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1. veilsKL öes VsrVärts
Vonverstag, 2S. flpril 1H2I
Der Reichstag nahm gestern die Debatte über die Erklärung t gen des Außenministers Dr. Simons auf. Zunächst gibt Abg.! Dr. Rießer(D. Vp.) folgende gemeinsame'! Erklärung der Regierungsparteien ab: Nach Abbruch der Londoner Verhandlungen hat das deutsche ! Volk in fester Entschlossenheit die über große Teile Deutschlands ' verhängten Zwangsmaßregeln getragen. Sie hobey bisher ihren! Zweck nicht erreicht. Sie würden, auch verschärft, ihn niemals er- 1 reichen. Unseren Volksgenossen danken wir für ihre Treue... Das i enthebt uns ober nicht der Pflicht, alles zu tun. um neue Gewalt> abzuwenden. Schweren Herzens, aber im Vollgefühl unserer Ver- antwortlichkeit, sprechen wir daher unser Einverständnis dazu aus, daß die Regierung den Weg, der sich ihr bot, betreten hat, um die Vermittlung des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Nord- omerika zu erlangen. Wenn der Präsident diese Aufgabe über- nimmt, so eröffnet sich damit auch die Aussicht, der Welt den Frie- den zu geben, nach dem sie ruft» und die freiheitliche Entwicklung Deutschlands in ruhigen Bahnen zu sichern. Die Vorschläge, die dem Präsidenten der vereinigten Staaten mitgeteilt worden find, "Tjü ten uns Ungeheures zu. Das deutsche Volk ist aber gewillt, rückhaltlos zu leisten, was es überhaupt leisten kann. Es wird mit uns der Auffassung sein, daß für rückschauende Betrach- tungen jetzt nicht die Zeit ist. Schlägt auch dieser Versuch fehl, so ist vor der Geschichte festgestellt, daß Deutschland alles ge- tan hat, was in seinen Kräften stand, um der er- schöpften und zerstörten Welt den Frieden zu verschaffen.(Bravo !) In diesem Bewußtsein würde das deuffche Volk allem Schweren, das die Gewalt verhängen kann, furchtlos und ungebeugt standhalten. (Beifall bei den Regierungsparteien.— Zuruf des Abg. Geyer (Komm.): Iammererklärung!) Wg. ZNüller-Franken(Soz.): Der Vorwurf vollendeter Würdelosigteit, der dem Außenminister mehr als dreimal von dem deutschnattonalen Redner gemacht wurde, ist nichts Neues aus den Reihen derer, die die natio- nale Würde in Erbpacht genommen haben. Derselbe Borwurf ist von der Partei der Herren Rippler und Stinnes, die heute an der Regierung beteittgt ist, früher der sozialdemokratischen R e g i e r un g gemacht worden.(Heiterkeit.— Zuruf rechts: Auch mit Recht!) Der deutschnationale Redner, der an früheren Akttonen seiner Partei selbst nicht beteiligt war, mußte den Vorwurf aus parteipolitischen Gründen wieder aufnebmen, obwohl es sich handelt um die Abwendung von Folgen eines Krieges, der herbeigeführt ist durch einen eroberungswütigen Militarismus.(Großer Lärm rechts.) Die Vergangenheit haben Sie auf dem Gewissen. Dem Frieden von Versailles ging der Friede von Brest voraus, allerdings war Versailles schlimmer, aber Brest genügte ja auch der damaligen Rechten nicht. Graf W e st a r p beantragte damals, daß bei künftigen Friedensverhandlungen der Grundsatz des Verzichtes aufgegeben werden müsie und daß die ganzen finanziellen Losten des Krieges aus den Gegner abgewälzt werden müßten.(Hört, hört linke.— Große Unruh« rechts. JJuritf des Abg. H e l f f« r i ch: Ich war damals nicht hier.— Sturmische Heiterkeit links!) Es sitzen nicht mehr alle hier, die damals unterschrieben haben. Herr Kopp fehlt und ebenso Graf Oppersdorf, der sich jetzt mit Panje Kor- jnnty verbrüdert. Diese Kreise, die nichts aus dem Zusammenbruch gelernt haben, begrüßten den Abbruch der Londoner Konferenz als den ersten Akttvpostey unserer Außenpolitik, während jeder ver- ständige Mensch erkennen mußte, daß das Rennen in die Lon» doner Sackgasse nur ein Passivposten werden konnte. Das haben wir bereits damals gesagt, und die Entwicklung gab un« recht. Für die Anrufung de» Präsidenten Harding, der sich als ein kluger Politiker gezeigt hat, trägt die Regierung allein die Verantwortung, da sie die Volksvertretung nicht gefragt hat. Ich erkenne an, daß die Regieruna den besten Willen zu einem �.vernünftigen Ausgleich gezeigt hat. Wenn ich auch zugebe, daß felbst bei einem demokratischen System die Regierung nicht in jedem Falle die Volksvertretung befragen kann, so muß in Fragen, wo es sich um Leben und Sterben einer Nation handell, die Regierung dock vorher mit der Volksvertretung in Verbindung treten. Wenn der Schaden einmal geschehen ist. hat es wenig Zweck mehr, die Regierung als Sündenbock in die Wüste zu schicken. Die besonderen deutschen Verhältnisse erlauben bei unseren acht Parteien nickt ohne weiteres die Uebertraquna des enolischen oder � fron- «jsischen Parlamentarismus auf Deutschland . Aber ein völliges Ansschallen der Volksvertretung steht im Widerspruch zur Verfassung. Die Reparationsfragen können nur in Fühlung mit den Ententemächten geregelt werden. Wie wir oft betont haben, müssen wir bis an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit gehen. In Amsterdam haben wir uns mit den Arbeitern der anderen Länder leicht darüber geeinigt, daß ein gemischtes Snstem von Sach-, Arbeits- und Geldleistungen erforderlich ist. vi« Amster- damer velcklüsie stelle« das Maximum an wohlwollen dar, das es augenblicklich in Europa für uns gibt. Aber wir müssen uns zu unserer Pflicht nicht nur bekennen, sondern auch zur Ausführung kommen.(Sehr wahr! llnks.) � Die Gewerkschaften werden den Minister bei der Durchführung In --JTieber Weise unterstützen, sie begrüßen es, daß der Minister sich auf den Boden ihrer Vorschläge gestellt hat. Wenn der Abg. H ö tz s ch den Dorwurf erhebt, daß diese Vorschläge nicht früher gekommen waren, so steht ein solcher Lorwurf denjengen nicht zu. die nach dem Abbruch in London die Ansicht vertraten, wir dürften über- Haupt keine Vorschläge mehr machen. Wir haben bereits im August 1319 während meiner Amtsführung mit der franzöfl- schsn Regierung vereinbart gehabt, daß Deutschland bis zum Winter für die"zerstörten Gebiete Frankreichs 60 099 Holzbaracken mit Möbeln aufstellen würde. Am 2. Oktober aber hat Herr L o u ch e u r auf die Aufstellung v e r z i ch t e t.(Hört! hört!) Am guten willen der deutschen Arbeiter hak es also nicht gefehlt. Wir haben damals mit Herrn Escherich über die Aufstellung der Baracken ver- handelt, und das wäre für diesen Herrn eine nützlichere Aufgabe gewesen anstatt im Lande umherzureisen und den Friedensvertrag zu sabotieren. Die Belgier bestanden allerdings auf Geld- l e i st u n g e n, da im Lande für eine Beteiligung der deuttchen Ar- heiter der Haß noch zu groß wäre. Schuld daran ist das '?lamlose Vorgehen der obersten Heeresleitung bei der Deportation her belgischen Arbeiter» das damals die ganze Well gegen uns auf- Geld muß also beschafft werden. Wenn für Oesterreich eine Weltanleihe aufgenommen werden soll, so muß das für Deutschland auch möglich sein. Erfreulicher- weise wächst in Frankreich die Strömung derer, die»ine deuffche Beteiligung an der Aufbauarbeit wollen, so hat der Bürger- meiste? von St. Ouentin stch ausdrücklich für den Wert der deutschen Arbeit ausgesprr chän. In der Frag« der finanzielle» Regelung sieben wir nach wie vor auf dem Boden unserer Erklärung vom 2. Februar, daß die Poriser Beschlüsse mll ihrer Versklavung Deutschlands auf 42 Zahre uuauuehmbar find. Unsere neuen Vorschläge können nur so gemeint sein, daß di, Jahreszahlungen auf eine länger« Zeit verteilt wer-
den sollen. Wir müisen es wohl in Kauf nehmen, daß noch mehr deutsche Gencrattonen mit diesen Zahlungen belastet werden. Es ist zweifelhaft, ob Deuffchland zu diesen Leistungen imstande ist, aber wenn dos Rcichskabmett einstimmig sich zu diesen Vor- schlügen bekannt hat, so haben wir keinen Anlaß, dagegen zu pro- testieren, da ja die Deutsche Bolkspartei in dieser Regie- rung sitzt, die infolge ihrer Fühlung mll der deutschen Wirtschaft und Schwerindustrie am besten darüber Bescheid wissen muß. (Sehr wahr! links.) Es bleibt in dem Angebot noch eine D i f f e» renz van 26 Milliarden Goldmark: an der Prestige- frage, um die es sich hier handell, darf die Vereinbarung nicht scheitern.(Sehr wahr! links.) Unsere Industrie ist nicht allgemein in einer leichten Lage, man kann nicht überall dem Kapital in Gold die Dividenden m'Papier gegenüberstellen. Aber die Dividendenvollffk reizt die Entente vielfach geradezu zum Zugriff aus die deutsche Industrie.(Sehr wahr! links.) Aus dieser Politik und aus dem Luxusleben der Bourgeoisie werden im Ausland vielfach falsche Schlüsse über unseren Wohlstand gezogen. Aber für die B o u r- g e o i s i e kommt jetzt wie früher erst das Geschäft und dann die Politik. Erst wenn die Polltit das Geschäft zu stören anfängt, appelliert man an das Weltgewisien, das noch nie- mand gesehen hat. Wenn die U-Boot-Helden und Annektionisten von vorgestern an das Weltgewisien appellieren, finden sie natürlich nur höhnische Abweisung. Ich würde es für besier halten, die Männer von 1914 hielten etwas mehr den Mund.(Großer Lärm rechts.) Venn Sie(nach rechts) kragen die Schuld am Zusammen- bruch.(Großer Lärm rechts.— Zurufe: Rein, Ihr Vaterlands- verrat!) Die monarchistische Propaganda. die in weiten Kreisen getrieben wird, ist angesichts der Volksstim- mung in der Entente das Unsinnigste, was es gibt. Wenn der Abg. D i ß m a n n gestern auf dos Leichenbegängnis der ehemaligen Kaiserin zu sprechen kam, so liegt der Skandal nicht in dem, was er hier angeführt hat, sondern darin, daß die Deutschnationale Partei mit der Leiche der Kaiserin f ü r ihre Parteizwecke Propaganda treibt.(Großer Lärm und Widerspruch rechts.) Damit wird im Auslande gegen Deuffchland gearbeitet. Sauerwein schreibt im„Motin", daß die Begrüßung der Prinzen bewiesen habe, daß das ganze deutsche Volk monarchistisch sei.(Zuruf rechts: Das geht Herrn Sauerwein gar nichts an.) Aber un« geht es etwas an! Die Behauptung Sauerweins kann ich nicht zugeben. Die Beteiligung der Bevölkerung war ebenso zahlreich bei dem B e- gräbnis Sülts aber niemand wird daraus folgern, daß das deuffche vvlk vorwiegend kommunistisch wäre. Das Bedauerlichste war ober, daß bei dieser Beerdigung fast alle Regimenter der Reichswehr Depurattonen geschickt hallen.(Lebhaftes Bravo rechts!) Der Reichswehrminister Hot hier aesagt, er wünsche vor allem eine Besserung des Verhältnisses zwischen Reichswehr und Arbeiterschaft: dieses Vorkommnis hat aber die Kluft zwischen beiden ungeheuer erweitert.(Unruhe rechts.— Zurufe: Angst vor der Reichswehr !) Angst haben wir nicht vor ihr.(Lachen und Lärm rechts.) Das Ausland achtet auf all diese Vorkommnisse und deswegen müssen auch wir ihnen hier Beachtung schenken. Briand sagt, daß am 1. Mai nicht nur die Reparatton, sondern auch die Enkmoffnung ans der Tagesordnung stände.(Zuruf rechts: Ententeagentl) Das können Sie mir noch zehnmal zurufen, es macht auf mich keinen Eindruck. Wenn der französische Minister Lef�bre behauptet, daß in Deutsch - land zwei Millionen Soldaten mobilisiert seien, so ist das freilich vollständ'q falsch, aber allzu vieles ereignet sich, was den Boden für solche Auffassung schafft.(Abg. Helfferich: wie z. B. Ihre Rede!— Heiterkeit.) Lefebre hat ganz falsche Bor- stellungen von Leuten wie Kohr und Escherich, wenn er sie für Männer von dem geistigen Format der Scharnhorst und Gneisenau hält. Aber es sind doch ungeheuer viel Waffen in Deutschland ver- steckt.(Zuruf rechts: Bei den Kommunisten!) Ich weiß nicht, ob etwa die Kaserne in Ratzeburg , wo man große Mengen von Waffen gefunden hat, im Besitz von Kommunisten ist. Diese und ähnliche Waffenfunde zeigen, wie richtig unser Antrag war,. dem Reichstag ein Verzeichnis aller vorhandenen Waffen vorzulegen. Die Ausführungen Dißmonns über die Vorgänge im Osten waren im wesentlichen richtig. Die Befürchtungen, daß die Polen an den Sanktionen teilnehmen könnten, die am 1. Mai in Kraft treten, wodurch allerdings das Berhältnis zu diesem Nachbarstaat auf Jahrzehnte hinaus ein un- erträgliches werden müßte, sind psychologisch verständlich, sie geben aber keinesfalls ein Recht zu militärischen Vorbereitungen. Bor allem müssen wir uns eine Einmischung des Militärs in diese Politik entschieden verbitten. Der Auswar» t i g e Ausschuß hat in keiner Weise Geleqenhell gehabt, dazu Stellung zu nehmen. Begreifen denn diese Leute nicht, daß ein Krieg im Osten aulomotisch auch den Krieg im Westen auslösen müßte?(Sehr richttg.) Praktisch hätte eine militärische Aktion im Osten für Deutschland keinen Zweck. Wir oerlangen von der Regierung eine sofortige Abstellung der Mobilmachungsmah- nahmen im Osten. Der Arbeiterschaft machen wir es zur Pflicht, auf-jeden Fall solches Kriegsabenteuer zu ver» hindern. Don der Regierung verlangen wir aber, daß sie so» fort einschreitet, die Waffen beschlagnahmt nnd verschrottet. Dieser Selbstschutz ist nur eine Maske, hinter der sich dl« selbstsüchtigen Ztvecke der D e u ts ch n a t i o n al en nur schlecht verbergen. Der Vorwurf des Abgeordneten H ö tz s ch, daß die Regierung nur in der Entwaffnungsfrage, nicht aber in der Reparattonsfrage energisch geworden sei, wird Lügen gestraft durch die jüngst ver- öffenllichten amtlichen Zahlen über die Waffenbestände in Vayern. Die deutsch « Sozialdemokratie hat kürzlich im baye- rischen Landtag einstimmig erklärt, daß die unverantwort- liche bayerische Politik nicht auf das allgemeine Wohl hin- arbeite, sondern durch die eigensüchtigen nationalen Interessen das Wohl des gesamten Lölkes aufs Spiel fetzt. Avs der Antwort der Regierung auf die gefttige Anfrage des Abg. Rosenfeld erkennen wir klar und deutlich, daß in der bayerischen Entwaffnungsfrage s a gut tote nichts geschehen ist. Man scheint gar nicht mit der Sttmmung zu rechnen, die die Be r g a r b e i t e r s ch a f t erfassen muß, sobald infolge der bayerischen Politik die Besetzung des Ruhr- gebiete» erfolgt. Wir werden desto früher aus dem Elend und aus der llngewiß- heit herauskommen, je mehr wir uns auf den Boden des Rechts nach innen stellen. Der Gedanke der internationalen Schieds- gerichtsbarkeit marschiert: wir haben diese Auffassung von jeher vertreten. Deutschland würde mll feinem Verlangen nach internationaler Enffcheidung der Vorleistungsfrage anders dastehen. wenn das kaiserliche Deuffchland• nicht auf den Haager Konferenzen den Schiedegerichtsge- danken sabotlert hätte. Wir müssen zu einem verbesserten
Völkerrecht kommen, auf daß auch das deuffche Volk zu seinem inte». nationalen Rechte komme. Die Ententemänner haben den Hinter- gedanken, durch die Sanktionen das Stammesgefühl der Deuffchen abzutöten. Die heutigen Machthaber in Europa mögen sich gesagt sein lassen, daß ebenso wie das kleine belgische Märtyreroolk es ge- tan hat, auch das große deutsche Volk gegen Terror und politische Zerreißung sich zu wehren wissen wird.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Helfferich(Dnat.): Mit schwerem Herzen und mehr Verantwortungsgefühl, als der Vorredner, betrete ich die Tribüne dieses Hauses.(Gelächter links.) Wenn der Führer einer großen Partei in einer so ernsten Stunde nur ein einseitiges Urteil über die Ursachen des Weltkrieges abgibt, so ist das traurig. Durch derartige Reden stärken Sie(zu den Sozialdemokraten) nur Herrn Briand. (Lärm b. d. Soz.) Was der Borredner über die Verantwortung am Kriege gesagt hat, ist das Gegenteil der Wahrheit. Sie(nach links) wollen ja auch nur damit das größte Verbrechen decken, das je am deutschen Volke begangen worden ist.(Zurufe links: Sie sind der Verbrecher!) Präsident L ö b e ruft den Abg. Kuhnt zur Ordnung.) Auch im Aus- lande bricht allmählich die Sonne der Wahrheit durch das Gewölt der Lügen.(Lachen links.) Das kaiserliche Deuffchland war die friedliebendste Macht der Welt.(Stürmisches Ge- lächter links.) In dem Neid der anderen Völker liege» die Wurzeln des Krieges. Die Memoiren Scheidemanns muß man genau so charakterisieren, wie gestern der Reichsoußen- minister die Veröffentlichung der„Germania . Aber in diesen Er» innerungen stehen auch die Aufzeichnungen des Nuntius Paeelli über seine Unterredung mit dem Kaiser. Am Ende der ent- scheidenden Kronraffitzung sagte der Kaiser zu Herrn von Kühlmann: .Letzt haben Sie freie Hand: zeigen Sie, was Sie können, und sorgen Sie dafür, daß das deutsche Volk bis Weihnachten den Frieden hat.(Lebhaftes Hört, hört! rechts.) Ihre ständigen Reden(zu den Soz.) über die Entwaffnung des deutschen Volkes bedeuten nur die Bewaffnung unserer Feinde.(Lärm b.d. Soz.) Wenn der Abg. Müller behauptet hat, die Deutschnationalen hätten das Leichenbegängnis der Kaiserin politisch ausgenutzt, so zeigt das von einer ungeheuren Niedrigkeit der Gesinnung.(Pfui- Rufe- rechts.) Und solche Ausführungen macht ein ehemaliger dem- scher Reichskanzler. Auch meine Freunde sind bereit, schwere Opfer zu bringen. Wir wollen eine Verständigung mit unseren Gegnern, aber nicht, weil wir irgendeine moralische Verpflichtung dazu anerkennen. Lloyd George sagte auf der Londoner Konferenz: Das Anerkenntnis der Kriegsschuld Deutschlands ist das Fundament von Versailles . Aber j unser Außenminister hat erst nach einigen Tagen in ganz lahmer ! Weise geantwortet. Deuffchland sei nicht der allein Schuldige. So i spricht jemand, der ein schlechtes Gewissen hat!(Zustim- imung rechts.— Zuruf des Abg. Müll er- Franken sSoz.j: Er hat > zweimal von einem provozierten Kriege gesprochen! Sie lügen ja ! ununterbrochen!— Große Unruhe rechts.— Der Präsident erteilt dem Abg. Müller-Franken einen Ordnungsruf.) Den Versuch unse- ! rer Regierung, durch Vermittlung Amerikas zu einer Ver- ständigung zu kommen, kritisieren wir nicht.(Zuruf b. d. Soz.: In Ihrer Presse steht es anders!) Dann lesen Sie sie ungenau. Amerika braucht ein konsumfähiges Europa . Schuld an dem Gewaltfrieden trägt auch Wilson, der mit einem großen Koffer der wunderbar- sten Ideale über den Ozean herübergekommen ist und einen Frieden der Völterversöhnung verhieß, aber nicht charakterstark genug war. um diese Versprechungen zu verwirklichen. Bor Einleitung der ame rikanischen Aktion hätte die Regierung feststellen müssen, ob über Haupt mit Amerika zu arbeiten ist. Die Vorarbeit hierzu hätte un- mittelbar nach Wilsons Rücktritt eingeleitet werden müssen. Das neue Angebot geht über die Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit sehr erheblich hinaus. Zum mindesten können wir eins verlangen: Ein Ende in Ehren!(Beifall rechts.) Solange der Feind nicht die wirklich äußerste Grenze sieht, sind wir nicht bei einer Verständi- gungsmöglichteit angelangt. Je mehr wir zurückgewichen sind, desto unerhörter ist die Sprache des Herrn Briand geworden. Spricht er doch von der starken Faust, die auf Deutschland niedersausen soll!(Zuruf links: Und die„gepanzerte Faust"?) Dieses Wort sprach der Kaiser nach der Ermordung unseres Gesandten durch die Boxer in Peking . Briands Sprache ist für mich das Ver- ächtlichste, was es auf der Well gibt, nämlich einem Wehrlosen mit Gewaltmitteln zu drohen.(Lebhafter Beifall rechts.— Widerspruch links.) Unerhört ist es, wenn der„V o r w ä r t s" heute früh schreibt: „Wenn diese Vorschläge nicht genügen, müssen sie geändert werden, bis die Entente zufrieden ist."(Pfuirufe rechts.) Das ist geraden eine Aufforderung an die Entente: Wenn ihr noch mehr haben wollt. wird es euch bewilligt.(Sehr richtig! rechts.) Frankreichs Streben geht an den Rhein und über den Rhei: Es itt irrig, wenn man glaubt, daß es den Franzosen in erster Linie auf das Bezahlen ankommt. Auch Gewalt hat eine Grenze.(Zu- ruf des Abg. D i t t m a n n(U.Soz.): Das haben Sie selbst er- fahren!) Herr Dittmann, wollen Sie sich wehrlos allem und jedem unterwerfen?(Neuer Zuruf des Abg. Dittmann(U.Soz.): Sie sind ja gerade der Typ eines Gewaltpolitikers, Sie wollen ja auch nicht bezahlen!) Wenn Sie(nach links) immer davon reden, daß die, die den Krieg verschuldeten, auch alles bezahlen sollten, so würde das die Auslieferung unseres schon so arg zusammen- geschmolzenen produktiven Vermögens an die Entente bedeuten. Damit wäre den Arbeitern am allerwenigsten gedient. Durch eine ähnliche Polittk ist Irlands Bevölkerung im letzten Jahrhundert von 8 auf 4 Millionen heruntergegangen. Denken Sie auch an Clemenceaus Ausspruch: Es gibt in Deutschland 30 Millionen Menschen zuviel.(Zuruf links: Das hat Professor Gruber auch gesagt!— Gegenruf rechts: Ach, Moses , leien Sie doch ruhig!— Heiterkell.) Auf der Gegenseite will man Deutschland vernichten und ausrauben. Unsere Hoffnungen sind gleich Null, wenn unsere Regierung nicht endlich sagt: Bis hier- her und nicht weiter. Das deutsche Volk scheint von Jahr- hundert zu Jahrhundert Züchtigungen nötig, zu haben, um zur Besinnung zu kommen.(Zuruf links: Sie haben sie nötig!) Ich spreche nicht von dem Hödurstrcich der Revolution. Herr Müller hat recht, ein gewisser Teil des Volkes amüsiert sich in Berlin genau so gut wie sonst.(Zuruf links: Ihre Leute!— Gegenruf rechts: Nein, das tun die Iudendemotratenl) Mr auf der Rechten gehen in Sack und Asche. (Gelächter links.) 1807 waren in Preußen die Zustände genau so wie jetzt in Deutschland . Aber die Weltgeschichte war mit dem Jahr 1807 nicht zu End«: sie wird auch mit dem Jahre 1921 nicht zu Ende sein.(Stürmischer Beifall rechts.) Abg. Dr. Breiffcheid(U.Soz.): Herr Helfferich sprach von der Friedfertigkeit Wilhelms II. Ich könnte von einem Akten- stück sprechen, das dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Kenntnis kam und selbst der Rechten weitere Illusionen über die Friedfertigkeit Wilhelms II. schwer machen würde. Ich do-s jedoch nur von dem sprechen, was schon in die auswärtige Presse gelangte. Zu derselben Zeit, als nach Helfferich im Jahr« 191? die einzige Friedensmöglichkett bestand, verlangte Wilhelm IL,