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Nr. 252 38. Jahrgang Ausgabe B Nr. 124

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Dienstag, den 31. Mai 1921

Bayern zögert noch immer !

Münden, 31. mai.( WIB.) In der heufigen Sihung des eine kurze Komödie. Noch heute muß die Reichsregierung die Staatshaushaltsausschusses des bayerischen Landtags gab Minister- Liste der Organisationen einreichen, deren Entwaffnung und präsident v . Kahr über die Einwohnerwehrfrage folgende Auflösung bis zum 30. Juni nicht ,, tuniichst" oder nach Mög­Erklärung ab: lichkeit", sondern unter allen Umständen durchgeführt Die bayerische Staatsregierung ist in Nebereinstimmung sein muß, wenn Deutschland nicht neuen Sanktionen ausgesetzt mit der Reichsregierung entfchloffen, in Erfüllung des fein soll. Es tann fein Zweifel daran bestehen, daß sich auch Ultimatums in der Entwaffnung der Einwohnerwehr das mög- bie bayerischen Einwohnerwehren auf dieser lich ste zu tun, wobei die Termine fun lidhst eingehalten werden. Lifte befinden werden. Dagegen hat fie fich nicht entschließen können, ihre bisherige Unf- Die Erklärung des Herrn v . Kahr ist nur verständlich faffung, daß die Einwohnerwehr nicht unter die Urtitel 177 und 178 aus seiner schlotternden Angst vor denen, die er regieren soll. des Friedensvertrages und nicht unter das Gesetz vom 22. März 1921 Buerft pfiff Bayern auf das Reich, dann pfiff die Leitung der falle, aufzugeben. Die Reichsregierung wurde gebeten, diefe Auf Einwohnerwehren auf die banerische Regierung, jetzt pfeifen faffung den alliierten Mächten mitzuteilen und nach Möglichkeit die Gauleiter auf die Zeitung der Einwohnerwehren. Das ist zu vertreten. Diese habe sich dazu bereit erklärt. Je nach der Stel- der bayerische Ordnungsstaat"! und statt mit zusammenge lungnahme der Entente wird die Reichsregierung biffenen Zähnen das Notwendige zu tun, rettet man sich noch die weiteren Entscheidungen von sich aus treffen, wobei eine einmal für fünf Minuten durch einen neuen Schacherversuch loyale Stellungnahme der Staatsregierung felbstverständlich ist. mit der Entente. Das ist nationale Würde"!

Die Erklärung des Herrn v. Rahr zeigt, daß die bane­Wenn die Reichsregierung sich noch rechtzeitig entschließt, rische Regierung das alte Spiel der 3 weideutigkei- mit fester Hand Ordnung zu schaffen, so wird sie die er­Rebensarten wie nach Möglichkeit" und" tunlichst frist Bayern felbft, auf ihrer Seite haben. ten fortsetzt. Auf der einen Seite wird mit verdächtigen brüdende Mehrheit des Volkes in Deutschland, und auch in gerechte Entwaffnung und loyale Haltung" in Aussicht ge­stellt, auf der andern Seite werden die Einwohnerwehren durch die Behauptung, eigentlich sei ihre Entwaffnung gar nicht notwendig, in ihrem Widerstand ermuntert. Last und Ver­antwortung des notwendigen Handelns werden der Reich s regierung zugeschoben.

Die neue Anfrage an die Entente, ob nun wirklich die Auf­Lösung der Einwohnerwehren gefordert sei, diese schlecht ge­spielte Schwerhörigkeit, tann natürlich nichts anderes sein als

Vorkonferenz in Boulogne?

Das Verzeichnis der aufzulösenden Selbstschutzorganisatio­nen, Einwohnerwehren usw. ist gestern der Interalliierten Militärkontrollfommission überreicht worden. Für den morgi­gen Tag wird eine Veröffentlichung der Reichs­regierung über diese Maßnahmen insbesondere auch über die Frage der bayerischen Einwohnerwehren au­gekündigt.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Berlag, Expedition und Inferaten. Abteilung Morinplay 11753-54

Gegen Nordschleswig- Legenden!

Bon Dr. A. Röfter.

des dänischen Professors A age Friis, die nunmehr durch Im Zusammenhang mit den bekannten Beröffentlichungen Entgegenkommen sowohl des ehemaligen Unterstaatssekretärs Dr. David wie auch des ehemaligen dänischen Landtags­abgeordneten Kloppenburg- Strumfager auf ihren wirklichen Wert zurückgeführt worden sind, haben eine Reihe von deutschen Blättern die längst widerlegte Legende aufge­wärmt, daß lediglich durch das übereilte Entgegenkommen der damaligen deutschen Regierung und besonders durch die verföhnliche Haltung des Staatssekretärs Dr. Solf die Wieder­aufrollung der nordschleswigschen Grenzfrage verschuldet wor­den ist. Ich habe schon in meinem Buche" Der Kampf um Schleswig" den Beweis dafür geführt, daß ganz unabhängig von der ablehnenden oder entgegenkommenden Haltung der damaligen deutschen Regierung, ja jogar unabhängig von der Stellungnahme der damaligen dänischen Regierung, die nordschleswigsche Frage durch den Willen der alliierten und assoziierten Mächte im Friedensvertrage unter allen Umständen eine Neuregelung erfahren hätte. Zur Bestäti gung dieser von allen politisch Einsichtigen immer vertretenen Anschauungen möchte ich heute zwei bisher unbekannte Tat­fachen anführen, die schlagender noch als der bekannte No­vemberbrief Wilsons an die Südjüten Nordamerikas beweisen, daß nicht nur Frankreich, sondern auch England und Amerika von Anfang an die feste Absicht hatten, die Nordgrenze Deutschlands einer Revision zu unterziehen.

Bereits im Jahre 1917 hatte die englische Regierung zur Borbereitung für die fünftigen Friedensverhandlungen ein sogenanntes Friedenshandbuch"( Peace Hand­book, prepared under the Direction of the Historical Section of the Foreign Office) herausgegeben, in dem von tompetenter Seite alles wissenswerte statistische, ethnologische, Note geltend gemacht werden, daß der Zusammentritt der Sach wirtschaftliche und politische Material gesammelt wurde, das verständigen in Oppeln nicht ratsam erscheine, da man diese bei der Beratung auf der Friedenskonferenz eine Rolle spielen London, 31. Mai.( WTB.) Daily Telegraph zufolge neue Rommission den Leidenschaften entziehen müsse, die sich inner- würde. In der Serie dieser Veröffentlichungen befinden sich hat die britische Regierung Briand vorgeschlagen, ent- halb der Interallierten Kommission in Oppeln geltend gemacht ausführliche Gutachten über Elsaß - Lothringen, Posen, Ober­weder morgen oder Donnerstag in Boulogne eine Bor- hätten. Man wisse tatsächlich, daß Oberst Percival deutsche schlesien , Böhmen , Südtirol , Bosnien usw., also über alle die­tonferenz zwischen den ersten Ministern Englands und Frank- Erziehung genossen habe und in seinen Berichten nichts zurück- jenigen territorialen Probleme, von denen England der Mei­reichs und dem italienischen Botschafter in Paris abzuhalten, um halte, was der deutschen These als Argument dienen fönnte. Die nung war, daß sie bei den fünftigen Friedensverhandlungen Einzelheiten des Sachverständigenausschusses englische Regierung- so fügt Matin" hinzu- werde zweifellos eine Rolle spielen würden. In der Reihe dieser Ber­zu regeln, deffen Bericht dann etwa innerhalb einer Woche bzw. endlich verstehen, wie sehr die Haltung ihres Delegierten den malvertreten. Eine Broschüre über Kiel und Helgo­öffentlichungen ist Schleswig - Holstein zwei­zehn Tagen nach der Zusammenstellung des Ausschusses einer guten Beziehungen der Alliferten schädlich sei. malvertreten. Eine Broschüre über Kiel und Helgo­Bollsigung des Obersten Rates unterbreitet werden könnte. Im übrigen lehne die französische Note, wie bereits gemeldet, den teidigungssysteme und die Notwendigkeit, sie für die Deutschen land bespricht die strategische Bedeutung dieser beiden Ber­Dem d'Deuvre" zufolge ift die franzöfifche Regie- Busammentritt des Obersten Rates, bevor der Bericht vorliege, ab, illusorisch zu machen. Eine andere Broschüre( Band 35), be­rung bereit, einer Einberufung der Konferenz am Sonnabend und werde aufs neue gemeinsame Schritte in Berlin titelt Schleswig- Host ein, untersucht die Lage der zuzuftimmen. und Barschau sowie bei Korfanty und General Höfer por Dänen in Nordschleswig und beschäftigt sich in ausführlicher London, 31. Mai.( WIB.) Times" meldet, daß die fran- schlagen, damit Beruhigung in Oberschlesien erzielt werde. zöfifche Regierung dem Teil des britischen Planes zugestimmt hat, Nach Echo de Paris" jedoch scheint es, daß die fran- wirtschaftlichen und sprachlich- statistischen Verhältnissen des Nach Echo de Paris" jedoch scheint es, daß die fran- und zum Teil durchaus objektiver Weise mit ben historischen, in dem vorgesehen wird, daß der mittlere Teil Ober- zöfifche Regierung geneigt sei, die Entfendung der Sachverständigen ehemaligen Herzogtums Schleswig von einer Grundauffassung schlesiens zwischen den nördlichen und südlichen Bezirken sofort tommiffion nach Oberschlesien anzunehmen, und daß sie nur ver aus, die bis zur endgültigen Grenzziehung die englische ge­unter Bewachung durch allierte Truppentörper fangen werde, daß der Oberste Rat erst nach ihr zusammentrete und blieben ist. Aus dieser Tatsache geht tiar hervor, daß Eng­gestellt wird. Die französische Regierung lehnt es auch nicht un- nicht vorher, wie die englische Note es verlange. land, längst bevor die Waffenstillstandsver­bedingt ab, dem weiteren britischen Borschlage zuzuftimmen, nach dem die Bezirke im Norden und Süden Oberschlesiens, die nach all­handlungen begannen, mit der Aufrollung der Kanal­frage und Grenzfrage rechnete und das ist selbstverständ­gemeiner Ansicht an Deutschland bzw. an Polen fallen sollen, so . London, 31. Mai.( TU.) Oberst Percival, der englische Berlich bei günstigem Ausgang des Krieges diese Fragen in fort von der deutschen bzw. polnischen Regierung besetzt werden treter der Interalliierten Kommission für die Boltsabstimmung in feinem Sinne zu entscheiden entschlossen war. sollen. Die Franzosen feien ber Ansicht, daß, nachdem Korfanty Oberschlesien, der aus Gesundheitsrücksichten um seine Entlassung sich bereit erflärte, feine Autorität an die Interalliierte Abstim gebeten hatte, ist durch Sir Harald Stuart, den früheren mungstommission abzutreten, teine Notwendigkeit für eine Ein- englischen Kommissar der Rheinlandkommission ersetzt worden. segung deutscher und polnischer regulärer Truppen bestehe. Percival hat sich bemüht, in der oberschlesischen Frage stets eine objettive Haltung einzunehmen. Das führte oft zu harten Zusammen­ftößen mit dem französischen Vorsitzenden der Interalliierten Kom­mission Le Rond. Ob er ein Opfer dieser Gegnerschaft ge­worden ist, mag dahingestellt bleiben. Die Beröffentlichungen des ,, Matin", die wir an anderer Stelle wiedergeben, deuten darauf hin. Eine deutsche Beschwerde.

Die britische Antwort an Frankreich läuft der Times" zufolge darauf hinaus, daß erstens feine Anzeichen dafür bestehen, daß Korfanty feinen Vorschlag durchführe, und daß zweitens, wenn dies doch der Fall sei, das um so besser sei, denn es würde dann den Polen leichter sein , Pleß und Rybnik zu besetzen.

Ein neuer Vertreter Englands.

England und das Leipziger Urteil.

Die Ententekommission für Oberschlesien. Am 20. Mai ist an die Entente eine deutsche Note abge­Paris, 31. Mai.( Havas.) In franzöfifchen Kreisen hat man Die Buftimmung der englischen Regierung zu dem franzöfifchen Bor- gangen, in welcher Rlage über das Ausbleiben jeglicher schlag über eine Sachverständigen und Untersuchungskommission Rohlenlieferungen aus Oberschlesien geführt wurde. für die Grenzregulierung in Oberschlesien sehr günstig aufgenommen. Bisher ist eine Antwort darauf nicht eingegangen. Man ist jedoch in Paris der Ansicht, daß eine vorhergehende Bersammlung des Obersten Rates nicht erforder. Iich ist, um diese Kommission zu bestimmen, die leicht von den Ranzleien ernannt werden kann. Wahrscheinlich wird die französische London, 31. Mai.( WIB.) Während ein Teil der englischen Antwort, die erst morgen abgeht, in diesem Sinne gehalten sein. Breffe, Daily Mail und Daily News, erneut äußerst scharfe Kritit Gleichzeitig wird die französische Regierung vorschlagen, diefer Sach an den in Leipzig verhängten Strafen übt, hebt der aus Leipzig verständigentommiffion die Prüfung des italienischen zurückgekehrte Solicitor General Sir Ernest Bollod, die in Borschlags über die Teilung von Oberschlesien zu überweisen. parteilichteit des Gerichtshofes hervor. Zahlreichen Unter­Laut Daily Mail" hat die britische Regierung, die vor allem hausmitgliedern, die ihn gestern abend über seine Eindrücke in wünscht, daß so bald wie möglich eine Konferenz des Obersten Deutschland befragten und die der Ansicht waren, daß die in Leipzig Rates stattfindet, dem französischen Borschlag, einen neuen Sach gefällten Urteile vollkommen unzulänglich seien, fagte er, daß die verständigen ausschuß zur Prüfung der gesamten Frage Berhandlungen geregt geführt wurden. Er erflärte, der Teilung Oberschlesiens zu ernennen, noch nicht zugeer betrachte die moralische Wirkung der Leipziger Prozesse als stimmt. äußerst günstig, und befonte das Entgegentommen, das er Paris, 31. Mai.( WTB.) Wie Matin meldet, wird in der und die anderen britischen Beamten von den deutschen Behörden er­französischen Antwort auf die gestern überreichte englische fahren haben.

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Durchschlagender noch ist ein Dokument, das erst seit einigen Wochen der politischen Deffentlichkeit Europas bekannt geworden ist. Das sind die persönlichen Erinnerungen von der Friedenskonferenz in Bersailles, die der ehemalige ameri­tanische Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten und Hauptmitarbeiter Wilsons, Herr Robert Lansing, nun­mehr hat erscheinen lassen. The Peace Nego­titions, a Personal Narrative by Robert Lansing.) Auf dieses Buch und die erschütternden Beiträge, die es zu der Frage der Behandlung des Selbstbestimmungsrechts in Bersailles überhaupt liefert, wird in anderem Zusammen­hange noch einzugehen sein. Für die Nordschleswig- Frage ist von außerordentlicher Bedeutung, was Herr Lansing schon im September 1918 über die Deutschland in Zukunft auf­zuerlegenden Friedensbedingungen mitteilt.( Seite 171 des Lansingschen Buches.) Auch diese amerikanische Vorarbeit zum Friedensvertrage ist entstanden längst bevor der mili­tärische Zusammenbruch Deutschlands zum Waffenstillstands­gefuch nötigte. Was der amerikanische Außenminister damals auferlegen wollte, bleibt in vielem hinter den Bedingungen des späteren Friedensvertrages zurüd. Nur in der deutsch- däni­chen Frage vertritt er Anhten, die alles das in den Schatten stellen, was später felbft vor der französischen Regierung ge­fordert wurde. Herr Lansing verlangt nämlich nicht weniger, als daß das gesamte alte Herzogtum Schleswig an Dänemart abgetreten, der anal mit einer breiten 3one zu beiden Seiten internatio­nalisiert und darüber hinaus noch die Insel Helgoland ebenfalls an Dänemark über­lassen merde, Go stellen sich also im Gehirn eines ameri­tanischen Staatsmannes die nordschleswigschen Streitfragen dar zu einer Zeit, als die kaiserlich deutsche Regierung das