Einzelbild herunterladen
 
  

Ht. 161?8. Jahrgang

Seilage öes Vorwärts

vonnerstag, 7. fiprU 1921

GroßSerlw tzohenzollernverewigung. Um der Geschichte der Berliner Straßennamen. Der Streit um die Straßennamen Berlins , der in der Stadt- verordnetensitzung die Köpfe erhitzte, legt die Frage nahe, wann in Berlin die Sitte(oder Unsitte) aufkam, Straßen nach Mitgliedern des Herrscherhauses zu taufen. 3n früheren Zeiten be­nannte man Straßen und Gaffen auf natürliche Weif«, z. B. nach den darin besonders stark vertreteneu Gewerben(Fischerstraße), nach benachbarten Ortschaften(Spandauer Straße), nach wichtigen Ge- bäuden(Klosterstraße), nach Eigentümern der Eckhäuser(Reezen- gösse, seit 1862 Parochialstraße). Eine militaristische Note kam in die Straßenbenennung hinein durch die Befestigungsanlagen(Wall- straße). Den ersten Straßennamen von monarchistischem Klang brachte das Jahr 1701. Zur Erinnerung an den damaligen Einzug des aus Königsberg von der Königskrönung zurückkehrenden Friedrich l. wurde die Königstraße benannt. Bis dahin hieß sie Georgenstraße nach dem.draußen' liegenden Georgenhospital, noch früher Oderberger Straße, weil nach Oderberg führend. Daß bei der Umtaufung in Königstraße ortsgeschichtliche Beziehungen zerstört wurden, darüber scheint man sich nicht viel Gedanken ge- macht zu haben. Aehnlich verfuhr man damals mit dem Molken- markt, der seinen Namen seit Jahrhunderten trug. Im Jahre 1728 wurde, was wenig bekannt sein dürfte, auf dem Molkenmarkt dem ersten König Friedrich I. durch seinen Nachfolger Friedrich Wil- ,jrfmT. ein Standbild errichtet und der alte Platzname zur höheren Ehre der Königswürde unbedenklich in Königsmarlt geändert. Die neue Bezeichnung konnte aber nicht in Aufnahme kommen. well nicht lange danach das Standbild wieder beseitigt wurde. Um jene Zeit wurde die Friedrichstadt weiter ausgebaut. Sie gab Gelegenheit, ein paar Straßen nach gekrönten Häuptern zu be- nennen. Die Friedrichstraße war zuerst in ihrem südlich der Weiden- dammer Brücke gelegenen Tell entstanden. Sie hieß anfangs Dälnm, später Ouerstraße, well sie dort die Straßen der Dorotheenstadt überquerte. Unter Friedrich Wilhelm I. durch die Friedrichstadt bis zum nachmaligen Belleollianceplatz weitergeführt, erhielt sie in ihrer ganzen Länge den Namen Friedrich st raß«, um Friedrich I. zu.verewigen'. Zwar hatte noch bis 1813 der Magistrat allein über die Straßennamen zubestimmen', man darf aber annehmen, daß schon Friedrich Wilhelm I. den Teufel was nach einem etwa widerspenstigen Magistrat gefragt und nötigenfalls selber durch ein Machtwort die Straßennamen festgesetzt hatte, wie es ihm paßte. Die gleichfalls beim Ausbau der Friedrichstadt entstandene C h a r- lotten straße erhielt damals ihren Namen nach Sophie Ehar- sott», der Gattin Friedrichs I. Nach Friedrich Wilhelm I. , der die bauliche Entwicklung der Friedrichstadt förderte, aber dabei in seinen MittÄU bekanntlich nicht sehr wählerisch war, wurde die damals angebaute Wilhelm straße benannt. Im ganzen aber blieben Straßennamen dieser Art noch bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts hinein eine Ausnahme Erst nach den Kriegen 1813 15 kam es mehr in Mode. Straßen nach Königen, Prinzen und Generalen zu nennen. Inzwischen hatte Friedrich WL- Helm III. angeordnet, daß in Berlin der Magistrat über die Straßennamen nicht mehr.bestimmen', sondern nur noch zusammen mll dem Polizeipräsidium die Straßennamenv o r- schlagen' durste. Die Auswahl war fortan Sache des Königs, und durch Kabinettsorder setzte er die Namen fest. Don da ab wurde bis in die neueste Zeit hinein jedes noch so unbedeutende und unbekannte Mitglied der Hohenzollern - familie in irgendeiner Straße �verewigt", oft mll dem Erfolg, daß schon nach einigen Jahrzehnten kaum noch ein Mensch die Herkunft des Namens ahnte. Wer weiß noch etwas von den prlnzlichen und prinzeßlichen Größen, nach denen benannt sind z. B. die Albrechtstrahe(1827), die Karlstraße(1827). die August- straße(1833), die Alexandrinenstraße(1843), die Adalbertstraße

(1847), die Mariannenstraße(1849), der Heinrichsplatz(1849)? Auch ausländische Potentaten standen Pate bei Straßen tauf m in Berlin . Wem aber ist noch bekannt, daß benannt sind noch einem Kaiser von Rußland der Alexanderplatz (180?) und die Alexanderstraße(1819)? Eine Kaiserstraße gibt es übrigens in Berlin schon sell 1815: auch sie sollte die Erinnerung an den damaligen Russenkaiser feschalten. Die neueste Zell brachte uns unsereeigene' Kaiserstraße. die Kaiser- Wllhelm-Straße, in der auf der Strecke von Spree bis Klosterstraße .die Kleine Burgstroße, die Brauhausstroße und die Papenstraße auf- gingen. Nebenbei bemerkt: auch hier wurden die ortsgeschicht- Richen Beziehungen und Erinnerungen bedenken- los geopfert. Die Hochflut milllaristischer Straßennamen kam für Berlin eigentlich erst 50 Jahre nach denFreiheitskriegen'. Damals wurden unter dem Einfluß derJubelstimmung' eine große Reihe Straßen nach Schlachtorten und Generalen benannt. Nach dem Krieg 1 8 7 0/71 führte dann der Siegestaumel zu einer noch tolleren Orgie militari st isch-monarchistlscher Straßen- taufen. 175666 Nlark im öanüonkum. Die Aufklärung des Dochumer ZNillionenraubes. Der Millionenraub bei Bochum , über besten Aufklärung wir seinerzeit berichteten, beschäftigt noch immer die Kriminalbehörde, da der Haupttäter, Wilhelm Müller , noch immer nicht ergriffen werden kormt« und auch ein großer Tell des geraubten Geldes noch fehlt. Zwei der Räuber, Kley und K e i s i n g, wurden, wie wir damals millellten, in Berlin ergriffen. Sie sind inzwischen in Bochum zu langjährigon Strafen verurteilt worden. Nach dem Urteil haben sie gestanden, wo der Rest des Geldes aufbewahrt wurde. Als Versteck hatten die Räuber ein Bandonium gewählt, besten Berbleib«in Bochumer Kriminalkommissar mll Unterstützung der Berliner Kriminolpolizei nunmehr festgestellt hat. Hagemoser, der, wie wir berichteten, ebenfalls verhaftet wurde, weil er um den großen Raub gewußt, hat nachher versucht, sich in den Besitz des Geldes zu setzen. Kley und Keising hatten auf dem Bahnhof Alexanderplatz eine Holzkiste und einen Köster zur Auf- bewahrung gegeben. Die Holzkiste enthiell ein Bandonium, in dem sich 175 000 M. in Tausend markscheiuen befanden. Hagemoser setzte sich nach Berhastung der beiden in den Besitz des Gepäckscheines und holte den Holzkoffer mit dem Bandonium ab. Dann hat«r sich, wie die Ermittlungen nachträglich ergeben haben, mit einem Mann«, nach der Beschreibung Wllhelm Müller, der aber jetzt wieder einen Schnurrbart trug, in einem Hotel am Schlesischen Bahnhof getroffen. Beide sind unter Zurücklastung des Instruments roeggesechren. Hage» »nosor beauftragte dann aber einen gewistsn Castrow, das Bandonium wieder abzuholen. Er hat eine Zeitlang darauf in Hessen , wo er sich aufhielt, gespielt und es dann für 775 M. an euren M u s i k h ä n d- ler in der Manteuffel straße verkauft. Dort wurde es jetzt von der Kriminalpolizei gefunden und beschlagnahmt. Eine Unter. s u ch u n g des Instruments ergab jedoch, daß es leer war. Müller hatte das Geld herausgenommen, und zwar, wie festgestellt worden ist, in dem Hotel am Schlesischen Bahnhof , wo er mll Hagemoser ab- gestiegen war. Wie weiter festgestellt werden konnte, hatten eine ganze Reihe von Personen in Berlin van den großen Raub gewußt. Die Nachforschungen in dieser Richtung sind noch nicht abgeschlossen. vas öiesjährlge Gbst und Gemüse. Mit der für Berlin so wichtigen Frage:Wie wird sich der Obst- und Gemüsehandel im Laute dieses JabreS gestallen?' be- schäitigte sich die Arbeitsgemeinschaft der Obstzllchter, Gemüse- erzeug« und Händler mit Obst und Gemüse, die im Saal der LandwirtswaftSkammer tagte. Ueber die Aussichten für die diesjährige Ernte laste st«, so wurde ausgeiührt, zurzeit eine Schlußfolgerung noch nicht zieben. Einig wurde man sich dahin, auf eine B e r'b i l l i g u n g der Frachtsätze und»anflicken Sätze für die Rücksendung der Emballage zu dringen. Di« jetzt in Baden-Baden »ätige Tarif- kommiiston soll�telegraphisch um Herabsetzung«sucht werden. Die Berbilligung würde den Hausfrauen zugute kommen. Auch für das Frühgemüse könne man die Gestehungskosten noch nicht er« Mitteln, obgleich die Spargelzeit nahe fei.

Um der Verteuerung einen Riegel vorzuschieben. müste darauf gedrungen werdew daß die Obstverpocktungen,>nS- besondere die Verpachtung der Obstbaum-Alleeir, nicht gegen Meist« gebot erfolge. Schriftliche Angebote sollen von Sachverständigen geprüft und der Zuschlag nur solchen Pächtern erteil» werden, die eine Gewähr gegen übermäßige Berkausspreise bieren. Die zustön- digen Stellen(Landräte uiw.) sollen um Berücksichtigung dieser Forde- rung ersucht werden. Mehrere Redner befürworteten kern« einen An- trag, daß der unzuverläisige Straßenhandel beschränkt werden möge. In diesem Sinne wurde eine Eingabe an das Polizeipräsidium beschlossen. Gegen den 6-Uhr-LadenschIuß wurde geltend gemacht, daß leichtverderbliches Obst, so z. B. Erdbeeren, schwer darunter leiden würden. Es soll deshalb beim Magistrat Einspruch erhoben werden. Ferner wurde noch beschlosten, daß bei Zusammensetzung der Marklhallen-Deputation alle am Obst- und Gemüsebandel Beleil'gten berücksichtigt werden sollen. Dem Magistrat soll eine bezügliche Forderung zugehen._ Die Vorgänge an der Fürstiu-Bismarck-Schule. Wie die PPN. von zuständiger Stelle erfahren, haben sich die Studienräte K a w e r a u und R« i n t j e s ihrer borgesetzten Dienst- behörde, dem Provinzialichulkollegium gegenüb« zum U e b e r- gang an eine andere Anstalt bereit erklärt. Die beiden Herren haben damit zu«kennen gegeben, daß sie bereit sind, die Wahrung ihres auch vom preußischen lluterrichtsminist« durchaus anerkannten Rechtsstandpunktes zurücktreten zu lassen hinier dem Bestreben, auch ihrerseits nichts zu Unterlasten, was zu einer Eutipannung der bestehenden Gegensätze beitragen könnte. Sie sind damit einem bei dem ProvinzialsÄulkollegium bereits bestehenden Wunsche entgegengekommen. Die erforderlichen Verhandlungen mit dem BezilkSamt Charlottenburg sind darauf eingeleitet worden.

Erholungsheim Alexisbad . Seit sein« Eröffnung am 1. Februar hat das von d« Stadt erworbene und vom Kommunalbeamtenverbond Groß-Berlin betriebene ftädtlschs Erholungsheim in Alexisbad im | Harz durch die rührige Arbeit der Direktion und der Bauleitung weit«e erfreuliche Fortschritte gemacht. Das im idyllifchen Selketal ! schön gelegene Kurhaus, Logierhaus, Bade- und Gesellschaftshaus sind durch die verständnisvolle Arbeit der Leitung gründlich er- ! neuert worden»nd an der weiteren Ausgestaltung wird bearbeitet, so daß das Badehaus mit den Stahl, und sonstigen Bädern am 1. Mai sein« Bestimmung übergeben werden kann. Schon in den Osterfeiertagen herrschte im städtischen Erholungsheim Alexisbad , das zu besonders mäßigen Bedingungen allen städtischen Arbeitneh- mern offensteht, infolge des Besuchs von Mitgliedern der Stadtv«- ! waltung und Stadw«ordnetenoersammlung, von Beamten, Lehrern und Lehrerinnen d« Stadt Berlin ein buntes Leben, und für die vorgerückte Frühjahrs- und Sommerszeit, wo auck> die herrlichen Laubwälder aus den Bergen rings um Alerisbad in vollem Grün stehen werden, wird sich hier ein reger Berkehr all der« entfalten, die in der Berglust des Harzes und auf den prächtigen Wander- wegen noch Harzgerode , Mägdesprung und dem Habichtstein Er- holung und Kräftigung suchen. Dom 1. Mai ab wird auch die Zug- Verbindung von Berlin nach Alerisbad, die jetzt noch ein zweimaliges Umsteigen«fordert, dadurch bedeutend verbessert w«den, daß der D-Zug von Berlin bis Gernrode durchgeht, st» daß nur dort noch auf die Harzkleinbahn umgestiegen zu werden braucht. Die Cr» w«bung von Alexisbad und die Erneu«ung des Unternehmens durch die Stadt und den Kommunalbeamtenverband war ein überaus glücklicher Griff, der vielen Learnten, Angestellten, Lehrern und Ar- beitern der Stadt zum Segen gereichen wird.

Uns« Kollege Karl wermuth ist gestern aus Anlaß sein« Wahl zum stellvenrelenden Bürgermeister des Bezirks Treptow aus unierem Revaktionsverbande ausgeschieden. Seil März 1906 gehörte Genosie Wermuih der Redaktion de«.Vorwärts' an. In den verschiedenen ResiortS, die er im Laufe der Jahre bearbeitete, bat sick Genosie W. allezeit als ein pflichtbewußter und liebenswürdiger Kollege er- wiesen, den wir ungern scheiden sehen. Wir wünschen ihm in ieinem neuen verantwortungsvollen Posten fruchtbringende Täligkeit zum Wohle Groß-Berlins. Die Einführnng bestätigt« BezlrksamtsmitgNed« fand im 18. Bezirk(Weißensee) statt. Don den 5 besoldeten Bezirks- amtsmitgliedern wurde nur d« stellvertretende Bezirksbürgermeister

84)

Skme Menschenkind.

IL Mütterchen. Don Martin Andersen Jtcxä. Nein Gerechtigkeit? Woher sollt' die wohl kommen? Selbst wenn du in deinem Leben keinen Gesangbuchvers lern- test, mächt' ich das Mädel sehn, das besser als du dem lieben Gott vorgeführt werden könnte. Du könntest recht gut an jedem beliebigen Tag den Haushalt für ihn übernehmen; und er müßte ein Esel sein, wenn er nicht sähe, das seine kleinen Engel unter die beste Obhut von der Welt kämen. Aber wir haben! natürlich dem Pfarrer nicht genug geopfert; so sind ja diese; Satans, die die Schlüssel zur Herrlichkeit haben! Na, so ist's! nun einmal, deshalb wollen wir uns nicht aufhängen.' Aber Stine war nicht zur Vernunft zu bringen.Ich will bonfirmiert werden!' sagte sie brüllend.Ich will nicht wieder von vorn anfangen und Tag für Tag verhöhnt werden." Wenn man den Pfarrer ein bißchen schmierte!" sagte Lars Peter grübelnd.Aber billig wird die Sache nicht.", Geh zum Kruwirt er kann's in Ordnung bringen."> Ja. der es gibt nichts, was er nicht in Ordnung bringen kann, wenn er nur will. Aber er ist ja nicht gerade gut auf mich zu sprechen." Das schadet nichts. Der Krugwirt behandelt alle gleich, ob er sie leiden mag oder nicht." Erbaut war Lars Peter nicht von dem Gange, er bat den Krugmann nicht gern um etwas; aber dem Mädel zulieb mußte er hingehn. Wider Erwarten wurde er freundlich auf-! genommen.Ich will gern mit dem Pfarrer reden und die Sart»? regeln," sagte der Krugwirt,lind dann kannst du das M«öel in den nächsten Tagen mal herschicken. Es ist Sitte hier im Dorf, daß die Frau des Menschenfressers für die Aus- steuer der Konfirmanden sorgt." Er verzog seinen breiten Mund zu einem Grinsen, als er dos sagte, und Lars Peter war sehr verlegen. So erreichte Stine es dennoch, konfirmiert zu werden. Eine ganze Woche ging sie im langen schwarzen Kleide um- her und mit einer dünnen blonden Flechte im Nacken und' sah noch backfischhafter aus als vorher, aber das machte nichts. Vorm Altar hatte sie geweint; ob aus Freude darüber, daß sie zu den Erwachsenen zugelassen wurde, oder bloß weil es sich nun einmal so gehörte, zu weinen, ist nicht gut zu sagen. Aver sie genoß so recht die folgende Woche, in der Lars

Jensens Witwe kam und die Arbeft verrichtete, während sie gar nichts anderes tun durste, als in ihrem Putz umher- zugehen und Glückwünsche entgegenzunehmen. Die ganze Zeit war ihr ein Schwärm von bewundernden Mädels auf den Fersen, und die kleinen Kinder aus dem Dorf kamen herbeigerannt und riefen:Konfirmand, gib uns was!" Lars Peter mußte mit allen den'Zweiöreftücken heraus­rücken, die er auftreiben konnte. Dann kamen wieder ruhige Verhältnisse und die Zeit glitt in der alten Weise dahin. Stine entdeckte, daß sie be- reits feit einigen Jahren unter die Erwachsenen gehört hatte: sie bekam weder mehr noch weniger Pflichten. Mit dem Neuen machte sie sich leicht vertraut: waren sie irgendwo eingeladen, so nahm sie ihren Strickstrumpf mit und setzte sich unter die Frauen.Willst du nicht zu den andern Kindern hinaus- gehn?" fragte Lars Peter sie dann.Sie spielen heut abend auf dem Trockenplatz." Da ging sie Hinuber, kam aber bald wieder zurück. Lars Peter schien allmählich mit den Verhältnissen im Dorfe vertraut zu werden; er schimpfte wenigstens nur dann darüber, wenn er einmal im Kruge gewesen und nicht mehr ganz nüchtern war. Er war nicht mehr so um alles besorgt. Wenn Stine etwas im Haushalt fehlte, so mußte sie es immer erst sagen und oft zweimal. Es war nicht der alte Lars Peter im Elsternnest, der Abend für Abend sagte:Na, wie geht's, Mütterchen Stine, hast du denn alles, was du brauchst?" Der Kredit im Krugladen hatte ihn gleichgültiger gemacht. Wenn Stine ihn etwas hören ließ, so erwiderte er:Ja, zum Kuckuck, man kriegt ja nie mehr Geld zu sehen. Da muß man! versuchen, sich ohne Geld einzurichten!" Der Krugwirt hatte die Eigentümlichkeit, daß er seine> Leute durch und durch zu kennen schien. Solange Lars Peter zu Hause noch einen Zehrschilling hatte, war der Krugwirt unwillig, weiter zu borgen. Sobald die Schuld sich ein klein wenig anhäufte, sperrte er den Kredit und öffnete ihn erst wieder, wenn man abbezahlt hatte. Auf die Weise hatte er dem Lars Peter den einen Hundertkronenschein nach dem andern aus der Tasche gelockt, bis die Familie gegen Weih- nachten nichts mehr hatte, wozu sie ihre Zuflucht nehmen konnte. Schau, schau!" sagte Lars Peter, als der letzte Schein' flöten ging.Das war also der Ueberschuß vom Elstern- nest. Nun hat die liebe Seele Ruh'I Und nun muß er uns zum Henker doch ebenso behandeln wie alle di« anderen im Dorf sonst begreife, ich nicht, woher wir unser täglich Brot! nehmen sollen." l

Aber der Krugwirt war anderer Ansicht. So oft die Kinder mit Korb und Warenzettel drüben waren, stets kamen sie mit leeren Händen zurück.Er meint, es wäre noch etwas aus uns herauszuholen," sagte Lars Peter. Die Aussichten waren trübe. Stine hatte sich vor- ?enommen, der Familie diesmal ein recht schönes Weihnachts - est zu bescheren, sie hatte Mehl und Fett zum Spritzkuchen- backen bestellt, und ein Stück Rippenspeer, das gefüllt und als falsche Gans gebraten werden sollte. Nun stand sie mit leeren Händen da; alle chre schönen Pläne gingen in Rauch auf. Oberhalb der Speichertrevpe lag der Weihnachtsbaum. den die Kleinen heimlich drüben in der Pflanzung gefällt hatten, für nichts und wieder nichts ohne Kerzen, Näsche­reien und Papierschmuck war er ja nichts wert.Na." sagte Lars Peter,das überlegen wir wohl auch noch. Fisch und Kartoffeln haben wir wenigstens, also zu verhungern brauchen wir nicht!" Aber die Kleinen weinten. Stine versuchte auf jede Weise zu retten, was zu retten war. Im Hafen erwischte sie ein paar Tauchenten, die ein Fischer in den Netzen gefangen hatte. Sie bereitete sie zu, und dami legte sie sie in Milchwasier, um den Tran heraus- zuziehen damit war der Weihnachtsbraten gesichert. Mehrere rotbäckige Aepfel die sie nach und nach von dem alten Ehepaar im Pfannkuchenbaus bekommen und nicht zu essen gewagt hatte, well sie so schön waren wurden an den Christbaum gebunden.Hängen wir nun die Laterne an die Spitze, so ist er sehr fein," erklärte sie den Kleinen. Kaffee- bahnen hatte sie sich leihweise erbettelt, ebenso Branntwein der Vater sollte seinen Schnaps am helligen Abend nicht ent- behren. Den ganzen Tag war sie umhergerannt, um für alles zu sorgen, und nun machte sie in der Küche Feuer an. In der Stube saßen Lars Peter und die Kinder und hielten Weih- nachtsabend-Schummerstündchen: sie hörte, wie der Vater aus der Zeit erzählte, wo er selber klein war. Stine summte vor sich hin und war guter Laune. Aber plötzlich schrie sie auf. Die obere Hälfte der Küchen- tür war aufgegangen. Am Abendhimmel zeichneten sich Kopf und Schultern einer verwachsenen Gestalt ab, eines Riesen- trolls, der im Begriff war, eine Last über die Halbtür zu heben.Hier sind Waren für euch," sagte er keuchend und stieß mit seinen langen Armen die Last auf den Küchentisch. Fröhliche Weihnachren!" Damit zog er ab; Stine hörte, wie es von der Anstrengung in seiner Brust rasselte. (Forts, folgt.)