Nr.361 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 43
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Dienstag, den 20. Juli 1920
Simons über Spa.
Vorwärts- Verlag G.m. b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernivrecher: Aurt Moritplas, Nr. 117 53-54.
Der Reichsminister des Auswärtigen Dr. Simons hielt Das Kabinett hat demgemäß in seiner gestrigen Situng heute mittag in der Pressekonferenz einen Vortrag über die eine schärfere Neuarganisation der Kohlen. In einer Reichstagsrede habe ich mich am 28. Juni d. J. Ergebnisse der Konferenz von Spa. förderung und der Kohlenverteilung be- auch mit der Frage beschäftigt, wie gegen die Arbeitslosigkeit schlossen. Die Regierung hofft nun, das Kohlenabkommen am zweckmäßigsten, vielleicht auch mit neuen Mitteln, angeohne gar zu schwere Schädigungen der deutschen Industrie fämpft werden fönnte: dank dieser Maßnahmen einhalten zu können.
Seine außerordentlich flaren Ausführungen gaben ein zu fammenfassendes Bild über den Verhandlungsgang in den zwei Hauptfragen, die in Spa zur Erörterung famen, in der Es muß versucht werden, daß Reich, Gliedstaaten und GeEntwaffnungs- und der Kohlenfrage. Was die Militärfragen anbelangt, so waren sie, nach dem meinden, anstatt sich durch die Zahlung von ErwerbslosenunterBesonders wichtig ist seine Mitteilung gewesen, daß die Wort Simons, so verfahren", daß irgendein Widerstand gegen stüßungen immer mehr zu belasten, die Entlassungen von ArReichsregierung sich in dem gestern stattgefundenen die Forderungen der Alliierten, die auf dem Recht des beitern im besonderen Fall auch dadurch zu verhüten, daß sie als Sabineitsrat auf den Standpunkt der deutschen Friedensvertrages fußten, aussichtslos war. Wir können die Abnehmer der Fabritate auftreten. In manchen InduDelegation gestellt hat. Damit ist die vielfach er- Bugeständnisse um so mehr als einen gewissen Erfolg auf- ftrien dürfte das ohne weiteres möglich sein. Jede Stunde der örterte Frage, ob eine Kabinettskrise infolge der Unter- faffen, als ja der 10. Juli laut Friedensvertrag der Termin Arbeitslosigkeit ist unwiederbringlich verloren, ist ein unersetzeichnung der beiden Protokolle zu erwarten sei, einst- gewesen wäre, zu dem sowohl die Reichswehr auf 100 000 licher Verlust für das ganze Volk." weilen im negativen Sinne beantwortet. Mann hätte herabgesett, wie auch die neutrale Zone Schneller als ich selbst es ermuartet hatte, wurde ich prafSehr interessant war auch die Erklärung Simons', daß hätte geräumt werden müssen. tisch vor die Frage gestellt, die ich im Reichstag erörtert er ursprünglich auf Grund der Angaben der Sachverständigen Ueber die Neuorganisation unserer Wehrmacht, meinte hatte. Vierundzwanzig Stunden nach meiner Rede in Berlin die Unterzeichnung des Kohlendiktats für unmöglich hielt, der Minister, müssen wir uns mit den Alliierten offen berempfing ich in Cassel den Betriebsrat einer großen Schuhdaß er aber nachträglich zweifel über die unbeständigen und dazu müssen wir ihr Vertrauen ge- fabrik. Die Arbeiter segten mir auseinander, daß in dem von dingte Richtigkeit dieser Sachverständigen. winnen, wozu wir in den sechs kommenden Monaten reich- ihnen vertretenen Betrieb bereits fünfzig Arbeiter entlassen Gutachten bekam, als ihm erstens die Möglichkeit einer lich Gelegenheit haben werden. wurden, daß der Rest von etwa 200 Arbeitern zurzeit gegen stärkeren Braunkohlenproduktion und zweitens Im Anschluß daran stellte der Minister die merkwür- Weiterzahlung des Lohnes- beurlaubt sei, aber unmittelbor einer strafferen Steinkohlenverteilung nach- dige Behauptung auf, daß die bisherigen Re- vor der Kündigung ständen, weil der Betrieb, als unrentabel, gewiesen wurde. gierungen fich nicht deutlich genug, auf den zur Stillegung kommen sollte. 200 und mehr Arbeiter aus Es ist nämlich festgestellt worden, daß die Verteilung der Standpunkt der Erfüllung des Friedens- einem einzigen Betrieb, das heißt Weib und Kind imit Kohlen durch die Zentralstelle nicht ganz einwandfrei vor sich bertrages gestellt hätten. Erst die Programmerklärung gerechnet rund 800 bis 1000 Menschen die Existenzgrundgeht und daß Schiebungen hinter dem Rücken des Reichs- Fehrenbachs habe dies mit genügender Deutlichkeit lage nehmen, den Mann noch unzufriedener, die Frau noch unfohlenkommissars bisher an der Tagesordnung waren. getan(?).
Millerand über die deutschen Kredite. Baris, 20. Juli. ( Meldung des Hollandsch Nieuwsbureaus.) Millerand erklärte bald nach seiner Rüdiehr aus Spa in einer Unterredung mit Pressevertretern, die Bürgschaften an Deutschland würden in 6 Monaten etwa 15 Millionen be. tragen. Frankreich , das von den 2 Millionen Tonnen Steintohlen monatlich 600 000 m. erhalte, werde 61 v.. dazu bei tragen. Die Rüdgabe dieser Bürgschaften habe einen unbedingten Vorrang, sogar vor der Rückerstattung der Besatzungskosten. Da Deutschland aber bereits Zahlungen geleistet habe, welche höher feien als die jetzt zu gebenden Vorschüsse, hätten die niierten ihr Geld sozusagen bereits zurüderhalter
glüdlicher machen.
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Ich verhandelte sofort mit der Firma. Tabei stellte es Werte nicht auf dem Standpunkte ftände, daß in absehbarer Zeit die all- fich heraus, daß sie einen Lagerbestand im Wenn sie gemeine Beseitigung des Achtstundentages als bas bon etwa 4 Millionen Mart hatte. Antheilmittel gegen das Anhalten der jetzigen Notzustände zu be- weiter arbeiten sollte, war mindestens ein teilweiser Untjas des trachten sei, ist es von Ihnen unerhört, daß fie dennoch von mir eigenen Warenkapitals erforderlich. Die Inanspruchnahme das Gegenteil behaupten, Richtig ist nur, daß ich für den von Banffredit stellte sich als undiskutabel heraus; die Firma Bergbau, bie Landwirtschaft und das Transport- berhielt fich vollkommen ablehnend. Weiterbetrieb hieß für die gewerbe die Notwendigkeit vorübergehender Firma: Ankauf von Leder, unrentable Produktion und maneberarbeit als unerläßlich zur Beseitigung der ches andere, was ein fapitalistisches Unternehmen nicht maa. jebigen 3ustände betrachtet habe. Was Sie über eine in Baris zu errichtende französisch- deutsche Einkaufsgesellschaft unter sehr starker Beteiligung von mir sagen, ist entweder leicht fertige oder wissentlich falsche Darstellung. Denn es ist von bornherein bei jeder Gelegenheit auch bei den Verhandlungen im Bechenverband betont worden, daß auf deutscher Seite die Beteiligung nur bei den Gewerkschaften und dem Kohlensyndikat
Bergarbeiterprotest gegen die Einmarsch liegen tönne. drohung.
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Die Entrechtung des Saargebiets. Saarbrüden, 19. Juli. Beim Direktorium des Wirtschaftsrates traf beute eine Berordnung der Saarregierung ein, durch welche der am 14. Februar 1920 durch Verfügung des Generals Wirbel eingesette Wirtschaftsrat für das Saargebiet aufgelöst wird. Die beim Wirtschaftsrat vorhandenen Mittel seien der Bandeshauptkasse zu überweisen.
Aachen , 20. Juli. ( 2. 11.) Eine Bezirkskonferenz ber Bergleute, die gestern tagte, nahm zu dem Ergebnis der wirtschaftlichen Verhandlungen in Spa Stellung. Es wurde følgende Entschließung angenommen: Die heutige Konferenz der gewert. fchaftlich organisierten Bergleute im Aachener Revier protestiert mit aller Schärfe gegen die immer wiederkehrende Androhung von militärischen Maßnahmen gegen die deutschen Arbeiter. Die Bergleute erkennen die Verpflichtung, die Kohlenlieferungs- Die Saarbrüder Landeszeitung" bemerkt zu dieser Maßnahme, bedingungen des Versailler Friedensvertrages nach besten Sträften die fich würdig an die französische Militärjuftig und an die Er zu erfüllen, an. Wir sind aber nicht gewifft, uns als Arbeits. nemung eines deutschfeindlichen Schweizers zum Präsidenten der sklaven behandeln zu laffen. Durch Drohung mit Zwangsmaß. Saangerichtsbarkeit anreiht:" Der Wirtschaftsrat hat in den fünf nahmen wird die Arbeitsfreudigkeit nicht gehoben, fonbern start Monaten feiner Tätigkeit überaus fegensreich gewirft, er herabgedrückt. Die Folge ist eine weitere Berfchärfung der war das einzige Sprachrohr der Bevölkerung, eine Art wirtschaftsRohlennot. Die Drohung mit Zwangsmaßregeln richtet sich parlamentarische Vertretung. Die Nachricht wind nicht verfehlen, nach der Lage der Dinge direkt gegen die Bergarbeiter. Man will in weiteren Streisen der Oeffentlichkeit das größte Aufsehen hervoruns bie verfürste Arbeitsichicht nehmen und uns zurufen, um so mehr, als einstweilen nicht bekannt ist, aus swingen, in bedeutend verlängerten Schichten zu schuften. Dagegen welchem Grunde die Auflösung erfolgte." werden wir uns mit allen Kräften zur Wehr sehen. Zur frei. willigen Arbeit zur Linderung der Kohlennot find wir bereit, wie wir auch durch die Tat bewiesen haben. Einem Zwang werden wir uns nicht fügen."
Stinnes und der Achtstundentag. Effen, 19. Juli. In einem an den Steiger Bernhard gerichteten Schreiben hat Sugo Stinnes nach einer Mitteilung des Essener Mitarbeiters der Telegraphen- Union auf die gegen ihn in der Effener Arbeiterzeitung" gerichteten Angriffe u. a. folgendes
ermibert:
Dagegen bedeutete Stillstand des Betriebes in diesem Fall für die Firma gar keinen Verlust, denn bis zum Herbst werden die Schuhwaren wieder im Preise steigen und zwar so, daß der entgangene Verlust aus der unterbrochenen Produktion mehr als ausgeglichen wird.
Vom kapitalistischen Standpunkt aus ist das alles richtin gesehen, denn daß die Schuhwaren im Preise nicht weiter finken werden, nachdem die Häute wieder erheblich teurer geworden sind, ist gewiß richtig. Die Verhandlungen führten schließlich zu folgendem Abkommen: die Stadt übernimmt für die Gesamtsumme von 800 000 m. 6000 Paar Schuhe für Männer, Frauen und Kinder, die Firma wird sofort ausgezahlt, beschafft sich mit eigenem Kapital Leder und produziert weiter wie in lezter Beit- 4 Tage wöchentlich. Das Gewerkschaftskartell und die Konsumgenossenschaft haben den Schubverkauf übernommen; die mit der Entlassung bedroht gewesenen Arbeiter schaffen weiter.
Selbstverständlich ging nicht alles so glatt, wie es hier auf dem Papiere steht. Mancherlei Hemmnisse mußten überwun den werden, bevor der Verkauf beginnen konnte. Zunächst Befprechung mit dem Betriebsrat, dann Aussprache mit erfahrenen Beamten der städtischen Verwaltung, Verhandlungen mit den Organisationen. Beratung und Beschlußfaffung durch den Magistrat uſw.
durch die Gewißheit, daß es sich um ein ganz hervorragendes Erleichtert wurde uns die Uebernahme des großen Nifiko Produkt einer ersten, im Reich und darüber hinaus bekannten Firma handelte und daß diese, selbst bestrebt, die sozial bedeut fame Frage zu einer befriedigenden Lösung bringen zu helfen. Teheran , 19. Jufi.( Savas.) Da die armenische Re. die Schuhe weit unter den Selbstkosten hergab. Die Schube gierung dem Ultimatum der Moskauer Regierung feine Folge wurden je nach Qualität zum Preise von 49 bis 175 M. gegeben hat, bekam die 11, boljchewistische Armee den Befehl, vor- verkauft. zurüden; sie hat bereits die Brovinz Karabag bejeßt. Das Der Schuhverkauf batte sofort einen geradezu enormen Biel, biefer Operationen ist die Bereinigung mit den nationa- Bulauf, aber auch noch die weitere Folge, daß die Schuh. liftischen Streitkräften Mustafa Kemals. marenpreise in fast allen Fachgeschäften der Stadt
Da Armenien unter dem Protektorat des Völkerbundes steht wesentlich gesenkt wurden. Gegen eine irrige Aufund Mustafa Kemal mit der Entente Krieg führt, nimmt Sowjet- faffung mancher fleiner Geschäftsleute mußten wir uns von rußland mit diesem militärischen Eingriff in die Verhältnisse Alein bornherein verwahren. Merkwürdigerweise sahen diese in „ Die Kohlenfachverständigen baben in Spa ausschließlich dafür afiens den offenen Kampf mit der Entente auf. Indem unserem Eingreifen eine„ Silfsaktion für einen großen Fabri gewirkt, daß die 3 wangslieferungen an den Feindes die englische Intervention im Krieg mit Polen ablehnte, zeigte fanten", zogen aus diefer falschen Voraussetzung natürlich Bund sich in solchen Grenzen halten, daß die Bergarbeiterschaft es ja schon, daß es sich start genug fühle, seine äußere Bolitit ohne falsche Schlüsse und sprachen sogar von einem Boykott, wenn Deutschlands nicht vor die Alternative gestellt würde, entweder in Rüdficht auf den etwaigen Ausfall der englisch russischen Wirtschafts - der Bwischenhandel ausgefchieden bleibe. Nach erfolgter Aufeiner für ihren Ernährungszustand ungebührlichen Weise zu einer unterhandlungen zu führen. Vielleicht ist auch die sonst nur schiver flärung beruhigten sich die Schuhwarenhändler. wesentlich veränderten Ueberarbeit herangezogen zu werden, oder berständliche angebliche Ernennung des russischen Generaliffimus Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß die Mitwiraber bei Verweigerung einer Mehrarbeit die Verantwortung dafür tamenem zum Führer der jeht wieder in London eintreffenden zu tragen, daß Arbeitslosigkeit und Not in allen anderen Gewerben Gowjetbelegation damit in Verbindung zu bringen. ein noch viel größeres Maß erreichen, als es zurzeit der Fall ist. Die Wahrung des Postgeheimnisses. Die Unabhängigen Nach den Verhandlungen in der Sosialifierungsfom- haben im Landtag eine Interpellation eingebracht, die dagegen mission und im boltswirtschaftlichen Ausschuh des Stellung nimmt, daß gegenüber Angehörigen ihrer Partei bas Reichswirtschaftsrates in denen ich ausdrücklich darauf aufmerksam o stgeheimnis durch leberhören von Telephongesprächen gemacht habe, daß ich im Gegensatz zu vielen meiner Berufsgenossen und Oeffnen von Bostfendungen, verlegt mere
ung städtischer Körperschaften im Kampfe gegen die Arbeitslosigkeit auf diese besondere Weise nicht immer io relativ einfach sein wird, wie in dem geschilderten Fall. Aber die Gemeinden dürften auch nicht zurückschrecken, in fdmoi riger liegenden Fällen das menschenmögliche zu versuchen. Die vom Reich und den Gemeinden als Arbeitslosenunterstübungen gezahlten Summen sind doch wirklich, volkswirtschaftlich