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2. Heilage öes vorwärts

Dienstag, I.Mörz 1?2?

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HroßSerlln Der Raubüberfall auf üen flutoomm'bus Der lleberfoll der bewaffneten und maskierten Räuberbande auf den vollbefetzten Autoomi ibus bei Strausberg hat die dortig« Bevölkkrung in begreifliche Aufregung oersetzt. Die dortige Polizei- Verwaltung, unterstützt durch das Raubdezernat der Berliner Krimi- nalpolizei ist unausgesetzt tätig, die Teilnehmer an diesem Räuber- stüch»u ermitteln. Leider hat sich bis jetzt noch keine Spur finden lassen. Die Vernehmungen des Chauffeurs und seines Begleit- manne», sowie der Fahrgäste zeigen, dah diese insolg« ihrer Aus- regung nur wenig aus da. Aeußere der Räuber geachtet haben. Einigermaßen beschrieben werden kann nur der Räuber, der selbst als Fahrgast im Wagen gesessen hatte. Er war den anderen Per- sonen vorher durch sein lieber.swürdiges und freundliches Wesen aufgefallen. Die Deute der Räuberbande. Der Gesamtwert der Schmucksachen einschließlich des baren Geldes beläuft sich nach den bisherigen Feststellungen auf unge- fähr Z0 00v M. Die Räuber hatten, wie sie selbst sagten, viel mehr erhofft. Der Verbrecher, bei den Chauffeur ausplünderte, tagte diesem, er solle nur ruhig ble.ben, ihm würde nichts geschehen, denn er und seine Spießgesellen hätten e» nur auf Kapitalisten ab- gesehen. Nichtsdestoweniger ließ er sich von ihm seine Barschaft, 800 M. aushändigen, gab Ihm aber nachträglich IV M. davon zurück. als er hörte, daß dieses sein eigenes Geld fei. Der Überfallene Zlutoomnibus gehört der Kraftwagenverkehr»« gesellschaft der Marken, die in Berlin-Schöneberg ihren Sitz Hot. Für die Aufklärung de» Ueberfolles hat die Stadt Strausberg eine namhafte Belohnung ausgesetzt. We zweckdienlichen Angaben sind an dt« Strausberger Polizetoerwaltung. Kriminoloberwacht- meister Jung, oder an die Berliner Kriminalpolizei. Krimtnalkom- misiar Werneburg, Zimmer Pv, chausanruf 106, zu richten. Der Tatort wurde gestern nachmittag vzn dem Leiter de» Raubdezernat» dsr Berliner Kriminalpolizei besichtigt und einige der Beraubten an Ort und Stelle vernommen. Di« weiteren Dernehmungin von inzwischen ermittelten Fahr» gasten lassen erkennen, daß die Räuber es in Wirklichkeit nicht nur aus»Kapitalisten" abgesehen hatten, sondern auch weniger ve- mittelte völlig ausplünderten. So oefanden sich auch einige Ar- beiter in dem Wogen, di- ihnen Borwürfe darüber machten, daß sie ihnen den Arbeitslohn abnehmen würden und sie setzt selbst nicht» zu leben hätten. Aber auch sie mußten hergeben, was sie besaßen. Einige versuchten ihre Brieftaschen unter da» chemd zu stecken. Als die» beobachtet wurde, mußten sie diese aber wieder hervorholen. Unter den geraubten Sidmucksachen befinden sich zwei unscheinbare Gegenständ«, die in Wirklichkeit einen sehr hohen Wert haben und auf deren Wiederbeschasfung der Beraubt« eine hohe Belohnung aussetzt. Nach der übereinstimmenden Beschreibung ist der anscheinende Führer der Wuberband« der Mann mit der Hornbrille, etwa 25 bis 38 Jahre alt. Er hat«inen kleinen Kopf,«in hageres, glatt- rasierte» Besicht mit mittelgroßer»römischer" Nase, sah unterernährt aus und hatte gutgepstegte chände. Bei sich hatte er eine schwarze. stark abgenutzte chandrosche von etwa 60 Zentimeter Länge und SS bis 28 Zentimeter Breit«. Sein Begleiter ist etwa 32 bis 2S Jahre alt und Neiner. etwa 1.62 bis l,flS Meter groß, hat ein schmales Gesicht und trug einen Mantel au » Militärstoff, einreihig, mit drei Knöpfen. Eine Beschreibung der übrigen Täter kann keiner der Ueberfallenen geben._ wann begannt die Tätigkeit in den Sezirksämtern! Soweit sich übersehen läßt, sind die Bezirksämter bis auf ein» (Steglitz-Lichterfelde) gewählt Die Wahlen der ersten Bezirksämter liegen bereit, zwei bis drei Wochen zurück. Es taucht jetzt die Frag« auf, wann Kenn nun eigentlich di« Bezirksämter in Tätigkeit treten sollen. In einer gewissen Presse, die dem neuen Einheits-Berlin vom erstell Tage seines Entstehens die größten Schwierigkeiten ge- macht* werden jetzt wieder einmal allerlei Nachrichten kolpor» tiert, lediglich zu dem Zweck, die Inbetriebsetzung der Bezirksämter und damit di« gesamte Derwaltungsmaschinerie Groß-Berlin» zu ver- schleppen. Einmal wird berichtet aus welcher Quelle ist nicht recht ersichtlich, der Oberpräsident trag» sich mit dem Gedanken, die Stadwerordnetenversammlung auszulösen. E« scheint, dah bei dieser Meldung der Wunsch der Vater de» Gedanken» namentlich derjenigen

Prest« ifi; die sich mit nun einmal gegebenen Verhältnisjen nicht abfinden kann. Denn es ist doch im Ernst nicht zu glauben, daß der Oberprästdent die Stadwerordnetenversammlung auflösen kann. Und selbst wenn das vberoerwoltungsgericht das erstinstanzliche Urteil auf Ungültigkeitserklärung der Stadwerordnctenwahl 1 bis 6 bestätigen sollte was wir zunächst nicht annehmen können, so bedeutet das keineswegs, daß die neu gebildeten Bezirksämter nicht zu Recht beständen. Um den überflüssigen Redereien«in schnelles Ende zu bereiten. wäre es nur zu wünschen, wenn der Oberpräsident, dem die in die Bezirksämter Gewählten zur Bestätigung vorliegen, etwas rasche Arbeit machen würde. Wenn der Magistrat Berlin schon die ge- wählten Personen dem Präsidenten zur Bestätigung vorlegen zu sollen glaubte, so doch nicht deshalb, um die Akten im Oberprästdium wochenlang lagern zu lassen Da im Gesetz Groß-Berlin von einer Bestätigung der Bezirksamtsmltglieder durch den Oberprästdenten keine Rede ist, so könnte man im Zweifel sein, ob der Magistrat von Berlin die Einreichung überhaupt nötig hatte, denn die Bezirks- ämter stnd doch lediglich ausführende Organe des Magistrats, denen allerdings im Gesetz auf den verschiedensten Verwaltungsgebteten eine gewisse Selbständigkeit zuerkannt ist. Wie dem aber auch sei, wir hoffen, daß der Oberprästdent mm- mehr sich etwas schnell entscheidet, damit die aufgehäuften Arbeiten in den Verwaltungsbezirken endlich erledigt werden können.

Entmündigung wegen Kokainsucht. Die Aushebung der Kokainhöhle am Waterlooufer hat nur«inen kleinen Teil des KoiainhandclS unschädlich gemacht. ES ist«in offenes Geheimnis, daß dieser Handel in zahlreichen anrüchigen Eaföß blüht und nach dem geiährlichen Rauichmtttel selbst von jugendlichen Personen immer stärkere Nachfrage gehalten wird. Bekanntlich war auch die Tänzerin Plaumann, die Braut des Eickihor«- Adjutanten Prinz, trotz ihrer IS Jahre schon der Kokainsucht verfallen. Sie hätte sicher nicht Selbstmord be­gangen, wenn nicht ihre Willenskraft durch Kokain geickwäckt worden wäre. Die gesundheitlich verheerenden Folgen sind viel schlimmer und treten bedeutend schneller ein als bei chronischem Altoholmißbrauch, zumal dem Kokainickmupfen gewöhnlich solche Personen zuneigen, die neurasthei'iich oder durch unsoliden Leben»« Wandel bereit» geschwächt find. Wenn die Aerzt« nicht unter dem Berufsgeheimnis stünden, würde man erstaunt sein über nähere Angaben, wie weit diese Lustseu»e schon vorgeschritten ist. In Privatirrenanstalten und freien Sanatorien werden jetzt ständig zahlreiche Kokainsüchtige mit längeren Entziehungskuren behandelt. Ein gesetzliches verbot de« Kokaingenusse» wäre felbstverständ- lich undurchführbar. Zunächst kanu nur der Geheimhandel ge« troffen werden. In einem im WohlfahrtSministerium ausgearbeiteten Gesetzentwurf ist die Entmündigung wegen Kokainiucht in Aussicht genommen. Die Kokainsüchligen werden also unter die gleichen ge- setzliche« Maßnahmen wie die Truniiüchtigen gestellt nnd können, wenn sie fi» selbst oder anderen gefährttch find, auch dem Irren« Hause überwiesen werbe»._____ Nächtlich« Ueberfälle. Auf der Lchillerpromenad« in Reinickendorf wurde der 41 jährige Wertmeister Karl Höpte von zwei Männern überfallen und zu Boden geworfen, nachdem sie auf ihn eingeschlagen balten. Sine Streife der Schutzpolize» fand ihn. auS einer Kopfwunde stark blutend, auf und brachte ihn nach dem Kreiskrankenbause. Der Kaufmann Edmund Sch. au« Tempelvof wurde in Be« gleitnng eines Mädchen«, da« ihn ongeiprochen hotte, in der Nähe de« Temvelhofer Felde« von zwei Männern' überfallen und feiner Brieftasche mit 2000 M. Inhalt deraubt. Die sofortigen Er- Mittelungen der Polizei haben schnell zu einem Resultat gefuhrt. Einer der Täter, der 22jährige Arbeiter Paul Britz aus Tempclhof, und das Mädchen, das mir den beiden Männern unter einer Decke steckie, und als die 17jährige Arbeiterin Elly Schadow festgestellt wurde, konnten bereit« er riffen werden. Der andere Räuber soll nach Hamburg geflüchtet sein.' Esch» Männer 0 beifielen in der vergangenen Nacht den Fleischer Hon» Budschte. al« er sich auf dem Heimwege nach ssiner Wohnung in der Schlüterstraße befand. Die Täter raubten ibm seine Brief- tasche mit 800 M. Inhalt und suchten dann da« Wette. Einer der- selben, der in der Krumme Straße wohm, konnte schon festgenommen werden.

Ttrastenbahu- Monatskarte« für März d. I. Da der erhöhte Tarif von der Stadtverordnetenversammlung noch nicht angenommen ist, können Monatskarten und Aerimorkeu für März voraussichtlich erst vom 2. März(Mittwoch) ab au«- gegeben werden. Die Monatskarten für Februar gelten deehalb bis einschließlich Donnerstag, den 3. März, bis Betriebsschluß.

ver Lustmärder au der Zlse heymann, Willy Birkholz, ist in Moabit durch die Sachverständigen Sanitätsrat Dr. Magnus Hir)ch- selb und Dr. Artur Kronfeld auf feinen Geisteszustand untersucht worden. Birkholz behauptet, daß er bei Ausübung der furchtbaren Tat in einem sein« sre e Willencbestimmung ausschließendem Zu- stände der Trunkenheit sich befunden hob«. Er ist erblich hochgradig belastet und Hut in der Untersuchungshaft einen heftigen Krampf- anfall erlitten. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Walter Nie- mann, hat daher auf Grund des Gutachtens der Sachoerstäntign» dt« Ueberweifung de» Birkholz in ein« geschlossene Nervenanstaft gemäß 8 81 Stt.P O. beantragt.« 26 Jahre vorwSrlsauslrägeria. Ihr Löjährige» Jubiläum als VorwärtSanSlrägerin kann beute Frau B i t t e r l i cl,. Zosiener Straße 19. feiern. Zurzeit ist»niere Genossin in der Speditiv!» Bärwoldstrahe 42 beichäfligt. Wir wün'chen der im 68. Leben»- fahre stehenden törpeilich und geistig noch rüstigen Frau, daß ihr die Leiden de» A.ter« noch recht lang« fernbleiben mögen. En» Vierieljabrhundert im Dienste unserer Zeitung heißt ebenfolangeS Wirken für die Sozialdemokratie. Die Jubilarin darf mit Stolz auf ihre Tätigkeit zurückblicken. Wir sprechen der Genossin unsere herzlichsten Glückwünsche au». Da» Kohlenbezirksamk für den Bezirk.Tiergarten ", der be- kanntlich außer Moabit und dem Hansaviertel auch den Alt-Berliner Westen umfaßt, eröffnet für den letztgenannten Stadtteil zun, 2. März eine besondere Zweigstelle in der Don-der-. Heydt- S t r a ß e 1. Da die bisherigen Räume des Kohlenbezirksamts in der Ottostr. 9. welch« der Polizei gehören und von dieser nur widerruf» lich dem Magistrat überlassen waren, von der Polizei setzt für eigene Zwecke wieder benötigt werden, so muß gleichzeitig auch die für die übrigen Stadtviertel des Bezirks»Tiergarten" zuständige Abteilung aus der Ottostraße verlegt werden. Sie befindet sich vom 2. März ab in Berlin NW., B o ch u m e r Str. 13. Am 1. Marz bleibt das Kohlenbezirksamt de» Umzugs wegen für das Publikum ge- schlössen. Di« abstimmungsberechilgten Oberfchlcsirr können di« Fahr- scheine von ihren Ortsgruppen in Empfang nehmen. El«« Mekerdemonstratlon. Auf Grund de� Vorgänge im M.E.A. Neukölln veranstaltet« am Sonntag der Mieteroerband, Ortsgruppe Neukölln-Vritz, eine öffentliche Versammlung im Garten der Kindl-Brauerei, an welcher sich zirka 12 000 Mieter beteiligten. Die Versammelten forderten in einer Entschließung: die sofortige Zurückziehung der Bekanntmachung vom 18. Januar 1921, die Ein- lettung des Diszivlinarverfahrens gegen den ehemaligen Leiter de, Neuköllner Mieteinigungsamts, Zurückziehung aller kompromittierten Vertteter vom M.E.A. durch die Parteien, welche diese Vertreter delegiert haben. Aussetzung aller Termine beim M.E.A., bi» nach Zvriutziehung der Bekanntmachung vom 18. Januar 1921 alle Mieterbeisitzer die Tätigkeit wieder aufgenommen hoben, sofortige Neubesetzung de» M.E.A mit Beisitzern, die auf die Forderung der Mietcrschaft zu verpflichten und auch deren Interessen restlos zu wahren bereit sind, und Reorganisation der Leitung des Wohnung»- omts. Nach Schluß der Versammlung formierten sich die Ver- sammelten zu einem Demonstrationszuge. EltersdeirZte de« 13. Verwaltungsbezirks. Dienstag, 1. März abends V48 Uhr, findet eine Sitzung der Elternbeiräte aller sozialistischen Parteien im Restaurant Streiter, Mariendors, Chausseesir. 27, statt.

ßilmschau.

Die Verschwörung zu Genua. Ufa -Polast am Zoo. Man kann natürlich auch hier wieder, wie immer bei derartigen Verfilmun/en unsterblicher Kunstwerke, drohend den Finger erheben und sich entrüsten über die Unbekümmertheit der Filmleute, denen aber auch»rein gar nicht» heilig" ist. Es scheint ober, als ob der richtige" Filmmenfch über derartige Einwände lächelt und sich nur fragt, ob der fraglich« Stoff oder die fragliche Handlung seinen Instinkten entgsgentcmmt. Aber auch so gefragt, muß man zugeben, daß das Wesentlichste von Schiller , bei dem alles zuerst und bei-

Sline Menschenkind.

2. Teil. Mütterchen. Bau Martin Andersen Iterä. Soviel Lars Peter sich auch den Kopf zerbrechen mochte, das mit Sörine konnte er nickt begreifen. Es lag in seiner Natur, sich an die helle Seite der Dinge zu halten: was sonst noch da war, vergaß er einfach wieder, sobald es vorüber war. Er hatte nur Sörines gute Eigenschaften im Gedächtnis. Sine tüchtige Frau war sie gewesen, geschickt im Zusammenhalten der Brocken und strebsam. Und gut« Kinder hatte sie ihm geschenkt, das allein genügte, alles auszustreichen. Er hatte sie Neb gehabt, und er war stolz auf sie gewesen um ihrer Strebsamkeit und ihre» unbezwingbaren Ehrgeizes willen. Und wenn ihr Sticheln auch manchmal lästig sein mockt«. im stillen hatte er sie bewundert, weil sie die Nase so hoch trug. Und imn saß sie ihres Stolzes wegen im Zuchthaus! So lange wie nur möglich hatte er sich daran geklammert, daß es ein Irrtum sein müsse.Vielleicht lassen sse sie eines Tages laufen." dachte er.Dann steht sie in der Tür, wenn du ge- fahren kommst, und das Ganze ist ein Mißverständnis ge- wesen." Nun war das Urteil längst gefällt, und die Sache mußte ja in Ordnung sein. Aber sinnlos blieb es doch! Ein Hufeisen lag aus dem Wege, der große Klaus blieb aus alter Gewohnheit stehen und drehte den Kopf. Lars Peter erwachte au» seinen Gedanken und schaut« vor da» Pserd hin. dann trieb er es wieder an. Der Gaul begriff das nicht, aber es mochte sein wie es wollte; Lars Peter hätte kein« Lust mehr, eines lausigen Hufeisens wegen vom Wagen hinunterzuklettern. Das Ganze hatte ja doch keinen Zweck! Er fing an zp pfeifen und schaute über die Landschaft hin, um di« Gedanken abzulenken. Drüben auf dem Moor waren die Leute beim Eisschneiden für die Meierei es war auch höchst« Zeit! Und der Bauer von Gadby fuhr in seinem besten Schlitten aus, sein alte» Weib neben sich. So einer konnte? Wenn man nur Mutter mit auf dem Wagen hätte und nun zum Desuch der Hauptstadt führet Aha-- da hatte «» ihn wiedev gepackt! Lars Peter rückt« auf seinem Sitz hin und ber und sah nach der anderen Seite, aber was half da»? Di« Gedanken wurde er nicht los. Sie waren wie Ungeziefer;

stieß man sie von einer Stelle weg, so bissen sie einfach an einer andern. Aus einem kleinen Gehöft kam eine Frau auf di« Land- straße gerannt.»Lars Peter!" rief sie.»Lars Peter!" Der große Klaus blieb stehen. »Fährst du zur Stadt?" fragte sie atemlos, sich auf den Wagenkasten stützend. »Ich fahr' zur Hauptstadt." Lars Peter sagte es ge- dämpft, wie wenn er Angst hätte, daß sie erraten werde, was er in der Stadt wollte. »v. willst du wohl so freundlich sein und uns einen Nacht- topf kaufen?" »Was, wollt ihr vornehm werden?" Lars Peter verzog den einen Mundwinkel zu einer Art Grinsen. »Ja. weißt du, unsre Dirn' hat Gichtsteber, und da dat der Arzt ihr oerboten, aus dem Hau» zu gehen, um ihr Wasser zu-lassen," erklärte die Frau entschuldigend. »Gewiß das kann ich Wie groß soll er denn sein?" »Wenn man schon mal einen anschafft, dann ist es ja am besten, daß wir alle Nutzen davon haben. Der Alte und ich selber und dann die Tochter und unser Knecht und das kleine Mädel. Für sechs-, siebenmal Wasierlassen müßte er langen. Hier hast du«inen Neicheort, mehr kann er wobl nicht kosten." Sie reichte ihm das Geld, das in Papier gewickelt war, hinauf, und der große Klaus setzte sich wieder in Trab. Ms sie gut die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, bog Lars Peter bei einem Kruge ab. Der Gaul mußte etwas üi den Wanst bekommen, und ihm selbst konnte«ine kleine Herz- stärkung auch ganz guttun, er war in recht schlechter Stirn- mung. Cr fuhr in den Reisestall binein, nahm dem Pserbe da« Zaumzeug ob und gab ihm den Futterbetitel uin._ Der dicke Krugwirt kam in der Tür zum Vorschein und blinzelte hinaus mit seinen kleinen Scbweinsauqen. die in der gewaltigen, rotgefleckten Fleischmasse tief eingefügt lagen, wie zwei Rosinen in aufgehendem Teig.»Was, da haben wir ja den Schinder vom Sande!" rief er und lackte, dah ihm der Schaum Im Halse brodelt«.»Was bringt so hohe Herrschaften hierher?" Lars Pete? hatte solchen Gruß schon früher vernommen und mit darüber gelacht, aber heute übte dies Willkommen eine eigentümliche Wirkung auf ihn aus. Seine Nachsicht war erschöpft: das Blut begann in ihm zu steigen, als wollte es ihn

über sich hinausheben. Der langmütige, bedächtige, träge Lars Peter wandte den Kopf mit einem Ruck daß die Zähne glänzten. Dann hielt er inne, legte den Fuhrmantel ab und breitete ihn über den Gaul. »Irre ich mich vielleicht?" begann der Krugwirt von neuem.Ist es nicht der Herr Gutsbesitzer vom Elsternnest. der uns die Ehre erweist?" Der aufgesperrte Schlund des Krugwirtes klappte von selber zu. Seine Schweinsäuglein, die sich, während er lachte, in die Fleischmasse hineinsenkten, taten sich in starrem Eni- setzen auf, und er wandte sich und stürzte ins Haus. Als Lars Peter in die Wirtsstube hineinstapste, mit düsterm Ausleben, machte sich der Wirt drinnen allerlei zu schaffen: er pfiff leise vor sich hin, die dicke Zunge zwischen den Lippen, und sah ein- fältig drein. »Einen Schnaps und ein Bier." brummte der Schinder. setzte sich an einen der Tische und begann sein Essen aus­zupacken. Der Krugwirt kam mit einer ganzen Karaffe und zwei Gläsern. Er schielte unsicher zu Lars Peter hin und schenkte dann zwei Schnäpse bis zum Rande ein.Prosit, a>ter Freund!" sagte er einschmeichelnd. Der Schinder trank, ohna anzustoßen: er hatte dem dicken Kloß einen kleinen Sckreck eingejagt, und nun wedelte der Bursche mit seinem Schweine- schwänz. Das war etwas ganz Eigentümliches, einen andern Menschen dabin zu bringen, daß er vor einem zitterte ein ganz neues Gefühl war's. Aber es gefiel dem Lars Peter nicht schlecht. Und es tat gut, die Galle einmal ordentlich auszu- blasen: der Körper empfand noch eine Zeitlang<in richtiges Wohlbehaaen nach der heftigen Entladung. Da saß der groß- Mäulige Wirt und schmierte sich an, bloß weil man sich nicht mehr in alles fand. Lars Peter verspürte plötzlich Lust, ihn, so recht den Fuß auf den Racken zu setzen, ihm in feine ver- ftesscne Fratze zu schreien, daß ihm der Schaum vor Schreck aus dem Halse spritzte. Oder seine beiden Enden zu nehmen und zusammenzubiegen. Warum sollte er seine Ueberinacht nicht einmal gebrauchen? Vielleicht brachte man ihm dann den jetzt fehlenden Respekt entgegen. ver Wirt ließ sich auf einen Stuhl ihm gegenüber nieder- sinken.Na, Lars Peter Hansen, man is woll Sossialist ge­worden?" fragte er blinzelnd. (Forts, folgt.)