Einzelbild herunterladen
 

Hr. 47$ 37. Jahrgang

! Heilage des VsrVärts

Sonntag, 20. September? 420

Lockspitzelbeweis für Weißensee Angelassen.

Revolutionäre " Verteidigung. In dem Weißenseer Kommunistenprozeß wollen die Rechts- anwälte L a m p und Dr. B r o h von der K. A. P. D. offenbar ein Musterbeispiel fürrrrevolutionäre� Verteidigungsmethoden geben. Sie führen ein dramatisches Possentheator auf, erklären pathetisch, das Gesetz nicht zu achten, verhören den Vorsitzenden des Gerichts, wollen den Gerichts- Hof erziehen usw. usw., wobei es dann auf der anderen Seite freilich sehr komisch wirkt, wenn Herr Lroh mit tränendem Auge von der entschwundenen Pflichttreue der Be­amten spricht, die unter dem alten System so groß war. Sie treiben es so arg, daß selbst ihre Kollegen von der U. S. P-, die Weinberg, Bönheim usw., die doch sicher nicht zimperlich sind, fortwährend mit ihnen in Konflikt geraten und einmal sogar demonstrativ den Saal verließen. Nun könnte man dieserevolutionäre" Rechtsanwalts- Harlekinade auf sich beruhen lassen, wenn die Sache nicht eine sehr ernste Seite hätte. Der Verteidiger ist zum Schutz des Angeklagten da. Daß den Interessen der Angeklagten mit den Kapriolen ihrer Verteidiger gedient sei, wird aber niemand behaupten können. Sie führen ihre revolutionären Zirkuskunststücke a u s dem Rücken der armen Angeklagten auf, die nachher im Urteil dafür büßen müssen. Uns scheint, daß auch ein noch sorevolutionärer" Verteidiger in erster Linie die Interessen des von ihm verteidig ten Angeklagten wahrzunehmen hat, dann erst kommt alles andere. Die Herren Lamp und Broh freilich werden anderer Ansicht sein.... Im Weißenseer Prozeß ersuchte R.-A. Lamp, den Re- gierungsttlt Weiß noch einmal zu laden, der bekunden soll, daß dem Obenoachtme ister Schiller 20 Beamte dieser Ausdnuck ist euphemistisch, sagen wir lieber 20 Strolche, zur Aufdeckung der K. O. beigegeben würben. Vors.: Ich bitte, sich ent sprechend der Würde dieses Hauses zu benehmen. R.-A. Weinberg klagt darüber, daß im Auftrage Schillers eine Unterredung des Anwaltes mit dem Angekl. Michaelis im Ge-

fänynis verhindert worden sei. Zouge Schiller erklart, daß er niemals einen derartigen Auftrag gegeben habe, daß vielmehr der im Dienste noch junge Beamte sich aus Unkenntnis einer Pflichtverletzung schuldig gemacht habe. R.-A. F r ä n k l fragt, ob es richtige Beamte waren, die Michaelis verhasteten. Wachtmeister Schiller (in höchster Erregung): Jawohl, Be> amte meiner Abteilung,(zur Verteidigerbank:) alte Soldaten, die sich ihr Brot heute genau so verdienen müssen wie als Arbeiter. ES ist unerhört, daß Leute, die sich und ihre Familien zu ernähren suchen, hier «mpestrast Strolche genannt werde» dürfen. R.-A. F r ä n k l erklärt dann, daß er die Polizeibecnnten als solche nicht habe beleidigen wollen. Er wünsche jedoch Auf- klärung darüber, weshalb die Beamten, die Coal und Michaelis verhasteten, bis 10)4 Uhr abends in der Wohnung der Frau Coal blieben und die Braut des Michaelis zu Abendbrot und Bummel einluden. Diese Tatsache, werfe ein eigenartige? Licht auf den Glorienschein der Ehrpusseligkeit, den Regierungsra-t Weiß der Polizei aufzu- setzen suchte. Als R.-A. Broh unmittelbar nach R.-A. Bön- heim eine Frage an den Zeugen richtete, erklärt Dr. Bönheim sehr energisch:Jetzt verteidige ich!" R.-A. Weinberg fragt, ob es wahr sei, daß Polizeibeamte sich als Mitglieder der K. P. D. und St. A P. D. aufnehmen lasten müßten, um hinterher der Polizei Spitzelberichte zu liefern. Der Zeuge erklärt, daß ihm hierüber nichts bekannt sei und daß er gerade über diese Fragen ohne Erlaubnis seiner vorgesetzten Behörde nichts sagen könne. R.-A. Weinberg beantragt, den Polizeipräsidenten Richter zu ersuchen, dem Zeugen Erlaubnis zur Aussage hierüber zu geben. R.-A. Bönheim: Die Angeklagten be- haupten, daß thnen gegen ihren Willen Waffen in die Wohnungen gebracht worden sind. Es ist wichtig, festzustellen, ob diese Waffen etwa von falschen Polizeispitzeln eingeschmuggelt worden find. Zeuge: DaS ist mir alles nicht bekannt. Wie sollte ich als Unterbeamter auch zu solcher Kenntnis kommen? Ich habe lediglich die Arbeiten zu erledigen, die mir von meinem Dezernen­ten überwiesen sind. Nach kurzer Beratung wird

die Frage, ob auf dem Weißenseex Laubengelände Lockspitzel tätig gewesen seien, zugelafle« und beschlosten, die Genehmigung der Vorgesetzten des Zeugen zur Aussage einzuholen. Vors.: Sah der Angekl. Falk bei Ihrer Vernehmung bester aus als jetzt? Zeuge Schiller : Er war damals elastischer. Jetzt kommt er mir etwas apathischer vor. R.-A. Broh: Er bekommt ja auch nicht mehr soviel Hammelbraten und schweinc- fotelctt. Im übrigen protestiere ich dagegen, daß der Zeuge hier in sein Protokoll Einsicht nehmen durfte. Dann muß das Proto- koll verlesen werden, vamit auch wir es kennen lernen. Vors.: Aber das Protokoll war Ihnen doch mit den Akten genau so zu- gäriglich wie nnr! R-A. F r ä n k l, n heim und Wein- b e r g im Cbor: Wir kennen da? Protokoll und verzichten auf die Verlesung. R.-A. Broh erbittet Gerichtsbeschluß; die Verlesung wird abgelehnt. R.-A. Lamp hielt nun dem Zeugen vor, daß eme seiner jetzigen Aeußerungen mit dem früheren Pro- tokoll nicht übereinstimme. Der Vorsitzcnve bemerkt, daß es sich hier wahrscheinlich um einen Irrtum des Anwalts handele. R.-A. Lamp unterbricht den Vorsitzenden jedoch mit den Worten: Wollen Sie mir sagen, wie es kommt, daß Sie über die Wider- sprüche des Zeugen so ohne weiteres h i nw e g g le i ten? Vors.: Soll daS etwa eine Vernehmung des Borsitzenden durch den Verteidiger sein? R.-A. Lamp: Ich fühle mich Ihnen mindestens gleich- berechtigt. Vors.: Ich glaube, Sie fühlen sich recht über- legen. R.-A. Lamp: Es scheint Ihnen doch unangenehm zu sein, daß ich meine Kritik des Gerichts fortsetze. Vors.: Da­zu haben Sie gar kein Recht. R.-A. Lamp: Und wenn ich es doch tue, können Sie gar nichts machen. Vors.: Ich verbitte mir diese Redensarten. Das Gericht treibt nur Rechtspflege. R.-A. Lamp: Und ich betreibe Wahrheitspflege. Vor s.: Ach so, dann wollen Sie wohl die Erziehung des Gerichts in die Hand nehmen? R.-A. Lamp: Jawohl. Vielleicht kommen <Sie selbst zu der Ansicht, daß e? keinen Zweck hat, wenn Sie dem Zeugen hier Antworten in den Mund legen. Vors.(sehr er­regt): Ich verbitte mir diese Ungeheuerlichkeiten! R.°A. Lamp, ebenfalls erregt: Ich kennzeichne damit Ihr System! Vors.: Sie achten ja nicht einmal das Gesetz. Wie sollten Sie da vor einem Gericht Achtuttg haben? Wenn bas, was eben geschah, noch einmal vorkommt, werde, ich andere Matzregeln gegen Sie er greifen. Fast an jede Antwort Schillers knüpft R.-A. Broh eine neue Frage. Als er dies auch bei einem Punkt tun will, der lediglich einen von R.-A. Dr. Bönheim mtewigten Angeklagten angeht, erhebt sich zu gleicher Zeit Dr.Bönheim und beide Verteidiger reden in recht spaßbaft klingender Weise zu gleicher Zeit auf den Zeugen ein, bis endlich R.-A. Dr. Bönheim mit lauter Stimme ruft:Herr Broh, es handelt sich um einen von mir verteidigte» Angeklagten." Justizrat Broh setzt sich sichtlich erregt und köpf schüttelnd wieder hin. Nach dieser Auseinandersetzung wünscht R.-A. Broh von dem Zeugen Schiller eine Erklärung darüber, ob dem Angekl. Falk bei seinen Vernehmungen etwa Material über seine Mitangcklag- ten vorgelegt worden sei; Falk habe nämlich den Angekl. Winter als Gruppenführer der K. O. bezeichnet. Es sei aber festgestellt, daß Falk den Winter gar nicht kannte und daß Winter, weil er Gewerkschaftsmitglied, war, schon 6 Monate vor der Weitzenseer Schießerei von der K. A. P. D. ausgeschlossen worden sei. Als Verteidiger habe er deshalb den Verdacht, daß die Aussagen Falks von Polizeibeamten beeinflußt worden seien. Trotz aller Vorhaltungen der Verteidigung bleibt Zeuge Schiller dabei, daß er nichts anderes im Protokoll niedergeschrieben habe, als was ihm die Angeklagten erzählt hätten. Er habe auch immer von einer K., als einer Kampforganiiation der K. A. P. T. gesprochen, ohne daß ihm jemals von den Angeklagtem vorgehalten worden sei, daß K. O.Kvnrmunale Organisation" bedeute. Angekl. Ernst Franz, von dem es in Schillers Protokoll heißt, daß er als Kurier der K. O. tätig war, bestreitet dies energisch. Zeuge Schiller bleibt bei seiner Behauptung.- Angekl. Franz behauptet,«r habe niemals Schiller erklärt, Mitglied der K. O. gewesen zu sein, vielmehr ausdrücklich betont, daß er Mitglied des Sportvereins gewesen sei. Schiller habe aber geglaubt, K. O. und Sportverein sei ein und dasselbe. Deshalb stehe im Protokoll auch statt Sport- verein Ji. O." Schi l'-r bestreitet das energisch und führt zum Beweis an, daß Angekl. Krüger ihm' genaue Einzelheiten über Gliederung und einzelne Mitglieder der K. O. mitgeteilt habe. Die jetzige Behauptung Krügers, er sei bei der Ausnahme des

Protokolls besinnungslos gewesen, entspreche keineswegs den Tatsachen. R.-A. Lamp: Angekl. Winter hat zu mir und R.-A. Broh gesagt: Mit dem Schiller will ich abrechnen, der hat bei meinem Protokoll gedichtetl Angekl. Winter(mit dem inzwischen die übrigen Verteidiger gesprochen haben): Ich will die Sache auf sich beruhen lassen. R.-A. Tr. Bönheim: Und ich als sein Ver- teid�ger bin derselben Meinung. Dr. Lamp: Nein, ich laste das ni cht auf sich beruhen. Vors.: Ich kann doch den Angeklagten nicht zwingen. Tr Lamp: Er sagt nur deshalb nichts, weil Bönheim e? nicht will. Vors.: Lassen Sie doch den armen Mann zufrieden.(Dr. Weinberg spricht mit Winter.) R.-A. Broh: Aber Kollege Weinberg, ich bitte doch nicht auf den Angeklagten einzureden! Angekl. Winter: Dann will ich zum Schluß sagen, ich kenne keine K. O. R.-A. Lamp(aufgeregt): Er kennt keine k Hurra! (Zum Zeugen Schiller ): Haben Sie die Angeklagten nicht erst ge- quetscht und dann hinterher belohnt, wie z.B. den Fall Zeuge: Die Leute waren größtenteils Zigarettenraucher und da sie bei mir Zigaretten stehen sahen, baten sie mich zum Schluß um eine. Ich habe sie ihnen auch ohne weiteres gegeben. Dr. Lamp: Es ist traurig, daß die Angeklagten das von Ihnen angenommen halben. Sie haben ja auch zur Frau Falk gesagt: Sie dürfen mit Ihrem Sohn, ohne daß Polizeibeamte anwesend sind, sprechen, dürfen das aber nicht weitersagen. Zeugin Falk: Der Ober- Wachtmeister hat gesagt, ich darf nur in Gegenwart eines B e a m- ten meinen Sohn sprechen. Damit ist die Vernehmung Schil- lers beendet und es wird als nächster Zeuge Kriminalkommissar Maslok von der Abteilung I A des Polizeipräsidiums hereingerufen. Auf Befragen des Vorsitzenden erklärt Zeuge M a s l o k, daß in- folge der Aussage des Liebs die Sache an die Abteilung I A ver­wiesen worden iei, da man annehmen mußte, daß es sich um eine Organisation gegen die Staatssicherheit handelte. Irgendwelches gesammeltes Material über die K. O. will der Zeuge nicht besessen haben. Alles, was er davon wußte, beruhe aus mündlichen Mit« teilungen und Meldung«-n. Auch bei, der Vernehmung der An- geklagten habe ihm keinerlei Material vorgelegen, noch habe er solches vorher vorgelesen. Auch die Einteilung der K. O. sei ihm gänzlich unbekannt gewesen, desgleichen die Namen Michaelis, Falk usw. Bei Gastwirt DrögcrZ Vernehmung habe er erfahren, daßSportklub" nnr ein Deckname für K. O. sei. Tröger habe ihm auch gesagt, daß sich bereits im Frühjahr d. I. gegen feinen Willen bewaffnete Leute in seinem Garten versammelt hätten. Deöger sagte zum Schluß mit Tränen in den Augen:Nun habe ich alles gesagt, aber sagen Sie nichts den anderen, denn ich fürchte terroristische Akte." M a s I o k schildert auf eine Frage des R.-A. Fränkl, warum Falk Hammelbraten und Schweinskoteletten erhalten habe, daß er Falk über Mitbag vernommen habe und daß er in- solgedessen, da der Angeklagte erst um 2 oder'A3 Uhr zum Essen gekommen sei, ihn in denPrälaten" am Alexanderplatz schicktch wo er mit einem Beamten. Der Vorsitzende verliest Falks selbstgeschriebene Schilderung, wonach bei einem Kommunisten- putsch am 19. August die Doberitzer Heerstraße abgeschnitten und Spandau besetzt werden sollte. Auf jeden Fall sollte sich der 5kampf im Westen Berlins abspielen. Auf Vorhalt des Vorsitzenden muß Falk zwar zu- geben, daß er das schriftlich angefertigt habe, will sich aber nicht mehr besinnen können, derartige Angaben überhaupt gemocht zu haben. R.-Zh Weinberg: Wurde das Essen aus dem be- rüchtigten Spitzelsond gezahlt? Zeuge: Nein. R.-A. Fränkl: Unter diesem Namen dürfte der Fond wohl kaum be- kannt sein. R.-A. Broh: Vielleicht heißt er Staats-, erhaltungsfonds? Woher kommt denn das Geld? j Zeuge: Ich bin nicht befugt, darüber auszusagen. R.-A, Bönheim bittet, hierüber ein« Auskunft bei der Polizei einzuholen. Zeuge: Es ist bei uns üblich, den Gefangenen, denen infolge ihrer Vernehmung das Essen kalt wird, hierfür anderes Esten als Ersatz zu geben. R.-A. Fränkl: Andere Gefangen«, zum Beispiel Burkert, haben keinen Ersatz für ihr kaltes Essen bekommen. Auf eine Frage B r o h s sagt der Zeuge: Wir haben Falk vollen Glauben geschenkt. R.-A. Dr. Wein­berg: Haben Sic ihm das Essen bewilligt, weil er gute Aussagen gemacht hat? Der Zeuge schweigt. Nach längerer Beratung lehnt das Gericht den vorhin erwähnten Antrag Bönheim ab, da dieser Punkt für die Entscheidung in der vorliegenden Sache nicht in Frage kommt. Es stehe fest, daß Falk die Mahlzeit erhalten habe, woher die Bezahlung stamme, aus dem Fonds oder wo anders her, sei unerheblich. Montag Fortsetzung._

Verkaufsstellen: Berlin , Leipziger Str. 123a und Unter den Linden 42.