Nr. 23438.Jahrgang Ausgabe Nr. 115
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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
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Freitag, den 20. Mai 1921
Hilferuf der Sozialdemokratie.
Der Borstand der Sozialdemokratischen Parteil Rat zu entfenden und ihn an der bevorstehenden Sihung teilnehmen Deutschlands hat an das Internationale Bu= zu laffen, sei ein ungeheurer, denn es sei wesentlich für reau in London folgendes Schreiben gerichtet:
überbracht.
Erschütternde Hilferufe deutscher Volksgenossen, Nachrichten über zahlreiche Morde und Plünderungen, begangen durch die Banden Korfantys, wurden uns heute durch Parteigenoffen, die unter Lebensgefahr aus dem von den Insurgenten besetzten Gebiet geflüchtet sind, Offen triff die französische Duldung des von der polnischen Regierung durch Korfanty inszenierten Ueberfalls zutage, der das für Deutschland günstige Plebiszit des oberschlesischen Bolles annullieren und den Obersten Rat vor eine vollzogene Tatsache stellen foll.
nur übermenschliche Anstrengungen und strengste Selbst3ucht vermochten bisher, Notwehraffionen hintanzuhalten. Nur die Hoffnung auf eine jonelle Entscheidung gibt der deutschen Bevölkerung die seelische Kraft zur Ertragung der unfäg
lichen Qualen.
London , 20. Mai. ( WTB.)„ Daily Expreß " schreibt: Harvey hat in seiner Rede den Völkerbund begraben. Der Bölkerbund hat jedoch einen festeren Ersatz gefunden. Für das vom Kriege zer schlagene Europa besteht jetzt eine neue Hoffnung.
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Amerika im Obersten Rat.
In einer Bankettrede hat Lloyd George den Wieder eintritt der Vereinigten Staaten in den Obersten Rat gefeiert und den amerikanischen Botschafter in London Harvey begrüßt, der vom Präsidenten Harding beauftragt ist, ihn in einer den Frieden der Welt, daß Amerifa dabei sei. Wenn dieser Sitzung des Rates, in der die oberschlesische Frage erörtert Krieg nicht der letzte sei, dann werde der nächste Europa in wird, zu vertreten. Die außerordentliche Wärme des Tons, Trümmer legen. Wir sind froh, daß die Vereinigten Staaten den der englische Premierminister anschlug, läßt darauf gekommen find, nicht weil wir sie in diese Streitigkeiten hineinziehen schließen, daß er den Vertreter Ameritas als seinen Bundeswollen, sondern weil wir wollen, daß Amerita uns herausgenossen in der oberschlesischen Frage begrüßen zu können hilft. Die Ereignisse im Handelsleben in den letzten Mo- glaubt. naten haben bewiesen, wie abhängig nicht nur eine Nation Europas Die wiedererwachende Aktivität Amerikas in den europäi von der anderen, sondern wie abhängig ein Kontinent von dem schen Angelegenheiten ist in der Tat ein Ereignis von hoher anderen ist. Der Beschluß der Vereinigten Staaten erzeugt daher Bedeutung. Und wenn Lloyd George in seiner BegrüßungsHoffnung in unserer Brust. Er begrüße Harvey als Vertreter der rede für Harvey sagte, es handle sich nicht darum, daß großen Demokratie des Westens im Rate der Nationen der Amerika in die europäischen Wirrnisse mithineingezogen, Welt. werden, sondern darum, daß Amerita Europa aus diesen Birrnissen heraushelfe, so kann man sich vom deutschen Standpunkt dieser Erklärung anschließen. Amerika ist der Krieg zugunsten der Entente entschieden worDurch das Eingreifen der Vereinigten Staaten von den. Bei den folgenden diplomatischen Ereignissen war aber Amerita nicht mehr so entscheidend wie bei den militärischen. In seinen Erinnerungen an die Verhandlungen der Alliierten Paris , 20. mai.( WEB.) Pelit Parifien" glaubt zu wiffen, wie fein Herr und Meister Clemenceau die Leitung an über den Frieden von Versailles hat Tardieu geschildert, daß Generalsekretär Berthelot auf das Erfuchen des englischen Ge- fich riß und mit rüdsichtsloser Energie eine Politik durchsetzte, schäftsträgers am 18. Mai erklärt habe, ein Zeitpunkt für den 3a- die den Idealen Amerikas und den Verheißungen seines ba sammentritt des Obersten Rates fönne die französische maligen Vertreters Wilson sehr wenig entsprach. Das Kattowitz bedroht. Regierung nicht vor Montag oder beffer gejagt, nicht eher amerikanische, Bolt hat dieses Versagen seiner diplomatiBreslau, 20. mai.( Eigener Drahtbericht des„ Borwärts".) bestimmen, als die& ammer nicht die Regierungspolitit schen Vertretung am stärksten in der Frage des Völker. Die„ Breslauer Bolfswacht" meldet: Im Kreise kreuzburg gutgeheißen habe. Das Blatt glaubt zu wissen, daß gestern bundes empfunden, der in seiner gegenwärtigen Mißwurden vordrängende polen vom deutschen Selbstschutz diz französische Regierung ihre Mitteilung durch eine Note gestalt seine Handlungsfreiheit in empfindlicher Weise einpertrieben. Gleiwih, Beuthen , Königshütte, ergänzt habe, die der französische Botschafter in Condon über- schränkt, und es beharrt, wie aus der Rede Harveys hervor attowih sind jett völlig eingeschlossen. Heute früh, reicht habe. In diefer Note erkläre Briand , er könne dem Zusam- geht, bei seiner Weigerung, an diesem pazifistisch ausgeputzten nach 6 Uhr, verhandelten die Aufständischen mit der Stadt Kattowitz mentritt des Obersten Rates in Boulogne zustimmen, Bund der Sieger als dienendes Glied teilzunehmen. erneut wegen der Uebergabe. Das Ergebnis ist noch unbekannt. jedoch stellt er als Bedingung, daß vorher ein Abkommen gegen will es im Rat der assoziierten und alliierten RegieDas Die Schleufenanlagen von Januschkowitz liegen andauernd unter in der oberschlesischen Frage erzielt werde. Das Blatt rungen, also in der Mächtegruppe, die Deutschland besiegte startem Gewehr- und Maschinengewehrfeuer der Polen . glaubt ferner, die Regelung der oberschlesischen Frage sei mehr tech- und ihm in Versailles als Verhandlungsgegner gegenübertrat, nischer Art und könnte vom Obersten Rat nicht nühlicherweise an- feinen Platz wieder einnehmen. geschnitten werden, bevor sie nicht von Sachverständigen vorbereitet jei.
Wir erwarten vom Internationalen Bureau ebenso wie von allen ihm angeschlossenen Seffionen der Internationale das Einsehen aller Kräfte, um für das deutsche Volk und Oberschlesien das Recht der Selbstbestimmung gegen den polnischen 3mperialismus zu sichern, dessen Expansionsdrang Europa in neue unabsehbare Berwicklungen zu stürzen droht.
London , 19. Mai. ( WTB.) Bei dem heute abend zu Ehren des neuen amerikanischen Botschafter Harvey gegebenen Essen be= grüßte der Herzog von Connaught den Botschafter in einer herzlichen Ansprache und brachte das Hoch auf ihn aus. In seiner Erwiderung fagte Harvey:
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Konferenz zwischen Lloyd George und Briand ? Paris , 20. mai.( WTB.) Wenn auch eine demnach stige Berjammlung des Obersten Rates für den Augenblid taum wahrscheinlich ist, so dürfte es nach dem„ Echo de Paris" nicht ausgefchloffen fein, daß ein persönliches 3 usammentreffen zwischen Lloyd George und Briand morgen, Samstag, in Boulogne stattfindet.
Rom , 19. Mai. ( Stefani.) Graf Sforza hat seine Abreise nach Boulogne aufgeschoben.
Die amerikanische Friedensresolution.
Paris , 19. Mai. ( BTB.) Einer Havasmeldung aus Washing ton zufolge hat der Vorsitzende des Kammerausschusses für Auswärtige Angelegenheiten nach einer Konferenz mit dem Präsidenten Harding erklärt, der Präsident hege den lebhaftesten Wunsch, daß die Resolution& nog angenommen werde. Die Resolution Knox wird dem Repräsentantenhaus nächste Woche vorgelegt werden.
Amerika sei nicht in den Krieg eingetreten, um England, Frankreich , und Italien zu retten, sondern habe dies nur um seiner selbst willen getan. Bezüglich der Reparationsfrage erflärte er, hohe britische Beamte hätten ihm freimütig zugegeben, daß die amerikanische Erklärung den Aus= schlag gegeben habe, fie davon zu überzeugen, daß weitere Zeitvergeudung nutzlos fei. Dann erinnerte Harvey an den Beschluß, die amerikanische Vertretung im Obersten Rate wieder aufzunehmen und fragte: Könnte ein besserer Beweis für die Geneigtheit der amerikanischen Regierung gewünscht werden, ihr Versprechen herzlicher Mitwirkung auf allen Wegen zu erfüllen, die nicht mit ihrer anerkannten Bolitif unvereinbar sind. Auf die Völkerbundfrage übergehend, erklärte der Botschafter, das amerikanische Bolt habe mit einer Mehrheit von sieben Millionen Stimmen sich gegen den Eintritt Amerikas in den Völkerbund ausge= Die Ausführung des Ultimatums. sprochen. Die Regierung könne daher, ohne zum Verräter ihrer Wähler zu werden, nichts mit dem Bölkerbunde oder irgendeiner Berlin , 20. mai.( WIB.) Heute miffag um 12 Uhr ist die Kommission oder einem Ausschuß, der von ihm ernannt sei, oder erste Frift abgelaufen, die von der Interalliierten Militärfommiffion irgendeiner Verantwortung ihm gegenüber zu tun haben und wolle dies auch nicht. Harven erflärte weiter, er sei von seiner Regierung ermächtigt und angewiesen worden, daß, falls eine Sigung des Obersten Rates zur Erörterung der oberschlesischen Frage stattfinden sollte, er in derselben den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu vertreten habe.
Wenn Amerika zu diesem Entschluß gelangt ist, so geschah das jedenfalls in erster Linie aus der Erkenntnis heraus, daß es an der Wiederherstellung der Ordnung in Europa wirtschaftlich in höchstem Maße intereffiert ist. Das an Rohstoffen unerschöpflich reiche Land leidet heute schwer an einer Absatzfrise, die vor allem auf das Fehlen zahlungsfräftiger europäischer Abnehmer auf seinem Markte zurückzuführen ist. Amerika ist daher in hohem Maße daran intereffiert, nicht ein einzelnes europäisches Land, sondern den ganzen Erdteil als tauffräftigen Kunden zurückzugewinnen; das ist aber nur dann möglich, menn in das politische und wirtschaftliche Chaos, das der Weltkrieg zurückgelassen hat, wieder Ordnung gebracht wird.
Abgesehen aber von diesen rein wirtschaftlichen Ermä gungen glauben wir von unserem Standpunkt aus Amerika an feine moralischen Verpflichtungen Europa gegenüber erinnern zu dürfen. Sie beruhen auf der schon erwähnten hohen Mitverantwortung Ameritas nicht nur an dem militärischen, sondern auch an dem diplomatischen Ausgang des Krieges, den wohl niemand drüben als befriedigend empfindet. Amerita ging in den Kampf mit der festen Absicht, nicht den Imperialismus eines einzelnen Boltes, sondern das System der Gewaltpolitif selbst zu bekämpfen, das es damals in Deutschland allein verkörpert glaubte. Die folgenden Ereignisse aber müssen ihm seinen Irrtum bewiesen haben: Europa leidet heute unter den Folgen einer Gewaltpolitit, aber nicht der zerschmetterten deutschen, sondern eben jener, der Amerika entgegen seinen Absichten und feierlichen Verkündigungen durch den Einsatz seiner gewaltigen Kräfte in den Sattel geholfen hat.
in ihrer Note vom 12. Mai zur Ausführung des von Deutschland angenommenen Entwaffnungsultimatums gefeht worden ist. Innerhalb dieser Frist hatte die deutsche Regierung die von der Kommiffion festgefehten Höchst zuweisungen an Kriegs- Wenn jetzt Amerika wieder in den Obersten Rat eintritt, material für das Heer und an Ausrüstungsmaterial für die See- so geschieht das gewiß in erster Linie zu dem Zweck, seine befestigungen anzuerkennen; fie hatte sich der von der Kommiffion eigenen Interessen dort zu vertreten, denn keine Regierung aufgestellten Lifte der zur Herstellung von Heeresgerät 3 nge- hat das Recht, zum Schaden ihres eigenen Boltes felbstlos zu laffenen Fabriken zu unterwerfen; es waren ferner die Be- sein. Aber Deutschland kann schon damit zufrieden sein, wenn erklärte, die gute Absicht zur Zusammenarbeit zwischen fehle über die Ablieferung der von der Kommission nicht zuge- Amerita seine eigenen Interessen vertritt, statt, in der Großbritannien und Amerika sei die sicherste Bürgschaft ftandenen Geschütze, Waffen und des Gerätes der Landfestun- Täuschung befangen, es handle sich dabei um die Verwirkfür den Weltfrieden. Er freue sich, daß Harvey die Vereinigten gen fowie über die Abgabe der überschüssigen Bestände an Aus- lichung höchster Menschheitsziele, fremden Interessen zu Staaten im Obersten Rate vertrete und der bevorstehenden Konferenz rüftungsmaterial für die küsten befestigungen zu erlaffen dienen. Gerade diese nüchterne Betrachtung der Dinge muß beiwohnen werde. Dann kam der Premierminister kurz auf die und der kommiffion mitzuteilen; es waren endlich Maßnahmen zu aber Amerika zu der Erkenntnis führen, daß seine Interessen europäische Lage zu sprechen, wobei er sagte: In Mitteleuropa treffen, um die Freiheit der von der kommission auszuübenden nicht mit denen eines Teils von Europa identisch find. bestanden alte Todfeindschaften, die mit dem Frieden kontrolle ficherzustellen und die zu diesem Zwed getroffenen Europa ist außerdem heute nicht mehr wie in den Tagen von wieder zu vollem fräftigen Leben erstanden sind. Es ist schwer, sagte Anweisungen zur Kenntnis der Kommiffion zu bringen. Versailles bloß in zwei Teile geschieden, sondern in sehr viele: Lloyd George , flug und wohlbehalten inmitten all dieser alten Kon- Die geforderten Erklärungen find fämtlich vor Ablauf der das erschwert für den den europäischen Verhältnissen ferner flifte seinen Weg zu machen. Für unsere eigene Sicherheit ist es Frist vom Auswärtigen Amte im Namen der Reichsregierung Stehenden die Entschließung, vermehrt aber auch seine Freiheit wesentlich, irgendwelche Mittel zu finden, die Nationen aus diefem vorbehaltlos abgegeben; der Befehl zur Ablieferung der in der Wahl seines eigenen Standpunktes. Labyrinth des Haffes und der Erniedrigung herauszuziehen. Die nicht zugestandenen Geschüße, Waffen und anderen Bestände der Amerika ist daran interessiert, daß Deutschland zahlt, was zufünftige Wohlfahrt der Welt hänge mehr von dem guten Landfeftungen ist vom Reichswehrministerium bereits am es fann, denn von seiner Zahlungsfähigkeit hängt auch die der Einvernehmen und der engen Zusammenarbeit zwischen England 13. Mai, die anderen durch die Note verlangten Befehle find am Schuldner Amerikas ab. Es ist aber in feiner Weise daran und Amerika als von irgendeiner anderen Tatsache ab. Sie sei die 19. Mai erlaffen worden. Die aus der Annahme der betreffenden interessiert, das Deutschland unter dem Druck fortgesetzter Gebefte und sicherste Gewähr für den Weltfrieden. Der Beschluß der Bedingungen sich ergebenden Folgerungen find fofort gewaltdrohungen zu Leistungen über seine Kräfte angehalten Bereinigten Staaten, Harvey als Vertreter Amerikas in den Obersten 30 gen, die nötigen Ausführungsanweisungen sind erteilt. wird, bis es zusammenbricht. Denn dieser Zusammenbruch