichen ZeiteuZheitig gehaltenen Aiyl- rechts, das auch dem schwersten Verbrecher Schutz gewäbrt. Dieses Asylrecht ist schon vor beinahe drei Jahrhunderten, nämlich im Jahre 1637, auch von zwei Deutschen in Anspruch genommen worden, und zwar mit Erfolg. Damals hatte Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein zur Anknüpfung von Handelsbeziehungen«ine Gesandtschaft nach Persien geschickt, an deren Spitze der Jurist Philipp Kruse aus Eisleben und der Hamburger Holzhandler Otto Brüggemann standen. Da» Gefolge wurde aus hundert Männern, aus ollen Ständen und allen deutschen Gauen, von Antwerpen bis Riga , von Kiel bis Innsbruck , zusammengesetzt. In den beiden' Gesandten hatte der Herzog — wie e» seitdem deutschen Fürsten lo oft paffiert ist— sich arg vergriffen: Kruse war«in Gelehrter ohne Tatkraft, Brüggemann aber ein habgieriger und rücksichtsloser GeschäftHmaim, voll Suropöerdünkels gegenüber den Persern, ge- häisig und gewalttätig gegen die Mitglieder der Gesandtschaft; er wurde dann auch nach seiner Rückkehr wegen zahlreicher AmtSver- brechen zum T» d e»«rurteilt. Dieser Aüterich verfolgte insbesondere zwei Personen mit seinem Haß: den GesandtschaftSsekretär Adam O l e a r i u S sOelmann) aul AscherSIeben, desien fleißiger Feder wir die anSsührliche Beschreibung dieser merkwürdigenGesandtschastSreiseverdankcnundLion Bernoullt <Bernoldi)ou« Brabant. Oleariu« flüchlere sich in das Kloster der spani - schen Augustinermönche, die in Jspaban. der damaligen LandeShaupt» stadt,«ine Riederlasinngshallen. und machte tZ.Tag« läng von demAsyl- reckt Gebrauch. Schon faßte er den Plan, heimlich zu entweichen und über Babylon und Aleppo nach Europa zurückzukehren, al« der Konflikt„umb gewiffer Uhrsachen willen" beigelegt wurde. Schlimmer erging es vernoldi. Dieser hatte seinen Landsmann. den ni-derländischen Agenten, besucht und war zur Strafe dafür von Brüggemann in Eiken gelegt worden. Er brach ober au« und«ntflob in da» AihlhauS im Hofe de» Königlichen Palastes, desien Pforte Tag und Rächt sllr Schutzflehend« offen stand und niemal« geschloffen wurde. Die Gesandten baten um seine Auslieferung, aber der Könijj(Schab Sefsi ließ ihnen erwidern, daß es weder in seiner, noch rn etneS anderen Menschen Gewalt stehe, einen«chutzflehenden sti diesem Asyl anzutasten, und wenn er sich am König selber vergriffen haben sollt«. Wenn Bernold-— wie Brüggemann fätschlich vorgab— etwa« gestohlen hätte, so tolle da» Gestohlene herausgegeben, die Person aber nickt auSgeliesert werden. Dabei blieb e». und als Brüggemann in seiner Wut am späten Abend 20 v e w a s f n e l e mit brennenden Lunten und Feuerrohren vor den Palast schickte, um Bernoldi mit Gewalt herauszuholen, und sich auch von der Palastwach« nicht wollte ab- weilen lassen, da gab der Schab, um weiteres Unheil zu verhüten, Besehl, die Pforte zum Asyl zu schließen, WaS seit Menschengedenken nicht geschehen war.—
stellimg des Proletariats begünstige. Sie schenken also weder Lipinski Gehör, noch nehmen sie Rücksicht darauf, daß mit dem Beginn der Rechtsherrschaft naturgemäß jede Gleichbe- rechtigung der Unabhängigen in der Verwaltung— als Landräte und an anderen Beamtenstellen— sofort aufhören würde. Von der Gefährdung aller Arbeiterrechte ganz zu schweigen. Tie sind nach unabhängiger Meinung ja nur ge- schaffen, um das kapitalistische System zu verewigen. In der„Germania " äußert sich auf der anderen Seite der Reichspostminister Giesberts, ein alter christlicher Ge- werkschastler, zu der Frage der Regierungsbildung. Ihm er- scheint die Koalition von Scheidemann bis Stresemann als durchaus nützlich, allerdings als wenig wahrscheinlich: Der Äcrvpunkt und die Hauptsache einer solchen KoalitionS- bildung müßte ein Regierungsprogramm bilden, desien soziale und wirtschaftliche Struktur es den Rechtssozia- listen, wie auch den Arbeitervertretern in der Zen- trumSpartei ermöglichen würde, dt« darauf aufbauende Politik mitzumachen. Es erscheint aber kaum denkbar, daß dieses Ziel erreicht wird. Es bliebe somit nur übrig— nachdem Einigkeit darüber besteht, daß weder ein« reine Recht?- noch ein« reine Linksregierung möglich ist— den gegenwärtigen KoalitionS- parteien solange die Führung der Regierungsgeschäfts zu über- lassen, bis zum Herbst durch Neuwahl das Volk er- neut Gelegenheit erhält, mit etwa» ruhigeren Nerven und geklärterem Urteil über seine politischen Geschicke zu entscheiden." Ob sich die alte Koalition bis zum Herbst halten könnte. wollen wir nicht untersuchen. ES dürfte klar sein, daß die Sozialdemokratie keine Neigung hat, weiter den Prügel- knaben zu spielen für Dinge, wie sie sich in den letzten ändert- halb Jahren abgespielt haben, ohne daß die Sozialdemo- kraten sie verhindern konnten. Aber daß dieser Reichstag ohne Mehrheit keine lange Lebensdauer haben kann, wrrd jedermann einleuchten. Um so schwieriger gestaltet sich daS Problem der Regierungsbildung. Daß die Sozialdemokratie in ihrer Auffaffung von der Lage einig ist. zeigt auch die Stellungnahme des b a d i s ch e n Parteiaussckmffes. Dieser nahm in gründlicher Erörterung Stellung zu den Fragen und stellte als einmütige Auffassung fest: Die bisherige Koalitionspolittk hat keine ttagfähige Basis mehr. Eine Verbreiterung her Koalition nach rechts kommt nicht in Frage. Eine regierungsfähige Par- lamcntsmchrheit ist nur zu ermöglichen durch den Hinzutritt der Unabhängigen zu der bisherigen Koalitionsmehrheit. Das Scheitern einer solchen Mehrheitsbildung würde der Sozialdemokratischen Partei das Verbleiben in der Reichsregierung unmöglich machen. Run hat am Mittwoch abend in einer Berliner Par- teiversammlung Genosse Erwin Barth im Gegensatz dazu der Meinung Ausdruck gegeben, daß die Sozialdemokratie als größte Fraktion auch mit der größten Verantwortung belastet sei und deshalb auch nicht davor zurückschrecken dürfe, die Verbreiterung der Koalition nach rechts als das„kleinere Uebel" zu wählen. Wir glauben, daß Genosse Erwin Barth mit dieser Auffassung in der Partei ziemlich isoliert dasteht.,_
»Doch ach, wir sinü zu schwach!� Henke gegen eine sozialistische Regierung. Bremen , 9. Juni. (Eigener Trahtbericht deS„Vorwärts".) Alfred Henke , der bisherige Vorsitzende der Unabhängigen Fraktion in Berlin , nimmt in dem Bremer unabhängigen Organ Stellung zur Regierungsbildung im Reiche und in Bremen , wo eine sozialistische Mehrheit(Jeblieben ist. Er schreibt:..Hat die bürgerliche Politik un? nicht in das KricgSelend geführt? Mögen ihre Sachwalter sie nun fortführen und mit ihr untergehenl Eine Regierung ohne Bürgerliche scheint nach den bis jetzt bekannt-
Die— vermutlich auf englische« Anstiften geschehen«— Verletzung des Asyl, echt« de« deuilchen Konsulat« steht also im schärfsten Widerspruch zu den perfischen Traditionen. Dr. Hermann v. Staden .
Wanderbuchhandel al« LolksbildnaaSarheit. Der Kampf gegen den Schund in Wort und Bild, der zu Anfang unseres Jahrhun- dert« einsetzte, hat insofern gute Wirkung getan, al» er die übelste Kolportageliteratur zurückdrängte. Aber wenn auch die Nick-Carter» Bücher nicht mehr in dem M-rße wie stüher die Jugend vergiften, so herrscht doch in der Lektüre noch vielfach die oberflächlichste Unterhaltungsware vor. Deshalb ist e« notwendig, nicht nur daS Schlecht« zu bekämpfen, sondern Gute« an seine Stell« zu setzen. .und dazu ist die Organisation eines richtigen„Vollsbuchhandels" notwendig, dex nicht wie der gewöhnlich« Buchhandel wartet, daß da» Publikum zu ihm kommt, sondern da» gut« Buch selbst unter da» Volk trägt. Ueber die bedeutsamen Bestrebungen dieser Art, die in neuester Zeit ins Leben gerufen worden sind, berichtet Rein- Harb Buchwald in der Monatsschrift„Die Tat". Man bat zu diesem Zwecke den neuen Weg eingeschlagen, daß man dem Schund buchhandel fein« Mittel ablauschte, durch die er die großen Erfolge erzielte. Private Freunde der Volksbildung»- arbeit haben sich dieser Aufgabe angenommen. So der„Billige Büchermann" in Hannover , dann der„Rhein-Mainische Verband". der darauf hinarbeitet, den Schund aus den kleinen Papierläden zu verdrängen, und«in« Organisation in Oberschlesien , die diese» Ziel durch Verbindung mit dem bodemtändigen guten Sortiment erreicht«. Auch die Ansang IStg in Jena gegründete.Deutsch« WanderbuckbanÄlung" will d«m Schundbuchbandel seine Mittel ab- lernen und sie in den Dienst guter billiger ValkSliteratur stellen. Dabei soll allen Persönlichkeiten und Organisationen, die auf diesem Gebiet arbeiten, ein gediegener geschäftlicher Rückhalt ge- geben werden. ES werde» in der Hauptsache Wanderbuchhändler in» Land geschickt; sodann aber werden auch in Dorfschulen Verkauf»- au»fiellungen abgebalten und Düchervuden auf Jahrmärkten er- richtet. Mit etwa 200 Stellen hat die Wanderbuchbandlung im ersten Jabr« eine dauernd« Verbindung aufgenommen und an> rund 259 Orten, meist rn Thüringen , gearbeitet..WaS nötiger ist al» Kapital," so schließt Buchwald,-icr» sind immer neue tätig« Hölsen ; Menschen, die wissen, welchen Wert da» gute Buch im HauSbalt unsere« gesundenden Volke» spielen kann und muß und daß alle wahre VolkSbildungSarbeit. Vertiefung und Weckung de» W«:tbcwußtseinS, als« Ueberwindung jeder Verflochung ist." Helsingfor» al» Welthafe«. Die finnische Haupistadt Heising- sor?, die bereits drei Häfen besitzt, beabsichtigt, nach eir«r Mit- teilung im.Prometheus" mit einem Kostenaufwand von 19 Millio- nen Mark einen neuen Freihafen anzulegen, der besonde-S für den bedeutenden Ausfuhrhandel der Stadt mit Holzwaren verwendet werden soll. Bei Eintritt ruhiger Verhältnisse soll dann au? diesem Hafen sich der Ausbau eine? großartigen Welthastnz ent- wickeln. Die Kosten für diesen weiteren Plan würden sich auf mehrere hundert Millionen Mark belaufen. Auch für Deutschland , das schon jetzt in guten Handels- und Verkehrsbeziehungen zu Finnland steht, wäre ein solcher Welthafen von weittragender Bc- beutung.
gewordenen Wahlresultaten im Reiche unmöglich zu sein, und wäre sie möglich, würde ich eS für einen schweren Fehler halten, wollte die Unabhängige Sozialdemokratie sich daran beteiligen." Henke begründet das mit der Ansicht, daß eine sozialistisch« Regierung im Reiche gegenüber der bürgerlichen Opposition nicht genügend« Machtmittel zur Verfügung hätte. Obgleich in der Bremer Bürgerschaft zusammen 59 Sozialdemo- kraten und Unabhängige. S Kommunisten und 56 Bürgerliche sitzen, also auch ohne positive Mitarbeit der Kommunisten eine sozialistische Regierung möglich wäre, lehnt Henke auch die Uebernahme der Macht für Bremen ab, weil eine rein sozialistische Regierung zu leicht gestürzt werden könnte. „Wenn aber schon so leicht die eine oder die ander« Regierung ge- stürzt werden könnte," sagt er wörtlich,„dann ist eS doch nur in der Ordnung, wir gehören nicht zu den Gestürzten, sondern zu den Umstürzlern." Wenn aber umgestürzt ist, werden wir dann endlich stark genug sein?*_ Ein neuer Köllerkurs. AuS Nordschleswig wird uns geschrieben: Die unheimliche Eile, mit der die Internationale Kommission in RordschleSwig dazu überging, in der 1. Zone die dänische Kronenwährung einzuführen, und die Unbesonnenheit, mit der sie e« unterließ, genügende Vorbereitungen zu treffen, hat zu einem FiaSko. einem wirtschaftlichen Tohuwabohu geführt. Um diesem zu entrinnen und um Löhn« zu erzielen, mit denen sie des Lebens Notdurft und Nabrung vielleicht bestreiten können, traten d,e Arbeitet aller Städte der 1. Zone und einiger Landbezirke in «inen Generalstreik, der allgemein wurde. �J-tzt hat die Internationale Kommission ihre Rache genommen. Sie hat� in den Städten mißliebige Arbeiter, die nicht ftimmberechligi find, also solche, die nicht schon vor 1699 im Lande wohnten, in Mafien ausgewiesen. Während ober der Streik erst am 2. Juni beschlossen wurde datiert der AusweisungZbefebl, der nur mündlich gegeben wurde, vom 31. Mai I Die Leute wurden in Sonderburg z. B. am Sonntogmorgen zum Rathaus geholt, mit dem Befehl bekannt gemacht und eingesperrt. Man verhinderte den einen Häftling, der gerode taufe» lassen wollte, an der Taufe teilzunehmen, obwohl der Pfarrer bereits wartete. Man erlaubte nur einem Teil von ihnen, von Weib und Kind Abschied zu nehmen und schob sie nach Flensburg ab. Di« Bewachung auf der Reile war so militärisch, wie sie sonst nur bei schweren Verbrechern üblich ist, und vor der Abfahrt wurden.auch wie bei schweren Verbrechern Finger- abdrücke genommen! Als die Opfer des Generalsekretärs Mr. Bruce hier verlangten, der Jnternaiionalen Kommission vorgeführt zu werden, wurden sie, wieder nur mündlich, aus der 2. Zone ausgewiesen. Man ließ sie weiter hungern, denn etwas Brot und Kaffee sind doch leine Ernährung, und schob sie nach Deutschland ab. Auch auS Tondern und Apenrode werden Ausweisungen gemeldet. Die in Tondern Betroffenen schleppte man auch nach Flensburg . Angeblich erfolgte die AuSweiiung dieser deutschen Arbeiter wegen des Streiks, den sie verschuldet haben sollen. Tatsächlich sind aber die meisten Ausgewiesenen gar keine Streilsübrer. In Gonderburg hat der Zorn de« Herrn Bruce sogar zwei Leute ge- troffen, dt« nie organisiert waren und gor nicht an der Arbeiter- bewegung teilnahmen, und obendrein fitzen in den Stre>kkomileeS und Aktionsausschüffen mehr dänische al« deutsche Ar- beiterl Wie man sieht, ist der Köllergeist. den wir in Deutschland neben anderen Gespenstern der Reaktion im November 1913 glück- lich loS wurden, im Staate Plebiszit, da, wo die Dänen das Volk „befreien" wollten und der dänische König demnächst auf einem weißen Esel(oder ist eS ein Pferd?) einsteben soll, von den Toten auferstanden. Der Träger diese» neuen KöllergeisteS ist der Eng» länder Bruce, der im Namen der Entente handelt. Vielleicht ist es angebracht, ihm den Ehrentitel Köller�Bcuce zu verleihen?—
W und W der Nationalen. Der deuffchnationale Führer Graf Westarp errang kein Mandat bei den ReichStagSwahlen. Er stand al« zweiter hinter Wulle in der Wahlliste. Mancher Held ist früh verdorben. auch PairokluS ist gestorben; Harald fiel bei HaltingS schon. Sieger blieb de» Kürschners Sohn. W e st a r p tät wie Roland rasen, Wulle zielt noch Judennasen; och der brave Gras verschwund gänzlich in dem Hintcrgrunv.. Aller Preußenrstter Blüte führt nun— er, du meine Güte— Ahlwardt« Sproß in« ReichSiagShau«: Israel , mit dir ist« auS! Fern im Winde schweben Klagen um den Mann, der abgeschlagen; Diese« Pech ifl fürchterlich— Weh und Wulle über dich! _ Schlarafs. Dir Hygiene deS freien T-igcS. Die Zahl der Ausflügler, di« cm schönen Sonntagen au» den Großstädten herausströmen, ist un- geieuer, und«» ist>vohl«in« wichtige Frage, ob diese vielen, die narfi den Rühen und Plagen der ZBoche Erholung und Erfrischung an diesem freien aTge suchen, ihre Muße- stunden auch richtig anwenden und wirklich gekräftigt zur neuen Arb.it.heimkehren Ein Arzt, der sich viel mit diesem Problem lejchuftiM Hut , nennt als den gröbsten um. dem sich die Ausflügler b.ngeden, oaß sie zu viel unternehmen. Allzu große Ermüdung macku den gesundheitsfördernden Wert, den der Aufcnthall in steier Luft hat. wieder hinfällig. In dem Bestreben. de» freien Tag möglichst inhaltreich zuzubri igen, mutet man sich übcrhrup: ZU viel zu. Ter eine läuft ein paar Kilometer zu weit spazieren, der andere spielt zu v:cl Fußball, der dritte gibt sich allzu eisvig der Garlenarbei: ki ». Der Wert des freien TogeS liegt aber vor allem darin, daß man dem Körper Ruhe gibt,«inen vollkom- menen Welffc! der Beschäftigung vornimmt und für neue Ein» drücke sorgt. Vom bisg'enischen Standpunkt au« wäre also das Pro» gremm für den freien Tag folgendermaßen aufzustellen: Man geht am Abend zw«: Stunden iruher als sonst zu Bett und steht am an- dorn Morgen«in« Stund« später als gewöhnlich auf; dadurch wird d:n Körper- und Nerpenzellen Gelegenheit zur.Kräftigung gewährt. Dann soll man bedenken, das Sitzen im Freren den Nutzen der frische.1 Lust ebenso vermittelt wie wan�rn. und der Geist ruht sich be:«inen: wichen idyllischen HinbrinAn deS freien TagsS am besten au». Ein solche» Programm hält auch von allem Lärm, Staub, Drängen deS sonntäglichen AuSflüglerstrome« fern und tut auch dem Geldbeutel gut. Mit diesen Ausführungen soll natürlich dem„Drang in» Freie" und der Liebe zum Sport, die im Groß- städter lsocn, nicht Einhalt getan werden; e« wird nur vor Au»» wüchsen gewarnt, wie sie im Ri-senberrieb des allst nntäglich« Verkehrs nicht selten zu beobachten sind.