Nr. 302 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 14
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Mittwoch, den 16. Juni 1920
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Die Demokraten zur Kabinettsbildung. Probleme des Sozialismus.
Der Abgeordnete Trimborn ist gestern aweds Bildung
Uebereifrige Apologeten haben auseinandergesett, daß die göttliche Mission der katholischen Kirche gerade aus der fittlichen Verfallszeit der Renaissanceperiode erweisbar sei, denn niemals würde die Stirche eine solche Prüfungszeit überstanden haben, wenn ihr nicht eben eine übernatürliche Straft innewohnte. Mit einem viel geringeren Grade von Spitzfindigkeit kann man behaupten, daß sich die geschichtlich e mission des Sozialismus gerade in der Zeit seiner Selbstzerfleischung und Zersplitterung am florsten herausgestellt habe, denn trok alles Tobens und Wütens gegen sich selbst in den letzten Jahren habe die sozialistische Gesamtbewegung ihren prozentualen Anteil an der Gesamtzahl der abgegebenen Wählerstimmen mir von 45,5 auf 41,9 ber-. ringert.
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Dieses Resultat erscheint in der Tat als ein Zeichen u11berwüstlicher Gesundheit, wenn man bedenkt, daß die ganze Wahlbewegung" diesmal eigentlich doch nichts anderes als ein großzügig angelegter Selbstmordversuch gewesen ist. Früher gab es gegenüber den bürgerlichen Gegnern nur eine geschlossene Front, und es läßt sich nicht ausdenken, was einem Genossen passiert wäre, der es gewagt hätte, in einer öffentlichen Wählerversammlung den Referenten anzugreifen und damit der Partei in den Rücken zu fallen.
Diese obersten Grundfäße bebe ich schon jetzt hervor, einer neuen Regierung an Senator Dr. Beterjen als Bor- weil sie mir die unerläßliche Vorbedingung jeder vom Verfigendem der Deutschen Demokratischen Partei herangetreten. trauen des Volkes getragenen Regierungstätigkeit zu fein Bei dieser Gelegenheit hat Senator Dr. Petersen Herrn Dr. scheinen. Vorschläge im einzelnen zu machen über die Füh. Trimborn folgende formulierte Erklärung der Deutschen rung unserer auswärtigen Politit, über die Gestaltung | Demokratischen Partei überreicht: unseres Wirtschaftslebens, über die Förderung unseres Nachdem die Frage der Bildung einer neuen Regie- fulturellen und sozialen Lebens, über unsere Wehrmacht rung heute zum ersten Male an mich als den Vorsitzenden steht mir nicht zu, sondern es ist Sache des Programms des der Deutschen Demokratischen Partei herantrat, gestatte ich Reichskanzlers, fie mit seinen Mitarbeitern zu entwerfen." mir, das folgende auszuführen: Nach Artikel 53 der deut schen Reichsverfassung ernennt der Reichspräsi dent den Reichskanzler und auf dessen VorDie Erklärung der Demokraten erinnert ein wenig an schlag die Reichsminister. Wir sehen, besonders nach dem das bekannte Rezept, Schwalben zu fangen, indem man ihnen leidenschaftlich geführten Wahlfampf, ein Abweichen von Salz auf den Schwanz streut. Der Steichspräsident soll ein diesem Wege für verhängnisvoll an. Daß die Parteien sich fach den Reichskanzler ernennen, und dieser soll dann sehen, bereit erflären, Roalitionen zu bilden, ohne vorher das mie er mit der Bildung einer Regierung fertig wird. Ja fachliche Programm des Kabinetts und seine Busammen aber niemand wird die Ernennung zum Reichsfangler anjegung au fennen, erscheint mir ausgeschlossen. Nur aut nehmen, bevor er sich dessen vergewissert hat, ob er auch dem streng verfassungsmäßigen Wege fann die Bildung eine eine Regierung zustande bringt, und da wird Regierung gelingen. Der Reichspräsident bezeichnet einen er, trog aller sachlichen Gesichtspunkte, fich dessen vergewissern Reichsfanzler, der ein Programm für seine e- müssen, wie sich die einzelnen politischen Parteien zu ihm gierung zu entwerfen und auf dieser Grundlage feine stellen werden. Mitarbeiter zu gewinnen hat. Dann haben die Fraktionen Das Programm der Demokraten gemahnt start an die und demnächst der Reichstag darüber zu beschließen, ob sie bekannten programmatischen Ausführungen der Kölnischen diefer Regierung mit ihrem Programm das Vertrauen aus Beitung", läßt also vermuten, daß die Demokraten bereit Unsere Partei erklärt sich, unbeirrt durch die Gebäffiq. mären, Bläge in einer Regierung einzunehmen, in der auch keit des gegen uns geführten Kampfes, ohne parteipolitische fie fich auf die Republik und die Bekämpfung monarchistischer keit des gegen uns geführten Kampfes, ohne parteipolitische Deutsche Volksparteiler fiben, vorausgesetzt, daß Boreingenommenheit bereit, sachlich und positiv in Umtriebe verpflichten. einem Rabinett mitzuarbeiten, das durch seine In Wirklichkeit war die Sache nicht besser, sondern noch Persönlichkeiten und durch sein Programm die Gewähr für Sehr wenig ist natürlich mit dem Programmpunkt des den politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau gibt. Als wirtschaftlichen Wiederaufbaus gefagt. Denn schlimmer, als sie nach außen bin schien, denn wenn die Portei unerläßliche Bestandteile dieses Programms bezeichne ich den wirtschaftlichen Wiederaufbau stellt sich bekanntlich jed: der Unabhängigen auch geschlossen auftrat, so weiß man doch, von vornherein folgende Punkte: Bartei anders vor, und in jeder gibt es dann wieder ver- daß auch an ihr innerlich die verschiedensten Rich. Vorbehaltlose und unbedingte Anerkennung der Wei- fchiedene Meinungen darüber. Wir können uns den wirt- tungen berunzerren. Es gibt in dieser Partei Leute, die sich von der Sozialdemokratie faum noch in einzelnen taftimarer Verfassung. Ablehnung und Bekämpfung ichaftlichen Wiederaufbau nicht einfach so vorstellen, daß man fchen Fragen unterscheiden, und andere, die die ganze geselljeber monarchistischen Agitation. Bekämpfung das fog. freie Spiel der freien Sträfte wiederherstellt, sonichaftliche Entwicklung grundsäglich mit anderen Augen anjeden Versuches der Aufrichtung einer Klassenherrschaft oder dern fordern die Uebernahme der dazu reifen Betriebszweige sehen, Leute, die sich von den Kommunisten nur durch ihr Einräumung von Vorrechten an eine Klasse. in Gemeinschaften, in der übrigen Wirtschaft verstärktes Mit Mitgliedsbuch unterscheiden. In der Mitte stehen dann diebestimmungsrecht der eigentlichen Produzenten und Leitung des Ganzen durch einen planmäßig ordnenden Willen. Diesen ungeheuren Komplex ſozialwirtschaftlicher Fragen fann man nicht in ein allversöhnendes Wort zusommenfassen, und es ist vorauszusehen, daß auf diesem Gebiet die hef tigsten Rämpfe entbrennen werden.
sprechen wollen oder nicht.
Eine Politik der Versöhnung und des Ausgleichs auf politischem, sozialem und kulturellem Gebiet; bleh nung jeden Klassen- und Rassenhasses, auch des Antise
mitismus.
Besetzung der Aemter ohne parteipolitische Rück fichten mit Personen, die in Wort und Tat sich auf den Boden der Verfassung stellen und gewillt sind, in ihrer amtlichen Tätigkeit die Regierung rückhaltlos zu unterstügen, die aber gleichzeitig nach ihrer Art und Vorbildung das Amt auszufüllen geeignet find.
Die Erklärung der Demokraten ist nicht ablehnend aber ausweichend. Die Frage der Regierungsbildung ist durch fie nicht viel weiter gekommen. Man erhofft vom heutigen Tag eine Klärung.
Was früher eine faum denkbare Ausnahme war, ist in der legten Wahlbewegung zur Regel geworden. Nicht selten glichen die sozialistischen Wählerversammlungen einem Tollhaus, u. S. B. fiel über S. P. D., R. P. D. über U. S. P., K. A. D. P. über K. P. D. her, und dem bürgerlichen Wähler hinausging mit dem Gefühl, diese Leute wüßten überhaupt war es nicht übelzunehmen, wenn er aus der Versammlung nicht, was sie wollten.
jenigen Bolitiker, die äußerlich links und innerlich rechts find, die aus taktischen Gründen der herrschenden radikalen Stimmung Zugeständnisse machen und dabei doch im stillen davon überzeugt sind, daß die Maffen aus der harten Sprache der Tatsachen noch rechtzeitig die erforderlichen Lehren ziehen werden.
Alle diese Gegenfäße sind nicht erst durch den Krieg und seine Folgen entstanden, sie waren im Reibe der politischen Arbeiterbewegung schon vorhanden, als diese noch die Schale der gemeinsamen Organisation umschloß. Damals war die radikale Richtung die vorherrschende, man erinnere sich nur an die schivere Niederlage des„ Revisionismus" in Fleischboykott und Lieferstreik. Dresden . Die radikale Richtung verdankte ihren Erfolg unKarlsruhe i. B., 15. Juni. ( Eigener Drahtbericht des" Vor- element im Sozialismus in stärkstem Maße zu eigen bewußt den Umstande, daß sie sich das Glaubenswärts".) Gine Hauptausschußsibung des Badischen Bauernper- machte, wobei sie jedoch in ihren praktisch- revolutionären Konbandes beschloß, die Mitglieder des Verbandes aufzufordern, zum sequenzen sich stets äußerst vorsichtig bewies. Der„ RevisioProtest gegen die Beibehaltung der Fleischzwangswirtschaft die nismus" trat dagegen vorwiegend kritisierend, stellenweise Abgabe jeglicher Art Schlachtvieh an die Stommunal- bis zum Snobismus sfeptisch auf und veranlaßte dadurch verbände im ganzen Lande zu verweigern. viele sozialdemokratische Politiker, sich von ihm zurückzuhalten, breite Massen an sich zu feffeln, war er natürlich erst recht nicht imstande.
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Ludwigshafen , 15. Juni. ( WTB.) Wegen der Ber haftungen von Angestelltenausschüssen und Betrieb 3- räten duraj die Franzosen haben sämtliche Arbeiter der Eisenbahnwerkstätten sowie der Hauptwerkstätten und ein großer Teil des Lokomotivpersonals die Arbeit, geschlossen niedergelegt. Die Stillegung großer industrieller Betriebe wie der Badischen Ani lin- und Sodafabrik, der Sulzer Maschinenfabrik usw. steht bevor. Nürnberg, 15. Juni .( Eigener Drahtbericht des Bortväris".) Auch die Straßenbahner, die Elektrizitäts- und Wasserwerkarbeiter Der Stadtrat bat beschlossen, die von der bayerischen Landesvieh wollen in den Sympathiestreit treten. Nach einer weiteren stelle neuerdings geforderten hohen Preise für Schlachtvich ab= Meldung ist der Schriftführer des Angestelltenausschusses, Schaeffer, zulehnen, da der durch die abermalige Breissteigerung bedingte der von den Franzosen nach der Berhaftung nach Mainz geschafft Preis von 10 M. für das Pfund Fleisch von der Bevölkerung worden war, gestern ans der Haft entlassen worden. nicht bezahlt werden könne. Entsprechend diesen Beschlüssen werden die im Schlachthof Nürnberg zu den erhöhten Preisen angeredeten und bereits eingetroffenen 300 Stüd Großvieh wieder zurd gegeben werden. Der bayerische Städtetag foll angegangen werden, sich dieser Aktion anzuschließen. Ferner wurde beschlossen, vom 1. August an das Fleischkartensystem aufzuheben.
Marburg( Lahn), 15. Juni. Das Gericht der ehemaligen 22. Division begann die Verhandlungen wegen der Vorkommnisse bei Bad Thal( Thüringen). Angeklagt sind 14 Studenten, zum großen Teil ehemalige Offiziere. Die Anklage lautet auf rechtswidrigen Waffengebrauch in Verbindung mit Totschlag. Der Hauptangeklagte Beutnant a. D. ftud. jur. Göbel erklärte, daß die erschossenen Gefangenen auf dem Transport nach Sättelstädt Fluchtversuche unternommen hätten. Das gleiche behaupteten die meiteren drei Angeklagten Engelbrecht, Jahn und Kraus. Mittwoch findet, in Mechterstädt eine Lotalbesichtigung statt.
Die Ruhrgebieturteile.
Folgende Kundgebung wird uns zugesandt:
fozialistischen Wirklichkeitspolitik unendlichen Schaden zugeDiefe Manier des Revisionismus hat der Sache einer fügt. Für theoretische Spekulationen, die nichts Positives gaben, nur ihre Zuversicht in das Kommen einer befferen Beit erschütterten, hatten die Arbeiter gar kein Verständnis, desto mehr Verständnis erwiesen sie aber für praktische Arbeit in ihrem Interesse, und wo diese geleistet wurde, zeigten fie feine Neigung, auf sie zu verzichten, um bloße Redensarten für sie in Rauf zu nehmen. Darum hielten auch die füddeutschen Arbeiter fest zu den versemten Budgetbewilligern, fie waren nicht bereit, einer konsequenzlofen Geste zuliebe irgendeinen erreichbaren praktischen Vorteil aufzugeben.
Die am 13. Juni 1920 in agen tagende Konferenz der Betrachtet man, wie man logischerweise muß, den gegenBertretern des Rheinlandes erhebt schärfsten Proteft gegen die un- Fortiebung der alten RichtungsstreitigSozialistischen Proletarierjugend Westfalens mit wärtigen Parteibader in der Arbeiterbewegung nur als eine gebeuerlichen Urteile über junge Proletarier, die an der Abwehr feiten, so springt zweierlei ins Auge: erstens einmal der des Kapp- Putiches beteiligt waren. Wir fordern von den ungeheure Fortschritt, den die nicht revisionistische", aber Die Braunschweiger Obstruktion. sozialistischen Parteien und den Stampforganisationen der Hand- und reformistische Richtung erzielt hat, und zweitens die Tatsache, Um der vereinigten bürgerlichen Minderheit die weitere Ber- Ropfarbeiter, schnellstens alle Mittel anzuwenden, um die Freilassung daß das ungeheure Ueberwiegen der Sozialdemokratischen hinderung der sozialistischen Regierungsbildung unmöglich zu der Verurteilten zu erwirken. Diese Körperschaften müssen um- Partei bei den Januarwahlen 1919 nur ein auf die Dauer machen, beantragte in der Landtagsfizung vom Dienstag Abg. Paul gehend dafür eintreten, daß die Eltern der gefallenen nicht aufrechtzuerhaltender Schein erfolg war. Wenn auch Junte( unabhängig), die Geschäftsordnung dahin ab, zuändern, daß die Beschlußfähigkeit des Hauses fünftig nicht mehr Jugendkämpfer, soweit diese ihre Ernährer waren, under st üst diesmal die Sozialdemokratie mit ihrer aller Romantik abwerden. Den flüchtigen Jugendkämpfern muß unverzüglich die holden, die nüchternen Tatsachen in Rechnung stellenden foziaeine weidrittelmehrbeit erfordern solle, sondern daß das Haus schon beschlußfähig fein foll, wenn die Sälfte der Abstraffreie Rückfehr in ihren Heimatsort ermöglicht werden. Wir listischen Arbeiterpolitif im Vorsprung blieb gegenüber der geordneten anwesend ist. Die Bürgerlichen verhinderten aber auch appellieren an die gesamte sozialistische Jugend Deutschlands, diefe Unabhängigen Sozialdemokratie, die aus dem Glauben an bie Annahme diefes Antrages, indem sie das Haus verließen und unfere gerechten Forderungen fich zu eigen zu machen und energisch einen plöglichen Umschwung zum Guten ihre Kraft jog, so be es beschlußunfähig machten. überall dafür einzutreten. deutet das eine Umstellung der Kräfteverhältnisse, die vor