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Nr. 189 38. Jahrgang

Beilage öes vorwärts

Sonnabenü, 23. fIprNl921

Groß-�erün Zrühlingsboten km Laubwald. Wanderung zur Moosbruchheide. Gerade jetzt ist die Zeit, dieBodenflora des Laubwaldes­tennen zu lernen. Ein Waldgebiet, in dem wir diesen Pflanzen. verein sehr gut beobachten können, ist die Moosbruchheide bei Brieselang . Mit der Hamburger Bahn fahren wir nach Fintentrug. Wir halten uns zunächst nördlich der Bahn und wandern gen West. Der Wald besteht hier zum größten Teil aus Kiefern, jedoch zeigen die hin und wieder eingesprengten Buchen den Ueber- gang zum Laubwald an. Ueppig gedeiht hier das Unterholz. Be> sonders zahlreich sehen wir die Hasel und die Hain » oder Weißbuche. Die Stämmchen der Hasel sind schlanke Gerten, während die Hain » buche häufig einen strickartig gedrehten Stamm hat, durch den sie sich von der Rotbuche unterscheidet. Don den bezeichnenden Boden- pflanzen finden wir die Anemone oder das Buschwindröschen und den Sauertlee. Die Anemone hat zartweiße Blüten, die mitunter auch rosa gefärbt sind. Der Sauertlee ist an seinen dreiteiligen kleeartigen Blättern kenntlich. Sie haben einen sauren Geschmack, der vp» dem Gehalt an saurem-oxalsaurem Kali herrührt, dem auch der Rhabarber seine Säure oerdankt. Wir sind inzwischen weiter gewandert, haben die Bahn über» schritten und bleiben jetzt in der Richtung Forsthaus Bredow . Der Wald geht in reinen Laubwald über, in dem die Eigenarten der Bodenflora voll ausgeprägt sind. Wir treffen auf die zweiblättrige Schattenblume, deren Blüte weiß gefärbt ist. Der Stengel besitzt nur zwei herzförmige Blätter, daher auch der Name der Pflanze, die ein schattenliebendes Gewächs ist. Ihre Verwandte ist die große Maiblume oder das Maiglöckchen, das wir ebenfalls in großen Be» ständen vorfinden. Auch wenn sie nicht blüht, fällt sie uns sofort durch ihre beiden Blätter auf. Wir kommen am Forsthaus Bredow vorbei. Jenseits zeigt uns der Wald die Bodenflora noch üppiger entwickelt. Wir finden die vierblättrige Einbeere(giftig!), das Ealomonsiegel, Ki dem die Blätter in zwei Reihen herabhängen, ebenso wie die 'innen grünlich-weißen glockenförmigen Blüten und den Wald» meister. Wir oerlassen den Wald und wandern auf dem Wege nach Bredow weUer. Bald haben wir eine Gruppe von Schwarzpappeln erreicht, die am Wege stehen, und die mit zahlreichen Misteln be» wachsen sind. Die Mistel ist ein Gewächs, das seine Nahrung nicht unmittelbar aus dem Boden saugt, sondern das sich auf einen Daum, der Wirtspflanze, angesiedelt hat. Durch die Ebene des Havelländischen Luchs wandern wir weiter nach dem großen Dorf Bredow und nach Nauen , desien Telefunkenstation wir schon aus der Ferne sahen. Mit einem Rundgang durch Nauen , das aller» dings wenig bietet, beschließen wir die Wanderung. Wir können die Heimfahrt jedoch auch von dem in der Näh« de, Forsthauses Jredow gelegenen Bahnhof Brieselang antreten. Weglänge bis rsau-nt 15 Kilometer, bis Brieselang 5 Kilometer. Gute Vorschläge y.i naturwissenschaftlichen Wanderungen gibt das Büchlein von Dr. W. Gcthan, Botanifch.geologische Spaziergänge in die Umgebung von Berlin , das auch durch die Vorwärts-Buchhandlung zu be- ziehen ist._ Der Teppichsthreck. 40 Einbrecher und Hehler verhaftek. MiMonengeschäste mit gestohlenen Teppichen. Die Teppichdiebstähle in Groß-Berlin. die in der letzten Zeit einen kaum zu überbietenden Umfang angenommen hatten, sind jetzt nach monatelangen Nachforschungen der Polizei zum größten Teil aufgeklärt worden. Sie sind fast sämtlich aus das Konto einer großen Bande zu setzen. An den letzten zwei Jahren wurden die westlichen Berliner Vororte Chorlottenburg, Schöneberg , Wilmersdorf u. a. durch Hunderte von Einbrüchen in ständiger Aufregung erhalten. Di« Täter hatten es hauptsächlich auf kostbare Teppiche abgesehen und nahmen auch gelegenllich Silbersachen mit, wenn sie ihnen mühelos in die Hände sielen. Jetzt ist es dem Kriminalassistenten

Lahmann und seinen Beamten gelungen, die ganze Einbrecherbande samt den Hehlern dingfest zu machen und hinter Schloß und Riegel zu bringen. Der Wert der gestohlenen Teppiche beläuft sich auf viele Millionen. Nach den angestellten Ermittelungen und Geständnisien sind die Täter folgendermaßen zu Werke gegangen. Sie durchstreiften abends die stillen Straßen des Westens und beobachteten durch die hell erleuchteten Parterrcfenster der Dillen das Treiben der Be- wohner, wobei sie auch mit Kennerblick die Wohnungseinrichtungen musterten und ihr besonderes Augenmerk auf werwolle Teppiche richteten. Nachts zwischen 2 und 3 Uhr statteten sie dann dem betreffenden Hause oder der Villa einen Besuch ab und schafften in einem Auto die Beute beiseite. Wie groß die Anzahl der ge- stohlenen Teppiche war, geht schon daraus hervor, daß im Polizei- Präsidium am Alexanderplatz im Januar d. I. eine große Teppichaus st ellung veranstaltet werden tonnte, aus der vielen der Bestohlenen ihr Eigentum im Werte von mehreren Millionen wieder zurückgegeben werden konnte. Der Haupttäter, ein aus der Irrenanstalt Landsberg entsprungener gewisser Rudolf A ch t e l i ck, flüchtete nach Holland . Ein Kumpan, der zusammen mit ihm in der Irrenanstalt gesessen hatte, der Landwirt Win- fried von Gfug, konnte zwar festgenommen werden, wurde aber wegen Geisteskrankheit vom Richter wieder entlassen und setzte gleich seine Schwindeleien fort. Er trat als Baron von Gfug und Gassendorf auf, betörte die Tochter eines Zimmermeisters in einem westlichen Vorort, verleitete sie sogar dazu, ihren«ige» nen Vater zu be stehlen und verschwand dann mit ihr spurlos. Als hehl« wurden nun schnell hintereinand« d« Teppichhändl« Paul Eng elmann, der Schlosser Richard B r a n s ch, der Juweller Artur B e r n st e i n, der Kaufmann Gabriel Schwarz und d« Kaufmann Wilhelm Krügel in Berlin verhaftet. Da die Teppichdiebstähle aber nicht nachließen, setzte die Kriminalpolizei ihre Nachforschungen fort und kam einer zweiten Ein- b r e ch e r k o l o n n e auf die Spur. Man ergriff die Gebrüder Brenner und Sauer und bei einem Einbruch in der Kolonie Grunewald auch Achtelick. der nach Berlln zurückgekehrt war und nun ein reumütiges Geständnis ablegte. Mit ihnen im Bunde standen der Artist Friedrich, genannt Fred, und der Droschken - kutscher T r e b e r. Die Ermittelungen ergaben weiter, daß veide Kolonnen gemeinschaftlich gearbeitet hatten. In einem Pensionat am Kurfürstendamm im Haus« Nr. 17 bei Fräulein Sänger trafen sämtliche Mitglieder der Bande zusammen, lernten sich dort kennen und feierten mit Straßendirnen nächtliche Orgien. Die Pensionsinhaberin heiratete schließlich den vielfach vorbestraften Josef Brenner. Im vorigen Jahre wurde das Pensionat verkauft und Brenner eröffnete im Hause Motzstr . 32 ein Weinlokal, dessen Besuch« fast nur aus Mitgliedern dieser Cinbrech«banden bestand. Als weitere Hehl« verhaftete man den Büchsenmacher Alfred Richter, den ehemaligen Hotel-Oberkellner G ö ß m a n n u. a. Der letztere kaufte einen Posten Teppiche im Werte von 80 000 M. für 11 000 M., wovon er(5000 M. anzahlte. Die Zah- lung des Restes verweigerte er, weil ihm, wie er sagte, die Teppiche in Frankfurt a. M. beschlagnahmt worden seien. Das Haupt der Bande war aber der Annoncen-Akquisiteur Max Schneck, der in Schmargendorf , Hohenzollerndamm<55, wohnte. Er hat, wie ihm nachgewiesen werden konnte, seit 1919 bis in die letzten Tage dauernd Teppiche verschoben. Schneck hielt sich verbor» gen und verschwand mit dem Milltärpoß eines gewissen Juds, den er von einem anderen Mitglied« der Bande, Wilhelm Wachholz, erhalten hatte. Jetzt konnte Schneck in Leipzig festaehelten werden. Zur weiteren Aufklärung der riesigen Teppichdiebstähle ist es von höchster Wichtigkeit, wenn sich alle diejenigen Personen melden, die von den Tätern etwas wissen. Auch die Käuf«, von denen ein Teil der Kriminalpolizei schon bekannt ist, mögen sich umgehend beim Kriminalassistenten Lahmann im Zimmer 98» des Pollzei- Präsidium, melden, um nicht in den Verdacht der Hehlerei zu ge» raten._ Bluttat am Freibad Wannsee. Der Grunewald bei Wannsee ist wieder einmal die Stätte ein« schweren Bluttat geworden. Am Donnerstag um 5 Uhr nachmittags wurde in der Nähe des Freibades Wannsee von einem des Weges kommenden Bäcker einjungesMädchenin einer g ro ß e n Blutlache besinnungslos aufgefunden. Das Mädchen, da« schließ- lich wieder zur Besinnung gelangte, vermochte nur schwach anzugeben, daß es von einem Manne in Försteruniform angesprochen worden sei. Dieser habe sie ein Stück Weges beglettet, sei dann zudringlich

geworden und habe versucht, sie zu vergewalligen. Sie habe sich zur Wehr gesetzt und nun habe der Mann plötzlich ein Messer ge- zogen und auf sie eingestochen. Die Schwerverletzte wurde nach dem Krankenhaus Lichterfelde gebracht, worauf Beamte der Schutz- Polizei und Kriminalbeamte den Wald abstreiften und auch die Bahn» Höf« beobachteten. Die Ueberfallene ist ein« 19 Jahre alte Anni Z e u k e aus der Augsburger Str. 14 zu Charlottenburg . Am Tatort wurde ein Zigarettenetui gefunden, das zweifellos Eigentum des Täters ist und drei Zehnpfennigbriefmarken sowie 5 Zigaretten MarkeMotz" der Zigaretten kompagnie Maleva enthielt. Für die Ermittlung des Täters ist es sehr wesentlich, daß sich der Derkäuf« dieser Zigaretten meldet. Der Käufer wird von Zeugen, die ihn gesehen haben, beschrieben als ein Mann von 28 bis 30 Jahren mit einem schmalen bartlosen Gesicht, der eine Art Forst eruniform, grünen Anzug mit Wickelgamaschen und einen grünen Schlapphut trug. Personen, die diesen Mann im Walde oder auf d« Eisenbahnfahrt nach Grunewald oder zurück gesehen haben, wollen sich ebenfalls sofort melden. Zweckdienllche Mit- teilungen sind an die Polizeiwache Grunewald oder an Kriminal- kommissar Büng« im Zimmer 83 des Berlin « Polizeipräsidiums zu richten._ Der Raubzug bei Geheimrats. v« durch ein diebisches Hausmädchen ausgeführte Mil- lionendiebstahl am Kurfürstendamm , der s. Z. erheb» liches Aussehen erregt hat, gelangte in einer Sitzung der 2. Straf- kämm« de» Landgerichts III zur Aburteilung. An einem Sonn- tag im September v. I. waren aus der Wohnung d« Frau Ge- heimrat Baginski am Kurfürstendamm sehr erheblich« Wert« ge- stöhlen worden. Als Täterin kam das wenige Tage vorher ange» nommene Hausmädchen in Frage,- das, wie sich bald heraus» stellte, sich eines falschen Namens bedient hatte. Ein 21 jährig« Handlungsgehilfe Kurt Müller war d« eigentliche Urheber der Tat; er hatte sich das Dienstbuch besorgt und darauf planmäßig nach einer geeigneten Gehilfin gesucht, die er in der Angeklagten Kaminski fand. Wegen Diebstahls wurde Kurt Müller zu 2 Jahren 8 Monaten Zuchthaus, Luise Kaminski zu 2 Jahren Gefängnis oerurteilt. Außerdem wurde gegen eine ganze Anzahl Personen auf Zuchthaus und Gefängnisstrafen wegen Hehlerei erkannt.__ Der philosophierende Massenmörder. Der Falkenhagener Massenmörd« Schumann, der bekannt- lich zum Tode oerurteilt worden war, wartet seit n e u n M o- n a t e n auf die Bollstreckung des Todesurtells. Er beschwert sich, daß ihm im Strafgefängnis Plötzensee stets nur die grauqebundenen geistlichen Büch« und nicht die rotgebundenen welllichen Büch« gegeben würden.(Was ihm nicht zu verdenken ist. D. Red.) Er wünsche auch keine Beschäftigung, da er sich mit seinen Gedanken über das in ihm wohnende zweiteIch" genügend beschäftige. Er ersuche den preußischen Justizminister, der an Stelle des früh«cn Königs von Preußen das Begnadigungsrecht auszuüben habe, sich nun endlich zu entscheiden, was mit ihm werden solle. Eine Todes- strafe gebe es für ihn überhaupt nicht, fondern nur eine Beförde- rung vom Leben zum Tode. Außerdem könne niemand sagen, ob die Todesstrafe überhaupt ein Strafe sei, da niemand wisse, ob es nicht ein Fortleben im Jenseits gebe, welches besser fei, wie das Erdendafetn. Er bestehe auf Poll st reckung des llr» teils, da es inkonsequent sei, die Dollstreckung eine» Todes- Urteils aufzuheben, solange es im Gesetz noch ein« Todesstrafe gebe.

Die Beraubung der Personenwagen auf den Staatsbabnen, besonders aber auf den Berliner Borort« babnen durw Abslbiouben von Messingteilen haben noch immer nickt ouspebört Die Ausplünderung findet offenbar in den Her- tehrSsckwacken Zeilen statt, in denen einzelne Abteile oder auch ganze Wogen unbesetzt fahren. Zur Feststellung von Dieben dieser Art kann auck der Reisende beilragen- Daher hat die Eiienbabn- Verwaltung die Gewährung von Belohnungen festgesetzt, deren Höhe in jedem Falle besonders bestimmt wird. Die Bezlrksvnsammlung de« 18. Bezirk «(Weißensee) beschloß beim Magistrat von Berlin zu beantragen:Allen besoldeten Bezirks st abträten die im Reichs-, Staats- und Gemeindedien st, sowie die in privaten gleich- artigen Betrieben geleisteten Dien st jähr« auf das Besoldung«- und Pensivnsdien st alter anzu- rechnen." Zur Dorbereitung der Wahl der Deputationen wurde von allen Parteien ein Wahlausschuß nach dem Verhältnis ihrer

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Skine Menschenkind.

Hl. Der Sündeufall.

Bon Martin Andersen Net 8. 5. Stine kommt zu Besuch nach Hause. Der einzige, dem gegenüber Stine sich Geltung ver- schaffen konnte, war der Sohn vom Hofe. Die anderen rechneten nicht mit ihr als Person, sondern jagten sie bloß. Klagte sie bei strenger Arbeit über Müdigkeit im Rücken, so sagte die Bäuerin nur:Pah der Rücken! Du hast ja nichts anderes als einen Besenstiel mit einem Loch drin!" Und so xojren die andern auch; sie tonnten einen brauchen, aber einen ei /lft nehmen, das wollten sie nicht. Sine hatte ein wenig Blick für da» Kind in ihr und war nachsichtig zu ihr; aber für Stine war es am wichtigsten, daß sie als Erwachsene be- handelt wurde. Mit Karl war's eine andere Sache. Cr war siebzehn Jahre und sah aus, als hätte er den Karfreitag verschluckt und wollte eben auch den Bußtag hinunterschlingen. Er schleppte die Beine nach, als ob Blei darin wäre, und glich einem, der schon Herzeleid hat. Stine begriff wohl, daß er irgend etwas mit sich herumtrug: aber darum brauchte er doch keine solche Leichenbittermiene aufzusetzen. Sie hatte selber ihre Sorgen; man konnte nicht immer da sein, wo der Zaun am niedrigsten war: aber ein Kopfhänaer war sie darum nicht. Es war komisch zu sehen, wie er seinen eigenen Weg ging und sich zur Seite trollte, wenn ihm etwas in die Quere kam. Stine konnte der Versuchung nicht widerstebn. sich ihm in den ,u stellen und ihn zu reizen; sie belästigte ihn. wo sie Är konnte. Traf sie ihn mit dem Wassereimer, so verschüttete sie unversehens Wasser über seine Füße; und wenn s i e sein Dett gemacht hatte, so konnte er immer sicher sein, daß etwas] damit nicht in Ordnung war. Entweder fiel der Boden her- aus. oder sie hatte irgend etwas hineingelegt, so daß er es vor Jucken nicht aushalten konnte und mitten in der Nacht ausstehen mußte, um die Laken auszuschütteln. Stine hatte einen gefunden, an dem sie sich in aller Gut- mütigkeit rächen konnte, um sich Genugtuung zu verschaffen für alles, was sie sich gefallen lassen mußte; und sie benutzte die Gelegenheit reichlich. Karl fand sich in die Neckereien und

benahm sich, als ob er sie gar nicht bemerkte. Er war deshalb nicht anders zu ihr, weder nach der einen noch nach der andern Seite hin. Stine hätte es ihm nicht verdacht, wenn er aus der Haut gefahren wäre und ihr eine Backvfeise gegeben hätte. Aber höchstens konnte er sich dazu aufschwingen, unglücklich auszusehen. Die beiden andern Söhne kamen selten nach Hause. Den einen von ihnen, den Lehrer, hatte Stine einmal auf dem Hose gesehen; und der Landwirt hatte sich im Lauf des Sommers überhaupt nicht blicken lassen. Eines Sonnabendmittags, gerade vor der Ernte, kam der Lehrer zu Besuch. Er stand auf dem Hofplatz, als Stine heim- schlenderte, barhäuptig, rank und vergnügt, ein strahlender Gegensatz zu all dem übrigen. Entweder waren er und die Mutter bereit» aneinander geraten, oder sie waren nahe daran; man konnte es an der Stimmung merken. Er stand

da und blickte über das Meer hin, als ob ibn die Aussicht ganz gefangen nähme. Die Mutter machte sich an den Ge- säßen bei der Pumpe zu tun und blickte ihn herausfordernd

an. Wenn einer von den andern in die Nähe kam, legte sie die Hand über die Augen und ahmte das Starren des Sohnes nach. Er sah es, aber stellte sich gleichgültig. Na, was hast du denn nun herausklaoustert? Dielleicht kannst du uns sagen, was die drüben in Schweden zu Mittag kriegen?" hörte Stine ihre Bäuerin sagen. Schweden liegt gar nicht in dieser Richtung, Mutter," erwiderte er lachend.Da muht du schon nach der andern Seite hin." Soso, muß ich das! Ja, du bist ein kluger Mann! Aber wonach starrst du denn?" O, ich finde, das Meer leuchtet haut so festlich," sagte er neckend.Kein Hof im Lande ist doch so hübsch gelegen! Schade nur,'s ist, wie wenn man das Wort Gottes an den dummen Hans verschwenden wollte." Er lachte breit auf. Leuchtet da was, was sagst du?" Sie kam ganz nahe an ihn heran und hielt von seinem Platz aus Ausschau, mit dummem, unschuldigem Gestchtsatsdruck.Ja, richtig nun sieht man's auch; wie Katzendreck im Mondschein leuchtet es, weiß Gott ! I. wie fein! Gott behüte!" Sie schlug sich vor Ergriffenheit auf die Schenkel.Daß sie nicht daran gedacht und den Hof bis ins Meer hinaus gelegt haben, die Vor­sah rsn! Dann Hütt' man weder zu essen noch zu trinken brauchen! Aber vielleicht gehn wir nun hinein und essen was,

das heißt die unter uns. die nicht davon leben können, auf so ein dummes Wasser zu starren." Sie drehte sich um und ging ins Haus. Der Sohn folgte ihr lächelnd. Heute unterließ der Tagelöhner es hübsch, seine Schmutz- geschichten aufzutischen: er hielt den Kopf tief auf den Teller gebeugt, und feine Hand zitterte ein wenig. Auch die Bäuerin selbst hatte beinahe Angst vor ihrem Sohn; ihr Wesen war nicht so lärmend und ungeniert wie gewöhnlich. Er saß da und redete, frisch und vergnügt, erzählte drollige Dinge aus der Hauptstadt und lachte, ohne es sich anfechten zu lassen, daß die andern nicht mittaten. Karl lachte ja überhaupt nicht, und Rasmus Rytter und die Bäuerin nur, wenn etwas Uw anständiges mit im Spiele war. Auf Sine machte nichts Ein- druck, weder Spaßiges noch Trauriges; und wenn so ein kleines Mädel hätte mitreden wollen, hätte das sicher wunder- lich ausgesehen. Aber sie durste am Gesicht des Lehrers hän- gen, und das tat sie. Ein Leuchten ging von ihm aus, wenn er sprach; und Stine war es, als atmete man heute ganz anders in der Stube als sonst Man konnte merken, daß er mit Kindern zu tun hatte und sich auf ihre Gedankengänge verstand. Hast du Geschwister?" fragte er auf einmal, sich zu Stine wendend. Sie wurde rot vor Beklommenheit. Es war nicht Sitte, daß sich jemand bei Tisch mit ihr unterhielt. Als er hörte, daß sie noch nicht zu Hause gewesen war, wurde er ! ernst.Das ist nicht recht von dir," sagte er ohne weiteres zu der Bäuerin. Ach, sie leidet wahrhaftia keine Not und kein Unrecht hier auf dem Hof," erwiderte Karen abweisend. Ich glaube nicht mal. daß es gesetzlich erlaubt ist. ein neueingesegnetes Kind einen ganzen Sommer über von Hause fernzuhallen." fuhr er fort.Gerecht ist es jedenfalls nicht." Ueber das Gesetz brauchst du mir keinen Unterricht zu etteilen und auch darüber nicht, was recht und richtig ist," erwiderte Karen und erhob sich zornig vom Tische. Aber dann hatten Mutter und Sohn die Sache wohl unter vier Augen besprochen, und als Stine fertig mit der Mittagsarbeit war, kam die Bäuerin und sagte, sie dür'e zu einem kurzen Besuch nach Hause rennen: das Lieh könne währenddessen im Gehege bleibe». (Forts, folgt.)