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Nr.471 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 93

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Abend- Ausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Mittwoch, den 22. September 1920

B

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Moritplas, Nr. 117 53-54.

Die Linksparteien gegen Millerand! Krisenstimmung ohne Kriſe.

Paris  , 22. September.  ( WTB.) Die demokra-] tische Linke, die Sozialisten, die Radikalen und

Trikolorenraub= 500 M. Geldstrafe! Die Strafkammer des Landgerichts verurteilte heute den Nohr­die radikalen Sozialisten haben gestern beschlossen, leger r& e minski, der am 14. Juli die franzöfifche die Kandidatur Millerands abzulehnen und einen Fahne vom Botschaftsgebäude herunterholte, au 500 m. Gegenkandidaten aufzustellen, über deffen Geldstrafe. Der Staatsanwalt hatte 9 Monate Gefäng. Namen heute Beschluß gefaßt werden soll. Leon Bour- nis beantragt. geois wird neben Péret am meisten genannt.

Die mißtrauischen Senatoren.

denten der Republik zu vergrößern.

( Den Verhandlungsbericht finden die Leser auf der dritten

Seite. Red.)

dern.

Nachdem die totale sowohl wie die partielle Reichs­regierungsfrise offiziös abgesagt worden war, durfte man hoffen, daß die Frage der Regierungsumbildung einst­meilen zur Ruhe kommen würde. Aber o weh, die Bossische Beitung" leitartikelt schon wieder unter der bangen Ueber­schrift Was wird heute?" über die heutige Kabinettsfizung, die über die Ministerkrise" beraten soll. Gleichzeitig ver­öffentlicht das Berliner Tageblatt" den Bericht über eine Rede Dernburgs, die mit folgendem Ergebnis schließt: Der Parteiwirrwarr ist unerträglich. Jm Raiche haben wir eine Regierung aus Zentrumt, Volfspartei und Demokraten, in Paris  , 22. September.  ( WTB.) Ministerpräsident Mille­Breußen ist eine Regierung aus Sozialdemokraten, Zentrum und Der Bergarbeiterstreik unvermeidlich. rand empfing gestern abend eine Anzahl Senatoren, die von Demokraten und in Groß- Berlin aus Sozialdemokraten und Unab­ihm bezüglich seiner Erklärungen die Versicherung haben wollten, Erklärungen Smillies.- Transportarbeiter solidarisch. hängigen. Da ist keine Zusammenarbeit möglich. Wir sind in­daß diese Erklärungen über die Revision der Verfassung keine Paris  , 22. September. Nach einer Matin"-Meldung mitten einer Krise. Wir brauchen im Reiche eine Regierung unter Die Regierung muß Aenderung der inneren Politik darstellten. Millerand aus London   hat sich Smillie dahin geäußert, daß, nachdem Mitwirkung der Sozialdemokratie. erklärte, daß er die Aenderung gewiffer Artikel der Verfassung die Verhandlungen zwischen der Regierung und den sich auf die breiten Massen stüben können. für notwendig erachte, aber er habe immer im Auge behalten, Vertretern der Bergarbeiter zu keinem Ergebnis ge- Georg Bernhard   in der Voss. 8tg." ist freilich an­daß diese Revision nicht eher stattfinden könne, bis die Lösung der großen wirtschaftlichen und finanziellen Probleme stattgefunden führt haben, kein Grund mehr vorhanden sei, den in Aus- derer Meinung. Er rät der Regierung, zu bleiben und zu verhin- baues als erste Maßnahme einer fest zugreifenden und habe. Es sei nicht sein Ziel, die Autorität des Präsi- ficht genommenen Streit am Sonnabend zu verhin regieren, wobei er ihr die Sozialisierung des Berg­Smillie hat den Delegierten der Bergarbeiter vorausschauenden Wirtschaftspolitik empfiehlt. Aber, was Dieser Beschluß der Linksparteien wirft alle bisherigen Bericht erstattet und deren Billigung gefunden. Der wird die Deutsche Volkspartei   dazu sagen und was Gothein Kombinationen über den Haufen. Ob Millerand unter diesen Ausschuß des Transportarbeiterverbandes hat und was Dernburg? Herr Bernhard ist mit den bisherigen Umständen überhaupt noch kandidieren wird, ist zumindest fich mit den Bergarbeitern solidarisch erklärt und deren sozialistischen Regierungen womöglich noch unzufriedener als zweifelhaft. Diese linksrepublikanische Opposition gegen Forderung gebilligt. Millerands Kandidatur vereinigt etwa die Hälfte der Rammer und mehr als die Hälfte des Senats, borausgesetzt, daß die Mitglieder der betreffenden Parteien geschlossen gegen Millerand stimmen, was allerdings sehr un­wahrscheinlich ist. Jedenfalls scheint der Kern des Wider standes gegen Millerand in der sogenannten ,, demokratischen Linken" des Senats zu liegen, in der noch immer der Einfluß des alten Combes maßgebend ist. Der Senat ist in bezug Die Kritik Bernhards ist trok ihrer absprechenden Art auf die republikanischen Einrichtungen und Traditionen stets insofern berechtigt, als die Sozialdemokratie gar fein Inter sehr konservativ gewesen und hat bereits in den ersten zwei Jahren der Präsidentschaft Poincarés mit wachsendem Un- Die dänischen Reichstagswahlen. esse daran hat, die Erfahrungen der Koalitionspolitik sobald zu wiederholen. Eine Agitationsmethode, die die Dinge so willen die Versuche Poincarés betrachbet, sich aus der rein Mandatsgewinn der Sozialdemokratie. darstellt, als brauchten nur ein paar Sozialdemokraten mit passiven und dekorativen Rolle des höchsten Staatsamtes zu befreien und ein gewisses persönliches Regiment Kopenhagen  , 22. September.  ( WTB.) Die Wahlen für anzufassen und dann käme alles wieder auf die besten Wege, einzuführen. Nun hat Millerand in der programmatischen ben& olkething, die durch die Einverleibung Nord würde den Tatsachen und den Geboten der Aufrichtigkeit Erklärung, die er durch Havas veröffentlichen ließ, und in der fchleswig 8 notwendig geworden waren, fanden heute statt. Der nicht entsprechen. Auch wenn die Sozialdemokratie heute er seine Kandidaturannahme mitteilte, seine Absicht bekannt. bisherige Folkething zählte vier Abgeordnete der Erwerbspar- allein die Regierung übernehmen und alle Widerstände gegen gegeben, die Rolle des Präsidenten der Republik   dadurch af- tei, 26 konservative, 16 Radikale, 42 Sozialdemo- eine sozialdemokratische Regierungspolitik fiver zu gestalten, daß er entsprechende Verfassungs. traten und 52 Abgeordnete der gemäßigten Linten( Libe­änderungen dem Parlament vorlegen will. Diese Er- rale). Die gemäßigte Linke bildet die Regierung. Der neue Folte flärung hat offensichtlich auf die Senatoren und auf die thing wird 149 Mitglieder zählen. Es find gewählt: 3 Erwerbspar­Linke der Deputiertenkammer einen katastrophalen teiler, 27 Ronservative, 18 Radikale, 48 Sozialisten, 51 Ab­Eindruck gemacht und zu dem Theatercoup der Auf- geordnete der gemäßigten Linken, 1 Schleswiger( Deutscher  . Die Red.) Auf den Faröer n erfolgt die Wahl später. stellung eines Gegenfandidaten geführt. Wie Nordschleswig gewählt hat.

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Kommunistische Umtriebe in Schottland  . London  , 22. September.  ( TU) Aus Schottland   kommen Gerüchte, daß die Kommunisten im Blantyre  - Diftrift einen Butsch beabsichtigen. Das Sowjetsystem soll pro lamiert und die Verwaltung der Gruben von den Arbeitern übernommen werden. Die Behauptung der Kommunisten in Blan­thre, daß fie eine Rote Garde von 600 bis 800 Mann zur Verfügung haben, wird von der Regierung bestritten.

Dadurch ist der Wirrwarr am Vorabend der Wahl( der Rongreß soll bereits morgen nachmittag in Versailles   zu- Kopenhagen  , 22. September.  ( T.) Bei den gestrigen Wahlen sammentreten) auf das höchste gesteigert worden. Vielleicht wurden in Nordschleswig abgegeben: 35 800 dänische, 7005 deutsche  werden die Sozialisten infolgedessen mit ihren 65 Stim- und 7300 sozialdemokratische Stimmen. Der gewählte men das Bünglein an der Wage bilden und damit unverhofft| Deutsche   ist Pastor Schmidt- Tondern. - und unverdient berufen sein, eine wichtige Rolle bei den kommenden Ereignissen zu spielen. Aber ein Teil der sozialistischen   Partei hat sich so sehr in die Moskauer   Thesen des Klassenfampfes bis zum äußersten und der Ablehnung eines jeden taktischen Zusammengehens mit Bürgerlichen   verrannt, daß es sehr leicht möglich wäre, daß sie auch diese Gelegenheit versäumte, endlich aus ihrer rein negativen und unfruchtbaren Kolle herauszukommen.

Volksabstimmung über den Anschluß.

mit der gegenwärtigen bürgerlichen; sie hätten nichts für den positiven Aufbau getan, und die kapitalistische Wirtschaft habe fich unter ihnen hemmungslofer ausgelebt als seit Jahrzehnten. Weiß der Chefredakteur der" Boff. 3bg.", die doch ein bürger­lich- demokratisches Blatt ist, nicht, wo die Förderer der kapi­ talistischen   Hemmungslosigkeit zu suchen sind, und glaubt er ernstlich, eine bürgerliche Regierung fönne eher Politik gegen das Großkapital treiben als eine aus Bürgerlichen   und So­zialdemokraten zusammengesetzte Soalitionsregierung?

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die ja nicht allein im Parlament zu suchen sind beseitigen fönnte, stände sie vor einer Fülle von Problemen, deren Lösung viel Zeit, biel Geduld und viel teilnehmendes Verständnis der Massen erfordert. Es wäre ja sehr bequem zu sagen: Solange die Bürgerlichen regieren, ist alles schlecht, und so­bald die Sozialdemokraten mitzuregieren anfangen, wird alles gut!" Aber so einfach liegen die Dinge nicht, und großen Versprechungen würden mur um so größere Ente täuschungen   folgen.

Bei den letzten Wahlen hat ein erheblicher Teil der bis­her sozialdemokratischen Wähler durch seinen Uebergang zu den Unabhängigen sein Nichteinverständnis mit der Koa­litionspolitik fundgetan, und zugleich hat auf der anderen Seite eine Partei, die an die Wähler mit großen Ver­sprechungen herantrat, die Deutsche Volkspartei  ", bedeutende Erfolge errungen. Die Folge davon mußte der Austritt Deutschen Volkspartei   in sie sein. Die sozialdemokratischen Wähler bekamen dadurch Gelegenheit, zu erfahren, was für sie durch den Austritt der Sozialdemokraten aus der Regie­rung gewonnen ist, und den Wählern der Deutschen Volks­ partei   war Gelegenheit gegeben, sich von den Fähigkeiten ihrer Führer zu überzeugen, wo es nicht mehr bloß auf große Worte, sondern auf Taten ankam.

Wien  , 22. September.  ( Tul.) Die Großdeutsche Bereinigung beauftragte in ihrer gestern abgehaltenen Schlußßihung den Border Sozialdemokratie aus der Koalition und der Eintritt der fizenden Dr. Dinghofer, im Hauptausschusse die Forderung zu vertreten, daß der Antrag Schürff spätestens in ber nächsten Woche im Hause verabschiedet werde, damit noch Paris  , 22. September.  ( WTB.) In der Kammer verlas genügend Zeit zu seiner Durchführung im Falle der Annahme vor­heute der Präsident Péret die Botschaft Deschanels. Die handen sei. Der Antrag Dr. Schürff besagt, es sei auf Grund eines Verlesung wurde wiederholt von Beifall unterbrochen. Pére! besonderen Gefetes im 3usammenhang mit den Wahlen hielt eine Lobrede auf Deschanel, in der er erklärte, feinen Rüd- am 17. Oktober eine Bolts abstimmung über den An. tritt bedauerten nicht allein diejenigen, die Deschanel zum schluß an Deutschland   durchzuführen. Präsidenten gewählt hätten, sondern alle Franzosen  . Sodann Stimmungsmache für Mord- Ungarn  . sprach Miller and und schloß sich Péret in der Ehrung Descha­Wien, 22. September.  ( Eig. Drahtbericht des Vorwärts".) nels an. Zum Schluß der Sigung verlas Péret die Erklärung, welche die Nationalversammlung auf den 23. September Seit längerer Zeit erscheinen in der Wiener   christlich- fozia einberuft, und den nächsten Zusammentritt der Deputierten-! en und deutschnationalen Preffe feitenlange Inferate, in benen angebliche ungarische Deutsche und sonstige fammer auf den 25. September festsetzt. 3m Senat wurde die Botschaft Deschanels von Léon Bour- unverfängliche Leute Propaganda für Sorthy- Ungarn geois berlesen, die auch hier mit Beifall aufgenommen wurde. betreiben. Die heutige Arbeiterzeitung" veröffentlicht nun Hierauf hob Bourgeois die Verdienste Deschanels hervor. Der einen Brief des Pressechefs der ungarischen Gesandtschaft Justizminister brachte dem vorigen Präsidenten unter dem Beifall in Wien  , aus dem hervorgeht, daß für Propaganda in des Senats die Ehrung der Regierung dar. Auch der Senat wird Deutsch   österreich   zwei Millionen Kronen aufge. zur Anhörung der Botschaft des neuen Präsidenten der Republik   wendet worden sind. am Sonnabend zusammentreten.

Die Kommunisten ausgeschlossen. Le Rond erstattet Bericht. Brag, 22. September. In der heutigen Sigung der Bertre. Baris, 22. September.  ( WTB.) Die Botschafterton- tung der tschecho- flowatifchen Arbeiterpartei wurde ferenz nahm gestern nachmittag den Bericht des Generals beschloffen, den Barteifongres Ende November d. J. ab­Le Rond über die Ereignisse in Oberschlesien   entgegen. Der Ge- zuhalten und keine kommunistischen   Delegierten zu neral machte ausführliche Darstellungen und übergab gleichzeitig aulaffen. Rongreßdelegierter kann nur derjenige werben, eine Reihe von Noten, die ihm von der deutschen   Regierung der sich schriftlich verpflichtet, nicht Anhänger der Drit ten Internationale zu sein, zugegangen waren.

Die Richtigkeit der Politik, die die Sozialdemokratie nach den Wahlen einschlug, zeigt sich daran, daß die erwarteten Wirkungen prompt eingetreten find. Wäre die Partei auch nach den Wahlen in der Koalition geblieben, so hätte fich die Erhizung der Wähler auf beiden Seiten mur fort­gefeßt, während ihr Austritt auf beiden Seiten die not­wendige Ernüchterung herbeigeführt hat. Die bürgerlichen Parteien werden immer mehr auf den Weg der Grkenntnis gedrängt, daß fie die ungeheuren Probleme der Zeit mit ihren Mitteln und Grundsägen nicht zu meistern vermögen. In den Arbeitermassen aber wächst mittlerweile das Ver­ständnis für eine Politik, die es vorzieht, wenigstens einen Teil der Macht zu ergreifen, statt alle Machtpofitionen widerstandslos den bürgerlichen Gegnern zu überlassen.

Daraus ergibt sich für die sozialdemokratische Politik die Aufgabe, die Symptome der beginnenden Wandlung zu re­gistrieren und zu warten. Die Illusion der bürgerlichen Welt, man könne Krieg und Revolution einfach als eine vor­übergehende Geschäftsstörung behandeln, muß noch gründ licher zerstört werden, das Verständnis der arbeitenden Massen für eine Politik der schrittweisen Machtergreifung muß noch | lebhafter erwachen, bevor die Sozialdemokratische Partei   mit