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ttt. 218 4 38. Jahrgang
?. Seilage öes Vorwärts
MM-«». II. Mai 1»il
Italien   im Wahlkampf. 0. 1�. Rom  . Anfang Mai. Wollte man den unseligen Wahlkamps, in dem das Land steht, mit einem Wortspiel kennzeichnen, so könnte man von einem Wahlkampf sprechen ohne Kampf und ohne Wahl. In der Tai erleben mir keinen Kampf der Parteien wie in an- deren Wahlperioden: alles, was Gegnerschaft gegen die Re- gierungsliste bedeutet, ist mundtot gemacht. Auch von einer Wahl der Kandidaten kann kaum die Rede sein: die Listen des nationalen Blocks, der von den Dsmokra- ten zu den Fascisten reicht, sind in ihren Hauptlinien im Mi- nisterium des Innern zusammengestellt worden. Und dieses Regime der Gewalt, die den Bogen allzu straff anzieht, er- zeugt auch in der bürgerlichen Wählermasse eine mit jedem Tage zunehmende Interesselosigkeit. Bon einem Auseinander- platzen der verschiedenen Ueberzeugungen und Programme kann nicht mehr die Rede sein. Es gibt keine Opposition in der Presse; bis jetzt hat keine Oppositionspartei es gewagt. Wahlversammlungen abzuhalten. Unter diesen Umständen zieht unsere Partei die allge- meine Wahlenthaltung ernstlich in Frage, wobei namentlich die Auffassung des Genossen P r a m p o l i n i aus Reggio Emilia   ins Gewicht fällt, der der Ansicht ist, daß die Wahl- beteiligung unsere Genossen, entweder zu wehrlosen Opfern der Gewalt machen oder sie'zur Gewaltanwendung zwingen würde. Wenn diese Zeilen in Druck gehen, wird der Ratio- nalrat der Partei, der am 55. Mai zusammentritt, schon einen Beschluß gefaßt haben, der wahrscheinlich den Verschieden- heiten der Lage in den einzelnen Provinzen Rechnung tragen wird. Die Lage in den einzelnen Provinzen ist tatsächlich sehr verschieden. In den Provinzen Bologna  , Ferrara  , Reggio  , Perugia  , Rovigo  , überall, wo die Partei stark ist, hat die fascistische Bewegung ein unverfrorenes Re- gime des Terrors verwirklicht. Hier hat man unsere Ar- beiterkammern verbrannt, unsere Redaktionen zerstört, die führenden Genossen an Leib und Leben bedroht. In Rovigo  wurde z. B. ein Führer der Landarbeitergewerkschast, Gen. M a s s i n, von den Fascisten in seinem Bett ermordet, in Gegenwart der Frau und zweier Kinder. Eines von diesen. ein Mädchen von 8 Jahren, starb am Herzschlag während des Verbrechens. Die Witwe und die ältere Tochter mußten ins Krankenhaus übergeführt werden. In einem Dorfe der Pro- vinz Bologna   fanden die Fascisten ihr ausersehenes Opfer. den Führer der Landarbeitergewerkschaft, nicht im Hause. An- wesend war nur die an Lungenentzündung erkrankte Frau, da der Mann von Freunden gewarnt worden war. Die Kranke wurde mit vorgehaltenem Revolver genötigt aufzu- stehen und mußte 10 Kilometer weit nachts gehen, von ihren Peinigern getrieben, so daß sie im Zustande vollständiger Er- schöpfung im nächsten Orte ankam. Diese Episoden ließen� sich beliebig vermehren. Man mißhandelt, man mordet, man beraubt, man sengt und brennt: das ist die fascistische Re- generation. Die Regierung sieht zu, weil sie glaubt, die Früchte der Bedrohungspolitik einzuheimsen. Sie läßt unter ihren Augen dieStrafexpeditionen" ausrüsten und abziehen: Lastautomobile voll Bewaffneter, die sich irgendeinen Ort als Opfer auserlesen. Dann fordern sie von der sozialistischen  Stadtverwaltung das Hissen der nationalen Trikolore, muten den sozialistischen   Führern die Abgabe nationalistischer Er- klärungen zu, stecken mit den mitgebrachten Benzin- und Pe- troleumvorräten die Volkshäuser und Arbeiterkammern in Brand, plündern die Häuser wohlhabender Genossen und die Lagerräume der Kooperativen   und ziehen dann unbehelligt und ruhmbedeckt wieder ab. Stoßen sie auf Widerstand, was bei dem Mangel an Waffen in Parteikreisen selten der Fall ist, und gibt es Verwundete und Tote unter den Fascisten, dann reiht sich eine neue und weit blutigereStrafexpedition" an die erste an, die Presse speit Gift auf diesazialistischsn Terroristen", beim Begräbnis forgt man dafür, daß es gleich am nächsten Tage ein paar mehr gewaltsam ins Jenseits be- förderte Proletarier zu begraben gibt so steht der Fascis- mus in den Provinzen aus, wo er sich hat zu voller Eigenart auswachsen können. In Rom   selbst geht es freilich nicht so zn. Da tobt sich alles in kleinen Lümmeleien aus. Auch in den Marken, in Sizllien und Sardinien  , ist die Gesetzlosigkeit nicht so schamlos und so allgemein. Immerhin ist die Lage derart, daß sich das Problem auf- drängt: ist unter diesen Umständen den Parteigenossen die Pflicht der Wahlbeteiligung vorzuschreiben? Steht das zu erwartende Ergebnis im Verhältnis zu den unver- meidlichen Opfern? Ist eine derartig gehemmte und verge- �wältigteWillensäußerung", die nur ein verzerrtes Bild des politischen Willens und der politischen Macht der Massen geben kann, dem völligen Fernbleiben von den Wahlen vorzuziehen? Man stellt mit Befremden fest, daß die Erregung der Gemüter, die politische Anteilnahme am Kampfe, diesmal geringer ist, als je zuvor, obwohl noch kein früherer Wahlkampf in seinen Ergebnissen so wenig vorauszusehen und vorher- zuberechnen war. Aber die Erklärung für diese wachsende Teilnahmslosigkeit ist nicht schwer zu finden. �In beiden La­gern. unter Sozialisten und unter den bürgerlichen Parteien fühlt man, daß der Wahlausgang am letzten Ende von dem AufgebotoonGewalt abhängen wird. Das Gros der Wähler empfindet es deutlich, daß sein Wille in dieser Frage nicht in Betracht kommt. Wenn die Regierung in den letzten Tagen und am Wahltage selbst die Ausübung des Wahlrechts gewährleistet, so wird das Wahlergebnis ein ganz anderes fein, als wenn die Fascisten mit Handgranaten und Revolver da?'-.souveräne Volk" zu den Urnen führen und von den Ur- nen fernhalten. Unter diesen Umständen ist es psychologisch durchaus er- klärlich, daß der heutige Wahlkampf hüben und drüben we- niger interessiert, als die früheren: Sein Ausgang hängt in allererster Linie von der Haltung der Regierung ab, also nicht von der Energie der Wähler, von. ihrer Vorbereitung, von der Macht der Argumente der einzelnen Parteien. Giolitti hat diesmal den Bogen zu straff gespannt. Er hat das öffentliche Leben zu sehr auf Gnade und Ungnade den Fascisten ausgeliefert. Dadurch hat er die eigenen Par- teigänger, soweit sie nicht Fascisten sind, gleichsam von jedem Srajtauimand di-P-ms'-wt- Gleichzeitig hat pc viele konser­
vative Elemente abgestoßen, einmal durch das diktatorische Vorgehen beim Ausstellen der Listen, dann durch den Frei- brief an die fascistische Gewalt. Deshalb würde die Regie­rung ein sehr gewagtes Spiel spielen, wenn sie am Wahltage diese Gewalt an die Kette legte und wirklich die freie Aeuße- rung des Volkswillens zuließe. Was von den Sozialisten und ihrer Politik seit den letzten Wahlen galt, gilt heute von der Regierung: auch sie hat eine für sie günstige Haltung der öffentlichen Meinung durch Mangel an Maß schlecht genützt. Sie hat geglaubt, jedes Mittel sei recht, um den Sozialisten eine Niederlage zuzufügen, und hat sich eines Mittels bedient, das sie teurer zu stehen kommen wird, weit teurer als das sozialistische Uebergewicht, das der Krieg gebracht hatte. Wir glauben nicht, daß die Regierung in den{ur den Wahlkampf entscheidenden Tagen der fascistischen Gewalt Zügel anlegen wird. Auch wenn ihr das materiell möglich wäre, was zweifelhaft ist, wird sie es nicht zweckmäßig finden, wo ihr nun einmal die aus der Gewalt erwachsenden Nach- teile schon zur Last gebucht worden sind. Wir werden also mit oder ohne sozialistische Wahlbeteiligung die Kammer i m Zeichen des Terrors zustande kommen sehen: nicht ein Bild des Volkswillens, sondern nur seine Fratze und Karrikatur. Und während so eine Macht des bürgerlichen Staates, das Parlament, schon als Mißgeburt zur Welt kommt, wird der Staat mit einer außerhalb des Staates stehenden Macht zu rechnen haben: dem Fascismus. Wohl heißt es allgemein, daß G i o l i t t i schnell mit dem Fascismus fertig wird, sobald er ihn nicht mehr braucht. Wer das im Ernst glaubt, der überschätzt wohl Giolitti und unter- schätzt den Fascismus, der berufen scheint, das alte Wort zu hewahrheiten von den Geistern, die man ruft und dann nicht mehr nach Belieben los wird. Wenn sich der Fascismus zuerst an eine Kriegsstimmung und Schützengraben-Neurose knüpfte, genau wie sein Gegen- pari, der Bolschewismus, so hat er inzwischen an politischer und wirtschaftlicher Konsistenz gewonnen. Indem man die
Fascisten zu den Prätorianern der Blockparteien machte, hat man ihnen auch zielbewußte reaktionäre Elemente zugeschoben. Und da man zum Knege, und sei es auch nur der Bürgerkrieg, bekanntlich Geld braucht und dreimal Geld, so hat man dem Fascismus auch eine wirtschaftliche Grundlage geben müssen. . tan kann nicht Tag für Tag Hunderte von Automobilen aus- rüsten und meilenweit über Land senden, als Träger fascisti- scherGerechtigkeit", ohne Geld, und zwar recht viel Geld zu haben. Obwohl in Parteikreisen die Legende umgeht, daß dieselben Geldgeber in fjrage kommen, wie bei den berühm- ten Maitagen von 1915, so daß also in englischen Pfund und in französischen   Franken bezahlt würde, welche Legende man durch die Tatsache zu bewahrheiten sucht, daß die italienische Valuta in dem Maße steigt, in dem die fascistischen Unruhen wachsen, halten wir dafür, daß die Kosten für den Fascismus von der italienischen Großindustrie und den Agrariern aufge- bracht werden. Namentlich die Automobilindustrie soll große Zuwendungen gemacht haben. Außerdem fängt aber der Fascismus an, sich eine eigene wirtschaftliche Grundlage zu schaffen: seineStrafexpeditio- nen" sind längst Plünderungen im großen Stile geworden. Mit dieser neuen Entwicklung wird die Regierung rechnen müssen. Hier ist der Kitt, der diese ihrer sozialen Abstam- mung nach bunt zusammengewürfelten- Gruppen zusammen- hält, denen man aus politischen Gründen die Exekutivgewalt im Lande überlassen hat. Auch ein Mann der eisernen Faust, wie Giolitti, wird diese Leute nach den Wahlen nicht in eine Ecke weisen können. Er hat sich ihrer bedient, um die Sozialisten unterzukriegen. Dabei ist aber ein so bedeutendes Stück des Staatsprsstiges in die Brüche gegangen, daß die Bourgeoisie selbst, als deren Sachwalter Giolitti vorzugehen glaubte, die Regierung dafür zur Rechenschaft ziehen wird. Mag sein, daß der Fascismus unserer Partei eine Schlappe zufügen und die Hälfte der Un- sercn aus der neuen Kammer ausschließen wird: das Mini- fterium Giolitti aber wird am Fascismus sterben und an der Kammer, die im Zeichen der fascistischen Gewalt zustande kommt.
über GberMeflen.
Der Preußische Landtag   erledigte am Dienstag zunächst! Kleine Vorlagen. Abg. Frau Dr. wegschclder iSoz.) fragt gn, ab dem Staats- Ministerium die 1929 erschienene Neuauflage des Lesebuchs für die Rbeinprovinz mit ihren völlig veralteten politischen Darstellungen desKaiserreichs" Deutschland   und desKönigreich s" Preußen bekannt sei. Was soll geschehen, um den Unfug der Verwendung solcher schädlicher und irreführenden Lehrbücher im Unterricht des Deutschen   und der Geschichte ein Ende zu machen? Ein Regierungsvertreter teilt mit, daß es sich nicht um eine Reuausgabe, fondern lediglich um einen Neudruck handle. (Große Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Es folgt die am Dlontag zurückgestellte namentliche Ab­stimmung über dea Antrag bei reffend die Erhöhung der Dienst- aufwaudsentschädigungen der Geucraljupertuleu- denken nsw. und die Erhöhung der Besoldung für katholische Geistliche. Der Antrag wird mit 210 Stimmen der bürgerlichen Parteien gegen 1Z1 der sozialistischen Stimmen au- geuommen.(Pfuirufe links. Beifall rechts. Abg. Schulz- Neukölln fKornm.) ruft: Schamlose Gesellen! und erhält einen Oed- nungsruf.) Es folgt die Beratung des Antrages Klost(Zentr.) über den Entwurf.eines Gesetzes betr. der Erhebung von Nachtragsum- lagen durch Gemeinden und Gemeindeverbände. Der Entwurf berechtigt die Gemeinden, für das Rechnungejahr 1929 auch nach dem 1. April 1921 Nachtragsumlagen zu beschließen und zu erheben. Abg. klost(Zentr.) begründet den Antrag. Abg. Haas(Soz.): Wenn wir den Kommunen helfen wollen, können wir es nur durch grundsätzliche Reformen. Der ganze Kom- plex der Reoffteuern muß zwischen Staat und Kommunen neu gs- vegelt werden und zu einer Reform des ganzen kommunal fkeuerwesens führen. Alles andere ist Flickwerk. Wir beantragen Usberweisung an den Gemerndeausfchuß. Der Entwurf geht nach weiteren Ausführungen der Abgg. Weyl (U. Soz.) und Dr. Leidig(D. Vp.) an den Gemeindeaus fchuß. Die Vorgänge in Gberjchlesien. Es folgt die Beratung der großen Anfrage der S o z i a l d e- mokraten. Durch den Aufstand in Oberschlesien   ist die dortige deutsch  « Bevölkerung in große Bedrängnis geraten. Auch besteht die Gefahr, daß neue kriegerische Verwicklungen ent« stehen. Was gedenkt das Staatsministerium zu tun, um solche -kriegerischen Verwicklungen zu verhüten und um Leben und Ge- sundheit der von den polnischen Insurgenten schwer bedräng'en deutschen   Bevölkerung in Oberfchlesien zu s ch ü tz« n? In Verbindung damit wird beraten ein kommunistischer Antrag auf Rück- gängigmachung der eingeleiteten militärischen Maßnahmen, und ein Antrag der bürgerlichen Parteien, daß die Regierung beim Re,ch dahin wirkt, daß die interalliierten Mächte ihrer Verpflichtung, in Oberschlesien   Ruhe und Sicherheit zu gewwähr'.eiste!!, erfüllen, und durch baldige Zuerkennung Oberfchlesiens an Deutschland   der un- haltbaren Lage ein Ende bereiten. Abg. Vrauu(Soz.): In diesem Augenblick rollen die Würsel über das Schicksal ganz Deutschlands  . Oberschlesiens   Schicksal scheint nur ein kleiner Aus- schnitt aus dem gewaltigen Drama zu sein. Nach der Abstimmung vom 29. März, bei der die klare Mehrheit für Deutsch- l a n d entschieden hat, konnte man hoffen, daß die Leiden der ober- schlessschen Bevölkerung unter dem polnischen Terror ihr Ende finden würden. Leider hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Mit Hilfe der polnischen Regierung haben Bänden die Gewalt an'ich gerissen, Korsanty hat sich selbständig gewacht und regiert Ober- schlesien   auf seine polnische Art. Die deutsche Bevölkerung ist schutzlos den Auswirkungen des Bandenimperialismus ausge- liefert. Die Macht Deutschlands   in Oberfchlesien ist durch den Friedensvertrag ausgeschaltet und an die interalliierte Kom- Mission übergegangen. Es ist dieser Kommission nicht gelungen, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten, weil die polensreuudlichen Franzosen den Ausschlag geben. Die Franzosen wollten ja ursprünglich Oberschlesien   ohne Abstimmung den Polen   ausliefern, sie haben zweifellos die Borbereitungen zum Ausstand in weitgehendem Maße geduldet. Auch nach dem Aus- bruch des Aufftandes hat die Kommission ihre Pflicht nicht erfüllt, sonst hötte der Ausstand keinen derartigen Umfang annehmen können. Die Itcliener hingegen haben iyre Aufgabe ernst genommen und ihre Pflicht erfüllt.(Lebhafter Vetjalll)
Die Rote Vriands auf den Einspruch unserer Regierung hin könnte nach Inhalt und Form direkt von Korsanty herrühren. Sie stützt sich auf die Unterlagen, die ihnen die Meldungen Korfantys, dieses fkrupel- losesten aller politischen Demagogen, geliefert haben. Man hat infolgedesstn die Lage in Oberfchlesien als gebessert bezeichnet. Wir sind nicht der Ansicht, denn das Elend der Arbeiterschaft infolge der Arbeitslosigkeit und Lsbensmittelknappheit wird von Korfänty nicht behoben. Man kann vom deutschen  Standpunkt aus mit der Kirchhofsruhe in Oberschlesien   nicht ein- verbanden sein.(Lebhafter Beifall.) Wir begreifen es, daß an- gefichrs dieser Lage der Gedanke der Selbsthilfe bei den Deutschen   an Boden gewinnt. Wir müssen aber dringend warnen vor Ilnbefonnenhcilen, die keine Hilfe bringen, wohl aber für das ganze Land die ver- hängmsoollsten Folgen haben können. Wir unterschreiben völlig die Warte, die der Reichskanzler im Reichstage darüber gesprochen hat. Die Desperados auf der äußersten Rechten wollen den Knoten mit dem Schwert durchhauen und einen ftisch-ftöhlichen Krieg be- ginnen, während die Desperados von der Linken nach der Räte- republik rufen. Beiden Methoden stellen wir uns mit allem Nach- druck entgegen. Die Regierung muß alle Schritte oerhindern, die das Land in neue verderbliche Kriegsabenteuer stürzen können. Wir vergessen unsere deutschen   Brüder in Oberschlesien   nicht, ober in unserer Wehrlosigkeit können wir ihnen nicht helfen mit einem Appell an das Schwert, sondern nur mit m Appell an das Recht.(Höhnische Zurufe rechts.) Es ist Wahnsinn, in dieser Zeit das Schwert im Munde zu führen. Dem Hangen und Bangen Oberschlesiens   muß schleunigst ein Ende gemacht werden, gemäß dem deutschen   Abstimmungs- sieg.(Lebhafter Beifall b. d. Soz.) Abg. Lchul'-Neukölln(Komm.) versucht den Ursprung des Polenaufstandes auf rein wirsschaftliche Momente zurückzuführen. (Als Redner wiederholt von Abstimmungsschwindel spricht, rügt Vizepräsident v. Krieg diesen Ausdruck. Als der Redner sich weiter langatmig über Haltung der Rechtssozialisten, der Un- abhängigen_ und der Amsterdamer Gewerkschafts-Internationale ausläßt, ertönen: Zur Sache! Gehört das zu Oberschlesien  ?) Am Ende seiner Ausführungen fordert er zum gewaltsamen Sturz des Kapitalismus   auf.(Beifall und Händeklatschen b. d. Komm. Vizepräsident v. Kries: Herr Abg. Katz, Beifallsklatschen entspricht der Würde des Hauffs nicht.) Abg. Dr. Por'ch(Z.): Die Interalliierte Kom» Mission ist verpflichtet, für Recht und Ruhe in Oberschlesien  zu sorgen Schon der Abg. Braun hat darauf hingewiesen, daß die Erklärung des französischen   Ministerpräsi- denken Briand, wonach deutsche Zeitungsmeldungen über Oberschlesien   de" Ausstand hervorgerufen haben sollen, nicht stimmt. Es gibt einen schlüssigen Gegenbeweis gegen Briand   und der be- steht darin, daß die Alarmnachrichten der oberfchle- fischenG r e n z z e i t u n g", die sich auf Berliner   Blätter zu stützen vorgaben, nicht richtig sind. Das Selbstbestimmungsrecht wird in Oberschlesien   mit Füßen getreten. Die Lage der ober- schlesischen Bevölkerung muß durch Sorge für die Ernährung und für die Flüchtlinge gebessert werden. Zum Schluß möchte ich den ikalienischen Truppen unseren Dank für die Riikerl'.chkelk ausdrücken, mit der sie sich der Deutschen   in Oberfchlesien angs-, nommen haben. Minister des Innern Domiaims: Für die wichtigsten Punkte der Anträge ist das Reich zuständig und die Staatsregierung will nicht die Kreise der Reichsregierung äören. Trotzdem aber kann ich versichern, daß in der oberschlssischen Angelegenheit wir von Anfang an mit der Reichsregierung zusammengearbeitet haben. Wir stellen fest, daß unter den Augen der interalliierten Kommission wohlbewaffnete Banden Oberschlesien   besetzt und eine polnische Verwaltung eingerichtet haben, c dwohl Oberschlesien   ein Teil des Deutscheu Reiches isl und die Abstimmung eine deutsche Mehrheit ergeben hat. Die inter­alliierte Kommission ist verpflichtet, für Ruhe und Sicherheit in Oberfchlesien. zu sorzen. Unwillkürlich muß man fragen, was wohl eingetreten wäre, wenn deutsche(Fei scharen in Oberfchlesien ein­gerückt wären. Roch ist in Oberschlesien   ein Ruhepunkt nicht er» reicht. Der wichtige Eisenbahnknotenpunkt K o n d r z i n ist von den Polen   erobert. Zum erstenmal ist hier die Verwendung von Artillerie festgestellt worden. Auch ich muß im Namen der Staateregierung Dank und Anerkennung für die italienischen Truppen aussprechen, die in Oberfchlesien so- viel Tapferkeit, Ritterlichkeit und Pflichttreue an den Tag gelegt haben.(Bravo   und stürmischer langanhaltender Beifall im ganzen