Nr. 311 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 18
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Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3.
Fernivrecher: Amt Morisplas, Nr. 15190-15197.
Montag, den 21. Juni 1920
B
Vorwärts- Verlag G.m. b. H., SW. 63, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Morigplat, Nr. 117 53-54.
Die Ernennung des Präsidenten der Nationalversammlung Constantin Fehrenbach zum Reichskanzler ist heute mittag durch den Neichspräsidenten erfolgt.
Die Ernennung der Kabinettsmitglieder, unter denen sich kein Sozialdemokrat befinden wird, dürfte im Laufe des heutigen Nachmittags erfolgen. Die Negierung wird aus den Reihen des Zentrums, der Demokraten und der Deutschen Volkspartei gebildet und eventuell durch Fachminifter ergänzt werden. Neber das Regierungsprogramm ist zwischen den drei Regierungsparteien eine volle Verständigung erzielt. Die nene Regierung wird erklären, daß sie auf dem Boden der Verfassung von Weimar steht, die zu Recht bestehe und den Wiederaufbau des zusammengebrochenen Vaterlandes auf dem Boden der republikanischen Staatsverfassung als ihre Aufgabe bezeichnen. Sie wird an die Parteien die Bitte richten, sie angesichts der Not des Landes unter Zurückstellung parteipolitischer Zwiftigkeiten in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Die Groß- Berliner Gemeindewahlen.
Bei der Stadtverordnetenwahl für Groß- Berlin] wurden bis 1 Uhr mittags gezählt:
Sozialdemokraten Unabhängige
Demokraten.
9
•
•
•
271 000 Stimmen
•
•
632 000
铃
112 000
"
59 000
283 000
Deutschnatl. Volkspartei 194 000
Zentrum
Deutsche Volkspartei.
Wirtschaftl. Vereinigung
Verschiedene
71000
823
"
Das Resultat ist selbstverständlich nicht vollständig, da noch eine kleine Zahl Außenbezirke fehlt.
Einzelergebnisse.
Der Staatsminister a. D. Prof. Dr. Robert Friedberg ist in der Nacht vom Sonntag zum Montag in Berlin gestorben. Der Verstorbene hat viele Jahre hindurch in der Politik Preußens eine bedeutende Rolle gespielt. Er war im Jahre Wir geben die bisher vorliegenden Resultate aus Groß- 1851 in Berlin geboren, batte bier, in Leipzig und Heidelberg Berlin in der nachstehenden Zusammenstellung: Rechts- und Staatswissenschaft studiert und auf wissenschaftlichem Gebiete, besonders auf finanstvissenschaftlichem fich betätigt. Von 1894 bis 1904 wirfte er als Professor der Volkswirtschaft an der Universiät Halle. Schon im Jahre 1886 war er als Nationalliberaler in das preußische Dreiklaffenhaus gewählt worden, dem er bis zum November 1918 angehörte. Neben Schiffer war er der Führer der nationalliberalen Landtagsfraktion, seine rednerische Fähigkeit, die dialektische Schärfe seiner Bolemit machten ihn zu einem der hervorragendsten Sprecher seiner Partei.
Ueber die Groß- Berliner Gemeindewahlen ist zunächst eines zu sagen, worüber bei allen Parteien größte Uebereinstimmung herrschen dürfte. Es ist im höchsten Grade zu bedauern, daß die Wahlbeteiligung allgemein hinter der vom 6. Juni zurückgeblieben ist. In diesem Sinn fann man behaupten, daß gestern alle Parteien Niederlagen er- Neukölln. litten, weil teine ihre Stimmenzahl vom 6. Juni zu halten Charlottenburg imstande war. Man kann die Sache aber auch so ausdrücken, Schöneberg . daß gestern die Wählerschaft zum großen Teil durch- Mariendorf . Köpenid gefallen ist: dieser große Teil hat die Probe auf seine politische Tempelhof
Vollreife nicht bestanden, weil er durch sein Verhalten bemies, Lichtenberg daß er die Gemeindewahlen gegenüber den Reichstagswahlen Dahlem für etwas minderwertiges, Nebensächliches hält. Marienfelde Schadenfrohe Kommentare von reaktionärer Seite wären faltenberg Heerstraße wenig angebracht, meil ja erstens einmal die reaktionären Parteien an dem allgemeinen Stimmenrüdgang mitbeteiligt Reinidendorf Friedrichsfelde . find und weil zweitens die Wahlbeteiligung trotz alledem viel Bantow stärker war als in den gesegneten Seiten des Dreiflaffen seigeniee initems. Treptow . Hermsdorf Alt- Glienicke
•
Rudow Lichtenrade
Das neue Stadtparlament wird, wie vorauszusehen war. eine sozialistische Mehrheit haben, innerhalb derer Lankwiz die Unabhängigen wiederum die Mehrheit sein werden. In Kaulsdorf einzelnen Bezrfsverordnetenversammlungen werden die Un- Heiligeniee abhängigen allein über die Mehrheit verfügen. Die Unab- Baidmannsluft. hängigen werden also hier zeigen müssen, was sie pofitiv zu Starom leisten imstande sind. Ihnen wird überall, wo es fich um Steglit praftisches Wirfen für die Masse der Groß- Berliner Bevölfe- Grünau rung bandelt, die Mitarbeit der Sozialdemokratischen Partei grobnau. ficher fein. Die für die Unabhängigen gegebene Notwendig Gatom feit, zunächst wenigstens auf fommunalpolitischem Gebiet auf Staaten die bloße Agitationspolitik zu verzichten und sich auf praktische Tiefwerder Arbeit einzustellen, ist im Interesse der Zukunftsentwicklung Spandau. der deutschen Arbeiterbewegung zu begrüßen. Denn der Malchow . Unabhängige, der nicht nur aus der Opposition heraus triti- Buckow fiert, sondern genötigt ist, bei verantwortlichen Beschlüssen die Brig . Hauptverantwortung zu tragen, wird sich alsbald von dem bielbefehbeten Rechtssozialisten" sehr wenig unterscheiden. Wannsee . Sozialdemokraten und Unabhängige haben, troz aller Bichelsdorf tobenden Meinungsfämpfe, ein gemeinsames Interesse Friedenau daran, daß sich die Anwendung sozialistischer Grundsäge auf Schmödwig. die Kommunalpolitik für die große Masse der Bevölkerung Lichterfelde als iegensreich erweise. Diese gemeinsame Grundlage follie Friedrichshagen Müggelheim den Auseinandersetzungen auf fommunalpolitischem Gebiet Bohnsdorf bon pornherein jene Sachlichkeit sichern, die wir auf Marzahn . dem Gebiet der Reichs- und Landespolitis leider noch ver- Hellersdorf miffen Auf die Schultern der beiden sozialistischen Fra Biesdorf. tionen im Groß- Berliner Stadtparlament, die nur gemein iam ihren Willen durchzufezen imitande sein werden, ist eine große Verantwortung gelegt. Mögen beide jie tragen in dem gemeinsamen Bewußtsein wie unendlich viel für die Sache der Arbeiterbewegung und des Sozialismus von ihrer Arbeit und ihren praktischen Erfolgen abhängt.
.
•
o
Sozialdem.
11. S. P.
Wirtsch.Wgg.
Demokraten
Zentrum
D. Vp.
Deutschnatl.
Sonstige
16987 38400 4470 8894 5198 20820 15279 70 16169 41050 4446 9973 6150 24579 18054 80 24564 91391 3496 5843 4382 15283 11744 31 25877 60584 5184 8610 5149 18331 14507 13 24945 73711 5018 6604 6318 16971 12059 96 83386 61215 7188 9757 6633 29414 18439 37
151 488 464
-
38 552 348
18-11°
-
-
135
27547 56604 8240 4848 3052 12575 7874 20175 40117 7667 15174 5319 29107 19728 11696 15624 4994 8628 2890 13906, 12552 20 1501 3276 663 153 1318 440 3458 6132 1016 371 8518 8057 3770 1629 588 4277 1488 11588 29082 4304 2607 2522 7526 270 99 21 239 497
1
2839 713 752
9
281 279
165
62
69
5
61
44
12
8
4
2 23
10
592 1951 402 2958 9560 1210 721 5849 8871 1051 2096 2786 8889 328 1804 8441 5054 837 1191 565 27 900 614 1084 1595 911 472 441 143 242
160
666 970 188 663 5024 3902 820 3195* 1788 287 3631 275 188 241 6 612 153 3381 105 1697 85 126 26 177 72
925
671
686
251
14 236
61
306 608
7 164
120 126
-
39
3
129
75
6154 8342
728 8904 1861 15156
7028 7
583 422
114
8
679*
-
39
86
54
8
256
117
36
15
88
111 118
85
54
66
759 1007
150 122
133 19 3194
22
6589
15
6 13 251 192 108 16 28
1 214 127
901 610
75
180
154
-
191 8
35 372 5 496
274
1 57 10994 16946
407 202 55
272*
479 6688 4121
6
848
127 3177*
62"
11
8
206* 4
117 10
2 12 20
29
72 26 100
9805 11983
191
454
10 164 121 288 1241 2694 219 180 346 464 829 418 52 49 18876 18976, 6171 10359
110 89
2567 8939 1581 1288 1658 2608
16
1
259 468
56 29
42 93
9
289 875 12
88
6 39 541 108 253 3 115 1895 5971
2 122
-
11
-
111918
-
388 97 7356 10022 2816 7835 1977 17874 10381 50 174 460 141 798* 535 145 1497* 220 07 447* 739 768 1133*|
Bürgerblod.
968 2660 810 938 35 1801 4887 226
Seit Sozialdemokraten im Landtage faßen, stand er in lebhaftem Kampfe mit ihnen, namentlich auch auf dem Gebiet der Wahlreform, auf dem er, getreu den Parteibeschlüssen, die halblose, für erige Zeit begrabene Jdee des Mehrstimmenrechts vertrat. Während des Krieges rang er sich jedoch zu der Ueberzeugung durch, daß dem Siegeszug des gleichen Wahlrechts nicht mehr Einhalt zu gebieten sei. In der Regierung Hertling wurde er preußischer Staatsminister, und da sich der Baher Hertling borwiegend den Reichsgeschäften midmete, fiel ihm in der preußischen Staatsregierung, vornehmlich im Kampf um die Wahlreform, die Führung zu.
Es war daher nur eine logische Entwicklung, daß Friedberg wie auch Schiffer nach der Revolution seinen Platz beiden Demokraten nahm. Als ihr Vertreter zog er in die Preußische Nationalversammlung ein. Seine Gesundheit war jedoch schen geschwächt, an der vollen Entfaltung feiner Aktivität binderte ihn sein Leiden, dem er jetzt, 69jährig, erlegen ist.
Am Sonntag fanden die Wahlen zum neuen Thüringi schen Landtag statt. Endgültige Ergebnisse liegen noch nicht vor. Bon Teilresultaten verzeichnen wir folgende:
Sozialdemokraten
11. S.....
Kommunisten.
Deutschnationale.
Landbund
Demokraten
7302 4232
( 7294) ( 5682)
461
( 614)
2180
6588
( 2302) ( 7193)
97
( 55)
3164( 3620)
Die eingeklammerten Zahlen bedeuten das Resultat bei den Reichstagswahlen. Die Sozialdemokraten sind die einzigen die zugenommen haben, während alle übrigen Parteien, am stärksten die Unabhängigen, abnahmen.
Apolda : S. P. D. 2226, 1. G. p. 1853, Dem. 990, Dnatl. 935, D. Bp. 196, Bauerabund 40.
Weimar : S. 3. D. 3341,... 1896,.Dnatl. 2920, D. Bp. 5121, Bauernbund 50, Dem. 2314, R. 79.
Regierungskrife in Württemberg .
Austritt der Sozialdemokraten.
Stuttgart , 21. Juni. ( Gigener Drahtbericht des„ Vormärts".) Die Landeskonferenz der Sozialdemokratischen Partei hat mit 56 gegen 27 Stimmen entschieden, daß die Partei an der neuen Regierungsbildung in Württemberg nicht teilzunehmen habe. Es scheiden deshalb die Genoffen Staatspräfident Blos, Hey= mann und Leipart aus. Das Präsidium des Landtags biltfte auf das Zentrum übergehen. Von der Haltung des Zentrums hängt es cb, ob an die Stelle der Roalition eine extreme Rechtsregierung treten foll.