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schnitt öfter ausgeliehen als nachher. Ein deutliches 1,1a daß der angeblich neue Geist neues Leben in die Biblio- losten gebracht hat, ist vorläufig noch nicht zu erblicken. di? Ncbcr die NnterhaltniigSkosteu der Berliner Gemeinde- >- schulen bringen einige Blätter eine Mittheilung, die in dem bekannten großpratschigen Ton von denenormen Summen" erzählt, die das Gemeindeschulwesen verschlingt. Es wird darin nur vergessen, auch anzugeben, wie viel Kinder in die Gemeinde- schulen gehen, wie viel Kinder andererseits diestädtischenhöheren Schulen besuchen, und welche Kosten diese dem Stadtsäckel ver- ursacheck. Hält man diese beiden Dinge nebeneinander, so ergiebt sich ein etwas weniger großartiges Bild des Berliner Gemeinde- schulwesens. Der Vergleich kann vorläufig nur für das Verwaltungsjahr 1892/93 durchgeführt werden, da über die höheren Schulen für Knaben(die der städtischen Schuldeputation nicht unterstellt sind) für 1893/94 noch keine Angaben vorliegen. Der Zuschuß der Stadt zu den Unterhaltungskosten betrug 1392/93: bei den Gemeindeschulen (einschl. Unterricht der auf Stadtkosten in Privatschulen u. s. w. untergebrachten Kinder und Unterricht an Schwachsinnige u.s. w.) 9 078 599 M.. macht bei 177 087 Kindern pro Kopf 51,27 M.? bei den Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen, sowie bei den höheren Mädchenschulen 1 494 819 4-194 039 1 593 869 Mark, macht bei 13 109 4- 4205= 17 414 Schülern und Schülerinnen pro Kopf 91,82 Mark. Unter dieser Ungleichheit leiden auf den Gemeindeschulen Kinder und Lehrpersonal in gleicher Weise. Versa, nnilungSbeschriitikung? Bekanntlich hatte der über- wachende Polizeilieutenant i» der Volksversammlung in Sans- souci am 17. September verlangt, daß die Tribünen geräumt würden, weil er dieselben nicht übersehen könne. Ans die gegen dies Verlangen von der Vorsitzenden der Versammlung. Genossin ?srau Geifenberg, eingelegte Beschwerde hat der Polizeipräsident olgenden abschlägigen Bescheid ertheilt:Auf die Ein- gäbe vom 20. September gereicht Ihnen zum Bescheide, daß ich da? Verhallen des Beamten, welcher die Volksversammlung vom 17. d. Mts. überwacht hat, nicht zu mißbilligen vermag. Zur erfolgreichen Ueberwachung einer Ver- sammlung ist erforderlich, daß der überwachende Beamte von dem ihm angewiesenen Platz aus das Versammlungslokal vollständig übersehen kann. Nach den angestellten Ermittelungen konnte der Beamte aber im vorliegenden Fall die stark besetzten Tribünen von seinem Platze aus nicht genügend übersehen. Er war daher zur Räumung derselben durchaus berechtigt. Der Polizeipräsident von Richthofen ." Gegen diesen Bescheid wird Klage im Verwaltungs- Slreilver- fahren erhoben werden. Der Sanssouci - Saal ist sehr schön zu übersehen. Nirgend ferner im Vereinsgesetz ist eine Bestimmung zu finden, die als Pflicht oder Siecht des Beaniten hinstellt, den Saal zu übersehen. Er soll sich umschauen, ob Bewaffnete im Saal sich befinden, kann das durch Aufstehen von seinem Platz erreichen, an den er durch das Gesetz keinesfalls gefesselt ist. Im übrigen soll er zuhören. Nicht Uebersicht, sondern allein Umsicht, Vor­sicht und Rücksicht verlangt das Gesetz von einem Polizei- beamten. Ob das Ober-Verwaltungsgericht gleicher Ansicht sein wird? Zur Schlacht bei Leipziger . In unserm gestrigen Ab- druck der Erklärung des Herrn Albert Brockhoff ist dem latei- nischen Zitat von dem Druckfehlerteufel, der offenbar keine klassische Bildung genossen hat, fast ebenso übel mitgespielt worden, wie dem Herrn Dr. Leipziger von seinem erzürnten Kollegen. Das Zitat, welches dem altbekannten! si fecisti nega wenn du ttwas gethan hast, was dir unbequem ist, so leugne es ab nachgebildet ist, lautet: ki cepisti, nega(colaphos) wenn du sie bekommen hast, so leugne sie ab nämlich die Hiebe, die in diesem Fall echte und rechte eolapdi, d. h. Faustschläge gewesen sein solle», so daß Herr Dr. Leipziger über den Ursprung des Worts: das paßt wie die Faust aufs Auge, in corpore vui am eigenen Leibe belehrt worden ist. Ueber dieanarchistischen" Obcrfenerwerker wird jetzt berichtet: Die Voruntersuchung gegen die Oberfeuerwerker- Schüler muß jetzt nahezu beendigt sein. Mehrere Artillerie- Regimenter haben seit Anfang dieser Woche die Weisung er- hallen, Fahrscheine für die Rückkehr der ihnen angehörenden Unteroffiziere zu beschaffen. Wie weiter mitgetheilt wird, haben am Mittwoch früh um I2Vz Uhr drei Unteroffiziere vom 2., 16. und 20. Artillerie-Regiment eine Wirthfchaft am Pots- damer Bahnhof mit dem Ausrufe betreten:Na, Gott sei Dank, wieder das erste Glas Bier!" Dann t heilten sie mit, daß sie soeben inil dem Zuge aus der Festung Magdeburg eickgetroffen seien. Sie seien mit noch mehreren Kameraden auf Befehl des Gouverneurs nach einigen Verhören aus der Haft entlassen worden, um über Berlin zu den Regimentern zurückzukehren. Die drei Unteroffiziere wollen mit dem eigentlichen Vorfall nichts zu thun gehabt haben, vielmehr erst an dem Tage der Verhaftung von einer Prüfung in die Kasern'e zurückgekehrt sein. Uebrigens feien die Verhasteten nicht so verzweifelt, wie man im Publikum anzunehmen scheine. Wie man wohlthut. Liebedienerischen Zeitungsberichten zufolge haben die Arbeiter der Berliner Wäschefabrik Gebrüder Borchardt aus Anlaß des 25 jährigen Bestehens der Fabrik ei» Fest bei boykottirtem Bier zu feiern gehabt. Außerdem ist aber auch den Arbeitern der Fabrik die nennenswerthe Summe von 20 000 M.gestiftet" worden. Da nun gegen 1000 Arbeiter bei der Firma beschäftigt sind, so fällt auf den Kopf bei einem Kapital von 20 M. ein Zins, zu 4pCt. gerechnet, von baaren 80 Pfennigen pro Jahr. Nur berufsmäßige Hetzerei wird leugnen können, daß damit schon ein Erkleckliches zur Linderung des Arbeiterelends gethan werden kann. Königlich preustische Stöckerbeleidignng? ImVolk" steht zu lesen:Sehr erstaunt waren zwei Herren, die sich das BalletCarneval " im Opernhause angesehen hatten. Unler andern Figuren erschien auf der Bühne ein sog.langer Mann", d. h. eine in ihrer Größe beliebig zu ver- ändernde Puppe. Die Maske hatte eine so beispiellose Aehnlichkeit mit dem Gesicht von S t ö ck e r, daß man beinahe eine Absicht vermuthen könnte. Jedenfalls erinnerte die Figur an einen evangelischen Geistlichen. Schickt sich das für ein Theater, und noch dazu für ein königliches?" Möge Herr Stöcker ernsthast mit sich im stillen Känimcrlein darüber zu Werke gehen, ob er. der königlich preußische Hof- predigen a. D.. sich bis dato als einein ihrer Größe beliebig zu verändernde Puppe" geberdet hat. Unseres Erachtens hat ihm Graf Hochberg ein bischen arg mitgespielt.. Gesperrt sind bis auf weiteres die Rosenthalerstraße, von der Sophien- bis zur Auguststraße, und der Kreuzdamm der Rosenthalerstraße mit der Weinmeister-, Gormann- und Gips- straße und die Sellerstraße von der Mnllerstraße bis zur Straße am Nordhasen. Niu Schiller-Deukmal wurde vorgestern das erneuerte Gitter angebracht. Einer der Arbeiter hatte seine Stiefel auf die Stufen des Postaments gestellt. Ein Berliner Junge erfaßte die Situation sehr schnell und rief einem Kameraden zu:Willem, kiek mal, Schiller kriegt neue Stiebeln!" Ei» Theaterdirektor für 130 Mark. Für das Theater Unter den Linden besitzt die Konzession der Schauspielunternehmer Krause. Gegen ihn klagt, wie man derVoff. Ztg." mittheilt, das Polizeipräsidium beim Bezirksausschuß mit dem Antrage, ihm die Konzession zu entziehen, da Kranse die bei Ertheilung derselben vorausgesetzte Zuverlässigkeit in finanzieller Beziehung nicht besitze. Kraui'e gerire sich nur als Theaterleiter, um dadurch dem Direktor Max Arendt vomAktien- Bauverein", welchem wegen seiner mangelnden künstlerischen Befähigung die Konzession versagt worden sei, die Ausübung als Schauspielunternehmer zu ermöglichen. Krause sei im Theater nur mit untergeordneten Funktionen betraut und beziehe für seine Thätigkeit vomAktien- Bauverein" ein monatliches Gehalt von 150 M. Direktor Arendt sei der eigentliche Theaterleiter. Seine Anordnungen gelten, er entscheide über Annahme und Ablehnung von Theaterstücken, über das Engagement und die Entlassung von Schauspielern. Daß dein Krause auch die Zuversicht in finanzieller Hinsicht mangele, gehe unier anderem auch daraus hervor, daß eine bei ibm wegen einer.Schuld von 40 M. vorgenommene Zwangsvollstreckung fruchtlos ausgefallen sei. Der Bezirksausschuß beschloß in seiner vorgestrigen Sitzung, über diese Behauptungen Beweis zu erhebe». Eine neueGasglühlicht-Gesellschaft" hat sich in Char- lottenburg gebildet und bereits so gute Geschäfte gemacht, daß die Polizei auf sie aufmerksam geworden ist. Es handelt sich um eine Spitzbubenbande, die sich darauf beschränkt, GaSglühlicht- Körper aus Lokalen zu entwenden. Die Polizei ist bisher ver- geblich bemüht gewesen, die ausgetrageue Geuossenfchast mit be- schränkender Haft Pflicht zu versehen. Wieder gefunden ist infolge von Zeitungsnotizen der ll'/sjährige Sohn der Bormann'schen Eheleute aus der Schön- hauser Allee 141, dessen Verschwinden gemeldet worden war. Am Dienstag Vormittag konnten die Eltern das Kind von dem Todtengräber in Frtedrichsfelde wieder abholen. Der Knabe war von Friedrichsberg aus geraden Weges dahin gelaufen und konnte dem sich seiner annehmenden Manne über die elterliche Wohnung keine Auskunft geben. Wie hängt das zusammen? Eine eigenartige Bescheerung wurde am Dienstag Morgen um 3V- Uhr der Frau des Schneider- meisters G. in der Schützenstr. 11/12 zu Theil. Bei ihr erschien eine etwa 36 Jahre alte Frau in olivfarbigem Radmantel und äußerte zu Frau G., als diese die Thür öffnete, unter Ueber- reichnng eines Packeis:Ich soll hier etwas abgeben". Frau G. sah später, daß sich ein Kind darin befand, und rief der Davon- eilenden nach:Nehmen Sie das Packet mit, es ist ja ein Kind drin!" Die Unbekannte war aber bald verschwunden. Der etwa 14 Tage alte Knabe ist nach dem Waisenhause gebracht worden. Unter dem ihn umhüllenden Zeuge befindet sich ein mit K. N. C. gezeichnetes Taschentuch. Auf der Flucht befindet sich der Musketier Herrn. Bastian, der trotz des hinter ihm erlassenen Steckbriefes noch nicht hat aufgefunden werden können. Wie nun bekannt wird, hat er sich dieser Tage bei einem Besitzer Drake in Burg bei Celle um Ar- beit gemeldet, ist von dort aber wieder verschwunden. Er hat außer Kleidungsstücken einen auf den Namen des Musketirs Kasimir Pionteck vom 35. Jnsanterie-Regiment lautenden Militär« paß mitgenommen, sich geringere Geldbeträge von verschiedenen Personen geliehen und seine Unisormstücke zurückgelassen. Ein inerkwiirdiger Fund wurde in der Nacht zum Dienstag an dem auf Station Westend einlaufenden Zug Nr. 1722 gemacht. An der Brenisstange entdeckte man nämlich einen Rockschob mit der dazu gehörigen Tasche, worin ein Notizbuch mit der Legiti- mation: Hermann Koppe, Sergeant von der I. Kompagnie In- fanterie-Regiment Nr. 20 und ein Militär-Freifahrtschein für die Strecke Wittenberg - Falkenberg, ausgestellt I. Oktober 1394. Trotzdem sofort Befehl ertheilt wurde, die Strecke abzusuchen, konnte doch die mysteriöse Angelegenheit bis jetzt nicht geklärt werden. Ein gefährlicher Mensch ist in dem Handlungsgehilfen Wilhelm Borchert festgenommen worden. Er hat in zahlreichen Fällen im vorigen und im laufenden Monat Kindern, die mit Packeten fortgeschickt worden waren, diese abgenommen und sie selbst mit erdichteten Bestellungen unter dem Versprechen einer Belohnung entfernt. B. hat oft den Inhalt als unverwendbar fortgeworfen, zum Theil aber �behalten. Ein Packet enthielt Seidenstoff im Werth von 60 Zst. und wurde verpfändet. Z» dem Todesfall in der Narkose. Die Staatsanwalt- schash hat vorgestern die Beerdigung der in einer Berliner Klinik während der Narkose verstorbenen Hildegard Eisfeld freigegeben. Die Beerdigung hat in Rixdorf unter lebhafter Theilnahme statt- gefunden. Inzwischen hatte sich schon das thörichte Gerücht ver- breitet, das Mädchen fei nur scheintodt gewesen und aus der Betäubung erwacht. Polizeibcricht. Am 9. d. M. Morgens wurde ein Mann in seiner Wohnung, in der Ritlerstraße, mit durchschnittenen Pulsadern und durch Leuchtgas betäubt vorgefunden. Er wurde nach Anlegung eines Verbandes in ein Krankenhaus gebracht. In der Nacht zum 10. d.M. wurde ein Arbeiter in seiner Woh- »ung in der Marienburgerstraße, erhängt vorgefunden. Im Laufe des Tages wurde die Feuerwehr nur einmal infolge blinden Feucrlärms gerufen. WittcrungSübersicht vom 10. Oktober 1804. Wetter-Prognose für Donnerstag, den II. Oktober 1894. Ein wenig wärmeres, vorwiegend nebeliges oder wolkiges Wetter mit leichten Regensällen und schwachen westlichen Winden. Berliner Wetterb nrean. ©eetdils-Belluna. Einer umfangreichen»vifsenschaftlichen Vorlesung über Gynäkologie und gerichtliche Medizin glich eine Verhandlung, welche gestern das Schwurgericht hiesigen Landgerichts I fast 8 Stunden hindurch beschäftigte. Die auf Mord bezw. Beihilfe lautende Anklage richtete sich gegen die verehelichte Näherin Johanna Böhm und die Näherin Anna Elisabeth C y r i a t k i. Die erste Angeklagte, deren Mann Tischler ist und zur Zeit seiner Militärpflicht in Frankfurt a./O. genügt, wurde am 6. April durch eine Frühgeburt überrascht und wird nun be- schuldigt, das noch nicht 7 Monate keimende Leben durch ge- flissentliche Vernachlässigung aller Mutterpflichten, Vorenthaltung der nöthigen Erwärmung, Reinlichkeit und Ernährung, vorzeitig vernichtet zu haben. Die bei ihr wohnende zweite Angeklagte fall dabei behilflich gewesen sein. Frau Böhm gab zu, daß sie die Frühgeburt mit einigen Wäschestücke» bedeckt und ohne weitere Fürsorge liegen gelaffen habe; sie bestritt aber, daß es sich dabei um ein lebensfähiges menschliches Wesen gehandelt habe. Die Anklage verlrat den entgegengesetzten Standpunkt, indem sie sich darauf stützte, daß das betr. Frühkind mehrere Stunden hindurch gelebt habe, da es erwiesenermaßen Bewegungen gemacht und auch Schreitöne von sich gegeben habe. Von der Frage, ob es sich überhaupt um ein lebensfähiges Wesen gebändelt, hing das Schicksal der Angeklagten ab und um diese Frage wurde sehr lebhaft gekämpft. Der gerichtliche Sachverständige Sanitätsrath Dr. Mittenzweig begründete in einem längeren, vom medi- zinischen Standpunkte auS hoch interessanten Vortrage seine dahin gehende Ueberzeugung, daß die Lebensfähigkeit dadurch erwiesen sei, daß das Kind thatsächlich gelebt habe, daß er über die voraussichtliche Dauer dieser Lebensfähigkeit ein endgiltiges Urtheil nicht abgeben könne, daß aber zweifellos der Mangel jeglicher Fürsorge diese Dauer abgekürzt habe und das betreffende Kind vielleicht noch heute leben würde, wenn es die gehörige Pflege gehabt hätte. Gegen diese Ansicht wandten sich die Vertheidiger Rechtsanw. Wolff und Makower mit aller Entschiedenheit und suchten aus Lehrbüchern der Gynä- kologie, aus dem Leitfaden des verstorbenen Prof. Schröder und anderer mehr darzuthun, daß die Wissenschaft einem solchen Fötus, wie er hier in Frage stehe, die Lebensfähigkeit abspreche. Nach einer fast unendlichen Reihe der verzwicktesten Spezial- fragen, die der Sachverständige zu beantworten hatte, stellten die Vertheidiger den Antrag, das Gutachten des Geh.- Raths Olshausen, des gerichtlichen Physikus Professor Dr. S t r a ß m a n n und des Spezialisten Dr. C z e m p i n ein- zuholen. Sanitätsrath Dr. M i t t e n z w e i g erklärte es für unthunlich, ihn gewissermaßen der Kontrolle einzelner Gelehrter oder Kollegen zu unterwerfen, hatte aber gegen ein Obergut- achten des Medizinalkollegiums und eventuell der Wissenschaft- lichen Deputation nichts einzuwenden. Der Gerichtshof lehnte den Antrag der Vertheidigung ab. Die Beweisausnahme zeigte, daß es an einem objektiven Thatbestande fast ganz fehlte. Die That hat sich ganz im Verborgenen abge- spielt, sie ist aber durch Zufall an den Tag gekommen. Die Angeklagte Böhm hat die Leiche, die sie für die eines menschlichen Wesens nicht hielt, auf demselben Heerde verbrannt, auf welchem sie später ihre Suppe gekocht. Man hatte aber in der betr. Nacht das Schreie» eines Kindes vernommen und die Angekl. Böhm hat später durch ihre eigenen Erzählungen den Verdacht auf sich geladen, das Kind vorsätzlich getödtet zu haben. Letzteres trifft auch bezüglich der zweiten Angeklagten zu, die rechtlich gar keine Verpflichtung hatte, eine etwaige Vernachlässigung des Kindes durch die Mutter zu verhindern. Auch sie hat sich durch Er- zählungen verdächtig gemacht. Staatsanw. Borchert plädirte auf Schuldig des Mordes, indem er bei der Cyriatki Mitlhäterschafl annahm. Die R.-A. Franz Wolfs und Makower hielten da- gegen eine Freisprechung der beiden Angeklagten für geboten. In einer vortrefflichen, umfangreichen Rechtsbelehrung wies der Vorsitzende, Landgerichts-Direklor H a a ck, die Geschworenen u. a. darauf hin, daß es nicht darauf ankomme, ob die Lebensfähigkeit eine längere oder kürzere gewesen. Ein Arzt, welcher einem dem Tode verfallenen Patienten, Hessen Lebensfähigkeit nur noch ganz gering sei, vorsätzlich und mit Ueberlegung vorzeitig zum Tode befördert, würde sich zweifellos des Mordes schuldig machen. Die den Geschworenen vorgelegten Fragen lauteten auf Mord, Todschlag oder fahrlässige Tödtung. Um 5 Uhr zogen sich die Geschworenen zur Berathuug zurück. Von den Geschworenen wurde Frau Böhm der fahrlässigen Tödtung schuldig, die Cyriatki dagegen nichtschuldig befunden. Der Staats- anmalt beantragte 3 Jahre Gefängniß. Der Gerichtshof sprach die Cyriatki frei und erkannte gegen Frau Böhm auf 2 Jahre Gefängniß. Saziiale U eberficht. Die Sitzung des Ausschusses des Verbandes deutscher Gewerbegerichte, welche am Sonntag, den 7. Oktober in rankfurt'a. M. stattgefunden, war von Vertretern folgender tädle besucht: Frankfurt a. M., Hannover , Halle, Karlsruhe . Leipzig , Mainz und München . Entschuldigt waren Berlin und Stuttgart . Tie Verhandlungen begannen mit einem Bericht über Entwickelung und Stand der Vereinigung. Zur Diskussion kamen dann Anträge des Gewerbegerichts Berlin , welche die innere Organisation des Verbandes und die Gestaltung des Verbandsorgans betrafen. DieMittheilungen des Verbandes deutscher Gewerbegerichte" sollen nach den gefaßten Beschlüssen auch fernerhin als Bestandtheil derBlätter für soziale Praxis" (Verlag von Siemenroth u. Worms , Berlin ) erscheinen. Eine eingehende Erörterung fand sodann, abgesehen vc« einer Reihe geschäftlicher Augelegenheilen des Verbands, ein Urtheil des preußischen Ober-Verwaltungsgerichts, demzufolge in Städten mit Bürgermeisterverfassung die Bürgermeister, weil sie die Gemeinde vertreten, als Arbeitgeber zu betrachten seien, zum Vorsitzenden im Gewerbegericht nicht berufen werden könnten. Weiler wurde über die Frage verhandelt, in wiefern kommunale Arbeits- nachweisstellen(sogenannte Arbeitsäniter) in Verbindung mit den Gewerbegerichten begründet werden könnten. Endlich ward die Frage des Rechts der Arbeiter, über die Zwischen-Unternehmer hinaus gegen die eigentlichen Bauunternehmer(Bauherren und Baukapitalisten) Klage zu erheben, besprochen. Es wurde als wünschenswerth bezeichnet, daß die Arbeiter in dieser Beziehung ebenfo durch die Gesetzgebung geschützt würden, wie das für die Banhandwerker geplant sei. Zum 73. Male wegen BetteluS verhelftet wurde dieser Tage rn Zittau ein Handschuhmacher, der aus der Pirnaer Gegend stammt und 66 Jahre alt ist. Der Skribent des Leipziger Tageblatt ", welcher dieses Vorkommniß als ein Jubiläum eigener Art" seinen Lesern auftischt, wird von derLeipz. Volksztg." abgeführt wie folgt; Ein drastisches Zeugniß von den Zuständen in der besten aller Welten, gegen die die sogenannten Bettelvereine wirkungs- los bleiben, wie alles, was die heutige Gesellschaft gegen ihre eigenen Eiterbeulen an sozialer Quacksalberei unternimmt. Dem Burschen aber, der sich in obigereigenartiger" Notiz über das elende Opfer der kapitalistischen Wirthschaftsordnung zu amü- siren scheint, wünschen wir, daß er einmal mittel- und arbeitslos auf die Landstraße gesetzt würde, er würde bald andere Ansichten über ein solchesJubiläum eigener Art" erhalten. Eine treffende Antwort erlheilt das in Zürich erscheinende politisch-salirische WitzblattNebelspalter " einem Anfrager im Briefkasten auf eine Anfrage wegen Einhaltung der Sonntags- ruhe für die eidgenössischen Angestellten folgendes: «Ihre Frage, warum die Angestellten des Bundes am eidgen. Bettag arbeiten mußten, läßt sich nicht leicht richtig beant- warten. Fragen Sie einmal in Bern an. Vielleicht erhalten Sie von dort die Antwort: Der Staat kennt keine Rück- sichten, kein Gesetz, keine Religion; er ist ein moralloser Schinder, der sich alles erlaubt, was er anderen verbietet und der seine Aufgabe kürzt und würzt durch den Schweiß, die Thränen und Sorgen seiner Arbeitnehmer. Er ist mit einem Wort das abschreckende Beispiel für die privaten Arbeitgeber." Es ist, so bemerkt hierzu dieMagdeburger Volksstimme", für die christlichen Slaatsmächtigen, deren Vertreter die Religion dem Volke erhalten wissen wollen, vernichtend, daß sie sich so etwas mit Recht sagen lassen müssen. Obdachlosigkeit in den Großstädten. In Kopen- Hagen hat sich ein Komitee gebildet, das die Errichtung einer Herberge für Obdachlose" veranlassen will. Um das Interesse der Bevölkerung für das Unternehmen wach zu rufen, hat man durch statistische Erhebungen die Ausdehnung der Obdachlosigkeit zu ermitteln versucht. Danach giebt es in Kopenhagen nicht weniger denn 2000 obdachlose Personen. Die 51 Logir- Häuser und Gasthöfe bieten im ganzen für 390 Personen Unter- kunft. Gegen 20pCt. oder I30Lagerstälten werden von Vergnügungs« und Geschäftsreisenden regelmäßig eingenommen, so daß also noch etwa 700 für die Bedürftigen übrig bleiben, während die übrigen 1300 Personen überhaupt keineLagerstätte finden. Höchstens können hiervon noch die Nachtherbergen der Heilsarmee einen Abzug herbeiführen, die aber nur im Winter eingerichtet sind. Diese Herbergen wurden im Winter 1892/93 täglich durchschnitt- lich von 251 Personen aufgesucht und im Winter 1893/94 von 275 Personen. Die neue Herberge soll 100 Betten erhalten. sodaß auch nach dem Zustandekommen derselben noch 800 bis 900 Personen obdachlos bleiben müßten.