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Nr. 24H«ZS.Fahrgaüg
2. Seilage öes vorwärts
Sonntag, 29. Mai 1921
GroMerün Geschäft am Wannfee-Ufer. Eine Protesiversammlung erhob kürzlich Einspruch gegen den ?e>.kauf des Wannsee  -Ufergeländes an die Nordflugwerke, die auch den dahinter liegenden Wald erworben haben sollen. Zweifellos sind die erholungsbedürftigen Berliner   dadurch benachteiligt, daß ihnen wieder ein hübscher Uferstreifcn weggezäunt und der Zugang zu den Freibädern umständlicher gemacht oder gar versperrt wird. Das Anrufen der Parlamente ist daher sehr vernünftig aber wie tatenlos haben die verschiedenen Institutionen des Staate« und Gemeinden die Entwicklung der Verhältnisse am Wannsee mitan« gesehen und wie wenig haben sie bei der Geldbedürftigkeit ihrer Kassen aus diesen Verhältnissen für die Allgemeinheit nutzbar zu inachen verstanden. Gehen wir zurück aus das Freibad. Ireibäöer-Gemelnwirtschast. Freibad   heute ein historischer Begriff, denn niemand bildet sich mehr ein, dort umsonst badrn zu können, und daß bei dem Ge. Inmmel der Tausende, die in brütender Sonnenglut unter einer Dunstwolke zusammenströmen, nicht jeder auf sein volles Bewegungs- freibad Anspruch erheben kann, leuchtet ein. Die Massenzusammen- ballung Erholungsbedürftiger ist also kein Freibad. Schätzen wir einmal, was so ein strahlender Sonnentag einemFreibade� ein- bringt, ob es nun am Wannsee  , an der Müqgel oder am Tegeler See   liegt. Als noch das Fahrgeld billiger, die Lebenshaltung weniger teuer und die Pächter etwas weniger herangezogen wurden, sprach man von einem Sonntagsdurchschnittsbesuch von 40 000 Personen bei schönem Wetter. Nehmen wir heute an, diese Ziffer sei durch allerlei Widerwärtiokeiten auf die chälfte gesunken und lassen wir uns außerdem plausibel machen, daß ein guter Wochentag nur 10 000 Besucher nach den Seeufern treibe, dann kommen wir auf Zahlen, die einem Finonzamtsnorsteher dos Wasser im Munde zusammen- laufen lassen, denn die Einzelperson ist immer eine halbe Papiermart wert, wenn sie nicht noch Badehose oder gar Badetrikot borgt, wenn sie niibt noch andere Bedürfnisse hat und wenn sie... JedesWenn� aber kostet Geld im Freibad. Der Moi 1921 sei Stichmonat. Im ersten Maidrittel machten die Maibäder ihre Pforten auf. Prompt reagierte Berlin  , wie im Komplott arbeitete die Sonne auf Pro- zente und schickte Kühlung verlangende Gluten herab. Massen- Wanderungen Huben an. Da öOOO, dort 10 000, dann 15 000 Besucher, und so ging's fort. Die Zahlenreihe schwoll wie die deutsche Milliar- tenschuld. Wenn sich die Freibäder bescheiden und diskret ausdrücken, werden sie bisher alle zusammen über eine viertel Million Besucher registrieren müssen. Jeder ist eine halbe Mark wert, einem erheb- lichen Bruchteil wird das Vergnügen mit ollem Drum und Dran noch teurer. Vorsichtig können wir trotzdem die Gesamteinnahme auf 200 000 ZIlork bei allen Freibädern, sie um Berlin   entstanden sind, kalkulieren. Und das in 14 Tagen! Und was kostet der Betrieb? Mag die Derpächterin den Pachtzins auf einige tausend Mark geschraubt haben, wir wagen es zu be- zweifeln, dann sind im halben Mai an jedem einzigen Tage die Pachtsummen verdient. Und dann kommen die Löhne. Sie ver- schlingen, wenn man jedem Freib.ade ZO Angestellte zumutet, in der bisherigen Saison bei größter Lohnnoblesse der Pächter allerhöchstens 30 000 Mark. Garderoben pflegen auch noch eine Einnahmequelle zu fein, so daß sie kleinere Unkosten tilgen. Bleibt also aus dem Er- liolungebcdürfnis der Berliner   ein Profit von mindestens 1 7 0 0 0 0 M a r k. Sie fließen in wenige Taschen. Versteht man da noch, warum sich die Oeffentlichkeit nicht beeilt, solcheauf der Straße" liegende Geldquellen für die Allgemeinheit selbst zu er- schöpfen? Pei den. verödeten Kassen, den desolaten Stadt- und Ge- meindesinanzen müßte solch fiskalischer Festbraten mit Wonne zu verzehren sein, und was könnte man bei Gemeinwirtfchast daraus machen? So viele Erwerbslose, so und so viele Kriegsbeschädigte fcgnden da ersprießliche Tätigkeit. Für manchen würde es ein wirk- lfches cheiloerfahren, was heute nur ein Genesungsheim für ein- zslne ist. Staat oder Berlin  nehmet die Freibäder in eigene Verwaltung. Die Stadtgemeinde ist als Rechtsnachfolgerin des Zweckverbandes in der Frage ommi- potent und weiß sich dann sicher auch die Schrankensetzer und Drahtzaunzieher vom chalse zu halten, die ihre Hand nach den chavel- ufern ausstrecken, die Berlin   und seinen Einwohnern gehören.
der Milchpreis. Die Maßnahmen de» Magistrats. Der BerlinerMagistrathat jetzt in der Frage der Milch- Versorgung nach dem 1. Juni eine endgültige Regelung getroffen und versendet durch das Nachrichtenamt folgende Ausführungen: Wie bekannt, ist auf Grund einer Vereinbarung mit der Land- Wirtschaft für die nächsten 4 Monate der Milchpreis frei Bahnhof Berlin   auf 2.60 M. normiert. In Wirklichkeit stellt sich der Preis aber, wenn man alle vor der Ankunft in Berlin   entstehenden Kosten berücksichtigt, frei Berlin   aus 2,83 M. und damit um rund 50 Pf. höher als bisher, so daß sich, da außerdem auch innerhalb Berlins  entstehende Unkoftensätze eine Erhöhung erfahren mußten, der Klein- Handelspreis auf 3,60 M. stellen würde. Ein solcher Preis hätte die Ernährung der kleinen Kinder aufs äußerste gefährdet, was auch von feiten der Reichsregierung eingesehen wurde: denn sie empfahl eine Verbilligung, ohne allerdings praktische Mittel und Wege an- geben zu können. Auch der Magistrat mußte die Rücksicht auf die Keinen Kinder allen anderen Interessen voranstellen. Da allgemeine Mittel aber nicht zur Verfügung stehen, so konnte die beabsichtigte Verbilligung auf den bisherigen Preis von 3 M. nur durch entsprechende Belastung der über den Nutzbedarf vorhandenen Milch ermöglicht werden. vom 1. Zun! ab erhalten daher zum Literpreise von Z Dt. die Kinder im 1. und 2. Lebensjahre% Liter, die Kinder im Z. uud 4. Lebensjahre% Liter, die schwangeren Frauen in den letzten Z Alonaten% Liter, die Inhaber vou Krankenkarten Vi Liter. Dies ist etwa die Hälfte der insgesamt zurzeit zur Verfügung stehenden TNilch. Ab 1. Zuli kommen die Vi-Liter-Krankenkarten und ob 1. August alle Krankenkarten in Fortfall. Das über den Notbedarf hinaus«ingehende Milchquantum wird ab 1. Juni 1921 zum Preisevon4M. frei verkauft. Zur weiteren Sicherstellung des freien Milch- Verkaufs auch in der milchtnappen Zeit des herbstes und Winters soll die E m u l s i 0 n s m i l ch dienen, die nach dem Urteil von be- rufenen ärztlichen Sachverständigen ein durchaus einwandfreies und der Frischmilch gleichwertige» Produkt ist und ganz mit Unrecht von den gegen die kommunale Milchbewirtschaftung kämpfenden Inter- essententreisen beim Publikum in den schlechten Ruf eines minder- wertigen Ersatzmittels zu bringen versucht wurde."
Internationale Jalfthmünzer. Eine Rumänennoken-Fabrik in Verlin ausgehoben. Falsche 500-Lei-Scheine sl Lei ungefähr 1 M.) tauchten im De- zember 1919 zuerst in großer Menge in Rumänien   auf. Die rumänische Regierung beauftragte den Major Raddeln mit Nach- forschungen nach den Vertreibern und Herstellern. Der Major be- trieb diese persönNch mit rumänischen und anderen Beamten auch in Iugostawien, in der Tschechoslowakei   und Oesterreich. In Iugostawien fand er die Spur einer Bande, die fossche Dinarnoten herstellte und sich auch mit Leinoten befaßte. Man entdeckte auch die Fabrik, stellte aber bei ihrer Aushebung fest, daß sie nur Dinarnoten herstellte. Die Fässcher der Leinoten waren flüchtig. Ihre Spur führte nach Oesterreich  . In Wiener   Kaffee- Häusern stellte der Major fest, daß auch dort falsche Leinoten abge- setzt und in den Verkehr gebracht wurden. Es gelang ihm auch mit Hilfe der Wiener   Polizei,«ine ganze Reihe der Dertreiber festzu- nehmen. Später fand der Major ein« Spur, die nach Berlin  führt«. Zwei Einwanderer aus der Bukowina  , di« jetzt in Berlin  wohnten, waren nach dem Ergebnis der Ermittlungen di« Haupt- vertreiber. die auch den Warschauer hauptagenten belieferten. Der Major fuhr nach Berlin   und setzt« sich mit der Falschgeldabteilung der Reichsbank in Verbindung. Kriminalkommissar von Liebermann, der Leiter der Stelle, nahm gemeinsam mit ihm die Ermittlungen in Bersin auf. Jetzt gelang es in kurzer Zeit, die Fabrik der Lei- noten zu entdecken und auszuheben. Sie befand sich in der I a h n- st r a ß e in der Buchdruckerei eines Robert Ernst. Man fand und beschlagnahmte in dieser Buchdruckerei drei verschiedene Druckauf- lagen. Ernst und di« beiden Hauptvertreiber, die Sackhändler herschel Iuda, genannt S L ß m a n n, und Hermann Engel wur- den oerhastet. Die Platten und Holzschnitte waren verschwunden, man stellte fest, daß einer der Mittäter sie in Gullys ge- warfen hatte, wo sie auch aufgefunden wurden. Unmittelbar nach Festnahme dieser Falschmünzergesellschaft ge- lang es der Falfchgeldabteilung der Reichsbank, einen zweiten er- folgreichen Schlag zu führen. Sie entdeckte bei dem Buchdruckerei. besitze? Bolach in der Barbarossastraße zu Schöneberg  eine Falschgeldfabrik, die Fünfzigmarkscheine der Ausgabe vom 24. Juni 1919 herstellte. Fast die gesamte Druckauflage konnte
beschlagnahmt werden, ebenso die zur Hersteilung der Scheine be- nutzten Platten. Wann wird die Nord-Südbah« fertig? Die U n t e rgr un d b ahn b au t en an der Weiden- dammer Brücke werden mit allem Nachdruck gefördert.- Zwischen den Fundamenten der aus Anlaß des Baues der Nord-Südbahn abgerissenen Brücke im Zug« der Friedrichstraße entsteht der neue Untergrundbahn-Spreetunnel, der in seinem nörd­lichen Teil« bereits zu einem Drittel fertiggestellt ist. Am Südufer ver- sperrt ein umfangreicher Bauzaun die Baustelle, die an dieser Stelle von außerordentlicher Tiefe ist. Augenblicklich entstehen di« Fundo- ment« für di« südlichen Land- und Strompseiler, deren Vollendung in wenigen Tagen zu erwarten ist. Witten   durch di« beiden massiven Bauwerke aus Eisenbeton soll in den nächsten Wochen der Untergrundbohntunnel gelegt werden, nach- dem die erforderlichen schweren Eisenkonstruktionen, die di« Brück« tragen sollen, eingebaut sind. Gleichzeitig werden schon in den nächsten Tagen die Schachtarbeiten an der südlichen Nampen. strecke beginnen, an die sich die Ausschachtungen unter dem Spree- bett, ähnlich wie bei anderen Tunnelbauten, ohne Störung des Wasserverkehrs auf der Spree   voll anschließen werden. Nur wenige hundert Weier von der Weideadammer Brücke ent- fernt ist in aller Stille ein« andere wichtige Arbeit als Vorbereitung für den Untergrundbahnbau vollendet worden. In dem Engpaß der Friedrichstraß« am Bahnhof Friedrichstratz e soll der neue Untergrundbahnhof mit Uebergangsmöglichkeit auf di« Stadtbahn entstehen. Die Zugänge zu diesem sollen in dem ersten östlich der Straße befindlichen Stadtbochnbogen unter- gebracht werden, um den starken Fußgängerverkehr an dieser Stelle nicht zu behindern. Der Bahnhof wird mehr als die ganze Breite der Straß« in Anspruch nehmen. Daher mußte ein Txil der Fundo- mente des Aschingerhauses, an der Georgen-, Ecke Friedrichstraße  , unterfahren werden. Es ist gelungen, den dazu nötigen Bau aus- zuführen, ohne daß das Gebäude irgendwelchen Schaden er- litten hat. Der Rohbau der gesamten Reststrecke soll im Anfang« des Jahres 1922 vollendet sein. Am halleschen Tore und im südlichen Teile der Friedrichstraße  , an der Moorstrecke wird mit drei Schichten ununterbrochen gearbeitet. Die Innenausrüstung der Strecke, Ausbau der Bahnhöf« usw. soll im Laufe des Sommers beendet fein, so daß die Bahn, wie beabsichtigt, auf der Strecke Seestraße hallesches Tor zum herbst des kommender: Jahres in Betrieb genommen werden kann. Wahl zur Lehrerkammer. Nach zweijährigem Bestehen der Berliner   Lehrerkammer findet am Montag, den 30. Mai, ihre Neuwahl statt, diesmal in er- Weiterter Form über ganz Berlin  . Diese Wahl ist von großer Bedeutung nickt nur für die kommenden geistigen Strömungen innerhalb der Berliner   Lehrerschalt, sondern ihre Zusammensetzung wird auck auf da« Verhältnis zu den Elternbeiräten rückwirkend sein und somit auf die zukünftige Gestaltung der Schule bedeutenden Einfluß ausüben. Für die sozialistiscken und frei« gewerkschaftlich organisierten Lehrer bat die Freie Lehrergewerksckaft DeutscklandS, Orts« gruppe Berlin", die Liste hädicke aufgestellt. Mir" u«dIhnen". DerBersiner Lokalanzeiger" glaubt einen Witz entdeckt zu haben; er schreibt darüber erfreut:In einem Aktenstück schrieb einer der neuen Herren Stadträte die lapidaren WorteBe- trifft mir nicht". Die Akten gingen an den Sekretär, der sie ge- r fandt hatte, zurück, der unter der stodträtlichen Bemerkung schrieb Betrifft Ihnen doch", und das Faszikel abermals an den Herrn Stadtrat sandte." Sehen wir mal davon ab, daß die Bemerkung des Sekretärs eine Dreistigkeit war. Di« Herren vomB. L.-A." wollen mit diesem und ähnlichem Getue die Welt glauben machen, daß Groß-Berlin zusammenbrechen müsse, weil mal ein Stadtrat nichtmir" undmich" habe unterscheiden können. Man wird dabei an jene drastische Antwort erinnert, die ein früherer Sozial- edmokrat aus ähnlichem Anlaß erteilt haben soll. E r könne zwar zu- weilen nichtmir" undmich" unterscheiden. Dafür können aber seine Gegner nichtmein" unddein" unter- scheiden. Das Volt wird es seinen Vertretern gewiß nicht übel nehmen, wenn sie einmalmir" undmich" verwechseln und kein Mensch von anständiger Gesinnung nimmt daran Anstoß. Jener Sekretär und die teutschen Mannen desB. L.-A." scheinen daraus erpicht zu sein, eine Ausnahme zu machen. Eine Skener auf Srastdroschkeu hat der Magistrat beschlossen. Er ersucht die Stadtverordneienveriammlung um Zustimmung zu
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Skine Menschenkind.
IN. Der Sündenfall.
Don Martin Andersen RexS. Wir müssen sehn, daß wir ihn totschießen," sagte Lars Peter,es bleibt nichts anderes übrig." O," riefen die Dorfkinder,dann kriegen wir Pferde- fleisch!" Aber die Kinder vomArmenhaus" weinten. Der Krugwirt kam selber und schoß dem großen Klaus 7eine Kugel vor die Stirn, und dann wurde der Kadaver auf isinen Wagen geladen und nach dem Hof gefahren. Lars Peter half ihn aufladen und begleitete den Wagen, er wollte den Gaul selber schinden.Man hat seinerzeit so viel Schinderarbeit verrichtet, sollte man da nicht dem großen Klaus die letzte Handreichung tun?" sagte er, sich entschuldi- gend, zu Sörine. Sie verhielt sich schweigend wie gewöhnlich, sah jedoch jedenfalls nicht danach aus, als hätte sie etwas da- gegen. Aber an dem Vormittag, an dem das Pferdefleisch ver- teilt werden sollte, verriet sie etwas mehr Leben als gewöhn- lich. Sie schickte die Kinder mit einem großen Korbe aus. Seht zu, daß ihr ein ordentliches Stück abbekommt," sagte sie,wir haben wohl ein größeres Anrecht als alle anderen." An diesem Tage bekam Lars Peter ein regelrechtes Beefsteak zu Mittag, wie er's seit langer Zeit nicht gekriegt hatte. Es ist merkwürdig," sagte er beim Essen,so alt und verbraucht der große Klaus war, so gut ist das Fleisch. Es ist geradezu süß. Du solltest tüchtig davon essen, Mutter, Pferde- fleisch soll gut für Brustkranke seinl-- Ja, es war wirklich ein großartiger Gaul, einzig in seiner Art!-- Greift zu, Kinder, wir haben nicht alle Tage Fleisch auf dem Tisch!" Er sagte es mit einem Anflug von Galgenhumor. Nun, die Jungen hatten einen Bärenhunger wie immer. Stine war eigen wie bei allen Speisen, mit ihr konnte man also nicht rechnen. Aber Else, oer kleine Dummkopf, kam gar nicht vorwärts: sie kaute und kaute, und das Fleisch wurde immer größer in ihrem Munde.Es ist so sonder- bar," sagte sie, und plötzlich brach sse in Schluchzen aus. 15. Wiederdaheim. tzörine ging still umher und verrichtete ihre Arbeit. Ge- juQb war sw Nichte sie hustete viel und schwitzte dl der Nacht.
Lars Peter und Stine verbündeten sich gegen sie; sobald das Abendbrot verzehrt war, mußte sie zu Bett. Sie wollte nicht gern, denn sie war häuslich geworden durch ihre Abwefen- heit, und da war so vieles, das sie gern geordnet hätte. Aber es war nun einmal notwendig. Wenn sie nur nicht die Schwindsucht hat!" sagte Lars Peter eines Abends, als sie sie ins Bett geschickt hatten und in der Stube plaudernd zusammen saßen.Es ist, als könnte man sehen, wie die Tiere sie aushöhlen. Ob wir sie nicht da- hin bringen können, gekochten Leinsamen zu essen, das soll gut gegen Tuberkulose seinl" Stine meinte, es habe keinen Zweck, einen Versuch damit zu machen.Mutter ißt so wenig, sagte sie,und manchmal bricht sie alles wieder aus. Ihr Magen ist gewiß nicht in Ordnung." Ich möchte doch glauben, daß es in der Brust sitzt. Be- denk einmal, wie sie hustet! Wenn's sie so richtig packt, dann ist's genau so, wie wenn ein Boot den Boden faßt, daß es einem durch und durch geht. Das stammt von den feuchten Gefängnismauern her, wie sie selber meint; da ist das Wasser aber gelaufen." Ich Hab' nicht gedacht, daß Mutter etwas von da erzählt hätte," rief Stine erstaunt. Nein, viel spricht sie auch nicht darüber, ober hin und wieder trifft es sich doch mal, daß sie ein paar Andeutungen macht. Sonst wandert sie ja umher wie eine, unter der das Feuer ausgegangen ist." Lars Peter seufzte.Und wie geht es dir?" sagte er und legte seine Hand auf die Stines auf den Tisch. Stine murmelte etwas, das allerlei bedeuten konnte. Hältst du noch immer daran fest, daß ich nicht nach dem Bakkehof gehen soll?-- Ja, denn ich mächt' wirtlich gerne mit dem grundverdorbenen Pack einmal abrechnen. Recht bekommt man denen gegenüber ja nicht, aber es würde doch gut tun, ihnen ein bißchen die Federn zu schütteln. Die Bauernbrut!" Karl ist nicht verdorben," sagte Stine leise.Er ist bloß schwach und unglücklich." So, so aha. Und so einer nennt sich stamm und läuft zu Versammlungen-- sonderbar, daß er dich nicht auch bekehrt hat." Lars Peter redete sich in Zorn hinein, aber es dauerte nur einen Augenblick.Na. ja, ja!" brummte er gut- mütig.darüber mußt du ja selber entscheid«»», aber Spatz
macht es für dich nicht, in dem Zustand hier herumzugehen. Daß sie ein bißchen Geld zuschießen, das wäre denn doch an- fiemessen gewesen, dann tonntest du irgendwohin gehen und 0 lange dort bleiben." Geld sie haben gar kein Geld! Nicht mal so viel wie wir!" sagte Stine. Aber sie prassen jetzt doch immerzu und halten Tag und Nacht Hochzettsschmaus. Am Sonntag haben sie angefangen. und heut' haben wir Freitag. Drüben soll man vor be- trunkenen Viehhändlern gar nicht vorbeigehen können." Lars Peter war etwas gekränkt, weil er nicht mit eingeladen wor- den war: es war doch sein eigner Bruder, der Hochzett hielt.
Nein, Spaß machte es Stine nicht und ebensowenig den übrigen; Lars Peter hätte ruhig auch sich und die anderen erwähnen können. Die Kameraden und besonders die Frauen im Dorf begannen. Fragen an ihn zu richten: ob Stine nun auf dem Bakkehof ausgelernt habe, und was sie anfangen wolle. Es klang so unschuldig, ober er verstand wyhl, wo man hinaus wollte. Sonst war er nicht empfindlich, aber dies konnte ihn wirklich verstimmen er hatte ja all seine Freude und allen Stolz in die Kinder gesetzt. Eines Tages kam der kleine Paul nach Hause gestürmt. er hatte nur einen Holzschuh cm.Mutter, ist das wohl wahr, daß der Storch Schwester Stine ins Bein gebissen hat, und daß sie ein Kleines kriegen soll?" Er konnte kaum atmen, der kleine Dummrian, so empört war er. Wo ist der eine Holzschuh?" Sörine sah ihn böse an. um ihn abzulenken. Aber er ließ sich nicht in Angst jagen. Den Hab' ich draußen verloren-- aber ist das wohl wahr?" Wer sagt solch dummes Zeug?" Die Kinder rufen es mir im Spott nach. Aeh, bäh... Stine soll ein Kindchen kriegen!" Dann bleib' doch hier zu Hause und spiel', dann ruft dir niemand was nach!" Aber ist es denn wohl wahr?" Er bekam ein Butter- brot mit Zucker, und das stopfte ihm vorläufig den Mund. Er setzte sich auf die unterste Stufe der Bodentreppe und hieb ein. Stine saß in der Stube und flickte die Sachen der Kinder; sie beugte sich ttef über ihre Arbeit. .(Forts, folgt)