Nr.466 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 96
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Sonntag, den 19. September 1920
Lockspitzel allerwege.
Achtung, Erwerbslose!
Die, Arbeiter- Union" ruft für Montag, den 20. d. M. zu großen Arbeitslosendemonstrationen auf. Wir warnen unsere Anhänger, sich an diesen von unverantwortlichen Elementen, die von niemand einen Auftrag haben, einberufenen Versammlungen zu beteiligen. Laßt es nicht zu, daß politische Fanatiker, Geschäftemacher und Spitel Eure materielle Not ohne Rücksicht auf Euer Leben und Eure Gesundheit für ihre Zwecke
ausnügen.
Die bayerischen Königsmacher. Eine Anfrage an die Regierung. Unsere nordbayerischen Genossen richten folgende offene Anfrage an die Reichsregierung und an den bayerischen Ministerpräsidenten:
Am 24. und 25. September findet in München das Landesschießen statt. In der Bevölkerung gehen Gerüchte um, daß zur gleichen Zeit die bayerische Einwohnerwehr in Bereit schaft gehalten wird, daß die Münchener bewaffnete Reich 3 wehr zur Verstärkung der bewaffneten Einwohnerwehren zugezogen wird. Außerdem werden die ehemaligen Generale Ludendorff und Hindenburg sowie der ehemalige baye rische König anwesend sein.
Die Gerüchte tragen dazu bei, die Unruhe in den Kreisen ber treu auf dem Boden der Verfassung stehenden Bevölkerung ins Ungebeure zu steigern, insbesondere auch in den weiten Kreisen der nordbayerischen Industriearbeiter.
Vorwärts- Verlag G.m. b. H., SW. 8, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Morigplat, Nr. 117 53-54.
Einheitsstaat und Partei.
Die Vorgänge in Bayern und die von uns bereits mitgeteilte Entschließung des Bamberger Bezirkstages der Sozialdemokratie Frankens lenken die Aufmerksamkeit erneut auf die Notwendigkeit, das Gefüge der Deutschen Republik fester zu gestalten. Der nachstehende Aufsatz, der als Beitrag zur Debatte über den Parteitag bestimmt war, gewinnt dadurch erhöhtes aftuelles Interesse.
Der Reichskanzler Fehrenbach hat sich verpflichtet, für Ruhe und Ordnung im Reiche, und Herr Kahr für Ruhe und Ordnung in Bayern Sorge zu tragen. Wir stellen im Namen der verfassungEs ist heute in unserer Partei kaum mehr üblich, daß treuen Bevölkerung Nordbayerns die Frage, was diese Herren angesichts der Gerüchte in der Bevölkerung zu tun gedenken, und ob Frauen über anderes schreiben, als über Frauen-, Schul-, sie bereit sind, die republikanische Verfassung Bayerns , die durch Wohlfahrtsfragen oder ähnliches. Man gestatte es mir eindie angesagten Vorgänge auf dem Landesschießen bedroht ist, mal, auch das gehört zur Gleichberechtigung. zu schützen. Es ist nicht anzunehmen, daß der Kasseler Parteitag sich
Da mit Beschleunigung der Aufklärung die Beruhigung der über die Art der Erneuerung unseres Parteiprogramms Bevölkerung eintreten würde, verlangen wir im Interesse des schlüssig wird, da die dabei zu erörternden Fragen in den Reiches und Bayerns so fortige Aeußerungen der Re- Kreisen der Mitglieder noch viel zu wenig besprochen worden gierungen.
Ferner erging folgender Aufruf:
An die gesamte republikanische Bevölkerung Nordbayerns! Spikel sind am Werte, provozierend suchen sie eine Explosion herbeizuführen, und der Reaktion Gelegenheit zu geben, ihre Um sturz versuche und die Aufrichtung der Militärdiktatur in die Tat umzusetzen.
Arbeiter und Arbeiterinnen, Freunde der Freiheit Bayerns , laßt Euch nicht provozieren! Seid vorsichtig in Guren Gesprächen, Ihr werdet belauscht!
Das Landesschießen wie das Zusammenziehen großer Teile der bayerischen Einwohnerwehren soll benutzt werden, den Bersuch zu Käufliche Subiette fino am Werke, um der Reaktion 3 bem meu banter beat, zu Sie hoge au bereiten faltet unternehmen, die rechtmäßige Berfassung zu stürzen. die Wege zu bereiten! Haltet Euch fern von allen Ansammlungen
Minifterium Kahr in Aengften.
bereitungen bis ins Einzelne für eine Militär- wenn Ihr gerufen werdet! biktatur getroffen find? Ist dem Reichskanzler und dem bayerischen Ministerpräsidenten ferner bekannt, daß Spizel a Werke sind, die das Zusammentreffen der Reichswehr in Mün chen zu benugen versuchen werden, die Bevölkerung zu provozieren, um so die Gelegenheit zur Aufrichtung der Militärdiktatur zu schaffen?
Sozialistischer Wahlsieg in New York .
New Yort, 18. Sept.( Frtf. 3tg.") Die Nachwahl in fünf Bezirken New Yorks , deren sozialistische Vertreter im Staatsparlament seinerzeit als„ Bolschewisten" ausgeschlossen worden waren, hat einen glänzenden Wahlsieg der Sozialisten über die gemeinsame Lifte der Gegner ergeben.
Die New Yorker Opfer.
New York , 18. September. ( Telunion.) Die Zahl der Toten bei dem Explosionsunglück beträgt 33, darunter drei Frauen. Berlegt wurden 200 Personen.
Ein angeblicher Terrorist Fisher, der wegen Drohreden verhaftet worden war, ist als Geist estranter festgestellt worden.
Jrlandbahn lahmgelegt.
Die Great Northern Eisenbahngesellschaft in Irland hat mit geteilt, daß infolge der Weigerung einer Anzahl von Angestellten der Gesellschaft, Züge zu fahren, die Polizei oder Militär
befördern, vom nächsten Montag ab alle Zugverbindungen zwischen Dundalk und Enniskillen und auf den anschließenden Linien für un bestimmte Zeit eingestellt werden. Desgleichen wurde mitgeteilt, daß der Dienst zwischen Dublin und Belfast eingeschränkt werde.
London , 18. September. ( Hollandfch Nieuwsbureau.) Bier zehn Bürger brangen in das Gebäude der kooperativen Heer und Flottenliga in Dublin ein, knebelten den Wärter und stahlen sechs Kisten Munition. Der Poftzug von Dublin wurde in Cork von Militär angehalten, alle Briefe aus dem Zuge genommen, nach der Kaferne gebracht und zensiert. Lloyd George hat den hungernden Bürgermeister ärztlich unterfuchen lassen, von Freilassung ist aber keine Rede.
Wie die Münchener Zeitung" erfährt, hat das bayerische Ministerium des Innern neuen Einspruch bei der Reichsregierung gegen die Unterbringung übergetretener russischer Truppen in bayerischen Gefangenenlagern erhoben.
Polnische Waffeneinfuhr.
Das im polnischen Industriebezirk erscheinende Blatt Glos Prach"( Stimme der Arbeit) forderte am 22. August auf, Waffen und Munition, Nahrung und Pflegematerial zur Rachearbeit der oberschlesischen Polen an der Sicherheitspolizei der polnischen Kommandantur in Schoppinit zuzusenden.
Die Schandwirtschaft dauert an. Eine neue Eingabe der deutschen Parteien und Gewerkschaften an die Ententevertreter führt zahllose neue Gewalttätigfeiten zur Bekräftigung folgender Forderungen
an:
nehmern.
Wiedereinsetzung der gefeßlichen Behörden. Freihaltung der Aemter und der Polizei von AufstandsteilDurchführung der Entwaffnung, insbesondere durch Grenzsperre gegen Waffenschmuggel.
sind. Es wird dazu kommen müssen, einer Ausarbeitungskommission Richtlinien zu geben. Die endgültigen Beschlüsse werden wohl erst auf dem Parteitag von 1921 gefaßt werden fönnen.
Aber es gibt Fragen, zu denen schon der diesjährige Barteitag Stellung nehmen muß, auch wenn die Stellungnahme im Parteiprogramm festzulegen ist, Fragen, die vor dem Forum der Partei noch nicht erörtert worden sind, die aber einer einheitlichen Behandlung durch den Parteitag bedürfen. Dazu gehören vor allem: die Frage der Staatsform. Nicht etwa als ob ich noch eine Erörterung darüber herbeiführen wollte, ob die Sozialdemokratische Partei auf dem Boden der demokratischen Republik steht. Aber es handelt sich Frage ist in Weimar ein stompromiß gelbaffen worden, um die innere Struktur der Republik . Auch in dieser eines, das die Wege zum Fortschritt nicht verbaut. Schon der taiserliche Bundesstaat Deutschland mußte aus politischen und wirtschaftlichen Gründen den Schwerpunkt der Gesetzgebung aus den Bundesstaaten in das Reich verlegen. Weimar ist der Bundesstaat begraben, aber der Einheitsstaat noch nicht geschaffen worden. Aber der Weg zu ihm ist frei. Die bedeutungsvollsten Organe des Reichs werden nicht mehr von den Einzelstaaten gebildet. Das Reich hat sich wichtige Gebiete der Gesetzgebung, die vorHer den Einzelstaaten überlassen waren( z. B. tatsächlich die Einkommensteuer-, programmatisch die Schulgesetzgebung) an geeignet, und wichtige Verwaltungszweige, wie die Finanzund Eisenbahnverwaltung sind auf das Reich übergegangen. Der Reichstag hat die Freiheit, in dieser Richtung weiterzugehen.
In
Aber wir leben in der Zeit der Reaktion, des Ansturms gegen all das Neue, was nach der Revolution geschaffen worden ist, auch gegen das Bestreben, aus dem Bundesstaat eine einheitliche Republik zu schaffen. Es ist heute nicht anders, wie es immer seit 1848 war. aktion will an der 3eriplitterung, am Bundessta at festhalten, weil sie weiß, daß große Reformen sich bei einheitlicher Gesetzgebung und Verwaltung leichter durchführen laffen. Mit Erfolg ist in der letzten Zeit gegen das Bestreben, auf weiteren Gebieten eine einheitliche Reichsgesetzgebung zu schaffen, Front gemacht worden. Von der Verreichlichung der Justizverwaltung ist nichts mehr zu hören, aber auch nicht davon, daß die Sozialdemokraten zu all diesen Fragen Stellung genommen hätten. Und doch ist das dringend notwendig. Denn von den Parteien, die bereit sind, die heutige Staatsform zu verteidigen, ist die Sozialdemokratische zweifellos die entschlossenste und stärkste. Das verpflichtet sie zu einem Programm über den inneren Ausbau der Re publik .
Am Schlusse heißt es: Wenn Zusammenarbeit und bürgerAm Schlusse heißt es: Wenn Zusammenarbeit und bürger liches Leben nicht anders gedeihen können als auf dem Fundament bon Ordnung und Frieden, so gelten diese Vorausjebungen erst recht für die Abstimmungshandlung, die nach ihrer Natur die Gemüter besonders erregen wird. Wir wiederholen daher alle der Hohen Interalliierten Kommission zu Gebote stehenden bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des Arbeiterrechts z. B. nochmals die oben aufgestellten Forderungen und verlangen, daß Daß die großen Reformen, die jetzt auf dem Gebiet des Mittel dafür eingesetzt werden, die Ruhe und Ordnung fünftig zu notwendig find, für das ganze Reich durchgeführt werden sichern. Hierzu gehört die Ausweisungsbefugnis nach § 3 Abs. 6 der Anlage zu Artikel 88. Wir halten es für unab müssen, ist wohl jedem selbstverständlich. Für viele aber hört weislich, daß in einem so tumultuarischen Lande, wie es Ober- diese Selbstverständlichkeit schon auf, wenn es an andere Fraschlesien geworden ist, die Abstimmungspolizei start dagen, wie die Umgestaltung des Wirtschaftslebens, die Reform steht. Uns schwebt als Zahl das Gineinhalb bis Zweifache der der Staats- und Kommunalverwaltung, die Erneuerung der Wohlfahrtspflege geht. Wer diese Reformen will, der muß früheren Sicherheitspolizei vor. Wir bitten um baldige Bildung und Einberufung des pari- fich sagen, daß eine Zersplitterung in unzählige fleine Refor tätischen Beirates, Wir sind der Meinung, daß diesem das men nie zu dem gewünschten Ergebnis führen kann, und daß Abstimmungsreglement vor seiner Veröffentlichung vor- die neinheitlichkeit auch auf diefen Gebieten beseitigt werden Am Donnerstag sollte der Tag gefeiert werden, an dem gelegt und das Urteil oberschlesischer Männer gehört werden muß muß. In der Oeffentlichkeit sind die Schäden, die aus dem Enpen und Malmedy endgültig Belgien zugeschrieben über die vielfältigen Zwedmäßigkeitsfragen, die sich mit der großen verschiedenartigen Jugend- und Armenrecht der Länder den wurden, und obwohl die Behörden die Bevölkerung aufgefordert hatten, unantastbaren Forderung einer Abstimmung über die politische ZuFlaggenschmuck herauszubringen, war fast nirgends eine Flagge zu gehörigkeit Oberschlesiens verknüpfen.
fehen.
Flaggen auch noch!
Jm belgischen Wappen steht:„ Dieu et mon droit!"( Gott und
mein Recht). Nach dem schmachvollen Raub des Protestrechts in Auch Léon Bourgeois hat es abgelehnt, Frankreichs Bräfident Eupen- Malmedy könnte dieser Spruch besser lauten: Das Un- zu werden. recht ist mein Gott!"
Doch noch Genf ? Eine Reuter Meldung behauptet, nach neueren Beratungen werde die Genfer Stonferenz in der dritten Dftoberwoche unter Teilnahme der Deutschen stattfinden.
Streisen, die diese Gesetze in Anspruch nehmen müffen, erwachsen, oft genug besprochen worden. Statt der Beseitigung der alten Schäden würden dann neue kommen. Und die Umgestaltung des Wirtschaftslebens, die unser vornehmstes Ziel ist, ob man sie nun auf die Schmidtsche oder Was soll der Völkerbundidealist auch gegenüber dem Wissellsche Weise herbeiführen will, fann doch nur im Rahmen regierenden„ nationalen Blod"? Die Nationalversamm des großen Deutschen Reiches erfolgen. Warum suchen unsere Iung( Rammer und Senat) tritt am 23. d. Mts. 2 Uhr zusammen. österreichischen Genossen den Anschluß? Aus nationalen Vorspiegelung falscher Tatsachen. Ungarn führt die mittel- Gründen, aber doch auch weil sie wissen, daß sozialistische europäische Zeit ein. Das wird einen über die asiatischen Kenne for men in einem großen Staate leichter durchzuzeichen dieses chriftlichen" Staates hinwegtäuschen! führen sind als in dem überwiegend agrarischen Desterreich.