ausgehen, und daß diese Bestrebungen wesentlich davon geleitet sind, daß diese Provinzen als selbständige Staaten im Reiche wesentliche Stützpunkte der reaktionären und monarchistischen Bestrebungen sein würden, ist allgemein bekannt. Nachdem es den bürgerlichen Parteien gelungen ist, nach den letzten Reichstagswahlen eine rein bürgerliche, stark nach rechts neigende Regierung im Reich zustande zu bringen, die sich zwar indirekt mit auf die Sozialdemokratie stützt, aber weder direkt noch indirekt große Rücksichten aus die Forde- rungen der Sozialdemokratie nimmt, haben die bürgerlichen Parteien das lebhafteste Interesse daran, dieser Regierung auch in den Einzelstaaten den notwendigen Rückhalt zu geben. Nach- dem der zweitgrößte Bundesstaat, Bayern , auf diesem Wege bereits weit vorangeschritten ist, ist Preußen jetzt die nächste Etappe in dem Kampf der Rechtsparteien um die Wieder- erlangung der politischen Macht. Eine bürgerliche Mehrheit und eine Regierung unter Aus- schluh der Sozialdemokratie, aber unter Einschluß der Deut- schen Volkspartei und vielleicht sogar der Deutschnationalen in Preußen würde nicht nur jede Demokratisierung der Verwal- tung und der Rechtspflege unmöglich machen, sondern sie würde auch darüber hinaus auf die Reichspolitik den unheil- vollsten Einfluß ausüben. Die Steuergesetzgebung unterliegt heute im wesentlichen der Gewast des Reiches. Schon im Programm der Kapp-Regierung war die Wi e d e r h e r» st e l l u n g der Steuerhoheit der Einzel st aaten als einer der ersten Punkte aufgestellt. Daß die Rechtsparteien, wenn sie zur Macht kommen-, diesen Grundsatz durchführen und sich dadurch einen größeren Schutz vor Besteuerung des Be- sitzes und der hohen Einkommen schaffen werden, ist klar. Die Grundgesetze der Schule sollen vom Reich gemacht werden. Sie werden um so notwendiger auf die Wünsche der breiten Volksmassen Rücksicht nehmen und die Schulen in um so stärkerem Maße der Kirche und dem Nationalismus ausliefern, je mehr nicht nur im Reich, sondern auch in den Einzelstaaten, insbesondere in Preußen die bürgerlichen Parteien Trumpf gid. Zu den nächsten Aufgaben der Reichspolitik gehört die chaffung eines neuen Arbeiterrechts und eine umfangreichere Form der Sozialversicherung. Die Gefahr, daß die heutige bürgerliche Mehrheit im Reichstag sich zu durchaus arbeiter- feindlichen Gesetzen auf diesem Gebiet zusammenschließt, ist sehr groß. Sie ist um so größer, je weniger Widerstand eine solche Politik bei den einzelstaatlichen Regierungen und Parla- menten finden würde, und dieser Widerstand würde um so ge- ringer sein, je mehr dort die Sozialdemokratie von einem ent- scheidenden Einfluß ausgeschaltet werden kann. Immer mehr bricht sich innerhalb der Arbeiterschaft die Erkenntnis Lahn , daß es in der bisherigen Art. Reichspolitik zu treiben, nicht weitergehen kann, und daß es für die Sozial» Demokratie immer unmöglicher wird, auch nur durch wohl- wollende Neutralität die Politik einer Regierung zu unterstützen, die in wichtigen Lebensfragen der arbeitenden Bevölkerung auch die mindest« Rücksichtnahme auf ihre Interessen versagt. Um so mehr haben wir aber Veranlassung, die Machtposstionen, die wir in den einzelnen Ländern haben lreinsozialistische Re- gierungen in Sachsen und Braunschweig , Beteiligung der So- zialdemokratie in Thüringen , Mecklenburg usw., insbesondere aber die bisherige Teilnahme an der Regierung in Preußen) festzuhasten. Das darf natürlich nicht bedeuten, daß wir in Preußen Regierungspartei um jeden Preis bleiben wollen, sondern das kann nur bedeuten, daß wir uns in Preußen durch die nächsten Wahlen eine so st arte politische Stellung schaffen wollen, daß wir. ob mit oder ohne bürgerliche Par- teien, einen be st immenden Einfluß auf die preußische Politik und Verwaltung und dar- über hinaus auf die Reichspolitik ausüben können.
Der«mswSrüae Ausschuß des Reichstags trat Sonnabend zu «feter längeren Sitzung zusammen. Gegenstand der Tagesordnung waren Fragen des Auswärtigen Amtes. Die Verhandlungen waren vertraulich.
Tragikomööien am Telephon. Zwei Mono-Szenen. Die Doppelszene: Ein junger Mensch, schmal, dürstig und ver- hungert, in der Zelle eines Telephon-Automaten; von der Decke brennt grell eine elektrische Glühbirne.— Irgendein Kommerzienrat am Schreibtisch setner Berliner Tiergartenwohnung. Der jung« Mensch(mit heftigem Herzklopfen und ein wenig stotternd):„Ich bin so ftei, Herr Kommerzienrat, von Ihrer gütigen Erlaubnis Gebrauch zu machen und— und, Sie ergebenst zu bsttm — wegen der Anstellung— wenn Herr Kommerzienrat sich gütigst der Zusage erinnern.."(Seine Stimme wird ganz trocken, ver- fandet in Heiserkeit, er sagt noch etwas, fühlt aber ganz deutlich, daß seine Worte im Geräusch des Apparate» ersticken.) Der Herr Kommerzienrat(mit einem leeren Blick hinaus auf den Park: sehr nervös):„Ja, ja— aber ich habe doch momentan gar keine Zeit— rufen Sie gelegenllich vielleicht wieder an!"(Er hängt mit einer unwilligen Gebärde ein.) Der junge Mann(mit fieberhafter Röte auf den Wangen und glänzenden Augen, die nichts jehen):„Innigen Dank, Herr Kam- merzienrat— möchte gütigst fragen— möchte fragen, wann Herr Kommerzienrat gütigst gestatten, daß ich wieder anrufe, damst ich nicht ungelegen..."(Seine flackernde Stimme erlischt. Er lauscht in den Apparat hinein Nichts rührt sich; nur die unbestimmte Brandung des Grohstadtmeeres braust, und ganz fremde Stimmen von irgendwoher sprechen teilnahmslos über ihn hinweg. Plötzlich sieht er sich selbst, überhell deutlich, mit dem erstarrten demutsoollen Lächeln, das gar nicht aus den Zügen weichen will, sieht sich, wie er dasteht, den Kopf nach vorn geneigt, als stünde der Herr Kammer- zienrat leibhaftig vor ihm Und sieht die Worte, die er gesprochen hat, mit rundem Sklavenrücken an sich oorüberschleichen. Wie be- schämend lächerlich das war, in den Apparat hineinzureden» wenn der andere indessen still eingehängt hatte. Und noch immer lächest er tief demütig, in gedrückter, unterwürfiger Haltung und mit einem leeren brennenden Blick, der sich in die Polsterung der Zellenwand bohrt. Einen Augenblick ha�er das Gefühl, in einer Gummizelle zu fein: und eine wahnsinnige Angst, ewig in dieser Stellung ver- harren zu müssen, schnürt ihm die Kehle zu.) Das Fräulein auf dem Amt:„Sprechen Sie noch?"_ Da hängt er ein, geht hinaus und hat einen spukhaften, grauenvollen Begriff von dem, was Leben ist... »• « Die Doppelszene: Das Boudoir einer schönen Frau. — Das Arbeitszimmer eines vom Leben und der Liebe zermürbten Mannes. Der Mann(bebend vor Freude):„Also endlich, Süßestel Keine andere Möglichkeit hast du mir gelösten. Du weißt, daß ich nur höchst ungern telephonisch mit dir spreche. Man hat ja immer das Gefühl, von tausend vhreu belauscht zu werden. Aber es blieb mir
Erhöhung der Postgebühren. Berlin . 22. Januar.(MTB.) Im Reichspostminlste- rium wurde gestern und heute mit besten Verkehrsbeirat unter dem Vorsitz des Reichspostministers der notwendig gewordene vor- läufige Entwurf eines neuen Post- und Telegraphen- gebührengesetzes durchberaten. Räch diesem dem Reichsrat und dem Reichstag vorzulegenden Entwurf beabsichtigt der Reichspostminister folgende neue Gebühren- sätze vorzuschlagen: für Briefe bis 20 Gramm 60 Pf., über 20 bis 250 Gramm 1,20 M., für Postkarten 40 Pf., für Drucksachen bis 20 Gramm 20 Pf., über S0 bis 100 Gramm 40 Pf., über 100 bis 2S0 Gramm 60 Pf., über 2S0 bis 500 Gramm 80 Pf., über S00 Gramm bis 1 Kilogramm 1 M.: für Geschäftspapiere (ebenso wie für Mischsendungen) bis 2SV Gramm 60 Ps., über 250 bis 500 Gramm 80 Pf., über 500 Gramm bis 1 Kilogramm 1 M: für Warenproben bis 250 Gramm 60 Pf., über 250 bis 500 Gramm 80 Pf., für Päckchen(bis 1 Kilogramm) 2 M.; für Pakete in der Nahzone bis 5 Kilogramm 3 M., über 5 bis 10 Kilogramm 6 M., über 10 bis 15 Kilogramm 12 M., über 15 bis 20 Kilogramm 18 M.: in der F e r n z o n e dementsprechend 4, 8. 16, 24 M. Beabsichtigt ist ferner die Einführung einer Mindest-Iahres- gebühr im Zeitungsversand von 1,80 M. für die Jahres- nummer sowie die künftige Erstattung der der Post, wenn sie die Verpackung der Zeitungen an Stelle des Verlegers besorgt, hieraus erwachsenden Selbstkosten. Hierzu kommt die Erhöhung der Ein- schreibgebühr auf 1 M., die Einführung einer vom Empfänger zu entrichtenden Gebühr von 50 Pf. für die zweite Vorzeigung von Postaufträgen und Nachnahmen, wenn der Empfänger Frist und eine zweite Vorzeigung verlangt hat, ferner die Erhöhung der Eil- b e st e l l g e b ü h r für Briefe, im Orts- bzw. Landbestellbezirk auf 1,50 M. und 3 M sowie für Paket« aus 2,50 M. bzw. 5 M.: ferner beim Verkauf der amtlich herausgegebenen Postkarten, Post- anweisungen und Kartenbriefe die Erhebung eines Zuschlages in Höhe der Selbstkosten für das Papier. Der Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung des Postscheck- g e s e tz e s sieht vor die Festsetzung der Zahlkartengebühr auf 25 Pf. bei Beträgen bis 5l�M.. 50 Pf. bei Beträgen über 50 bis 500 M., 1 M. bei Beträgen über 500 bis 1000 M. und 2 M. bei Beträgen über 1000 M. ferner bei den baren Auszahlun- gen durch Postscheck die Erhöhung der festen Gebühr von 10 Pf. auf 30 Pf. Nach einem weiteren Gesetzentwurf über die Aenderung der Telegraphengebühren soll die Wortgebühr für Tele- gramme künftig betragen bei gewöhnlichen Telegrammen 30 Pf, mindestens 3 M, bei Pr-ssetelegrainmen die Hälfte dieser Sätze. Sämtliche Vorlagen— eine weitere Gesetzesvorlage, betreffend die Aenderung der Fernsprechgebühren befindet sich noch in der Vor- bereitung— werden nunmehr dem Reichsrat zugehen nebst einer Uebersicht der vom Postbeirat angeregten Aenderungen. Von diesen Aenderungen ist der Reichspostminister bereit, dem Reichsrat die Einfügung einer Gewichtsstufe beim Brieftarif für Briefe über 20 bis 100 Gramm zum Gebührensag von 80 Pf. zu empfehlen, ferner bei den D r u ck s a ch e n die Ermäßigung der beiden ersten Gebührensätze von 20 und 40 Ps. aus 15 und 30 Pf., sowie die Herabsetzung der Einschreibgebühr auf 80 Pf, dies im Hin- blick darauf, daß hierdurch das finanzielle Ziel der Vorlage voraus- fichtlich nicht in Frage gestellt wird. In der Begründung heißt es: Bei der neuen Post- und Tele- graphengebührenvorlaqe handelt es sich um eine finanzpolitische Maßnahme, die, ebenso wie auch bei der Eisenbahnverwaltung, not- wendig geworden ist, um das vorhandene große und durch die vom Reichstag genehmigten neuen Personalausgabe u noch ge- steigerte Defizit zu verringern.
Die Not des vogtlaades. Erhöhung der Erwerbslosenunterstühuug? Die bereits feit einiger Zeit in Aussicht genommene Be- sprechung von Vertretern der sächsischen Regierung, der Stadt Plauen und der Amtshauptmannschaften Plauen und Auerbach mit dem Reichsarbeitsminister und dem Reichsfinanzminister über Fragen der Erwerbslofenfürsorg« und der Arbeitsbeschaffung hat am 22. Januar im Reichstagsgebäude stattgefunden. Im Verlauf der mehrstündigen Aussprache, bei der die sächsischen Vertreter die besondere Notlage des Vogtland «» eingehend schil- derten, sagt« der Reichsarbeitsminister im Einvernehmen mit dem Reichsfinanzminister zu, sich beim Reichskabinett für eine Erhöhung der jetzt gelteuden Unterstützungssätze für Erwerbslose auf Grund,
ja nichts anderes übrig. Meme Brief« kamen uneröffnet zurück. Es war zum verzweifeln. Ich bin ja so glücklich, daß ich dich endlich erreicht habe. Was habe ich gelitten. Aber, nicht wahr, jetzt ist alles wieder gut, es war eine Laune, nicht wahr, eine kurze, vorübergehende Laune." Die Frau(scharf und kühl):„Was wollen Sie eigentlich noch? Bemühen Sie sich nicht; es ist alles vergeblich. Sie langweilen mich nur." Der Mann(Angstschweiß auf der Stirn):„Kind— um des Himmels Willen— was ist zwischen uns getreten?— ich fasse das alles nicht— geh« jetzt nicht fort— ich bitte dich— höre mich an. Du mußt mich anhören-- ein Mißverständnis, eine schrecklich« Verleumdung— irgend etwas Furchtbare»— hallo— hörst du mich noch— wer ist denn, verflucht noch einmal, in der Leitung— es ist ja nicht möglich, daß du so plötzlich— so plötzlich— wir wollen ganz ruhig reden, hör mich an— wir wollen uns aus» sprechen—, hallo, bist du noch da? Alle» wird sich Nären.. Die Frau(mit ihrem kleinen Fuß wippend, entfernt und nähert den Hörer spielend ihrem Ohr und vergnügt sich dabei, dos dünne Stimmchen der Membran in die Lust schwirren zu lassen: dann legt sie lachend das Hörrohr auf die Platte des Rohrtischchens und blickt belustigt auf die summende, surrende, leise und kläglich zir- pend« Muschel. Leise tönt die Muschel in die Leere de» Zimmers, Worte steigen au» der schwirrenden Membran aus, suchen ein Ohr, eine unerhörte Musik, und verklingen im Zimmer. Eine Kette von Worten knistert hervor, wie ein« feine Rauchsäule, die nutzlos in der Lust zerrinnt... Jetzt, jetzt vielleicht fällt das entscheidende Wort, ein Wort, das Steine rühren würde, ein Wort, wie ein Gebet. Aber das Hörrohr liegt auf dem Tischchen, und auch dieses Wort summt und zirpt und oerstiegt irgendwo im Raum... H. N.
Die sterbende Operette. Der Operette, die lange Zeit d a s große TheatergeschSst war. geht es nicht mehr gut. Die großen Serien- erfolge der früheren Jahre bleiben aus. Das macht sich besonders in Berlin fühlbar. In dieser Spielzeit haben fast alle Berliner Ope- rettenbühnen die von ihnen im Herbst herausgebrachte Operette durch eine andere Novität ersetzen müssen. Direktor Charte von der Ko- mischen Oper will sein Haus schon zu Ostern hergeben. Max Epstein untersucht in einem Aufsatz seiner„Freien Deutschen Bühne" die Ursachen der sinkenden Operettenkonjunktur. Er stellt fest, daß sich „die alte Operette der Wiener Gattung überhaupt auf einer abwärts �leitenden Linie befindet. Nur durch ungeheure Anstrengungen an ' usstaUung und Darstellung ist es noch möglich, das ganze Genre am Leben zu erhalten und wenigstens für einige Monate hohe Ein- nahmen zu erzielen. Neue Formen werden gefunden werden müssen, wenn nicht die Gattung der leichten musikalischen Unterhaltung über- Haupt zugrunde gehen soll. Es scheint eine Neigung zur Revue, zu einer mehr geistreichen Formung des Singspiels mit geringeren Mitteln an ausführendem Personal hochkommen zu wollen." Direktor James Klein, der an Stelle von Charte in die Berliner Komische Oper einziehen wird, will denn auch das Haus m eine Revue-Bühne umwandeln.
von Z 3 Abs. 6 der Verordnung über Erwerbslosensürsorge elnzu- setzen. Das Reichstabmett wird sich nunmehr über die B e w t l l i» gung der Mittel schlüssig zu machen haben.
Der Kampf um die Deamtenräte. Wie wir zuverlässig erfahren, hat sich das sächsische Kabinett einstimmig für die B c a m t e n r ä t e entschieden. Das gleiche dürfte in den nächsten Tagen seitens des preu- ß i s ch e n Kabinetts erfolgen. Auch Württemberg hat sich nunmehr auf den Gedanken der Beamtenräte eingestellt. Es ist demnach zu erwarten, daß auch der R e i ch s r a t sich für die Beamtenräte— im Gegensatz zu dem Lahr - Projett der Beamtenkammern— entscheiden wird.
Severins über die Preußenwahlen. Am Freitag, den 21. Januar, sprach der preußische Minister des Innern, Genosse S e o e r i n g, unter stürmischem Beifall vor mehr als 3000 Menschen in der großen Stadthalle in Kastel. Er ging in seiner Rede aus von dem Verhältnis der preußischen Regierung zur Reichsregierung und stellte fest, daß die bestehenden Reibungen mit in der Tatsache begründet seien, daß die Reichsgewalt wesentlich ein« Legislative fei, die preußische Staatsgewalt aber wesent- liche eine Exekutive sei. Wir wollen Preußen nicht zerschlagen, sondern nur ein einheitliches kräftiges Preußen in den deutschen Ein- heitsstaat überführen. Preußen ist heute der Slarmbock gegen die heraufziehende Reaktion. Das Reich muß sich weiter nach links orientieren. Die Revo- lution ist nicht„gemacht" worden, sondern hat sich mit Notwendig- keit aus den Verhältnisten heraus entwickelt. Wesentliche Schuld daran tragen Wilson und L u d e n d o r f f. Die Männer, die durch die Revolution auf die höchsten Posten berufen worden sind, haben ihr Bestes geleistet. Was versäumt ist, muß nachgeholt werden. „Geben Sie, fuhr Severing fort,„derkünftigenpreußi- schen Regierung am 20. Februar Vollmacht, das Versäumte nachzuholen! Die Erneuerung der Justiz ist ein Haupterfordernis. Die Landwirtschaftspolitik des Ministers Genosten Otto Braun findet die volle Unterstützung der kleinen Landwirte und muß fort- gesetzt werden. Wir wenden uns in der Schulpolitik gegen die, welche unter der Bezeichnung Geschichte GeschichtskliUerung treiben. Wir wünschen, daß künftighin Beamte, Arbeiter und Angestellte nicht mehr in Klassen getrennt sind. Die preußische Staatsregierung wird am Montag ihren Vertreter im Reichsrat instruieren, die V o r l a g e des Beamtenrätegesetzes beim Reich zu verlangen. Der Minister kam dann ausführlich auf die Selbstschutzverbänd« zu sprechen und führte aus: Der Staat hat die Pflicht, Leben und Gesundheit seiner Bürger zu schützen, die öffentliche Ruhe und Ord» nung zu erhallen und eine starke Polizei dazu aufzustellen. Der Staat bat die Verpflichtung, die Anerkennung dieser Grundsätze von allen Staatsbürgern zu fordern. Jeder Selbstschutz ist T ä u- s ch u n g, er birgt inner- und außenpolitische Gefahren in sich. Es wird gegen alle die eingeschrillen werden, die gegen das Selbstichuh- verbot der preußischen Regierung handeln. Wenn solche Selbstschutz- oerbände keine Massen haben wollen, so erscheint es fraglich, wie sie den Selbstschutz handhaben wollen. Die Polizei hat die Der- p f l i ch t u n g, bei jedem Verdacht einzugreifen, auch wenn der Staatsanwalt bei einer Untersuchung zu einer Freisprechung kommt. Das gegenseitige Mißtrauen kann-nicht mll Waffen ausgetragen werden, sondern nur in politischen Erörterungen.
Cas versammllmgs,.rechl" in Bayern . In der Antwort der bayerischen Regierung auf ein« im Landtag« eingebrachte Anfrage über die Handhabung des Versammlungsrechts durck die bayerischen Staatskommissare wird erklärt, dcß eine Verschär» f u n g der bisherigen Bestimmungen weder beabsichtigt, noch erwirkt werde. Die Bekanntmachung der Staatskommissare sei nur ein Kam- mentar zu der Bekanntmachung vom 28. November. Als hübsche Illustrierung zu der Dersammlungssteiheit in Beyern wird mit- geteilt, daß dem Wiener Sozialisten Friedrich Adler ein zweites Mal für das Austreten in einer geschlostenen Versammlung der U.S.P. von der Münchener Polizeidireltion der Lusenthall in München versagt wurde. Auflösung der brllischen ZNINtärmistlon? WI« die„Dena" von unterrichteter Seite erfährt, wird die britische Militärmisston unter 1 Generai Malcolm Ende März d. I. oufgelöfl werden.
Gastspiel Michael Bohnen . Roch Braun spicll« Schützendorf, nach Schützeudorf Bohnen den Blaubart; das ist eine einheitliche Entwicklungslinie vom intelligenten Sänger über den schönen Sänger zum peisönlichen Spieler. So ist die Rolle sicher gemeint: Bohnen aber verwirst den Gesang mehr, als der Rolle gut tut und macht die acistvolle Partitur sich und seinem Spielwillen völlig»ntcrtan. Auf der Nadelspitze dialektischer Kunstsertigkell balanciert sein Spiel und bleibt doch fest geprägt wie in Bronze. Die lorische Weichhell, die der licbcndc Galle und selbst der Lustmörder Blaubart haben mich, verpufft in einer allzu stumpfen Beß-Cantilene. Bohnen hat die Dämonie des Austretens, des Blicks, er hat eine Suggestion des befehlenden Despoten, nicht aber die märtyrerhaste Größe des Kezeich- ncten, des Dekadenten. So bleibt selbst in mancher starren Geste der hcchgeworfcnen Arme und des geisterhaften(tächelns ein Rest unerlcbtcn Mimentums zurück. Die Wiederkehr dieses stcrken Mannes zur Bühne ist Sensation und Freude zugleich. Er mondle sich gesanglich zurück, und wir sind um ein Erlebnis reicher. K.S.
Theater. Im Deutschen Opernhauz wiederholt Marl « Jeritza ihr Gastspiel alZ T o Z c a bereits am Sonntag, den 30. Januar. Das Apollo-Theater wird von Februar an ein großes Ausstattungsstück mit Ballett aeben:„Tie Liebe der Madam« Dubarry". Die Dubarry wird dargestellt durch die S a h a r e t. Sie beziebt, wie rcllamebalber mitgeteilt wird, eine MonalSgoge von 60 000 M. Aus Liebe zu Deutsch -. lanv und Berlin hat sie erklärt, sich mit dieser Summ« bescheiden zu wollen.(Ist das nicht rührend?) Musik. Montag, den 24., 8 Ilhr, findet in der Ewer-Buchhandlung (Knesebeckslr. 54) ein Klavierabend von Marie Zweig statt.— Tie „Niedersächfische M u s i k v e r e i n i g u n y gibt am 24. Febr. in der Philharmonie ihr erste« Konzert unter Mitwirkung der Kammer- musikvercinigung der StaatSoper. Eintrittskarten zu ermäßigtem Preis bei Horsch, Engeluser 15. Vorträg«. Im Wisienschaftlichen Berein stricht Mittwoch, den 26., Georgenstr. 34-36, S Uhr. Dr. v. Allesch über„Ausgaben der neuen Malerei und Plastik". Einlaßkarten ebendort. Kunstchronik. M« staatliche Meßbildanstalt, die biSber fast nur für die Aufnahme von Architekturwerken täfig gewesen ist, stellt in der Bibliothek deS Kunstgewerbemuseum« 200 Aufnahmen nach deutschen Bildwerken deS Kaifer-Friedrich-Museums aus. Die großsormafi- gen Bilder zeigen«ine hohe Vollendung der Arbeitsmethoden.— In München wird eine große Defregger- Ausstellung vorbereitet, die auch in Berlin , Dresden sowie m Innsbruck und Bozen gezeigt werden soll. ' Darmstadt gegen die sranzöstsche Kunst. Die Stadt Darmstadt will ihre städtischen Ausstellungsräume nicht hergeben, die für eine Ausstellung französischer Kunst von der Darmstädter Sezession beansprucht wurden. Da die gute Stadt Darmstadt die stanzösische Kunst doch nicht aui Deutsch » land verbannen kann und lunter uns gesagt) sie auch gar nicht zu fürchten braucht, sollte sie schleunigst beidrehen. Schon um nicht in den Verdacht zu kommen, daß dort ebensolche kleinhirnige Chauvinisten am Werke sind — wie leider auch jenseits der Vogesen.% Mammutknochensande in London . Im belebtesten Teile Londons , in Regentstreet. sind bei Grabungen Knochen gesunden worden, die von einem Mammitt herrühren. Das Tier, dessen Ueberreste hier ans Licht traten. ist vor vielen tausend Jahren über die Stätte des heufigen Londoner West- End geschritten. Bielleicht wurden aber auch diese Knochen an die Fundstelle gespült, denn hier hat einmal daZ Flußbett eines mächtigen vor» geschichtliche» Fluges gelegen.