Hr.»ZS. Jahrgang
2. Heilage öes vorwärts
Sonntag, 24. �lpril?H2l
GroßSerlw Paulsens Programm. Paulsen und Pfarrer Lichtenberg in der Stodwerordnetenner- sammlung— ein historisches Bild voll höchsten dramatischen Lebens, ein Blld, das festgehalten werden muß! Zwei Männer, jeder durchdrungen von seiner Wellanschauung, stehen sich Aug' und Aug' in beherrschter Haltung gegenüber, und davor tobt in leiden- schaftlichem Für und Wider der Chorus der Stadtverordneten. Wo ist Paulsens Programm?— hatte der Volksporteiler Vir- dach gefragt. Wir haben nur philosophische Bemerkungen gehört, die nicht neu sind, aber was will er denn eigentlich machen, wo und wie will ex mifangcn? Konnte es wohl eine bestere Ver- avschaulichung des neuen Programms geben, als die Gegenüber- stellung der zwei Welten, der alten, die zweifellos auch ihre Größe hatte, und der neuen, der unsere ganze Liebe gehört, in den Per- sonen Lichtenbergs und unseres Paulsen? Hier der Pfarrer, auch ehrlich überzeugt von dem Recht und der Wahrheit seines Welt- bildes; nichts falsches, nichts enger, als ihn moralisch zu verurteilen. Er glaubt an einen persönlichen Gott, einen persönlichen Christus. er schwört aus die 12 Glaubensartikel? auf die 10 Gebote des alten Testaments. In dieser Sicherheit, die ihm seine dogmatische Fest- legung gibt, hält er es für sein selbstverständliches Recht, den nicht durch Dogmen gebundenen Menschen mit allen Mitteln zu be-� kämpfen. Er muß den Versuch machen, ihn in seinem Tun als minderwertig vor der Welt bloßzustellen, ihn mindestens als Auf- löser ollbewährter Formen, als unfähig, neue ernste Formen zu finden, lächerlich zu machen. Darum erzählt er etwas von der ob- soluten Freiheit, die für Lehret und Kinder in Paulsens Homburger Schule herrschte; er weiß, daß er Gemüter, die in den alten Formen sich gebildet haben, dadurch abschrecken muß, sich mit den neuen Schulzedanken überhaupt nur zu befassen. Darum erzählt er, daß selbst Paulsens Freunde nicht an ihn glauben. Eingekeilt in die Engigkeit feines Dogmas,.das nur«in Für oder Wider, ein Ja oder Nein verlangt, das danach die Menschen als'gut oder böse wertet, glaubt er, daß auch Paulsen so urtellen muß. Daß dieser auch ihm trotz aller Mißverständnisse den guten Glauben zugebilligt hat, kann er nicht verstehen, und so erklärt er einfach, indem er Paulsen mit dem Maßstab seines eigenen Gefühles mißt, er habe ihm Unehrlichkeit und Worlbruch vorgeworfen— was ihm gar nicht eingefallen ist, ihm nach seiner Wesensart gar nicht einfallen konntei Es liegt eine selbstverständliche Geschlossenheit in dieser Art, sich zu geben. Dort— Paulsen. Er Hot kein Dogma, er hat kein Programm, das mit den alten Kirchenlehren, mit abgegriffenen wissenschaftlichen. Begriffen zu fassen wäre. Nirgends ist er einseitig festgelegt. Er, hält sich der Totalität des sozialen Arbeitslebcns und seiner Er- � scheinungen offen. Dennoch geht auch er mit unbeirrter Sicherheit! se�cn Weg. Er braucht keine äußeren Gesetze, vor denen er sich jeden Augenblick über Recht oder Unrecht seines Tuns zu verant-' worten hätte, er hat in sich selber in seiner tiefen sozialistischen Welt- onschouung seinen Schwerpunkt,- er hat i n sich seinen Gott, der ihn ohne langatmige. UebeÄegung des Für und Wider mit Selbst- Verständlichkeit zum- Handeln treibt. Er«rurteill� die Renschen nicht, dj « ihm entgegentreten— auch nicht den Pfarrer Lichtenberg sondern versteht sie, wie er sich selbst versteht, aus ihrer inneren Notwendigkeit. Darum mgl er jenem nur, daß er anders sei als er selber, anderes verstehe aus denselben Worten, daß er aus dieser Unfähigkeit des Pfarrers,. sein ihm fremdes Wesen und seine anders Lebenauffassung zu begreisen, alle Mißverständnisse ableite. Dorum verzichtet er darauf, auf die Enthüllungen des Pfarrers überhaupt zu erwidern. Denn was jener sagt und was besten Freunde denken,| kann, ihn überhaupt nicht im Inneren berühren, und er weiß, daß es o«xgebliche Mühe wäre, jene Menschen, denen die Boraussetzun-> gen dafür völlig fehlen, überzeugen zu wollen. Er braucht keine* Verteidigung: er glaubt daran, daß seine Zeit kommt. Darum er-■ greift er dann das Wort, als Lichtenberg persönlich verletzt ist, daß ihm die Satisfaktion verweigert wurde. Da gibt er die Satisfak- lion, indem er einfach richtigstellt: Klar, in wenigen kurzen Sätzen,
ohne Leidenschaft, ohne Entrüstung, ohne Pathos, doch mit innerer Sicherheit. Während aller Angriffe hat er beherrscht, ohne«in äußeres Zeichen der Erregimg dagestanden, nicht ein Erfolg klöster- lich strenger Erziehung, sondern persönlicher Selbstbeherrschung und innerer Freiheit. Wo ist nun Paulsens Programm? Vielleicht versteht ma» jetzt, daß es sich nicht in eindeutige Worte fasten, in der Beschreihung eines Werkes erschöpfen läßt, weil sein Clement die Wirklichkeit und das Leben ist. Das Ziel ist dieser neue sozialistische Mensch,
SpD.-Zunktionäre öer Netallinöustrie! Dienstag, den 26. April 1921, abends 6 Uhr, in den Sophien-Sälen. Sophienstrahe 17/18(Weißer Saal): Versammlung Tagesordnung: 1. Tie Lehren des letzten Kommunisten- putsches für die Metallarbeiter. Referent: Kollege?ldolf Wusch ick.— 2. Freie Aussprache. Erscheinen ist unbedingt erforderlich. Der Fraktionsvorstand.
Bürzermeister wiederum nicht bestätigt.— Im Verwaltungsbezirk 18(W e i h e n s e e) ist der Krankevtastcnbeamte Emil P s a n n k u ch zum Bezirtsbürgermeister jetzt bestätigt worden, ferner find zu besoldeten Stadträten bestätigt: Gewerkschastsange- stellter Ernst Fischer und Magistratsrot Dr. Korn: nicht b e st ä- tigt wurde der Handlungsgehitfc Richard Pfeiffer.
der gradlinig in feiner Arbeit sein Leben und damit auch das der beseelten Gemeinschaft lebt, nicht verurteill und abstößt, sondern alle versteht und zur Mitarveit heranzieht im Dienste der Gesamt� heit, der Weg zu diesem Menschen oder— uneigentlich gesprochen— die unerschöpftiche Methode ist das Arbeitslebcn des Voltes, dos schon das Kind vor immer neue Ausgaben stellt, neue Lösimgen von ihm fordert und �s so nach und nach seine ureigene Linie der Weltgestoltung finden läßt. Die Wirklichkeit, die wir in der Stadtverordnctenvcrsomn'iung sahen, lehrte mehr als alle Pro- gramme. Das Bild wollen wir nicht vergesten, zeigte es doch im Spiegel die Gegenüberstellung des dogmatisch gebundenen Menschen der Vergangenheit und des freien Menschen der sozialen Gesell- schaft, das der letzte Inhalt von Paulsens Programm ist. Fritz K a r s e n.
Weitere öezirksamtsmitglieüer bestätigt. Der Oberpräsident hat eine weitere Zahl der infolge der ersten Richtbeftotigung vorgenommenen Neuwahlen von Bezirksomtsmit- gliedern bestätigt, einzelnen Wahlen aber auch jetzt die Be- stätigung wiederum verjagt. Im Verwaltungsbezirk 8(Wedding ) sind bestätigt morden: zum stellvertretenden Bürgermeister: Maqistratsrat Dr. Rieß, zu besoldeten Stadträten: Ingenieur Hans Bock, Sekretär Otto Frank . Lehrer Karl Kulisch: nicht bestätigt wurden: Werkzeugmacher Gustav Blaschzik und Angestellter Richard Schmidt.— Im Verwaltungsbezirk 4(Prenzlauer Tor) sind bestätigt worden: zum stellvertretenden Bürgermeister: Gewerkschaftsbeamter Karl Bauer, zu besoldeten Stadträten: Bürgermeister a. D. Dr. jur. Hüfncr, Rechtsanwalt Walter Friedländer , Monteur Eugen Rosemann, Re- dakteur Hans Weber und Ingenieur Schneider.— Im Verwaltungsbezirk 5(Friedri ch s h a i n) sind die infolge eines Formfehlers für ungültig erklärten Wahlen der unbesoldeten Stadträte wiederholt worden, und es wurt�n�hestyügt: Frau Martha DeMmning, Buchdruckereibesitzer.: Timm, Metallorbeiter Gustav Müller, Magistratsrgt Dr. Wölbljng, Bauingenieur Wildgans und Gewerk- schaftsangestellter Leo Ostrowski.— Im Verwaltungsbezirk 8 (Spandau ) sind bestätigt worden: Bürgermeister Stritt« und zum besoldeten Stadtrat(Stadtfchulrat): Lehrer Kramm: nicht be- stätigt wurden dagegen alle übrigen Wahlen zu besoldeten� Stadt- röten: Werkzeugmacher Münsinger, Gastwirt Max Fisch, Schlosser Siegfried Leo und Böttcher Wegner. Die unbesoldeten Stadträte sind sämtlich bestätigt worden.— Im Verwaltungsbezirk 15(Ire p- t o w) ist die Wahl des Lagervvrstehers Steuer zum besoldeten Stadtrat nachträglich bestätigt worden. Die Bestätigung des Partei- sekretürs und stellv. Gemeindevorstehers Peters(Alt-Glienicke) ist ausgesetzt worden, weil ein Bericht des Berliner Magistrats auf den gegen die Wahl erhobenen Einspruch noch nicht eingegangen ist.— Im Verwaltungsbezirk 17(Lichtenberg ) ist die Wahl des Mogistratsrats Dr. Gracffner zum besoldeten Stadtrat bestätigt worden, dagegen hat der Oberpräsident die erneute Wahl des Krankenkasienangestellten Fritz Thurm zum stellvertretenden
die Sluttat am wannfee. verbrechen eines Sadisten. Dos Verbrechen, das vor zwei Tagen an der 19jährigen Anni Zeuken aus Charlvttenburg in der'Nähe des Freibades Wannsee ausgeführt wurde, ist noch unaufgeklärt. Die Ueberfallene konnte im Krankenhause Lichtcrfeldc nur kurz vernanmd-n werden, da ihre Verletzungen so schwer sind, daß die Aerzte zweifeln, sie am Leben � erhalten zu können. Stiche in den Kopf haben an der linken Seite das Gehirn bloßgelegt. Die linke Hand, mit der dos Mädchen den Uebeltöter abwehren wollte, ist ganz zerstochen. Nicht nur Fleisch und Sehne, sondern auch die Knochen sind verletzt. Noch dem Ergebnis der kurzen Vernehmung handelt es sich um die Tat e i n e s Sadisten, der in schrankenloser Leidenschaft blindlings auf das Mädchen eingestochen hat. Di« Ueberfallene hotte, als sie oufge- künden wurde, von einer grünen Försteruniform gesprochen, die der Täter getragen habe. Nach der Vernehmung handelt es sich, jedoch. um einen Touristenonzug. Das Polizeipräsidium hat zur Ergreifung des Täters eine Belohnung von 5000 Mark____ ausgesetzt. Am Tatort hat der Täter ein Zigarettenetui aus un- echtem Metall zurückgelassen, in. dem sich drei Zehnpsennigmarkcn und süns Zigoretcen„Motz" befinden. Im Lause des Gesprächs mit dem Mädchen erzählte er, daß er auf Rügen gewohnt und als«chiffcr weite Reisen über See gewacht Hobe und während de? Krieges fwi der Marine eingezogen gewesen sei. Als der Töter dem Mädchen gegenüber zudringüch und von diesem abgewiesen wurde, oerübte er das Messerattentot. Gestern nachmittag fand am Tatort ein Lokal- termin statt, der ergab, daß der Täter mit seinem Opser von der. Ujerböschung in der Richtung nach Beelitzhof zu gegongen ist bis zu. einem Hügel, der ihm für leine Tot besonders geeignet erschien. Von diesem Hügel aus kon'nte er olle des Weges kommende Leute beob- achten, ohne selbst gesehen-zu werden. Es muß zwischen dem Täler und seinem Opfer ein harter Kamps stattgefunden haben. In der großen Blutlache wurden noch Teil« der zerbrochenen Kammgornitur des Mädchens gefunden. Das Mcrdwerkzeug muß nach dem Gut- achten der Aerzte entweder ein Nickfänger oder ein seststehendes Messer gewesen sein. Die Schwerverletzte hat sich, nachdem sie die Besinnung wieder erlangt halte, noch etwa 30 Schritt weit nach einem in der Nähe einer Schonung vorbeisührenden Fußweg geschleppt, ist dann aber wieder zusammengebrochen. Auch dort zeigt noch eine große Blutlach« die Stelle, auf der die Ueberfallene gelegen Hätz Bon Leuten, die auf dem Wege von Schwaneberg nach dem Dahnhof Nikolassee dort vorbeikamen, wurde sie dann aufgefunden. Die Feststellungen der Kriminalpolizei haben ergeben, daß das Paar, als es vom Freibad nach dem Hügel zu gegangen ist, von einem jungen Mann und auch von einem Ehepaar gesehen worden ist. Diese werden im Interesse der weiteren. Aufklärung des schweren Verbrechens dringend ersucht, sich umgehend bei der Kriminalpolizei zu melden. Ein Bahnbeamter des Bahnhofes Zoo glaubt den Täter nach seiner Beschreibung in einem Fahrgast wiederzuerkennen, d:r- wöhrend seiner Dienstzeit-von 7�-9 Uhr morgens vom dortigen Bahnhof mit ein«» Billett nach Potsdam , gesadren ist. Alle Per- sonen,.di«� über eine Person,- auf die die.angegebene Bsschreibtzng zutrisst und die sich wahrscheinlich schon längere Zeit im Grunewald umhergetrieben hat, gesehen hoben, werden unter Hinweis auf obige Belohnung ersucht, sich auf dem Polizeipräsidium bei den Kriminal- kommisiaren Dr. Grünbera und Bünger im Zimmer 120g, Haus- anruf 411, oder bei einer Polizeiwache zu melden. Ter Bund fürs Leben. Bei der im„Dorwärts" gebrachten Nachricht, daß am 23. April ein Berliner Ehepaar' dos siebenzigjährige Ehejubiläum begehen konnte, wird sich manchem die Frage ausgedrängt haben, wie zahlreich in Berlin die l o n g d a u e r n d e n Ehen sind. Ehen von 70 Iahren sind hier allerdings sehr selten, aber daß Ehepaare noch kvjähriger Ehe die sogenannte diamantene Hoch- zeit feiern, kommt olle Jahre einige Male vor. Im Jahre 1918, dem letzten, aus dem diesbezügliche Zusammenstellungen des Ber - liner Statistischen AmKs vorliegen, wurden 13 624 Ehen durch
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Stine Menschenkind.
III. Der Sündenfall.
Don Martin Andersen Nexö . , Du hast frei bis morgen abend,— verstehst du!" rief ihr der Lehrer nach. Karen machte ein paar Einwände, aber Stine hörte das nicht. Sie war bereits ein gut Stück unter- wegs. So froh und leichtfüßig war sie den ganzen Sommer nicht gewesen. Sie durfte nach Hause! Und sie sollte oben- drein zu Hause schlafen,— eine ganze Nacht! Sie wiederholte es sich in Gedanken immer wieder, während sie dahin eilte. Eil�ganze Nacht! Das war ja am schwersten von allem ge- wefen,— niemals unter dem heimischen Dach zu schlafen, nie mehr die Decken um die Kleinen zurechtzustecken und ihre ruhigen Atemzüge zu hören. Schwester Else, die- gerade beim Aufwaschen war, verlor das Geschirr vor Schreck aus den Händen, als Stine in die Küche hereinstürmte. Sie mußte sich auf einen Schemel stellen. um den Spülstein zu erreichen, aber sie war schon ein recht tüchtiges Hausmütterchen. Stine untersuchte das von ihr ab- gewaschene Geschirr und lobte ihre Arbeit.. Die Kleine wurde rot vor Freude darüber. Lars Peter erschien auf der Bodentreppe, er sah ver- s lasen aus.„Was, du bist es, Mädchen!" sagte er erfreut. „Ich meinte doch auch, ich hätt' deine Stimme gehört." Stine sprang ihm um den Hals und hätte ihn beinahe zu Boden ja laß wich nur mal erst richtig wach werden." sagte er labend und mit den Händen nach einer Stütze suchend. „Der Tageeschlaf ist nu mal dock, nicht so gesund wie der m der Nacht. Er bleibt einem im wchadel hängen." Nun kam Paul vom Hasen herbeigestürmt. Er hatte von anderen Kindern gehört, daß die große Schwester nach Hause gekommen sei.„Hast du mir was mitgebracht?" fragte er, noch bevor er im Hause war... �„ „Du hast mir doch versprochen, wenn du m Dienst kamst, wolltest du mir was für eine ganze Krone kaufen." sagte der Junge Derdrossen. Das muhte sie al,o einmal, so ins Blaue hinein gesagt haben, um Ruhe vor ihm zu bekommen. Sie hotte es vollständig vergesten." „Aber das nächste Mal werd' ich dran denken," sagte sie »rnst und sah ihm versicherod in die Augen.
„Ja, es ist gefährlich, wenn man den Kleinen in der Gedankenlosigkeit etwas verspricht," sagte Lars Peter.„Sie haben ein besseres Gedächtnis als unsereins." „Ja, ihr sagt, daß man was kriegen soll— aber ihr haltet's nicht," fiel Paul ein. „Wo ist Christion?" fragte Stine und nahm den unzu- friedenen Kleinen auf den Schoß. i„Christian? Der ist auf Arbeit, er ist ja schon ein ganzer Kerl," sagte der Vater.„Er dient schon den ganzen Sommer beim Krugwirt." „Das hat er mir ja aar wicht gesagt, als er bei mir war." „Was,— ist er bei dir gewesen? Davon weiß ich ja gar nichts. Wißt i h r was davon, Kinder?" Lars Peter war ganz überrascht. Ja, Schwester Else wußte es. Ihr hatte Christian sich anvertraut. Sie war ja jetzt das Hausmüttsrchen, „Dos hast du mir nicht mitgeteilt," sagte der Vater vor- wurfsvoll zu ihr............. „Das konnte sie doch auch nicht." fiel Stine rasch ein, „wenn Christian sich ihr anvertraut hatte! Kriegt er denn was vom Krugwirt?" Lars Peter lachte:„Der Krugwirt ist ja nicht der Mann, der gutwillig etwas gibt.— der nimmt bekanntlich lieber. Aber die Kost kriegt der Junge also— und er lernt beizeiten arbeiten und sich"unterordnen. Unsereins kann ihn ja nicht recht im Auge behalten, wenn man in der Nacht auf der See ist und am Tage schlafen muß. Weißt du, daß die Frau des Krugwirts gestorben ist?" Stine sagte, Christian habe es ihr erzählt, und fragte, woran sie gestorben sei. Lars Peter schielte nach den Kleinen hinüber:„Ihr könnt mal ein bißchen hinausgehn und spielen, Kinder," sagte er. Die beiden Kleinen verschwanden langsam und mit sehr ge- kränkten Mienen durch die Tür.„Ja, siehst du, sie hatten sich ja oft so sehr ein Kind gewünscht... und es ist eine recht traurige Geschichte. Denn selbst urenn Menschen boshaft sind, wie man wohl ohne Herabsetzung vom Krugwirt sagen kann, so find Kinder doch etwas, was wir alle gern haben möchten, — die meisten von uns wenigstens. Sie hatten denn auch alles mögliche deswegen angestellt: es hieß, der Krugwirt und feine Kirchenbrüder knieten und beteten zujn lieben Gott, daß er in Gnaden auf sie herabsehn und den Leib der Frau segnen möge. Aber der Itebe Gott muß wohl gemeint haben, daß ein Kind es. bei ihnen nicht gut haben wurde— oder so etwas.
Jedenfalls half ihnen all der Hokuspokus nicht das geringste. Da kam im letzten Herbst der Missionar hierber, den der Krugwirt bestellt' hatte, damit er in der hiesigen Gegend Bei- stunden abhalten sollte. Und der betete denn nun mit der Krugwirtin uyter vier Augen und legte die Hände segnend auf sie. Uno mag es nun fein, wie es will, schwanger wurde sie." „Das ist ja ein Wunder!" jagte Stine ernst. „Jawohl, vielleicht kann man das sagen,— es gibt halt viele Dinge, die man nicht so ohne weiteres begreifen kann. Der Krugwirt muß aber offenbar doch wohl nicht den rechten Glauben gehabt haben, als es darauf ankam, denn er wollte das Wunder nicht für bare Münze nehmen. Gut zu ihr ist er ja nie gewesen, und nun wurde er erst richtig boshaft. Er schlug sie und trat sie mit den Füßen, aus die garstigste Weise: die Leute erzählen, daß er am liebsten nach der Stelle bei ihr zielte, wo sie ihre Leibesfrucht trug." Stine- stieß einen Jammerlaut aus.„Wie könnt' er das nur tun!" flüsterte sie und kroch in sich zusammen. Ihre Stimme war heiser. „Ja, wie konnte er. du! Er ist wohl eifersüchtig gewesen, und ein rechter Satan ist er ja. wenn ihm was in die Quere kommt. Davon ist sie dann krank geworden— und ist ge- Sorben: und man erzählt, als sie in den Sarg gelegt wurde. abe er nicht erlaubt, daß sie Leinen und Nähzeug mzt ins Grab bekam, um ihr Kind zu erlösen, wenn die Zeit gekompe' war. Es ist sonst ja so Sitte, wenn eine Frau stirbt.>■' Kind unterm Herzen trägt. Aber er war hart.„ßfr in dem Zustand bleiben bis zum Jüngsten Taget" sagt haben. Und nun verfolgt es ihn, wie's nicht ande war, da auch er doch nur ein Mensch ist,— f dem Ruf stand, daß er weder Gott noch Leute, die des Nachts am Kirchhof vorbeik aus ihrem Grabe stöhnen hören. Und als' Krugwirt in der Nacht aus der Stadt na/ die Gäule nicht zu bewegen, am Kirchho standen und zillerten, von dampfendem Und aus dem Innern des Grabes rief c und Windeln! Wickeln und Windeln!" Hemde in Streifen reißen und auf da- schwieg die Stimme, und er konnte mit fahren. Aber seitdem ist's übel um i' natürlich wie früher, aber er ist nicht