Hc. 456 ♦ 37. Jahrgang
Heilage öes vorwärts
Dienstag, 14. September 1926
GroßGerlw proletarische ölumenschau. Hunderte von Augen glänzten Sonnwg bei dem Anblick der berrlichen Blumenarrangements, die der freigewerlsckmflliche Verband der Gärtner, Abteilung BlumengeschäflSangestellle, in einer reichhaltigen Blumenscbau im LehrervereinShaus den fi4 in drangvoll fürchterlicher Enge langsam vorwärtsschiebenden Besuchern darbot. Das Material zu dieser rein künst- lerischen Zielen dienenden Bindekunstausstellung war zum größten Teil durch Sammlungen der � Angestellten selbst aufgebracht worden. Einige weitschauende Unternehmer hatten eS bereitwillig ergänzt, und so kam eine Fülle schöner Stücke zu» sammen. Die sehr geschickte und sehr aufmerksame Führung leitete zu- nächst in die Nymphenabteilung des botanischen Gartens, der einige prächtige exotische Wasserrosen, PaphroS und ander« Tropen» sumpsgewächse entsandt hatte. Tann kamen jene Blumengruppen, die weniger durch ihre Seltenheit— man hatte absichtlich allgemein bekannte Blumen verwendet— wie durch die geschickte Art der Farbenzusammenstellung an den Schönheitssinn appellierten.— .Tnfelfreude' nannte sich ein Arrangement aus feuerroten Geranien sProletarierrosen), denen Buvardicn beigemengt waren. Einen „Teelisch' zierte die einfache, zart duftende Kapuziner -Kresie. Die jahrelang haltbare PhysaliS präsentierte sich in blauer Vase..Lust' zeigte in einem großen Kranz von Heliotrop und Primelblüten auf dunkelrotem Samt drei schmucke porzellanene Tänzerinnen.„Die vier Jahreszeiten' sprachen in Primeln sAurikeln) und Vergißmein- nicht(Frühling)— sternenförmigen Margueriten, Kornblumen, Mohn, Rittersporn als Sommer— als Herbst in einem vollen Korb viel» farbiger Astern, und als Winter in Tonnenbüscheln mit langen braunen Zapfen und Chrysanthemum zu uns. Besonders fiel auch auf eine glückliche Zusammenstellung der herbstlichen Studentenblume(Tagetes), mit dunkelrotem Fuchsschwanz in einem dunkelgestrichenen Schäferhutkorb. Ebenso Cenien im javanischen Kübel. Ein reizendes Farbenspiel ergab die Gruppe .Biedermeierstrauß', ein halbkugelförmiger Busch hellgelber Blüten auf lila Krepp mit flatternden, schmalen, sattgelben Bändern.— Eines— freien— Wandervogels Geburtstagstisch fanden wir also geschmückt: auf bäuerlich bunter, geblümter Decke der Kranz mit den Lebenslichtern, daneben ein« blaue Vase, ein Stammbuch mit Hand- gesticktem, dunklem Samtdeckel und auf dem Stuhl die neue Laute.— AIS eiliger Aufputz eines Kaffeetisches im Freien empfahl sich ein einfaches Körbchen mit rotem Mohn, leuchtenden Margueriten und Proletarierrosen, den beliebten Geranien..Eommermorgen taufte ihn glücklich unsere Führerin. — Dann wieder schmückten drei Sorten Erika eine dunkelblaue Vase. Auf einer mit zartgrünen Weingläsern und blendend weißem Porzellan bestellten.BerlobungS» tafel ' herrschte die Liberthrose vor. Ein« Biedermeierdekoration auf rundem weißgedeckien Tisch bestand aus einem großen, von buntfarbigen Blumen überquellenden Korb, den fünf kleinere, in der gleichen Weise gesüllte, wie die Monde eines Planeten reizvoll umgaben. Im übrigen kam es anscheinend stets darauf an, Behälter und Inhalt in den Farben zu einander abzustimmen. Da« gelang in den meisten Fällen geradezu glücklich. Sosah man blauen Rittersporn in hell- gelber Vase von dunkleren Bändern reizvoll umschlungen. Alte und neue Bindekunst waren anschaulich nebeneinander gestellt. Die alte unter Verwendung des bekannten Schablonenkorbes mit hohem Fuß und bandgeschmücktem, blumenüberladenem Bügel, alle« ge- drohtet und mit protziger greller Bastschleife.verziert',— die neue moderne in leichtem, freiem Arrangement langstieliger, loser, mit Rücksicht auf Farbenwirkung gruppierter Blumen. Glückliche Farbenmischung erzielte auch die Vereinigung von gelbem„Sonnen- schein' mit schwarzen Holunderbeeren in schwarzer Schale, wobei die tupfigverteilte Anordnung der wenigen Beeren besonders angenehm berührte.— Als nette Spielerei erwie« sich der Reifrock einer Bieder- meierfigur au«'lila und gelben, papiernen Immortellen. Siestand aus einem Teetisch, der mit einer beguinengesüllten Blumenschale geschmückt war.
Als Kuriosität zeigte man noch einen Strohhutschmuck aus Prä» Parierlen natürlichen Blumen. Auch einen Bilderrahmen fanden wir so umrandet. Ihn umrankten Aunkeln. die den frischen gegenüber nur ein wenig verblaßt waren in der Farbe. Als Kabinettstück der Ausstellung ist noch ein„Geschenk im Damensalon' zu erwähnen. Es war ein Arrangement aus sogenannten Wermichveilchen, kleinen veilchenblauen Stiefmütterchen und Libcrtyrosen. den kleinen purpurroten, über dem eine künstlerische Porzellanfigur, eine indische Tänzerin, tbronte. So erwies sich die Blumenschau als ein Zeichen, daß die An- gestellten der Blumengeschäfte auch ohne„akademische Bildung' sehr wohl imstande sind. Künstlerisches zu schaffen und die Herzen lausender Proletarier für die Schönheit der Flora zu begeistern. 3 Millionen für Vohnlauben. Eine Borlage des Magistrats. Der Magistrat Berlin übermittelt der Stadtverordneten» Versammlung eine Vorlage, in der er diese ersucht, sich mit der Bewilligung von 3 000 000 Mark zur Bezuschussung des Ausbaues von Wohnlauben einverstanden erklären zu wollen. In der Vorlage heißt eS: Das Wohnreifmachen leerstehender Kleinwohnungen, die Beschlag- nahm« von Bureaus und Lagerräumen und ihre Herrichtung zu Wohnungen, die Aufteilung größerer Wohnungen und die Zwangs- einquartierung von Flüchtlingen hat bisher nicht genügt, um die herrschende große Wohnungsnot zu beseitigen. Um nun, zumal angesichts der starken Schwierigkeiten, die die Finanzierung der NotwohnungSaktion augenblicklich durch- macht, die Wohngelegenheiten zu vermehren, hat der Magistrat beschloffen, den Ausbau geeigneter Sommerlauben zu Wohnlauben zu fördern. Den Laubenbesitzern sollen entsprechende Zuschüsse für den Fall, daß sie ihre Stadtwohnung nach Ausbau der Laube aufgaben. gewährt werden. Der Ausbau der schon bestehenden Lauben be« nötigt wenig Baustoffe, und da die Besitzer die Arbeiten selbst aus- führen, ist zu hoffen, daß bei billiger und guter Ausführung von der Herstellung in größerem llmfange Gebrauch gemacht werden wird. Die sachgemäße Ausführung und die Bewohnbarkeit während des Winters soll durch die Wohnungsinspektionen überwacht und geprüft werden. Es wird damit gerechnet, daß sich in Berlin in kurzer Zeit ungefähr 600 Laubenbesitzer zum Ausbau ihrer Lauben und zur Aufgab« ihrer Stadtwohnungen bereit finden werden. Für die vezufchuffung de» Ausbaue« dieser Wohnlauben hält der Magistrat einen Fonds von 3 Millionen Mark, das heißt durch- schnitilich 6000 Mark für jede Wohnlaube, für aus- reichend.-_ Gegen die Härten des VersorgnngSgesetzeS. Die am Sonntag in der Unionsbrauerei veranstaltete Pro- testkundgebung des Reichs bundeS der Kriegsbeschädigten gestaltete sich infolge ihres Massenbesuches zu einer wuchtigen Anklag« der Kriegsopfer gegen das verabschiedet« Reichsversorgungsgesetz. Der Referent Gauleiter Bader führte auS, daß daS neu« Reichsversorgungsgesetz wohl sehr viel Gutes und Brauchbares für ine Versorgung der Kriegsbeschädigten enthalte. Der Verfolg der Ansprüche, ihre Geltendmachung und die Beseitigung der Dienst- grade sei unbestveitbar ein wesentlicher Fortschritt, ebenso der Anspruch und die Durchführung der Heillbohandlung. Bedauerlich sei eS, daß die Hinterbliebenen mit ihrem Heil« anfpruch abgelehnt wurden. Gin Mißgriff und«in« soziale Un g e r e ch t i g k« i t sei es jedoch, daß die Berufs schaden- r e n t« nicht nach individuellen Gesichtspunkten, sondern in Form von vhen AuSgloichSzuschlägen für bestimmte Berufsklassen gegeben werde. Das käme der Uebertragung deS ehemaligen preußischen D reif lasse nwahlrecht? auf die Rentenhöhe der Kriegs- beschädigten gleich Widersinnig sei der im§ 63 enthaltene Ab- zug der Rente schon bei verhältnismäßig niedrigen Ginkom- menSgrenzen. ES gäbe niemand in Deutschland , der derartig scharf zur Steuerlcistung direkt und indirekt herangezogen werde, denn der Abzug der Rente müsse wie die direkt« Besteuerung der Kriegs- gewinne wirken, kein Kriegsbeschädigter werde nunmehr noch ver- suchen, Akkordarbeit zu verrichten, bzw. sich um Arbeit bemühen.
Bedauerlich sei es, daß selbst die beiden größten Arbeiterparwiev dem§ 33 zugestimmt hätten. Demonstrativer Beifall begleitete diese Ausführungen, den aud Herr T i e d t vom Internationalen Bund nicht abschwächen formte Seine Ausführungen, die sein« Haltung rechtfertigen sollten, wur- den selbst von seinen anwesenden Freunden, die in großer Anzahl erschienen waren, durch Schluß- und Pfui-Rufe unier- brachen. Den Höhepunkt erreichte die Spannung, als ihm(Tiedt) vom Referenten im Schlußwort nicht nur seine Ausführungen widerlegt, sondern auch nachgewiesen wurde, daß er keinen Grund hätte, Kriegsfreiwillige zu beschimpfen, zumal er sich selbst seinen Truppenteil ausgesucht habe. Er mußte sich werter sagen lassen. daß seine.Haltung und das Programm des Internationalen Bunde? in der Rentenfrage weder sozial noch sozialistisch, viel weniger noch kommunistisch, sondern reaktionärer als da» alte MannschastSversorgungsgesetz von 1006 sei. Noch nie ist ein demagogisches Schlagwort und der Verbreiter desselben so rücksichtslos enthüllt worden, fruchtbaren Boden fand daher der Ruf des Referenten nach einer Einigung der Kriegsbeschädigten. Die Versammlung beschloß, nicht zu demonstrieren, nahm jedoch eine Entschließung an, in der schleunig st e Abänderung des Gesetze? von allen Parteien gesondert wird.
Die Falschmünzer im Forsthaus. Die Falschmünzer haben m der letzten Zeit sehr viel„Pech' gehabt. Innerhalb der beiden letzten Monate sind in verschiedenen deutschen Städten neun Falschmünzerwerk statten aus- gehoben worden, noch bevor die Hersteller mit dem Druck fertig waren. Drei dieser Banden hatten die Ansertiigung von Hundertmarkscheinen versucht. Zu diesen Erfolgen der Polizei hat die Auf- merksamkeit des Publikums wesentlich beigetragen. Die Berliner Falschmünzer hatten es deshalb für geraten gehalten, ihre Werk- statten nach außerhalb zu verlegen. So auch die erst kürzlich ver- hastete Falschmünzerbanbe Otto und Genossen. Der Buch- druckmaschinenmciister Albert Otto war als einziges Mitglied der berüchtigten Falschmünzerbande Böhlke und Genossen der Fest- nähme entgangen. Er hatte sich jetzt mit einem Chemiker Fritz Krüger aus Altdamm , einem Zigarrenhändler Burgemeister aus Stettin und zwei Berliner Gesinnungsgenossen zur Herstellung von Falschgeld zusammengetan und auch bereits zwei Handel»- schiffökapitäne gewonnen, die das Geld in finnischen Häsen um- letzen sollten. Die Gesellschaft hatte ftch gegen einen Pensionspreis von wöchentlich 1S00 M. bei dem staatlichen Forstsekrctär R e d d i n in dessen Försterei Elsenau im Bezirk Stettin eingenistet und m 'hrem Zimmer eine regelrechte Falschmünzerwerk» statt eingerichtet. Sie hatten schon mit dem Druck begonnen, als die Kriminalwachtmeister Hasenbank und G r a tz von der ReichSbank-Falschgeldabteilung in der tief im Wald« gelegene« Försterei plötzlich auftauchten und die Falschmünzer festnahmen. Andere Falschmünzer begnügten sich aber nicht nur damit, ihre Werkstätten auS Berlin zu verlegen, sondern sie verlegten sich auch auf andere Banknoien. So hat die Falschgeldabteilung der Reichs- benk in der letzten Zeit schon Nachahmungen von polnischen Ta u s e n» m a r k s ch e i n e n und sogar auch ägyptischenEin- Pfundnoten unterbinden können. Die Darlehnskasse Ost, die vor einiger Zeit vor w Umlauf befindlichen Nachahmungen rhrer Kassenscheine gewarnt hatte, hat sich jetzt dem Vorgehen der Reichs- banf gegen di- Falchmünzer angeschlossen. Mitteilungen über die k'-alsHu ng.cn ibrer Noten sind ebenfalls an den Leiter der Reichs« bank-Falschgeldabteilung, Kriminalkommissar von Liefoermann, Kur- straße 49, zu richten. Für Mriteilungen, die zur Aushobung von Fälscherwerkftätten, in denen ihre Noten nachgemacht werden, führen hat die Darlehnskasse Ost ebenso wie die Reichsbank Be- lohnungen bis zu 10 000 M. ausgesetzt. Me
Da» Gehalt des Bürgermeisters und das der Stadträte' ist am kommenden Donnerstag nochmals Gegenstand einer außer» ordentlichen Sitzung der neuen Berliner Stadtverordnetenver- sammlung. Der Oberpräsident hat bekanntlich gegen die festgesetzten Gehälter Einspruch erhoben. De » Wahlausschuß der neuen Berliner Stadtverordnetenver- sammlung tagt« am Montag abend im Senatorensaal des Berliner Rathauses. Es handelte sich lediglich um die Wahl der vier Fach- dezernenten für das Bauwesen der Stadt Berlin . Nach einer mehrstündigen eingehenden Aussprache wurde die Weiterbcratung aus heute, Dienstag, vertagt. Wie wir hören, besteht Aussicht, daß die beiden jetzigen Stadtbauräte, Geheimrat Dr. Ludwig Hoff- mann und Geheimrat Ferdinand Krause, vom Ausschuß dem Plenum als alleinige Kandidaten empfohlen werden.
Das Licht der Heima". 12] von August filnrich». Erst sah sie sich etwas scheu um, aber Harm arbeitete still für sich weiter, und sie begann leise zu erzählen. Und die toten Dinge bekamen ihre Joelen. Die leere Erde bevölkerte sich, die Steine wurden lebendig, die Bäume erhielten Gesichter, und auS Sumpf und Nebel stiegen fremde Gestalten. Das Heimlichste ober von allen Dingen der Erd« war für den kleinen Dierk da? dunkle Moor. Da hinein tauchte Abend für Abend der rote Sonnenball, und wenn er versunken war, loderte noch lange ein goldenes Leuchten und Glühen über dein Sumpf.. Und später, wenn alles erloschen war, und nur noch dre blassen Nebel langsam und traurig zogen, huschten aus dem Moor kleine Lichter, bald hier und bald da, stammten auf und erloichen wieder, geheimnisvoll und unfaßbar. „Mutter," fragte er dann wohl,„was sind daS für Lichter?" „Irrlichter, mein Dierk." „Wohnen da auch Leute?" «Nein, im Moor kann niemand leben, nur die Moorhexe wohnt dort. Aber die ist böse und läßt niemand dorthin." „Mutter, erzähl mir," bettelte er und schmiegte sich fester in ihren Arm. Und einmal erzählt« sie ihm die Geschichte von der Moor- hexe, und die drang so tief in fem kleine? Herz, daß er sie nie wieder vergaß. „Mitten im Moor," sagt« die Mutter,„liegt ein Kolk. der ist bodenlos tief, und sein Wasser ist schwarz und tot. Da sitzt ein steinalter Rabe am Ufer, der tut, als wenn er schliefe. Aber er muß aufpassen, und wenn jemand kommt. muß er dreimal krächzen, daß die Moorhexe es hört. DaS ist ein böseS Weib, die Moorhexe, noch älter als der Rabe und ganz krumm und braun. m,r ihre Augen sind grün. Die wohnt unten im Kolk und bewacht die Prinzessin." „Tie Prinzessin?" fragte Dierk. „Ja, die Prinzessin, die unten im Moor liegen muß zu schlafen, tausend Schuh tief unten im Moor. Und das kam so: ES war einmal ein alter König, der hatte ein« einzige
Tochter, und die war so schön, daß jodermann sie liebhaben mußte. Das hörte der Sumpfkönia und hätte sie gern gesehen. Da wartete er, bis eS einmal lange regnete, so daß alle Gräben voll waren und er ganz bis an das Königsschloß schwimmen konnte. Dann sah er durchs Fenster und sah die Prinzessin, wie sie gerade ihr Haar kämmte, und das leuchtete so golden, daß eS im ganzen Zimmer hell davon war. Da gefiel sie ihm so sehr, daß er sofort zum König ging und seine Tochter zur Frcrn haben wollte. Aber als die Prinzessin ihn sah, erschrak sie, denn er hatte Schilf auf dem Kopf und Flossen an den.Händen, und sein ganzer Leib war schwarz und naß von Schlamm. Da graute ihr davor. Sumpfkönigin zu werden und bei den Fröschen im Schlamin zu leben und Kinder zu haben, die auch so schwarz und häßlich waren und Flossen an den Händen hatten. Sie wollte nicht, und der Sumpfflönig mußte allein abziehen. Ter tauchte zornig wieder in seinen Sumpf und schwamm nach seiner Großmutter,>daS ist die Moorhexe, und klagte der sein Leid. Da versprach die Moorhexe, ihm zu helfen. Sie ging gleich hin zum König, aber als der hörte, daß das böse Weib seine Tochter holen wollte, ließ er sie fortjagen. Da tat die Moorhexe einen Fluch, daß sie ihn und sein gan.zes Land verderben wollte, wenn die Prinzessin nicht die Frau des Sumpfkönigs würde. Nun ließ der König den ganzen Sumpf bewachen, daß weder der Sumpfkönig noch die Moorhexe herauskonnten. Aber am anderen Morgen kam ein Ritter und meldete, daß der Sumpf gewachsen sei und immer weiter wachse und fast bis an den großen Eichenwald reiche, der rings ums Schloß lag. Aber bald standen auch die stafiken Eichen schon im Sumpf, und dann starben ihre Blätter ab, und dann neigten sich ihre Stämme auf die Seite und versanken, und rund umher wurde alle5 ein einziger großer Sumpf. Da ließ der König einen festen Damm um sein Schloß bauen, so hoch, daß nur ein einziges Fenster darüber hinweg sah, und alle Leute retteten sich ins Schloß. In der Nacht aber, als alle? schlief, stand der König an dem hohen Fenster und sah, wie der Sumpf immer höher und höher wuchs und fast bis an den obersten Rand stieg. Und auf einmal ram 'chte es draußen im Sumpf auf, und die Moor hexe stechte ihren Kopf heraus und fang:
„De Sump is swart, de Sump iS groot, Dien Land und Riek liggt deep und doot. Dien Dochter iS SumpkönigS Brut— Sumpkönigs Brut giff us herut.' Da bog sich der König ganz zum Fenster heraus und sang der Moorhexe die Antwort: „Sumpkönigs Brut is Pogg und Kröt, Mine Dochter hett snrnvitte Föt. Beel lecwer lieggt se deep und doot, � Ehr bot se stiggt in Dienen Soot ." AIS das die Moorhexe hörte, schlug sie wütend mit einem großen Besen nach dem Schloß, da versank es mit allem, was darin war, tausend Schuh tief, und seit der Zeit ist hier nur noch Sumpf und Moor. Und wo das Schloß gestanden hat. ist jetzt der tiefe, tiefe Kokk. Da unten schläft nun die Prinzessin und wartet, bis jemand kommt, der sie erlöst. Aber das ist nicht leicht, denn niemand weiß den Weg. Deshalb fliegt an jedem Abend ein Glühwürmchen aus, das soll leuchten: aber dann taucht die Moorhexe ihren großen Reiserbesen in den Kolk und be- sprengt daS ganze Moor damit. Und überall, wo ein Tropfen hinfällt, hüpft eine Flamme an der Erde ,.um die Laute irreznfiihren, daß sie in den Sumpf geraten. Dann packt die Moorhcxe sie und zieht sie hinab, daß sie im Schlamm versinken. Und die Prinzessin hat noch keiner erlösen können, sie wartet noch immerzu." Als die Mutter schwieg, blieb Dierk still in ihrem Arm. Sie glaubte, er sei eingeschlafen, aber er sah nur nachdenklich aufs Moor hinaus. „Mutter," sagte er plötzlich,„ich will die Prinzessin suchen." „Kinder dürfen nicht hin," sagte sie und hielt ihn fest im Arm,„die werden gleich von der bösen Moorhexe gepackt." „Wer wenn ich groß bin, dann, Mutter!" „Wenn du groß bist � ja, dann darfst du die Prinzessin suchen," sagte sie und lächelte ftübe. Dierk aber spähte künstig immer nachdenklicher übers Moor und nach den Irrlichtern. Hinter den Nebeln glaubte er die Moorhexe zu sehen, und als man einmal beim Torf- graben einen riesigen Eichenstamm fand, wurde ihm daS Märchen noch mehr zur Wirklichkeit. Gorts. folgt.)