Mr.312437.Jabegong Ausgabe A nr. 19
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wird.
Dienstag, den 22. Juni 1920
Fehrenbachs Ministerliste.
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Unabhängige Grundsätze.
Die Partei der Unabhängigen hat sich in der legten Zeit
Noch immer ist das neue Reichskabinett nicht fertig. verwunderlich, daß die zur Beteiligung an einem Kabinett mit großem Kraftaufwand bemüht, in Bersammlungen, trozdem nun schon 14 Tage lang darüber beraten wird. Wie Fehrenbach aufgeforderten Rechtssozialisten ihre prinzipielle Presse und Flugblättern die Taktik zu verteidigen, die sie wir hören, ist frühestens im Laufe des heutigen Vormittags Weigerung, die sie schon jedem Wiederaufleben der alten Koalition in der Frage der Regierungsbildung im Reiche vereine einigermaßen zuverlässige Liste des neuen Ministeriums entgegengestellt hatten, aufrechterhalten. Man kann jekt folgt hat. Es ist kein Zweifel, daß diese grundsäßliche Abzu erwarten. Außer Fehrenbach werden die bisherigen Ben- noch einmal feststellen, daß die Politik Fehrenbachs in der stinenzpolitik auch in den eigenen Reihen der Unabhängigen trumsminister im Kabinett wahrscheinlich bleiben, ebenso die Vergangenheit den alliterten Regierungen, wenn schon nicht Widerspruch findet. demokratischen Mitglieder mit Ausnahme des Justizministers schätzbare Hinweise oder aufklärende Zeugnisse, so doch zum minBlund, an dessen Stelle höchstwahrscheinlich Heinze treben desten Argumente und-Warnungen an die Hand gibt." in ihrer Partei auf ungenügende sozialistische Schulung der Die Freiheit" hat bekanntlich versucht, den Widerspruch Es ist begreiflich, daß die französische Imperialisten- betreffenden Anhänger zurückzuführen. presse aus jeder Blüte Honig zu saugen sucht. Sie würde ein 15. Juni: Sie schrieb am Roalitionsfabinett unter sozialdemokratischer Mitwirkung wahrscheinlich nicht viel freundlicher behandeln. Indessen ist es gut, aus Aeußerungen wie der vorstehenden rechtzeitig zu entnehmen, welchen Schwierigkeiten eine Regierung mit imEntente berhandeln soll. Der Helfferich ist ja nicht dabet. perialistischer Vergangenheit entgegengeht, falls fie mit der Er kann leider ungestraft weiter hinter den Reichswagen herschimpfen.
13 weitere aussichtsreiche Kandidaten werden heute genannt der Geheimrat Simons für das Ministerium des Auswärtigen und General Groener für das Reichsverfehrsministerium. Ueber das Wirtschaftsministerium ist eine Ginigung noch nicht erzielt, wie überhaupt alle Personen fragen noch immer Fragen sind.
Trotzdem das Kabinett Fehrenbach also noch gar nicht fertig ist, wird es von der französischen Presse bereits reichlich unwirsch aufgenommen. Der Temps" z. B. widmet ihm in einem Leitartikel eine ziemlich unfreundliche Begrüßung. Das Blatt schreibt:
Der Chef der Reichskanzlei, Staatssekretär Albert, hat infolge des Kabinettswedyjels dem Reichskanzler Fehrenbach sein Amt zur Verfügung gestellt. Der Reichskanzler hat jedoch den Staatssekretär gebeten, sein verantwortungsvolles Amt fortzuführen.
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„ Herr Fehrenbach, der die Regierungsbildung übernommen hat, ist der einzige Deutsche, den die Revolution auf dem exponierten Posten belassen hat, auf den ihn das alte Regime gestellt hatte. Er hat in der republikanischen Konstituante den Vorsitz geführt, wie er dem ehemaligen baiserlichen Reichstag präsidiert hat. Diese Besonderheit ist nicht ohne Unzuträglichkeiten, sie hat aber auch ihre Vorteile. Fehrenbach ist der lebendige Beweis für die Soli. darität, die mit Bezug auf die zu leistenden Wiedergutmachun gen und Garantien zwischen dem Deutschland der Vorkriegszeit und dem Deutschland von heute besteht. Da zudem Feh renbach in Ausübung seines hohen Ambes zu wiederholten Malen das Wort ergriffen hat, so find uns seine Meinungen durch wohl erwogene und feierliche Erklärungen durchaus bekannt... Ist es nun beschlossene Sache, daß die alliierten Regierungen in Spa Herrn Fehrenbach als deutschem Reichskanzler sich gegenübersehen werden? Ganz gewiß werden sie in ihm feinem Republifaner von altersher, noch einem überzeugten Pazifisten begegnen. Bevor er Präsident des Reichstags war, leitete Fehrenbach vom August 1917 ab die Debatten des Hauptausschusses, der bekanntlich der Bertraute der kaiserlichen Regierung war. Er hat an den Sieg bis in die letzten Wochen des Krieges hinein geglaubt. In der zweiten Septemberhälfte 1918 erklärte er der Preise, die Offensive der Verbündeten sei zu Ende. Offensichtlich ist Fehren bach nicht einer jener Katholiken, die wie Graberger z. B. frühzeitig Wir ersuchen die Fraktion, von der neuen Regierung unter den die Unmöglichkeit begriffen haben, den Krieg zu gewinnen und daher ersten gesetzgeberischen Maßnahmen unbedingt bie sofortige eine Linkspolitik betrieben, deren logische Entwicklung fie schließlich Aufhebung der Militärgerichte zu fordern, die durch dahin führte, die Folgen der Revolution hinzunehmen und mit den das freisprechende Kriegsgerichtsarbeil gegen die Marburger StuSozialdemokraten zusammenzuarbeiten. Es ist nicht weiterl denten zu einer awingenden Notwendigkeit gemorden ist.
eigenen Reihen Leute, die mit unserem Entschluß nicht einverstan,, Nun will der Vorwärts" wissen, es gäbe auch in unseren den jeten, und er bemüht sich, aus allerlei reichlich verborgenen und verstaubten Winkeln Beweise für seine Behauptung heranzu6. Juni für uns gestimmt haben, einzelne befinden mögen, denen ziehen. Es mag sein, daß sich in der großen Masse derer, die am unser Verhalten befremdlich vorkommt. Das sind solche, denen noch die notwendige politische Schulung fehlt, und die noch nicht völlig begriffen haben, daß die Stellung der unabhängigen Sozialdemokratie um Parlament und zum parlamentarischen Regierungssystem eine andere ist, als die der Parteien, lichkeit herauszubekommen, unter denen sie in die Regierung ein
die sich nach der Wahl mit dem Rechenstift hinsetzen, um die Mög treten oder in ihr bleiben dürfen."
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Es hat aber auch einmal andere unabhängige Der Bezirksvorstand Groß- Berlin der S. P. D. Hat am 21. Jumi Grundsäge" gegeben. Im August 1919 wurde in zur politischen Lage einstimmig folgenden Beschluß gefaßt: Sachsen zwischen Mehrheitssozialisten und Unabhängigen, die bisherigen Regierungstoalition unmöglich gemacht und die Un- gemeinsamen Regierung verhandelt. Auch eine sächsische Nachdem der Ausfall der Reichstagswahlen die Fortsetzung der dort im Landtag die Mehrheit haben, über die Bildung einer abhängigen das Zustandekommen einer neuen links gerich- Randeskonferenz der Unabhängigen beschäftigte sich damit. beten Koalition verhindert haben, kam mir eine weiter nach rechts der linke Flügel, unter Führung von Dr. Kurt Geyer, oppoentwickelte rein bürgerliche Koalition in Frage, an der sich die nierte start dagegen, daß überhaupt in Verhandlungen mit Sozialdemokratie nicht beteiligen kann. den Mehrheitssozialisten eingetreten war. Damals verteiReichstagsfraktion einer Regierung, in der Vertreter der Deutschen Genossen, in eine Regierung mit uns einzutreten, wie Wir halten es für ausgeschlossen, daß die sozialdemokratische digte die Freiheit" die grundsägliche Geneigtheit ihrer fächſtschen Volkspartei fiben, ein Vertrauensbotum erfolgt: teilt. Dagegen erscheint es zweckmäßig, daß die Fraktion zunächst eine abwartende Haltung einnimmt, um der neuen Regie- fassung ins Feld führten, war äußerst schwach. Selbst die entWas die Kritiker des Fraktionsbeschlusses gegen diese Aufrung Gelegenheit zu geben, burch Taten thre politischem und wirt- schiedensten Verfechter des Rätegedankens mußten zugeben, daß fchaftlichen Absichten zu zeigen. Fraktion allein vom Standpunkt unserer sozialdemokratischen brauchbar für den Kampf gegen die kapitalistische Dann muß die Entscheidung der der Parlamentarismus neben dem Rätesystem als Grundsäße erfolgen.
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Haag, 21. Juni .( WTB.) Tschitscherin hat ein Tele- Boulogne, 21. Juni .( Habas Reuter.) Lloyd George, gramm an die deutsche Regierung gesandt, worin er den böswilligen Millerand, Foch, Marsal, Venizelos, Balfour, Chamberlain, Curzon und tendenziösen Gerüchten über angebliche feindselige Absichten und Marschall Wilson sind hier eingetroffen und von den belgi Rußlands gegenüber Deutschland entgegentritt. Etwas Derartiges fchen, italienischen und japanischen Delegierten begrüßt worden. wäre nicht geplant. Der Krieg gegen Polen sei ein reiner Ber- Sie begaben sich sogleich nach der Villa Belle, wo die erste Konteidigungstrieg, die Politik Sowjet- Nußlands sei fried ferenz begann. lich
Lloyd Georges Sowjettreue. Was Mecklenburg begonnen, scheint sich in Thüringen fortzuBaris, 21, Juni .( WTB.) Nach Journal" hat die jetzige feßen. Nur aus einigen der thüringischen Städte, außer Jena, das Busammenkunft in the fich auch mit der russischen wir schon im Abendblatt erwähnten, liegen uns bisher Meldungen Frage beschäftigt und Bericht über die Verhandlungen mit bor. Sie zeigen im allgemeinen starten Rüdgang der un= Straffin entgegengenommen. 21oyd George wünsche vor allem abhängigen Stimmen, während unsere Partei in ver mit Rußland zu einer Ginigung zu gelangen, um die wirt- schiedenen Orten wesentliche Zunahme zu verzeichnen hatte. ir schaftlichen Beziehungen zu diesem Lande wiedevaufnehmen zu geben die uns vorliegenden Nachrichten wieder und fügen heute tönnen und so einen modus vivendi zu schaffen, was in der Tat den Stimmenziffern der Landtagswahl zum Vergleich rie Zahlen einer Anerkennung der Sowjetregierung gleichkommen würde. der Reichstagswahl vom 6. Juni bei: Seine Stellungnahme in dieser Angelegenheit sei, unum stö- Altenburg: S. P. D. 9051( 8306), 1. S. P. 1451( 2757), I ich. Wenn Frankreich diesen Absichten entschlossen Wider. R. P. D. 242( 438), Dem. 1346( 1555), Vereinigte Rechtsparteien st and leiste, würde sich England um die Wiederaufrichtung Eu- 7715( 8328), Landbund 117( 84). Rudolstadt: G. P. D. 1582( 1411), II. G. B. 1184( 1556), 684( 974), Landbund 201( 106).
ropas nicht fümmern und wie Amerika seine eigenen Wege gehen... D. 94( 195), Dem. 299( 701). D. p. 1983( 2006), Dnat. Bp.
Meiningen: G. B. D. 1618( 1481), 11... 897( 1450), K. P. D . 9( 26), Dem. 682( 914), D. p. 2369( 2700), Dnat. Bp. 1261( 1862), Landbund 230( 64).
Apolda: S. P. D. 2226( 3291), 11... 1853( 2966), K. P. D . 68, Dem. 990( 1765), D. p. 1966( 2136), Dnat. Bp. 935 ( 1278), Bandbund 40( 57).
Genua, 21. Juni .( WEB.) In einem von Albert Tho mas beantragten Beschluß der Internationalen See: mannskonferenz wird ausdrücklich davon Abst and genommen, ein Urteil über die Berechtigung des U- Boot- Krieges zu fällen, den, wie es heißt, Deutschland in seiner Not zur Vertei Ilmenau: S. P. D. 1893( 1523), 11. S. P. 1500( 1922), digung gegen die Blockade begonnen hat. Die Konferenz hat sich K. P. D . 116( 119), Dem. 416( 635), D. Vp. 1042( 1121), Dnat. Vp. darauf beschränkt, es als Forderung des Weltgewissens und ins- 621( 1078). besondere des Gewissens der Seeleute aller Länder zu bezeichnen, Gotha( Stadt und Land): S. P. D. 2489( 3924), 11. 5. 3. bak den unschuldigen Opfern des U- Boot- Krieges Entschädi- 26 915( 42913), R. P. D. 1580( 3120), Dent. 4409( 7152), D. Bp. Sana geleidet merbe. 18 752( 16 548), Duat. p. 3762( 5150), Bandbamb 18 088( 20 278)
Reaktion beizubehalten ist. Um so unlogischer, war es, wenn sie ohne weiteres die Konsequenzen des Parlamentarismus ablehnten mit der merkwür
digen Begründung, die Massen würden es nicht verstehen". Als ob wir unsere Stellung nach der Stimmung der unaufgeklärten Masse und nicht vielmehr nach unserer politischen Ueberzeugung zu richten hätten! Das ist ja gerade unsere Aufgabe, die Massen aufzuflären und für den Sozialismus reif zu machen. Auch jetzt noch; denn die Untlarheit in der Arbeiterklasse ist noch immer erschreckend groß."
Damals war also die Geneigtheit zum Eintritt in die Regierung nur die logische Konsequenz des Parlamentaris. mus und dieser eine brauchbare Waffe zum Kampf gegen die fapitalistische Reaktion. Heute ist jede positive Mitarbeit eine Stärkung des Kapitalismus und die Teilnahme an der Regierung ein Verrat am ,, revolutionären" Sozialismus. Da mals waren diejenigen ungeschult, die den Eintritt in die Regierung bekämpften, heute sind es wieder diejenigen, die dafür eintreten.
hängigen Politik wird aber auch treffend beleuchtet durch ihre Die Grundsäglichkeit" und Zielflarheit" der unabin Sachsen grundsätzliche Bereitwilligkeit dazu. Und noch am Stellung zur rein sozialistischen Regierung. Im August 1919 16. Juni 1920 schreibt die Freiheit" folgendes: 16. Juni 1920 schreibt die Freiheit" folgendes:
Kautsky irrt auch, wenn er meint, wir schätten die Gefahren einer rein bürgerlichen Regierung gering. Wäre die Mög lich feit einer sozialistischen Regierung gegeben, scheiterte sie nicht allein schon an der Weigerung der Rechtssozialisten, so würde die Wahl nicht schwer werden.
16. Juni bereit ist, eine rein sozialistische Regierung zu bilWährend also das unabhängige Zentralorgan noch am
den, wenn die Möglichkeit besteht, veröffentlicht das Zentralfomitee der unabhängigen Partei am 18. Juni einen Aufruf: Warum geht die U. S. P. D. nicht in die Regierung?", in dem es heißt:
"
Auch die Möglichkeit einer Koalitionsregie rung mit den Rechtssozialisten ist für die Unabhängige Sozialdemokratische Partei nicht gegeben. Die Rechtssozialisten spekulieren auf die Urteilslosigkeit gewisser Arbeiterschichten. Sie verschweigen der Arbeiterschaft, daß sie von vornherein nicht an eine sozialistische Regierung gedacht, daß ihr Parteimitglied Müller die U. S. P. D. zum Eintritt in eine bürgerliche Roalitions. regierung aufgefordert hat.
Aber jeb wenn bas nicht der Fall wäre, tame