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überreicht.

Die Verantwortungen im Weltkrieg.

Deutsche   Denkschrift an den Genfer   Sozialistenkongreß.

Der Parteivorst and hat dem Internationalen So- breitesten politischen Kreisen, die Diplomatie mit eingeschlossen, selbst die Kriegserklärung an Rußlands   Verbündeten, Frankreich  , zialistischen Bureau zur Vorbereitung des am 31. d. M. be- nahm man die alldeutschen Welteroberungspläne nicht ernst, viele und der Einmarsch in Belgien   gewagt werden, ohne daß ginnenden Internationalen Sozialistenfongresses folgende bon ihnen wurden in Deutschland   eigentlich so recht erst bekannt, ein Sturm der Entrüstung ausbrach, der unter anderen Umständen Denkschrift über die Frage der Verantwortung im Weltfrieg nachdem sie, während des Krieges, im Ausland verbreitet worden angesichts solcher Handlungen spontan ausgebrochen wäre. waren und dort ihre Wirkung getan hatten. deutsche   Volt war getrieben von wahnsinniger Angst, ganz auf den Die deutsche   Revolution, die mit der Herrschaft des Willen zur Abwehr eingestellt, als ihm der Belagerungszustand In älteren Zeiten übermog in der Sozialdemokratie die Met persönlichen Regiments, des. Militarismus und des Andeutschtums die Binde um die Augen schlang. Der Eintritt Englands wung, daß der Krieg notwendig mit der tapitalistischen aufräumte, ist zum Unglück der Welt, ganz besonders auch des in den Krieg konnte das Gefühl nur verstärken, daß jest Wirtschaftsordnung verknüpft sei und daß, solange diese deutschen   Wolfes selbst, um fünf Jahre zu spät gekommen. Ihr Deutschland   als der viel Schwächere einer ungeheuren Weltkoa­bestehe, auch er sich nicht werde vermeiden lassen. Sah man also nicht schon früher den Weg gebahnt zu haben, ist die Schnid. lition gegenüberstand, die nun die Zeit für reif hielt, ihre im­dem Ausbruch eines großen Arieges wie einem unabänderlichen deren wir deutschen   Sozialdemokraten, um es noch einmal zu sagen, perialistischen Bläne blutig zu verwirklichen. Fatum entgegen, so verband man mit ihm doch die Erwartung, er uns antlagen müssen. Aber freilich wissen wir als Margisten, daß merde zu einem jähen Zusammenbruch der kapitalistischen   Gesell- es nicht vom Willen einzelner Menschen oder Parteien abhängt. schaft und damit unmittelbar zum Sieg des Sozialismus führen. wann und unter welchen Umständen Revolutionen entstehen. Die Meinung, daß die kapitalistische Ordnung unfehlbar zu Außerdem vermag natürlich niemand auch nur die geringste Ge­bewaffneten Nonflitten der Völter führe, fand ihre Bestätigung in währ dafür zu übernehmen, daß der Weltkrieg niemals ausge den vielen Kriegen, bie feit 1870/71 ausbrachen und an denen brochen wäre, wenn es gelungen wäre, die deutschen   Kräfte, Deutschland   nicht beteiligt war, so des russisch  - türkischen, des ame- die zu diesem katastrophalen Erfolg hinzielten, rechtzeitig zu unter­ritanisch- spanischen, des Burenkrieges, des russisch  - japanischen binben. So wenig wie wir deutschen Sozialdemokraten waren Striegs, der Ballantriege von den zahlreichen eigentlichen Ro­Lonialfriegen gar nicht zu reden. Doch hatten alle diese Kompii- uch die sozialistischen   und Arbeiterparteien anderer Länder im fationen die eigentlichen Zentren der europäischen   Kultur nicht be. rührt, und je länger der Weltkrieg auf fich marten ließ, desto mehr Boden gewann die Hoffnung, es werde möglich sein, ihn zu berhindern.

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So wurde der ursprüngliche Standpunkt des Fatalismus ver­Tassen, und die deutsche   Sozialdemokratic, wie die Internationale überhaupt, ging nach und nach zu einem tätigen Pazifis mus über, der sich das Ziel sezte, von der zibilisierten Welt durch die Macht der organisierten Arbeiterklasse die Katastrophe eines Arieges fernzuhalten. Das war mur möglich, wenn sich die Inter­nationale als attiver Faktor der auswärtigen Bolitik betätigte.

Mit tiefer Sympathie verfolgte die deutsche   Sozialdemokratie den Kampf der französischen   Genossen gegen das Bündnis des republikanischen Frankreich   mit dem aaristi schen Rußland  . Bei der Beliebtheit, der sich Frankreich   und alles Französische vor dem Kriege in fast allen Schichten des deut schen Volkes erfreute, schien ein neuer Krieg mit dem westlichen Nachbar eine glatte Unmöglichkeit, wenn dieser nicht eben der Bundesgenosse des tief berhaßten, mit allem Mißtrauen bedachten russischen Zarismus gewesen wäre. Nichts schien daher der Er­haltung des Weltfriedens förderlicher zu sein als die Lösung dieses unnatürlichen Bündnisses, und wir wünschten den französischen  Genossen aus heißem Herzen Erfolg.

Es war vielleicht ein Fehler, daß die deutsche   Sozialdemokratie das deutsche   Bündnis mit Oesterreich- Ungarn   nicht cbenjo als eine Kriegsgefahr erkannte wie das russisch  - französische. Aber die nationalen Beziehungen zu dem deutschen   Teil der Be­bölferung dieses Doppelstaates und das Vertrauen in seine wes fentlich auf Erhaltung bedachte und darum faum angriffsfreudige Politit machten uns für diese Gefahr blind. Die Meinung, daß ber Dreibund ein Hort des Friedens" fei, gehörte zu dem essentiellen Bestand der öffentlichen Meinung und fand in allen Parteien Anflang.

durchzusetzen.

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stande, die Lage sicher zu beherrschen. Ob es überhaupt möglich gewesen wäre, durch die Willenstraft der Arbeiterklasse, die in der fapitalistischen Gesellschaftsordnung liegenden objektiven Fattorer der Weltkriegsgefahr unschädlich zu machen, bleibt eine ungelöste Frage der Theorie.

Troßdem glauben mir offen fagen zu müssen, wo nach unserer Ueberzeugung der Fehler unserer politischen Rechnung und die Schwäche unseres Willens gelegen haben. Denn von hier ab be­fanden wir uns in einer Lage, die sich zwangsläufig ge­staltete, aus der es fein Abbiegen und Ausweichen gab, sondern in der wir handeln mußten, wie die Verhältnisse es uns vorschrieben. Ronnte der internationale Sozialismus den Ausbruch des Arieges nicht verhindern, so wurde er, wie immer er sich verhielt, gegen seinen Willen ein Diener ihm feindlicher Mächte. De m 3aren nicht dienen wollen, hieß dem Kaiser dienen, dem Kaiser nicht dienen wollen, hieß dem Zaren dienen. Wer gegen och reboltierte, half Ludendorff  , mer gegen Ludendorff  meuterte, half Foch  . Das galt solange, als die militärische Ent­scheibung nicht gefallen war. Es gab teinen Ausweg aus diesem Dilemma, und auch die früheren internationalen Sozialistenton­greffe haben feinen gezeigt.

Für das Verhalten des internationalen Sozialismus im Welt­trieg ließen sich breierlei Möglichkeiten denken:

Das war die deutsche   öffentliche Meinung bei Kriegsbeginn. Auch die Masse des Proletariats schloß sich ihr widerstandslos an. Der Krieg war ausgebrochen, die Möglichkeit internationaler Ver­ständigung war zerrissen, die Pressefreiheit aufgehoben. Was dann später von Auslandsstimmen noch herüberdrang, schien weniger dazu bestimmt, objektive Wahrheit zu verbreiten, als dazu, die moralische Widerstandsfähigkeit des Bolts zu erschüttern, dem Za­rismus und seinen Verbündeten den Sieg zu erleichtern. Man mißtraute zu sehr, um noch verstehen zu fönnen.

Gegen eine kleine Minderheit von 14 Mann, bei einer Gesamt­stärke bon 110, beschloß die sozialdemokratische Fraktion des Reichstages am Abend des 3. August die Kriegstrebite zu bewilligen. Zu denen, die am entschiedensten für diese Hal­tung der Fraktion eingetreten waren, zählte der ihr nicht zuge­hörende Kurt Eisner  . Die Minderheit, die sich der Fraktions­disziplin unterwarf und daher nach außen hin nicht in Erscheinung trat, machte für ihre Saltung die verschiedensten Gesichtspunkte geltend. Während die einen, wenig besorgt um die Frage der moralischen Verantwortung, in dem Kriegsausbruch nur eine Folgewirkung des fapitalistischen Systems sahen, auf dessen Sturz durch die internationale sozialistische Weltrevolution nun hinzu­wirten sei, war für die anderen die Auffassung maßgebend, daß der Krieg ein deutscher   Angriffskrieg sei und daß der Sieg Deutsch­ lands   ein Erstarken der militärischen Reaktion zur Folge habea müßte. Die Auffassung der Mehrheit hingegen läßt sich in fol­gende Säße zusammenfassen:

1. Der Sieg einer Soalition, in der Rußland   eine aus. schlaggebende Rolle spielt, ist dem Fortschritt Europas   gefährlicher als ein Sieg Deutschlands  . Dieses ist das Land der stärk steniozialistischen Bewegung, feine Niederlage ist daher ein Schaden für die Sache des Sozialismus.

2. Ein überwältigender Sieg Deutschlands   über seine 1.& fonnte in allen am Arieg beteiligten Gegner ist bei dem gegebenen Kräfteverhältnis höchst unwahr= gändern der Generalstreit und der revolutio- scheinlich, die Bermeidung einer offenen Nieder­näre ampf gegen die herrschenden Gewalten lage ist das höchste mögliche Biel   und selbst diefes nur entfesselt werden. durch Zusammenfassung aller Kräfte bis zum äußersten erreichbar.

Gegen diesen Plan war u. G. mit Recht der Einwand geltend gemacht worden, daß der angeordnete allgemeine Generalitreit nur in Ländern mit starter sozialistischer Organisation zur Wirkung kommen würde, so daß der Sozialismus automatisch als Bundes genosse der rückständigsten Mächte wirken würde. Ueberdies baben die Erfahrungen des August 1914 gezeigt, daß die Ausführung dieses Planes in allen Ländern eine vollkommene Unmöglichkeit gewesen wäre.

3. Gine Partei, die sich im Gristenztampfihrem eigenen Bolte berjagen würde und sich daburch mitschuldig an feiner Niederlage machte, hätte ihre Rolle ausgespielt und wäre fift alle abseh­bare Beit auferstande gesezt, ihre Ideen durch­zufeßen.

Der erste Eas, der für die Haftung der Partei in dem An­fangsstadium des Krieges ausschlaggebend war, hat mit dem Zu­jammenbruch des Zarismus seine Bedeutung verloren, doch war auch diefer Zusammenbruch nicht möglich, wenn sich die Sozial­demokratie der Aufgabe des Kampfes gegen Osten bersagte; dann politifex Erwägungen ihren Einfluß zugunsten hätte mit ihrer Silfe der 3arismus triumphiert und teils geltend machen. bes einen und zum Nachteil des anderen Streitfäße heute in der Fülle seiner Macht.

Eine Lösung des Verhältnisses zu Desterreich- Ungarn war auch nicht möglich, folange Deutschland   mit der Wahrscheinlichkeit rech­2. Die fosialistische Internationale fonnte nen mußte, in diesem Fall allein einer großen tastetoalition i gewiffermaßen els felbständige Madi fon gegenüberzustehen. Diese Wahrscheinlichkeit wurde durch die nituerex unb xa riegsausbruch nach eigenen näherung Englands an Frankreich   tuzlab moch bergrößert. In Deutschland   war die Meinung allgemein, bag in diefer mächtigen Koalition Kräfte am Werte waren, bie mit großer Energie auf die Erreichung ihrer imperialistischen Ziele ausgingen und bereit waren, unter Umständen auch mit Gewalt ihren Willen Die deutsche   Weltpolitik verfolgte in den letzten Jahren vor dem Kriege die Linie Samburg- Bagdad. Wir hielten diese für die relativ ungefährlichste, well sie ihr Ziel nur in der fried­lichen wirtschaftlichen Durchdringung, nicht aber in gewaltsamen Annegionen und Zerstückelungen suchen konnte. Ihre Boraus­jebung war. Grhaltung des österreichisch ungarischen sowie des tür fischen Reiches, sie war also wesentlich fonservativer Natur. Gine konservative Auslandspolitik bleibt aber die einzig mögliche Frie denspolitik, solange die Menschheit keine anderen Mittel fennt, Veränderungen im äußeren Bestand der Staaten herbeizuführen, als den Krieg. Mit Besorgnis wurden dagegen die imperia Iistischen Bestrebungen der Westmachte und Nuß­lands betrachtet, die die Linie der deutschen   Weltpolitit rechtwinklig durchschnitten. Nur über die Trümmer Desterreich- Ungarns und über den Balkan   hinweg fonnten sich Westen und Often die Hände reichen.

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Die beiden anderen Säße haben bis zum Kriegsende ihre Be­Auch dieser Gebante, monach die Internationale ihre Anhänger deutung behalten und find durch die Erfahrung bestätigt. Selbst auf der einen Seite zum Sieg ermutigen, ihre Anhänger auf der die höchstgesteigerte Zusammenfassung aller Kräfte hat die schließ anderen Seite aber auffordern müßte, für die Niederlage ihres liche Niederlage mit ihren furchtbaren Folgen nicht verhindern Landes zu wirken, wäre praktisch unmöglich und auch moralisch tönnen, und die deutsche   Sozialdemofratie schäß ± nur dann gerechtfertigt gewefen, wenn die Internationale zugleich i glüdlich, daß sie sich von jeder Schuld an der bie Macht besessen hätte, den Rechtsanspruch des nach ihrer Mei- Niederlage des deutschen   Voltes frei weiß. An­nung ungerecht angegriffenen und die Strafe des ungerechten Andernfalls hätte sie auch nicht bei den Wahlen zur Nationalver­greifers nach ihren eigenen Begriffen bon Gerechtigkeit abzumeffen, sammlung im Januar 1919 über 12 Millionen Stimmen auf sich mit anderen Worten, wenn sie die Entscheidung des Krieges und bereinigen können. Auch die Unabhängigen wünschen nicht fonnte aber nicht die Russen auffordern, auf einen Frieden von denn in den Parteifämpfen, die dem Kriege folgten, haben sie die banach auch den Inhalt der Friedensverträge diftieren fonnte. Sie die Verantwortung für die Niederlage Deutschlands   zu tragen, Breit- Bitomst und nicht die Deutichen auf einen Frieden von Behauptung der Reaktionäre, fie hätten durch ihre revolutionäre Berjailles abfichtlich und bewußt hinzuwirken. Für eine Politik Propaganda den Zusammenbruch des Heeres und den unglücklichen ber einheitlichen Parteinahme im Kriege fehlten ihr die Garantien Frieden herbeigeführt, entschieden bestritten. Sie erklären, sachlich der realen Macht. zutreffend, daß die Revolution erst ausgebrochen sei, als die Nieder­der lette offen, nämlich Waren aber die beiden ersten Wege ungangbar, so blieb nur lage besiegelt war, und legen auf diesen Bunft das größte Gewicht. Sehr natürlich, denn man kann nicht die Reaktion als die Schul­bige der Niederlage anklagen, wenn man selbst auf der Bank der Angeflagten sitt.

de alen entsprechenden Frieden hinzumirten. Nach diesem leßten Grundjak glaubt die deutsche   Sozialbemo fratie gehandelt zu haben. Ueber die Verteilung der Schulb am Ariege waren in unserer Partei bie Meinungen geteilt.

3. den Sozialisten jedes andes das Recht zur Die Gefahr eines friegerischen Zusammenstoßes mußte immer Teilnahme an dem Rampf ihres Wolfes freizu geben und ihnen nur die Pflicht aufauerlegen, näher rüden, wenn es nicht gelang, die gesamte europäische   Mächte nach Maßgabe ihrer Kräfte auf die raide Beendi tonstellation grundsäßlich zu ändern. Der Frieden Europas   war erst gesichert, wenn der 3aris.gung des Krieges durch einen den fozialistischen mus gestürzt war und wenn es gelang, die Kluft zwischen Deutschland   und den Westmächten zu überbrüden. Diesem Zie: war die Tätigkeit der deutschen   Sozialbemofratie fortab mit fieber. haftem Gifer gewidmet. Unterstüßte sie auf der einen Seite die Bestrebungen der russischen Revolutionäre zugleich auch in der Hoffnung, dadurch die Arme zur Befreiung des eigenen Boltes Obmohl gegen die Balkanpolitik des Zarismus und ihres fer­freizubekommen so förderte sie auf der anderen Seite die bischen Sandlangers das größte Mißtrauen herrschte, war man sich nnäherung an die West mäte, fie begrüßte turz vor einig darüber, daß der durch die Ermordung des öfter Kriegsausbruch das deutsch   englische blommen überreichischen Thronfolgers entstandene Konflikt durch ein die afrikanischen Kolonien und die Bagdadbahn und wirkte freudig friedliches Abkommen der Mächte aus der Welt gefchafft werden mit den französischen   Genossen zusammen, um in den inter müßte. Der Herausforderude Ton. und Inhalt des österreichischen parlamentarischen Konferenzen von Bern   ein Ultimatumsan Serbien wurde einstimmig verurteilt, und guberlässiges Instrument zur Erhaltung des Friedens zu schaffen. einstimmig wurde die. Forderung erhoben, daß die deutsche   Regie: In der Ferne, aber schon deutlich genug, zeichneten sich die Son rung auf Desterreich den stärksten Drud ausüben müsse, um es turen eines englisch- französisch- deutschen Dreibundes bom politi bon seinem den Weltfrieden gefährdenden Vorhaben zurückzu­schen Horizont ab. Nie war die Hoffnung, durch die Kraft der jo halten. Der Reichstag   war nicht persammelt, und bei den deut­zialistischen Parteien eine wirkliche Friedensgarantie schaffen zu fchen Verhältnissen, die eine dirette persönliche Einwirkung der können, in der deutschen   Sozialdemokratie stärker als im Frühjahr verfemten Sozialdemokraten auf die Machthaber ganz unmöglich des Jahres 1914, nie schien sie besser begründet! machte, blieb nur eine Einflußnahme durch die sozialdemokratische Preffe möglich, die denn auch in schärfster Form und völlig einheit lich erfolgte. Schließlich, als sich die Lage immer gefährlicher ge= taltete, rief die Parteileitung die Berliner   Arbeiter zu einer Friedensdemonstration Unter den Binden auf, die unter ungeheurer Beteiligung stattfand und zu heftigen 8u­jammerstößen mit alldeutschen Gegendemonstranten und mit der Bolizei führte.

Auch die früher so lebhaft gehegte Sorge, das persönliche Regiment in Deutschland   könnte einen Weltkrieg entfesseln, war geringer geworden. Nonnte das fahrig- herausfordernde Trei ben eines einzelnen Menschen einen Weltkrieg heraufbeschwören, so hätte er schon längst ausgebrochen sein müssen. Wirfliche Kriegs Tuit traute man dem deutschen   Herrscher nicht zu, weil man seine Scheu vor der Verantwortung und die Schwäche feines persönlichen Mutes tannte. Auch machte sich das vernunftlose Treiben des Für die große Masse war es indes nicht möglich, dem aufge Kaisers vor der Oeffentlichkeit nicht mehr so breit wie in früheren regten Wirrwarr der diplomatischen Verhandlungen, dessen Bild Jahren, seine dauernde Brandmarkung durch die Sozialdemokratie fich von Stunde zu Stunde änderte, kritisch zu folgen. Die ami­im Reichstag und in der Preise, die letztere mit ungezählten Jahren liche Beteuerung, die deutsche   Regierung arbeite mit allen Kräften Gefängnis bezahlt, schien auf die Dauer ihre Wirkung nicht ganz für die Erhaltung des Friedens, blieb nicht ohne Gindrud. Das verfehlt zu haben. Daneben wurde nicht genügend beachtet, daß militärische Vorgehen Lesterreichs gegen Serbien   wurde scharf die Führung der auswärtigen Bolitit ohne Kontrolle bes berurteilt, die Soffnung auf eine Lokalisierung des Konflikts aber Reichstags und damit auch der Sozialdemokratie eine Gefahr nicht aufgegeben, bis den Schleier für die deutsche   Deffentlich­bleiben mußte, und diese Gefahr nicht rechtzeitig und energisch feit das Bekanntwerden der russischen Gesamtmobil genug bekämpft zu haben ist die Schuld, zu der wir uns vor aller machung, zerriz. Bon diesem Augenblid an waren Welt freimütig bekennen. Die deutsche   Sozialdemokratie und das die Maffen wie bypnotifiert von der ruffifchen deutsche   Volt hätten, flarsehend, vor feinem Opfer zurückschreden Gefahr. Alles, was man vom Barismus und feinen bemaff: dürfen, um einem staatsrechtlichen Zustand ein Ende zu machen, neten Horden gehört hatte, ließ jeden Deutschen   bei dem Gedanken ber in fritischen Momenten die leste Entscheidung der aufgeregten an einen ruffifchen Einbruch in beutsches Land, an einen russischen Unfähigkeit eines einzigen Mannes überließ. Sieg und seine Südwirtungen auf die inneren Verhältnisse Deutschlands   erschauern. In diefer Banikstimmung wurde das ganze deutsche   Volt ein willfähriges Instrument in der Band der politischen und militärischen Reichsleitung.

Es ist selbstverständlich, daß sich die Sozialdemokratie in ftan­bigem Kampfe gegen das chauvinistische Altdeutscht um befand. Aber auch hier wurde ein Fehler der politischen Ein schägung begangen, da man sich meist darauf beschränkte, diese Sorte von deutschem Imperialismus als eine Art von Sans perrentum au berfpotten, ohne seine Gefahr zu erkennen. In ben

Das Argument, Deutschland   dürfe nicht warten, bis Rußlands  unermeßliche Menschenmassen an der deutschen   Grenze aufmer fiert feien, schlug überall burch. Bei dieser Stimmung tonnie

Wie man sieht, spielt bei diesen Erwägungen die Schuldfrage eine verhältnismäßig geringe Rolle. Die Bewilligung der Kriegs­frebite fand nicht nur die Billigung der Parteigenossen, die im rus­sischen Imperialismus, seinem Treiben auf dem Baltan und der Unterstüßung, die er dabei nach ihrer Ansicht bei den Westmächten gefunden hatte, den eigentlichen Kriegsgrund erblickten, fondern auch bei jenen, die an eine schwere Schuld der eigenen Machthaber glaubten, aber nicht für sie das ganze Volk büßen laffen wollten.

Nach Ausbruch des Krieges schnitt die Zensur alle objektiven Grörterungen der Kriegsschuld ab. Während der amtliche Apparat alle Scheinbeweise für die Schuld der Gegner und die eigene Un­schuld häufte und zum Zweck einer dauernden Stimmungsmache gebrauchte, war eine öffentliche Gegentvirfung nicht möglich. Noch am 5. August 1914 fonnte eine Reihe sozialdemokratischer Blätter einen Berliner   Korrespondengartikel veröffentlichen, der folgende bielsagende Erläuterung der am Tage zuvor erfolgten Krebitbe­willigung enthielt:

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Hätte es sich darum gehandelt, dem herrschenden Regime Ver­trauen oder Mißtrauen auszusprechen- nie hätte die Sozial­demokratie die Striegskredite bewilligt. Wäre es möglich gewesen, durch Ablehnung dieser Kredite den Krieg zu verhindern nie hätte die Sozialdemokratie die Rriegsfrebite bewilligt.

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Und sollte die Annahme bedeuten, daß die Sozialdemokratie den Schuldigen und Mit­schuldigen dieser Weltfatastrophe von ihrer entieblichen Verantwortung a uch nur das Allergeringste abnehmen wollte- nie hätte bie Sozialdemokratie die Kriegskredite be= milligt.

Aber Vertrauen oder Mißtrauen, wir können das herrschende Regime heute nicht beseitigen. Schuld oder Unschuld, der Krieg ist da, der das deutsche   Volt mit nechtschaft oder Ver­nichtung bedroht, und darum haben die Sozialdemokraten die Kriegstrebite bewilligt.

Seitdem wurde jeder Zweifel an der deutschen   Unschuld von der 3enjur unterdrückt. Die Fraktion, die im Reichstag noch Redefreiheit besaß, war der Meinung, daß die Erörterung der Schulefrage bis nach dem Kriege zurückgestellt werden müsse, da eine objektive Feststellung der Zusammenhänge früher unmöglich sei. Grit müsse der Brand gelöscht sein, bevor man die Brandstifter fucher fönne, war damals eine vielgehörte Redewendung. Wir halten den damit gegebenen Standpunkt äußerster Refer­biertheit in dieser Frage während des Krieges noch heute für den richtigen und bedauern, daß er von der Partei nicht immer mit boller Strenge eingehalten werden ist. Die Parteigenossen, die sich in ebrlicher Ueberzeugung zur Unschuld Deutschlands   bekannten, hätten bedenten müssen, daß anders urteilenden Parteigenossen eine öffentliche Erwiderung aus äußeren und inneren Gründen un­möglich war. Schluß in der Sonntagsausgabe.)