Die»Sprengkolonne"' öer Kfipd. Verhaftung des Charlottenburger BrückenatteutäterS. Der Anschlag auf die Cisenbahnbrüike an der Eck« der Rönne- und tioltzendorffstraße hat» laut Meldung des WTB.» feiire Aufklärung gefunden. Er ist, wie festgestellt werden konnte, ein Glied in der Ketb: von Gewalttaten, die verbrecherische Elements in Szene fetzten. Der Täter ist der 22 Jahre alte, zu Mohne geboren« und bei feinen Eltern in'Eharlottenburg wohnhaft gewefen« Betonarbeiter Ka r l Schulz, der vor emigen Tagen fest-- genommen werden konnte und bereits da volles Geständnis abgelegt Hot. Nach seiner Aussage gehörte er einer sogenannten.Spreng- kfilorme" an, deren Mitglieder sich in einer Laub« trafen, wo di« verbrecherischen Pläne ausgeheckt und besprochen wurden. Bon der Absicht, die Eisenbahnbrucke an der Gasanstalt am Bahnhof Iunziernheide und dos Amtsgericht in Char- l o t t e n b u r g in die Luft fliegen zu lassen, kam man wieder ab, da beide Stellen zu scharf bewacht wurden. Schließlich verfiel Schulz auf di« Brücke an der Rönnestraß«. Den Korron mit den Sprengstoffen steckte er in einen Rucksack und begab sich mit zw«i Gesinnung sgenoss« n nach der bezeichneten Stelle. Während seine beiden Kumpane„aus Wache zogen", ging er in die Bedürfnis- anftalt hinein«, legte den Karton in eine? Niich« nieder und zündete die Zündschnur an. Während di« Verbrecher davonliefen,«rsolgt« zwei Minuten später die Explosion. Schulz gab in!«in«r Vernehmung an, daß er der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands und der Allgemeinen Arbeiter-Uniwn als Mitglied angehöre. Todesurteil gegen eine« Eiseubahuattentäter. Halle a. b. S.. 8. April. lWTB.) Bor dem außerordentlich«? Gericht wurde beut« di« Anklage wegen der Eisenbahnatten- tat« bei Ammendorf und auf den D-Zug Halle— Leipzig bei Gröbers verhandelt. Das Gericht verurteilte den Lljährigen Kommunisten Paul Jakob, gebürtig aus Rodewell. zum Tod«, zu 12>4 Jahren Zuchthaizs, dauerndem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und 300 M. Geldstrafe.— Jakob ist ein entsprungener Zuchthäusler, der außerdem wegen zweier Raubmorde unter Anklage steht. Das Sondergericht T o r g a u venrrteilbe 18 Kommunisten, die om 25. März die dortige Kaserne zu stürmen und die Elbbrücke mit zufammengbundenen Handgranaten zu sprengen suchten, wobei zwei Reichswehrsoldaten verwundet wurden, zu Zuchthausstrafen von fünf bis sechs Jahren. Magöeburger Kommunistenprozeß. lo Altgeklagte verurteilt, 10 freigesprochen» darunterBater Magdeburg, 8. April. (Eigener Drahtbericht des„vorwärts".) Verteidiger Dr. Weinberg betont in seiner Verteidigungsrede: Täglich macht sich die Gegenrevolution breit und breiter. Geaen dieses hochverräterische Treiben haben nickt nur die kommunistischen Arbeiter, sondern überhaupt alle Arbeiter Stellung genommen. Tie ergriffenen Maßnahmen sind aber nirgends über Aar- fcesprechungen hinausgekommen. Die Hauptkvasfe der Arbeiterschaft iit der G e n e r a l st r e i t, und erst wenn von anderer Seite ein Kämpf mit den Waffen aufgezwungen würde, hätte die Arbeiter- schaft die Pflicht, sich zu wehren. Was die in diesem Prozeß heroor- getretenen militärischen Ausdrücke anlangt, wie Bataillonskomman- deür, Kompagniefühm, Kuriere und Gruppe,' so verwies der Aer- ietdiger auf den P r o z e ß P f e f f« r. den der g l« i ch e Gerichts- Hof geführt hat. Auch dort wurde festgestellt, daß militärisch« Aus- drücke gebraucht wurden, und der Gerichtshof hat in seiner Urteils- begründung dort ausgeführt, daß das infolge des Krieges an- 'gewöhnte Ausdrücke seien. Weiter verweist der Verteidiger darauf, daß mehrere Angeklagt«, die als militärische Führer be- zeichnet wurden, gar keine militärische Ausbildung genossen haben. Die Verordnung des Reichspräsidenten sei bisher nur gegen sozialistische Arbeiter angewendet worden. Was die Angeklagten getan haben, das sei trotz der teil- weife phaiuastischen Ausführungen keine strafbare Handlung. Erst der Lockspitzel Roth habe die Sprache in den Sitzungen auf Gewaltauwendung gebracht. Dieser Mann, der eigentlich als Hauptschuldiger auf die Anklagebank gehört, fei ein L o ck l p i tz e l schlimmster Sorte. Aus allen dieses Gründen beantragt der Verteidiger für sämtliche Angeklagten Freisprechung.
öffnet ihren Reigen mit einer vorsichtigerweise als humoristische Dialett-Ballade ausgegebene Moritat: Bankrott Fürchiegott macht zu Hause Kriech. Alle Möbel sind kopott, und in der Kneipe Siech usf Siecb. „Prost Willem!— Ick ha't nich jewollt. Aber ick laß mir nich vakohl'n! Hat der Deiwel die Kuh jeholt, denn tanna det Kalb ooch noch hol'n." usw. E, ist nicht zu verkleistern, daß hier wirtlich ein Stück vorliegt, „in dem etwa steht, was sobald kein anderer geschrieben hat"— sagt die„Freiheit". Peter Behrens geht nach Düsieldors. Die preußische Kunstunter« richtsoerwalm-ig berief Peter Behrens , den jetzt in Berlin wirkenden Architekten, an die Düsieldorfer Kunstakademie als Lehrer der Arcki- tcktur, und der Künstler Hot die Wahl angenommen. Schon im vorigen Jahre war mit Behrens wegen Uebernohm« des Direktorpostens der Königsberger Kunstakademie verhandelt worden. Wenn er nun nach Düsseldorf geht, so mögen den Künstler auch die reicheren Schaffensmöglichkeiten am Rhein dazu bestimmen. In Düsieldors, wo eine Anzahl seiner schönsten Bauten stehe», bat Behrens ja auch gewirkt, ehe ihn die AEG. ols künfUerifchen»cirnt noch Berlin berief.— In den letzten Jahren hat Tich Behrens vielfach mit Plänen für die flmgestaltsng des Kunstfchulmefens beschäftigt. Der Sögebock im hochzeitsbrouch. Ein origineller Hochzeit?. brauch, der in„Heber Land und Meer" mitg-teilt wird, herrscht noch in der alten Bergstodt Wildemann im Oberharz . Am Tage vor der Hochzeit setzen die jungen Leute des Städtchen« un- bemerkt einen Sägsbock auf das Haus, in dem die Braut wohnt. gewöhnlich auf den Schornstein. Diesen Sögebock muß der Bräuki» gam vor der Hochzeit wieder herunterholen. Kommt das praut- paar von der Trauung aus der Kirch«, so wird es durch ein über den Weg gespanntes Seil aufgebacken, und nun spielt der Sögebock erst seine eigentliche Rolle. Die Iungvermählten müsien nämlich vor den Augen der Bevölkerung auf diesem Bock«inen knorrigen Stamm zersägen, und aus der Art, wie sie sich dabei benehmen sowie au'.z dem Holz und verschiedenen anderen Revenumstönden will man schließen, wieweit sie zueinander passen und ob ihr« Eh« glücklich werden wird oder nicht._ Tie Tentfch« �riebenSgeteUich-st»itb d« Nobelpreis. Lfm Austrage der Zeiistchen ffriedenSoefelllchatt tat deren?»rfifc«vd«r. Tr. Quid de, d/r alt Mitgkico bei Jickeruationalin ßfriedenSbureauZ*t: Bern vorichlagSberechtigt ist, für den ffrifdfnSnoSelprtii dal englllche Kstional Peace Conneü(die«nglsich« Fried«n«aestilf»ast) vorgeichlagen. Idre entschiedene Stellungnahme gegen di« Barster und Londoner B«. schlüss« und nicht minder ihre Haltung während de» Kriege» war dafür maßgeteud. isiine Lehrkanzel für Marx-norfch»»« ist an der Siener Uni- versität errichtet und mit dem bekannten üsterreichischen Äarx-fforscher Dt a x ?l d l e r als außerordentliche» Prosefsor befetzt worden. Mar Adler ist Recht««twast und«it Viktor und Friedrich Adler nicht verwandt.
Nachdem erhielten die Angeklagten das letzte Wort, wobei Jacobs weinend versichert, daß er von deutschnationalen Eltern stamme und lediglich das Opfer der andern fei. Nach längerer Beratung wird das Urteil verkündet. In der Begründung führt der Vorsitzende aus, daß di Verurteilung auf Grund der Aussagen des Hauptange- klagten Jacobs erfolge, der sich selbst und die anderen Ange- klagten schwer belastet habe. Es stände danach fest, daß zwar keine rote Armee, wohl über«in Stoßtrupp militärisch organisiert war. Nach der Verordnung des Reichspräsidenten müsse deshalb Strafe verhängt werden. Wie gefährlich derartige Or- ganisotioven seien, das bewiesen die Vorgänge in Mittel- deut�chland. Ten Aussagen des Zeugen Roth, über dessen Qualität als Lockspitzel auch das Gericht klar sei, wird nur teilweise Glauben geschenkt. Das Gericht urteile objektiv und könne nicht inmach gehen, wie das Urteil von dieser oder jener Partei bewertet würde. Der Richter mache sich bei der Rechtsprechung frei von seiner eigenen Weltanschauung. Der Hauptangetlagte Jacobs wird zu zehn TNonaleu«ße- fängnis verurteilt. Zwei Monate Untersuchungshaft werden in Anrechnung gebracht. Drei Angeklagte erhalten je S Monate. drei Angeklagte je 5 Monate, ein Angeklagter 4 Monat« und sieben Angeklagte je 3 Monate Gefängnis. Zehn Angeklagt«. darunter der Kommunist Voter. werden freigesprochen.
10000 öolschewisten für Pommern ! Der Bund der Landwirte, neue Firma„Reichslandbund ", ist natürlich ein lauter Rufer im Streite gegen alles, was nach Kommu- nismus, Bolschewismus usw. schmeckt. Aber wo das G e l d i n t« r- esse anfängt, hört selbst bei den Wangenheimern die Furcht vor „roten Armeen" aus. Wie uns von gut unterrichteter Seile mitgeteilt wird, hat der Reichslandbund kürzlich vom Reichsarbeitsmini- sterium die Stellung von Ist Mi) Russen als landwirtschaft- liche Arbeiter für Pommern verlangt. Diese Russen sind Sol- dakeu der roten Armeen, die im rufsisch-polnischen Kriege auf deutsches Gebiet übertraten und hier interniert sind, also waschechte Bolsche- wisten.... Als landwirtschaftliche Arbecker wären sie den Agrariern willkommen, weil sie b il l i g sind und weil man so die Lohnonsprüche der deutschen Arbeiter niederzuzwingen hofft. Gerade diesem- gen, die Einwohnerwehren, Orgesa'i usw. als Schutz für ihre Güter gegen bolschewistische Umtriebe nicht entbehren zu können glauben, wollen nun die Bolschewisten selbst ins Land rufen. Dabei besteht nicht etwa Mangel an einheimischen Arbeitskräften, sondern auch auf dem Lande eine mehr und mehr sich verstärkende Arbeitslosigkeit. Statt für die deutschen Arbeiter zu sorgen, rufen die Agrarier nach Russen, und wenn ihr Verlangen erfüllt wird— was man eigentlich für ausgeschlossen halten sollte—, so würde die Arbeitslosigkeit noch weiter um sich greifen. Nebenbei hoffen die Landbündler wohl auch, mit diesen russischen Hllfstruppen den Tarifoerhandlmigen mit den Landarbeckern ein Bein stellen zu können.
2% und Gewerkschastsbunö. In unserer Abendausgabe vom 2. April wurde in einem Telegramm aus Amsterdam über das secksame Verhalten der Wiener Arbeitsgemeinsckiaft berichtet, die nur mit dem Internationalen Ge- werkschoftsbund verhandeln wollte, nicht aber mit der Zwecken International«, obwohl zwischen diesen beiden Körperschaften b«- kanntlich ein« ziemlich weckgehende Personalunion besteht. Der B«- richt schloß mit dem Satz:„Bei den Auseinandersetzungen zwischen den Gewerkschaften und Zweieinhalb hatte der Vorsitzende der Iicker- nationalen GewerkschaftsexetMioe ironisch festgestellt, daß er zu- gleich Schatzmeister der Exekutive der Zweiten Internationale sei und daß die Zweieisiholber offenbar darauf brannten, mit ihm in seiner ersten Eigenschaft zusammenzutreffen, ihn jedoch in seiner zweiten Eigenschaft boykottierten." Wie uns das Sekretariat des Internationalen Gewerkfchasts- bundes mitteilt, hat Genosse Thomas eine derartige Aeußerung nicht getan. An unserem sachlichen UrteU über das inkonsequente Verhalten der Unabhängigen wird damit natürlich nicht das geringste geändert.
Reaktionäre verleumöerpeft. Frankfurt 8. April.(TU.) Der Verleger der„Süddeuffchen Markthalle" hatte in einem Artikel über die Zwangswirtschaft unter anderem gegen Genossen Scheidemann den Vorwurf der Pro- tektionswirtschoft erhoben und war deshalb wegen Beleidigung an- geklagt. Der Beschuldigte gab eine Erklärung ob, daß er den Vor- wurf als unbegründet mit Bedauern zurücknimmt. Er trägt die g e- samten Kosten und verpflichtet sich zur Verösfentltchvng des Vergleichs u. a. in den„Frankfurter Nachrichten" und in der „Deutschen Tageszeitung", worauf der Nebenkläger Scheide- mann besonderen Wert legte.' Schwerin , 8. April. (WTB.) Im drillen Lange- Prozeß wurde gestern das Urteil verkündet. Im ersten Anklagefall, der Bseöffentlichunz des Artikels„Der Polizetoberst mit der doppelten Moral", wurden die Angeklagten sämtlich freigesprochen. weil sie aus der Wahrung berechtigter Interessen her- aus gehanpell hätten. Im zweiten Anklagefall, Artikel„Nord und Süd", wurden der Angeklagte Hauptmann v. P l e s s« n, Landes- geschäfisführer der Organisation Escherich, wegen formaler Be- l e i d i g u n g zu 300 M. Geldstrafe, die Angeklagten Redakteur Graf M o l t t e und H i l g e n st o ck zu je Ivo M. Geldstrafe verurteilt.
Im Rahmen öss Gesetzes! Von unterrichteter Seite wird uns geschrieben: Die jüngste Verordnung des Reichswedrmlnisters soll der Aus- f ü h r i! n g des ß 36 des Rcichswehrgefetzes dienen. Wer sie aber liest, dem drängt stch die Frage auf, ob es sich hier nicht vielmehr um eine Abänderung bzw. Erweiterung des Gesetzes. als um sein« Ausführung handelt. Der ß 36 osr- bietet den Neichswehrangehörigen die Zugehörigkeit zu poli- tischen Vereinen. Für den Begriff des politischen Vereins beruft sich Herr Geßlcr auf den ß 3 des Vereinsgesetzes vom 19. April 1998. Während aber nachder ständigen Auslegung dieses Paragraphen als politische Vereine nur solche anzu- sehen sind, deren satzungsmößigrr Hauptzweck die poii- tische Betätigung ist, erklärt der Gcßlersche Erlaß: Gin« Einwirkung auf politisch» Angelegenheiten liegt schon dann vor. wenn das Bestreben b-s Vereins dareuf gerichtet ist, dl« Gesetz- gebimg oder Verwaltung de, Reiches oder der Länder zu beeinflussen. Mit dieser Auslegung des Begriffs„politischer Vereiu* Lein so weiter Rahmen gezogen, daß gelegentlich jeder ein al? politisch erklärt werden kann. Em« Sportoereini- gung z. D.. die wegen Ueberlassung militärischer Uebungs- plätz« zu Sportzwecken an die Reichsregierung petitioniert, konnte danach als politisch verboten werden, denn sie sucht ja die D e r w a l t u n g' des Reiches zu beeinslujsen! Freilich werden Herr Geßler und fem« Berater solche FW« nicht geräde im Auge gehabt haben. Der Zweck ihrer
Auslegung des Begriffes„politisch"' ist offenbar ein ganz be- stimmter: In ß 37 des Reichswehrgesetzes hatte der Reichstag die wirtschaftliche Koalitionsfreiheit der Reichswehr - angehörigen sichergestellt. Run will man sie aus dem Umweg über Z 36 dennoch erdrosseln. Denn eine Wirtschafts- organisotion-der Soldaten ist natürlich zwecklos, wenn ihr nicht dos Recht zusteht, bei Beratung wichtiger Gesetze, die sich speziell auf die wirtschaftlichen Fragen der Reichswehran gehörigen beziehen, gegenüber den gesetzgeberischen Körperschaften ihre Wünsche geltend zu machen. Wenn z. B. ein V e r s o r g u n g s g e s e tz für di« Reichswehrangehörigen im Reichstage beroten wird, so hat doch die Wirtschaftsorganisation der Soldaten an der Gest.il- tung dieses Gesetzes das lebhafteste Interesie. Wagt sie nun aber, sich mit einer Eingabe an den Reichstag zu wenden, so riskiert sie, von Herrn Geßler zu hören:„Ihr sucht die Gesetz- gebung des Reiches zu beeinflussen,— also seid Ihr politisch und werdet verboten." Ob Herr Geßler gegebenenfalls so bandeln wird, steht dahin. Aber auf jeden Fall ist mit dieser Ansleg'.mg des Begriffes„politisch" ein unerträgliches Dämokles» schwort über den rein wirtschafllichen Organisationen der Ve-.ufssoldaten aufgehängt._ Der Prinz und die Richter. Zu dem bereits gemeldeten Urteil in Sachen des Prinzen Friedrich Leopold wird uns noch geschrieben: In Potsdam wird die historische Windmühle den Besuchern von Sanssouci gezeigt als«in Wahrzeichen für die sprichwörtlich gewordene Gerechiigkeitsliebs der preußischen Richter, die auch nicht vor einem gekrönten Hohenzollernhaupt zurückschreckte. Die Rechts sprechung ist inzwischen anders geworden— die Hohenzollern sind es freilich auch.— Was da kürzlich in Potsdam vor Gericht verhandelt wurde, das zeugte freilich nicht von juristischem Scharfsinn: Der Oberstaats- anmalt hatte beim Landgericht Potsdam die Anordnung einer Vor» mundschaft über den zurzeit in Lugono wohnhaften Prinzen Frie- drich Leopold beantragt. Ueber die geistige Qualität dieses Mannes, der durch seine„Stiefelfreundschaft" schon zur Zeck Wil» Helm ll. unliebsam von sich reden machte, kann für vernünftig denkende Menschen kein Zweifel bestehen. In Potsdam kftnkt man darüber anders. Das Landgericht in Potsdam , dem Unterlagen dafür vorlagen, daß der Prinz in Luoano im Laufe eines Jahres Schulden von 6 Millionen Mark gemacht hat, stellt sich anf den juristisch unmöglichen Standpunkt, daß die Behauptung des Oberstaatsanwalts„wegen der Verwirrung in der Verwaltung nicht genügend substantiiert" sei. Hätte nicht der Richter die Möglichkeck gehabt, sich die Substantiierung selbst zu verschaffen, nachdem ihm die Unterlagen gegeben waren, nachdem feststand» daß die Güter Flatow-Krojanke total verwirtschaftet waren, daß in den Wäldern Kahlschläge erfolgten, die seck 5 Iahren nicht wieder aufgesorstet wurden, daß dauernd aus den Gütern Gelder herausgepreßt wurden, um in Lugano verschwendet zu werden? Reicht das alles noch nicht aus, um die„Verwirrung in der Verwaltung" zu charakterisieren? Es wird dann noch als Grund der Ablehnung der Vormund- fchast angegeben, daß der Nachweis dafür, daß der Prinz Friedrich Leopold einen besonderen Aufwand treibe, nicht erbracht ist. Nun ist ja das Wort von dem über di« Verhältnisse gehenden Aufwand ein relativer Begriff. Wenn sich aber jemand mehr al»«in Dutzend Dienstboten hält und in einem der teuersten Länder Europas wohnt, fo kann man hier wohl mit Recht von einem über die Derhältnifle hinausgehenden Aufwand sprechen. Nicht zweifelhaft kann also sein, daß, wenn jemand in einem Jahr Ü Millionen Mark Privatschulden macht, er unter allen Umständen entmündi- gungsreif ist. Es wäre gut, wenn das UrteU des Potsdamer Landgerichts in die Schullesebücher aufgenommen würde, und zwar gleich in das Kapitel, das da handelt von dem Besitzer der Windmühle in Pots» dam, damit man sieht, daß die Kreise, die immer Friedrich den Großen im Munde führen, von seinem Geiste recht wenig ge- erbt haben.
Ein neues Moment in der Kriegsschuldftaye! Htm Jork . 8. April. Das Mitglied des amerikanischen Senats Philipp Francis veröffentlicht im„Milwaukee Herald" eine Reihe von Artikeln über die Ursache des Krieges. Er jagt in seinem letzten Artikel u. a.: Am 15. Mörz erbielt das„Politische Volksblatt" in Budapest ein Telegramm aus London , das zwar kein großes Auffehen er- regt«, aber als eins der am meisten charakteristischen Dokumente über das Entstehen des Weckkrieges betrachtet werden muß. Das Telegramm meldete, daß der s e r b i s ch e. K r o n p r i n z in ßon- don, wo er nach feinem Ausenthalt in Petersburg soeben eingetroffen war, betrunken in einer Gesellschaft von anderen Trunkenbolden stch damit gerühmt hatte, daß er soeben mit Sasonow den Anschlag ans den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand vor- bereitet habe. Wenn dieser seine beabsichtigte Reise nach Bos» n i e n und der Herzegowina ausführen werde, sollte er ausgeführt werden. Der Kronprinz sagte, daß beide davon überzeugt seien, daß dieser Mord den Krieg zwischen Serbien und Oester- reich-Ungarn veranlasien würde und di« unvermeidliche Folge würde dann sein, daß Deutschland seinen Bundesgenossen Oesterrelch-Ungarn unterstützen werde, ebenso wie Frankreich s«in«n Bunde»g«nosien Rußland . Das„Neue politische Lolksblatt" «nthielt diese Depesche am 15. März 1914 und 12 Wochen später unternahm Franz Ferdinand seine Reise, aus der er ermordet wurde, genau fo. wie der betrunkene sertüsch« Kronprinz«s vorausgesagt hotte. In der kurzen Zeit zwischen der Vvrbereckung und dem Mord wurden, wie die jetzt veröffentlichten Dokumente beweisen, insgeheim russische Tr uppen ou» Sibirien nach Ruß« land herangeführt, und di« russischen Regimenter in Europäisch » Rußland wurden in größerem Maßstabe geHelm mobilisiert, während der deutsche Geheimdienst nur sehr ungenaue"Nachrichten erhielt. Es ist möglich, schreibt der Senator, daß die englische Regierung von den Verschwörern van Petersburg in Unwissenheit geholte» «nrde. Doch es gibt Anzeichen, die keinen Zweifel darüber lasse«, daß die französisch« Regierung genau davon unterrichtet war, daß die Falle, in der die Zentralmöchte gefangen werden tollten, bereits gestellt war und anfangs des Sommers 1914 zu» schnappen sollt«. N
m Renalukion auf Skoatskosten! In einem Antrag an dl« preußische Regierung verlangt die komtn>m!st!sche Landtogsfraftion, daß die während des Putsche» verbotenen kommunistischen Blätter aus Staatsmitteln entschädigt werden.— Parlamen» torischer Kretinismus in Retntulturl „Humanile" teilt mit, daß sie fortan ein neues Abend» blatt„D i e L n t e r n o t i o n a l e" als Organ der französischen Kam» niunisten Herausaeben wird. Zu den Mitarheitern zählen A natal« France und Henri Barbnsse.