Einzelbild herunterladen
 

Nr.379 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 52

Bezugspreis:

Berteljährt. 30,-, monatl.10,- frei ins Haus, voraus zahlbar. Bost bezug Monatlich 10,- ML. erft. Bu stellungsgebühr. Unter Kreuzband für Deutschland und Oefterreich 16,50 Mt., für das übrige Ausland bei täglich einmal. Zustellung 21 50 R. Boftbe. ftellungen nehmen an Desterreich, Ungarn , Tschecho- Slowatei, Däne­mart, Bolland, suremburg, Schweben und die Schweiz .

-

Eingetragen in

die Boft- Zeitungs- Breislifte. Der Vorwärts" mit der Sonntags, beilage Bolt u. Rett ericheint women täglich zweimal Sonntags und Mon­tags einmal

Telegramm- Adresse:

" Sozialdemokrat Berlin".

Abend- Ausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

20 Pfennig

Anzeigenpreis:

Die achtgespaltene Nonpareillezetle Lofte 3.-M., Teuerungszuschlag 50% Kleine Anzeigen", Das tett­gedrudte Bort 1.-M.( auläifig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 60 Bfg. Stellengesuche unɔ Schlafftellenanzeigen das erfte Wort 65 Big. redes weitere Wort 40 fg. Worte über 153 Buchstaben zählen für met Worte. Teuerungszuschlag 50%. Familien- Anzeigen für Abonnenten Beile 2, M., polittiche und де wertschaftliche Bereins n eigen 3,- Mt. Die Reile ohne Aufschlag. Anzeigen für die nächste Nummer müffen bis 5 2hr nachmittags um Sauptgeschäft. Berlin SW 68, Linden. ftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet Don 9 Uhr früh bis 5 Uhr abends.

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Moritplas, Nr. 15190-15197.

Freitag, den 30. Juli 1920

Vorwärts- Verlag 6.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernivrecher: Amt Morinplas, Nr. 117 53-51.

Sturm auf die belgische Kammer. Der Sozialistenkongreß in Genf .

Brüssel , 30. Juli. ( Telunion.) Während der Landtags- lich von Bialystok und westlich des Bialowieser Forftes ihre sigung drang gestern morgen ein Demonstrationszug rückwärtigen Stellungen ein. Südlich Kobryn wurde eine bol­Kriegsbeschädigter in das Kammergebäude und versuchte, schewistische Infanteriebrigade vernichtet und 100 Gefangene ge­die Versammlung zu stören. Die Kundgebung richtete sich in erster macht. In der Gegend von Brody wurden von unseren Abteilun­Linie gegen den Minister für die Landesverteidigung Janssen. gen feindliche Kavalleriemaen angegriffen. Am Sereth ist die Die Kriegsbeschädigten hatten die Wachtmannschaften überwältigt Lage unverändert. und waren durch die Fenster in das Gebäude eingestiegen. Im Sigungsfaal der Kammer fam es zu gemeinen Schlägereien

mit den Abgeordneten. Nach Berlauf etwa einer Stunde zogen fich die Demonftranten wieder zurüd. Nachmittags gegen 5 Uhr war auch auf den Straßen die Nuhe wieder hergestellt. Anläßlich der Vorkommnisse fand ein Ministerrat statt, der eine Entschließung annahm, in der gesagt wird, daß Grund vor liege, ein Strafverfahren gegen Ons Vaderland", das Blatt der Frontpartei, einzuleiten. Dieses Blatt wird als der Anstifter der geftrigen Unruhen angesehen. Der Ministerrat er­mächtigte gleichzeitig den Generalstaatsanwalt und den Staats­anwalt des Königs, ſofortige Maßnahmen zur Einleitung des Straf verfahrens zu treffen. Das Landtagsgebäude wurde durch ein verstärktes Truppenaufgebot besest, um ähnlichen Zwischenfällen für die Zukunft vorzubeugen.

Zu der Prügelfaene in ber belgischen Rammer wird dem Hollandsch Nieuwsbureau noch gemeldet: In der belgischen Rammer follte gestern eine Gesegesvorlage behandelt werden, die die Errichtung eines Fonds für belgische Krieger vorfieht und für die der Betrag von 50 Millionen Franken bewilligt werden follte. Es kam zu einer großen Kundgebung der früheren Front­foldaten, die nach Ueberwältigung der Polizei in den Sizungsfaal eindrangen. Die Demonstrantenmenge belief fich auf 12000 bis 15000 Personen. Unter dem Rufe Nieder mit dem Ariegsminister" wurden die Fenster des belgischen Kammer­gebäudes eingeschlagen und etwa 500 Personen brangen in den Situngsfaal ein. Dort entstand ein lebhaftes and gemenge zwischen den Demonstranten und den Kammermitglie: bern. Der Abgeordnete Nubin erhielt Prügel. Die Tumulte hauerten etwa eine Stunde. Dann zegen die Demonftranten wieder cb. Um fünf Uhr war alles wieder ruhig in der Kammer und man konnte in der Verhandlung der Tagesordnung fortfahren.

Ons Baderland" hatte die Frontkämpfer au dieser Kundgebung aufgefordert. Die Manifestanten verlangten, daß jedem einzelnen von ihnen eine gewisse Entschädigungssumme ausgezahlt würde.

-

-

Morgen beginnt in Genf der Internationale Sozialisten­fongreg. Es sind nicht die Vertreter aller sozialistischen Arbeiterparteien aller Länder, die diesmal dem Ruf des In­ternationalen Sekretariats in Brüssel , des ständigen Organs der zweiten Internationale, gefolgt sind. Trotzdem blickt ein großer Teil des Weltproletariats auch jener Länder, die diesmal offiziell nicht vertreten sind Hoffnungsvoll aut Genf , das in der allgemeinen Auflösung und Verwirrung trotz alledem einen Kristallisationspunkt für die Wiederaus­Die N. E."- Korrespondenz verbreitet, der französische Mi- nahme internationaler Beziehungen zwischen den Arbeiter. nisterrat habe beschlossen, eine große militärische Attion organisationen der ganzen Welt darstellt. Man darf aber augunsten Bolens zu unternehmen, selbst wenn diese Aktion die Hoffnungen auf Genf nicht zu hoch schrauben, nicht gleich haben könnte". Der Rat habe von einem anderen Plan Fochs, der für die äußere und innere Lage Frankreichs ungünstige Folgen fertige Lösungen erwarten. Die Aehnlichkeit der Verhältnisse jett und nach dem die 2andung de 3 alliierten Expeditionstorps in deutsch - französischen Kriege von 1870/71 liegt auf der Hand. Odessa vorfieht, Kenntnis genommen. Man erwarte die Ant- Damals verftel jedoch die Internationale hauptsächlich des­worten der englischen und italienischen Regierungen, um defini- halb, weil ihre beiden Träger, die deutsche und die franzö­tive militärische Maßregeln zu ergreifen. sische Arbeiterbewegung, so sehr geschwächt aus dem Kriege infolge der Niederlage der Kommune und der unerbittlichen hervorgingen, vornehmlich die französischen Organisationen Repression, die ihr folgte, daß sie alle vorhandenen Kräfte brauchten, um sich im eigenen Lande auch nur notdürftig über Wasser zu halten. In Frankreich schien der Sozialis­musmus bis gegen 1877 überhaupt ausgestorben zu sein. Ein anderes Bild bietet sich uns heute. Wenn wir von Nordamerika abjeben, das ja bislang für die inter­Paris, 29. Juli. Der Finanzausschuß der Kammer hörte amerikanische Stapitalismus einen außerordentlichen Einfluß nationale Bewegung nicht ins Gewicht fiel, obwohl der nord­heute nachmittag den Ministerpräsidenten Miller and über den finanziellen Teil des Kohleneblommens bon Spa, Mille. auf dem Weltmarkt besaß und diesen Einfluß infolge des rand legte die ernsten Folgen dar, die sowohl nach außen wie nach Krieges noch verzehnfacht hat, dann finden wir, besophers in inien durch die Ablehnung des Gesezentwurfes entstehen würden. den europäischen Ländern. als Folge des Krieges zunächst ein G ersuchte die Kommission, ihren Bericht vorzulegen, damit die starken der Arbeiterbewegung. deren Macht dann fret­Kammer heute und der Senat morgen darüber beschließen können. lich wieder durch die vorhandenen Bersplitterungstendenzen Unter den gegenwärtigen Umständen sei es notwendig, das aufs äußerste gefährdet wird. Protofo II anzunehmen.

werden. Möglicherweise handelt es sich um einen Bluff, der auf Die Authentizität dieser Nachricht muß start angezweifelt die Sowjetregierung einen Druck ausüben soll. Jedenfalls glauben wir nicht, daß England und Italien so ohne weiteres für ein neues russisches Abenteuer zu haben sein werden.

Frankreich und der Kohlenkredit.

Der Finanz ausschuß beschloß alsdann mit 14 gegen 12 Stimmen entgegen seinem gestrigen Beschluß, nicht in die Einzel­beratung des Gesezes, das einen Kredit von monatlich 200 Minio. nen für die Dauer von 6 Monaten als Vorschuß an Deutschland borsteht, einzutreten. Man darf nunmehr annehmen, daß über die Angelegenheit morgen in der Kammer die Entscheidung getroffen wird und daß der Berichterstatter über das Gesetz, Doumer, 3u rüdtreten wird.

Mag auch der politische Einfluß der sozialistischen Partei ranfreichs heute ein offensichtlich geringerer jein als vor dem Kriege, so ist das nur eine Folge der Zuspihung der Gegensäge, des Sieges der bürgerlichen Reaktion über den bürgerlichen Radikalismus, des verfälschenden Wahlsystems, das die Partei um mehr als die Hälfte der ihr zustehenden Sie beraubt und last but not least- der Draufgänger. taftit der neuen Mehrheit. Nichtsdestoweniger zählt die so­zialistische Partei Frankreichs heute mehr als doppelt so viel Später trat der Ausschuß für auswärtige Ange Mitglieder als vor dem Kriege und die Zahl der Gewerf Iegenheiten allein zusammen und nahm nach Anhörung Mille- schaftsmitglieder hat sich sogar verfünffacht. Warschau , 30. Juli. ( T. 11.). Polnischer Heeresbericht vom rands und nach einer neuen Debatte mit 15 gegen 7 Stimmen den In den anderen Ländern ist der Fortschritt der Arbeiter­29. Juli. An der Nordfront verdrängte uns der Feind aus Gefeßentwurf an. Während der zweiten Debatte wies Briand bewegung offensichtlich. Diiowiecz. Weitere Angriffe in der Richtung Lomza und eindringlich auf die Folgen der Ablehnung im Hinblick auf die Alli­Wizna wurden abgeschlagen. Unsere Abteilungen nehmen fübierten und die allgemeine Lage hin.

Bialystok überrannt.

Die Kreditfrage in Holland .

M

Hang, 29. Juli. Die Erste Kammer hat den Gesezent wurf betreffend ben 200.Millionen Gulben Kredit an Deutschland ohne namentliche Abstimmung angenommen. schuß der Ersten Kammer über den Gesegentwurf, betref= fend das Kredit- und Rohlenablommen mit Deutschland ge­

In ihrer schriftlichen Antwort auf die von dem Aus.

bertrages enthält, und der dann später, sobald in Deutschland ein Auslieferungsgeset in Kraft getreten sein wird, durch einen neuen Auslieferungsvertrag ersetzt werden soll, der auf dem neuen Aus­lieferungsgesetze beruht.

Troß diesem Erstarten des Sozialismus, der heute zur politischen Tagesfrage geworden ist, müssen wir die Feststellung machen, daß der Krieg in allen Ländern die sozialistischen Parteien innerlich zerrissen bat. Den: selbst in Ländern, wo die organisatorische Einheit der sozialistischen Partei nicht in die Brüche gegangen ist, haben fich die inneren taftischen und prinzipiellen Gegensäge erheb lich verschärft. Vielfach ist aber nicht nur die Verschärfung

Die Grundlagen der Londoner Konferenz. der inneren Gegensäge zu verzeichnen, wofür die organisa London , 29. Juli. In der Antwort der englischen Regierung allemt eine große unflarbeit und eine taktische und torischen Spaltungen der äußere Ausdruck sind, es ist vor machten Bemerkungen, erklärt die Niederländische Regierung, an schitscherin, die Lloyd George im Unterhause berlas, heißt es: prinzipielle il ni icherheit eingetreten, die man vergebens daß die Besprechungen in Epa an Deutschlands Handels. Die englische Regierung schlägt unter der Voraussetzung, daß der durch eine unverföhnliche Haltung gegenüber der fapitalisti. freiheit Holland gegenüber nichts geändert hätten. Die Abschluß eines Waffenstilstandes zwischen Sowjetrußland und schen Gesellschaft zu mastieren sucht. Regierung habe einen Brief von dem deutschen Bolen bevorsteht, ihren Alliierten bor , an einer in London ab- Die Ursachen dieser inneren Spaltungen und Unflar­Reichstanzler Fehrenbach erhalten, in bem er ausbrüdlich zuhaltenden Konferenz, auf der auch die Sewjetregierung ber beiten sind mehrfacher Art. Zunächst führte der innere erfläre, daß seine Regierung voll und ganz bereit sei, die vertrag treten fein wird, teilzunehmen. Hauptzwed der Stonferenz folleiderspruch der Internationale gegenüber lichen Verpflichtungen ihrer Vorgängerin zu erfüllen. Die Be - die Wiederherstellung des Friedens in Europa bem Kriege zu den geistigen oder organisatorischen Gral. autem sprechung mit der Separationstommission habe die Re- fein und zwar in erster Linie zwischen Polen und Rußland auf tungen innerhalb der friegführenden Länder. Die Inter­gierung überzeugt, daß bezüglich der Ausführung des Kohlenab. Grund von Bedingungen, die die Unabhängigkeit Bolens nationale hatte uns einerseits die Landesverteidigung zur tommens feine internationalen Verwidlungen zu befürchten sind. und die berechtigten Interessen auch beider Länder sicherstellten. Pflicht gemacht, andererseits aber auch die Serbeiführung des Die Regierung beabsichtige, die für die Kreditbewilligung notwen. Die Konferenz folle auch die noch schwebenden Fragen zwischen Friedens mit allen Mitteln, und schließlich die Bekämpfung bigen Gelder durch Uebermeifung von Schabscheinen Sowjetrußland und den Randstaaten beraten, die noch nicht end- des angreifenden Zeiles. Es fand sich aber, daß im August zu beschaffen. Von einer Zwangsanleihe ist nicht die Rebe. gültig mit Rußland Frieben geschlossen hätten. Nach der Regelung 1914 die sozialistischen Parteien Frankreichs , Deutschlands , dieser Fragen fönnte die Konferenz dazu übergehen, sich mit den Deutsch - österreichische Verträge. gwischen Sowjetrußland und den Alliierten schwebenden Streit fragen und der Wiederherstellung normaler Beziehungen zwischen ihnen zu befassen.

Barrés Ruhrpolitik.

Desterreich- Ungarns , Englands und Belgiens in ihrer großen Mehrbeit alle überzeugt waren, daß ihre Länder sich in der. Im Juli d. J. haben, wie uns mitgeteilt wird, im Auswärtigen Verteidigung befanden. Auch eine Aktion zur Wieder­Amte und im Reichsjustizministerium Verhandlungen über Herstellung des Friedens scheiterte daran, daß vornehmlich) Justizverträge stattgefunden, die für die Rechtspflege in die Franzosen und die Belgier fich meinerten. vor der Deutschland und Desterreich von großer Bedeutung sind. Der Ver­Niederzwingung der Zentralmächte an einer internationalen treter der österreichischen Regierung hat der deutschen Regierung Baris, 28, Juli. Im Echo de Paris" verlangt der ergnatio- Friedensaftion teilzunehmen. bier Bertragsentwürfe vorgelegt, und zwar ben Entwurf eines Be. nalistische Abgeordnete Maurice Barrès eine französische Dieser ersten Ursache zur Spaltung und Unflarheit glaubigungbertrages, den Entwurf eines Rechtshilfevertrages. den Stuhrpolitif. Er ist der Ansicht, daß die eventuelle Bereihte sich als zweite die russische Revolution an, Entwurf eines Auslieferungsvertrages und den Entwurf cines iebung einen bollen Erfolg zeitigen müsse. Auch an der die. mit dem Sieg der. Bolichemisten, an Stelle der Demo­Berlassenschaftsvertrages. Ueber den Beglaubigungs- und Ruhr herrsche Unzufriedenheit. Der einzige Grund zur Un fratie die Diftetur, an Stelle des Sozialismus das joge­Stetshilfebertrag fam es zu einer Ginigung der Fach- zufriedenheit liege im preußischen Despotismus. Der nannte Mäteirftem fette. Der Sien der Revolution in referenten. Der Rechishilfevertrag, umfaßt die gesamte Rechtshilfe mest fälische Bergarbeiter müsse missen, wer die Urheber Deutschland und in den hauptsächlichen Ländern der in giviljachen und enthält auch eingehende Bestimmungen über die feines gegenwärtigen und vergangenen Mitgefchids seien. Man ehemaligen österreichlich- ungarlichen marchte, der der in­Bollstrechungsrechtshilfe und die Rechtshilfe in Konturajachen. An iole fich gut mit ihnen stellen. Eine folide antipreußische nerlich geiraltenen Arbeiterklaffe die Verantwortung. Stelle eines förmlichen Auslieferungsvertrages wurde Plattform müsse am Rhein aufgerichtet werden. Nur unter ohne ihr die Einigkeit und dadurch die Wt a cht gab, war ein furger Vertrag über die Rechtshilfe in Strafiachen dieser Bedingung förnten die Franzosen die 8 wangsmaßnah die dritte Ursache zur Spaltung und Untlarbeit. Die poli­beraten, der die wesentlichen Bestimmungen eines Auslieferungs. men erfolgreich durchführen, die das Abkommen von Spa vorfehe. tischen und wirtschaftlichen Folgen des Sieges des En­