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Ke. 257 ♦ ZS.Iahrgang
Heilage des Vorwärts
Ireitag, Z. Juni WH
GroMerüa Die Tat öes Armeniers. Politische Morde und Mordversuche gehören in einer Zeit wie der unserigen ja leider nicht gerade zu den Seltenheiten. Doch bleibt der Prozeß, der gestern vor dem Schwurgericht des Land- gerichts III begann, Gott sei Dank, immer noch eine außergewöhn- liche Erscheinung. Unter allen Umständen bot der Mord in der Hardenbergstraße nach vieler Hinsicht reichen Stoff für Politiker, Historiker, Kriminalisten, Psychologen u. a. Unter denen, die sich um Eintritt bemühten, befanden sich viele, die in Physiognomie und Sprache die Kinder der Balkanhalbinsel oder Kleinasiens oerrieten. Die Karten waren schnell vergeben, und jeder froh, der Zutritt ge» wann. I» tadelloser Kleidung nahm Teilirian auf der Anklagebank Platz, ein junger Mann von vierundzwanzig Jahren, von kleiner, schlanker Figur, mit schmalem blasien Gesicht, hoher Stirn, läng- licher Nase, aufstrebendem schwarzen Haar und leichtem Schurrbart. Der düstere Blick unter starken dunklen Brauen stimmte zum Bilde eines echten Fanatikers. Die Vernehmung des Angeklagten geschah bei seiner mangelnden Kenntnis der deutschen Sprache durch zwei Dolmetsch« und ging im ganzen fließend vor sich. Teilirian nahm ein« überwiegend feste und ruhige Haltung an, wurde nur einig«- maßen erregt, als das große Massak« unter den Armeniern im Jahre ISIS zur Sprache kam, führte dabei mehrmals das Taschen- tuch vors Geiicht und berichtete in echtem Schmerz, wie vor seinen Augen seinem Bruder d« Schädel gespalten, seine Schwest« verschleppt,« selbst durch Hieb« an den Kopf bewußtlos gemacht wurde, sprach dann weiter von seiner abenteuerreichen Flucht nach Perfien und seiner Tätigkeit in Europa . Daß die Folgen der Kopf- Verletzung« seine Studien erschwert und eplleptische Anfälle ihn häufig heimgesucht hatten, brachte« zeitig vor, und man fand darin ein Moment zur Beurteilung seines Attentates. Da« dies vor dem Untersuchungsrichter unumwunden und mit einem gewisien Heroismus bekannt hatte, war anzunehmen, er würde es auch jetzt tun und den politischen Märtyr« spielen. Groß war daher das Staunen, als er nach Verlesung des Eröffnungsbeschlustes auf die Frage, ob« sich schuldig bekenne, mit„Nein" antwortete. Er fügte hinzu,« fühle sich nicht schuldig, weil sein Gewissen ruhig sei. Die Tat selbst leugnete er nicht, behauptete aber, die„Leiche" sein« Mutter, womit« ihre Geistererscheinung meinte, sei aufge- standen und habe ihn dazu angetrieben. Er brachte dies im Tone entschiedener Ueberzeugung vor, und wenn man bedenkt, wie sehr der Glaube an solchem Spkck selbst in der„besieren" Gesellschaft Berlins »«breitet ist, hat man Ursache, anzunehmen, daß der junge, hochgradig nervöse Armen!« tatsächlich eine derartige Vision gehabt und mit Bestimmtheit geglaubt hat, die«mordete Mutt« sei ihm erschienen und habe ihm das Rachewerk ans Herz gelegt. In d« Beweisaufnahme lauteten die Aussagen d« Augen- zeugen des Mordes meist klar und sich«, und fast nur die Frage, ob Teilirian in der Hardenbergstraße Talaat an sich hat vorbeigehen lassen od« von der anderen Straßenseite aus hint« ihm her ge- gangen ist, machte eine Schwierigkeit. Die Dame, m deren Be- gleitung sich Talaat im Augenblick des Mordes befand, und in der man anfangs seine Frau vermutete, schwand bald aus d« Beweis» führung. Frau Talaat , eine kleine, zierliche, blonde Person von jugendlichem Aussehen in fremdländisch« Trauerkleidung, wurde vorgerufen, aber bald entlassen. Erörtert wurde die Frage nach Teilirians körperlichem und geistigem Zustande zur Zeit der Tat und durch verschiedene Zeugen, darunter seine Zimmervermiete- rinnen und mehr«« Armenier, ein stark« Grad von Nervosität bei ihm bestätigt. Auffallend klang die Bekundung des Unterfuchungs- richters, d« eine Dolmetscher habe in der Voruntersuchung dem Angeklagten Konfekt mitgebracht und ihn als einen großen Mann bezeichnet, den man bewundern müsse. Auf die armenische Frage zu spitzte sich die Verhandlung, als die Zeugin Frau Christine Tersibaschian aus eigen« Erfahrung die entsetzlichen Greuel berichtete, die die Türken 191ö unt« ihren Landsleuten angerichtet hatten. Manchem Zuhörer mochten ihre grausamen Erzählungen übertrieben klingen, fanden aber hin- reichende Unterstützung durch die Gutachten d« Sachverständigen Lepsius und Liman v. Sanders, sowie durch die Aussogen des armenischen Bischofvertreters Balakian. Manche lernten mit
Grauen kennen, was für schreckliche Zustände im Reiche des Sul- tans, unseres einstigen Bundesgenossen, herrschten. (Den Bericht über die gestrige Verhandlung finden unsere Leser an anderer Stelle des Blattes.)
Dos neue Krematorium in Vilmersüorf. Die außerordentliche Ausdehnung der Feu«bestattung in letzter Zeit gibt sich am besten in den Betriebsziffern des Berliner Krema- toriums kund, das kaum noch imstande ist, die Einäscherungen inner- halb 24 Stunden nach der Trauerseier zu bewirken— eine längere Frist ist allerdinqs, entgegen den darüber im Publikum böswillig verbreiteten Gerüchten, noch niemals erforderlich gewesen. Dennoch wird für den Betrieb des Krematoriums in der Gerichtstroße die Er- öffnung des Wilmersdorfer Krematoriums eine höchst willkommene Entlastung sein. Das neue Krematorium ist in Wilmersdorf auf dem Fried- Hof in der Berliner Straße gelegen. Die Anlage stellt sich als ein von hoher Kuppel gekrönter monumental« Zentralbau mit angefügten Seitenflügeln in klassischer Form dar, dem in d« ganzen Ausdehimng eine offene Vorhalle vorgelagert ist. Die in der Mitte geleaene Einsegnungshalle hat einen Durchmesser von 17 Metern und gewährt Raum für eine Trauerversammlung von 300 bis 400 Personen; bei noch größeren Versammlungen können in den mit der Halle durch ganz weite Türen verbundenen, für die Beisetzung von Aschenurnen bestimmten Räumen noch mehrere Hundert Leidtragende an der Andacht teilnehmen. Die Haupt- halle enthält keine Empore, nur einen ziemlich geräumigen Chor für die Orgel und die Sänger. Sie empfängt direktes Licht durch einen hohen Tambour. Die Seitenflügel bieten Raum für die Unterbringung von rund 0000 Aschen, und zwar sind rund ISO offene Nischen vorhanden, die hoch genug find, um nötigenfall« Doppel- urnen aufzunehmen. Für die anderen Aschen find mit Marmor- platten geschlossene Wandföcher vorgesehen. Sie bieten den Borteil, daß für sie keine der jetzt so kostspieligen Urnm«ford«lich ist, und daß sie, da sie nur 2S bis 30 Zentimeter groß geplant sind, sine außerordentlich günstige Ausnutzung des Raumes gestatten. Im Sockelgeschoß und einem Tiefkeller des hinteren Flügels be- finden sich die E i n iff ch e ru n g s r S u m e. Zwei Oefen nach dem System Rich. Schneider stehen betriebsfähig da. Die Möglichkeit einer Erweiterung für zwei weitere Oefen ist gegeben. Der Zugang zu diesen Teilen der Anlage geschieht durch einen Wirtschaftshof, der sie den Blicken Unbefugt« entzieht. Unt« dem Mittelbau und den Seitenflügeln liegen 20 Leichen-Einzelzellen, die mit den besten hygiensschen Einrichtungen versehen und so angeordnet sind, daß das Bedienungspersonal einen besonderen Zugang zu. ihnen hat, während ein zweiter Gang den Hinterbliebenen den Abschiedsbesuch ermög- licht. Eine sehr interessante Lösung hat die meist recht schwierige Schornsteinfrage gefunden. Beide Schornsteine sind in einen Anbau an der Hinterfront des Mittelbau« gelegt worden, treten an dem Ansatz der Kupel in dies« ein und münden in einem attika- artigen Aufsatz: sie sind also von außen überhaupt nicht be- merkbar._ Reichswehrsoldaten als Mmtitronslieferanten. Der Potsdamer Handgranatenfund ist von der Potsdamer Kriminalpolizei restlos aufgeklärt worden. Die bei d« Abholung festgehaltenen Personen scheiden für den Diebstahl aus. Dagegen ließ sich feststellen, daß die beiden Schützen Franz M o h a u p t, der den Spitznamen„Hindenburg " führt, und Franz G unkel bereits am 19. Mai da« verschlossen« Gewahrsam in der Kaserne erbrochen und die sechs Kisten mit ikierhand- granaten über die Mau« geschafft haben. Dort sollten sie in dem Versteck in dem Gebüsch liegen, bis fie durch Vermittlung eines Technikers und eines Reisenden an MunitionSaufkäuker verschoben werden konnten. Die Auffindung machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Während die beiden Schützen und d« Technik« verhaftet werden konnten, flüchtete der Reisende. Die dem Gericht bereit« zugeführten Häftlinge legten ein Geständnis ab. Sie scheinen auch eines DiebstahlS von zwölf Fern» gläsern auS dem Depot der Minenwerfer-Kompagnie verdächtig. Braute ohne Zahl. Wieder einmal wurde die Gutgläubigkeit zahlreich« Mädchen und Frauen durch einen Schwindler aufs ärgste getäuscht. Es handelt sich um einen 35 Jahre alten Kaufmann Wilhelm Kreuer, ein Rheinland «, der angeblich Geld zu geschäftlichen Transaktionen brauchte. Kr. lebte eine Zeillang von Schieb«geschSsten von und nach dem rheinischen Gebiet. Ms diese nicht mehr lohnten, sah er stch in Berlin nach heiratslustigen Witwen und Mädchen um und fand auch eine große Anzahl. Allen versprach er schon nach kurzer Zeit die Ehe und' veranlahte ste dadurch, ihm Geld herzugeben, das er, wie er ihnen vorspiegelte, zu geschäftlichen Zwecken nötig hatte. Wenn einer der Bräute diese angeblichen Geschäfte zu gewagt er-
schienen, so bot« ihr gleich eine andere Aussicht, die sicherer er- schien. Zuletzt erzählte er, daß er, wenn er dem Kaufmannsberuf enffagen wolle, auch eine feste Stellung als Mafchinenmeister be- kommen könne, dazu aber eine Kaution brauche. Für diesen Zweck gaben die Heiratskandidatinnen ihr Geld sehr schnell her, weil sie mit der festen Anstellung des Mannes auch ihr« eigene Zukunft für gesichert hielten. In Wirklichkeit verbrauchte Kr. das Geld für sich, um ein gutes und bequemes Leben führen zu können. Um etwaigen Nachstellungen zu entgehen, wechselte der Schwindler häufig feine Wohnung. Zuletzt hauste er bei einer Geliebten in der Wilhelms- aue 10 zu Wilmersdorf . Hier ermittelte und verhaftete ihn die Kriminalpolizei. Kreuer ist einer ganzen Reihe von derartigen Schwindeleien, die ihm Beträge bis zu 30 000 M. einbrachten, ge- ständig. Er weiß aber selbst nicht mehr, wieviel Bräute er im ganzen gehabt hat. Die Betrogenen, die noch keine Anzeige gemacht haben, können sich im Zimmer 154 des B«liner Polizeipräsidiums melden. Der Derhaftete ist mittelgrost, ging stets gut gekleidet und spricht rheinische Mundart.
Das Reich als Goldkäuf«. Die Reichsbank gibt bekannt: Durch Annahme des Ultimatums der alliierten Mächte vom 5. Mai d. I. hat das Reich schwere finanzielle Verpflichtungen übernommen. Sie zu«stillen, müssen die größten Anstrengungen gemacht werten. Von diesem Gesichtspunkte aus hat das Reichsftnanzministerium sich entschloffen, durch Vermittelung der Reichsbank und der Reichs- Post Gold zu einem dem Weltmarktpreis ungefähr angepaßten Preise ankaufen zu lassen; goldene Schmucksachen und Gebrauchsgegenstände bleiben vom Ankauf ausgeschlossen. Für deutsche und ausländische Goldmünzen sowie für Barren er- folgt der Ankauf durch Vermittelung der Reichsbankanstolten, die bereits mit entsprechender Weisung versehen sind. In den nächsten Tagen wird der Ankauf auch von allen Postanstalten, von dielen aber nur in Bezug auf deutsche Reichsgoldmünzen, aufgenommen werden. D« Ankaufspreis wird auf der Grundlage de« Weltmarii« Preises am Ende jeder Woche neu festgesetzt; für die laufende Woche stellt er sich z. B. auf 200 M. für ein Zwanzigmarkstück. auf 37 000 M. für 1 Kilogramm Feingold. Die Preise für die iibrhen deutschen und ausländischen Goldmünzen werden entsprechend fest» gesetzt. Die Umsatz»(LuxuS-s Steuer kommt bei diesen Verläufen nicht in Ansatz. Den Besitzern von Gold bietet sich hiernach Gelegenheit, es ungefähr zum Weltmarktpreise zu verwerten. Da- gegen ist der anderweitige Verkauf auf Grund des Gesetzes betr. die Verfügung über Gold vom 28. April 1921(G.-G.-Bl. S. 489) ohne Zustimmung de« Reichswirtschaftsministers verboten und straf» bar. Die Verwertung im Auslande ist durch das GoldauSsubr- v«bot ausgeschlossen. « Weitere Bezlrksamksmitglled«. Der Oberpräsident bat gestern die Wahl des Rechtsanwalts und Notars Dr. jur. Hertz in Altona zum stellvertretenden Bürgermeister des Bezirksamts Spandau bestätigt, dagegen der Wahl des Werkzeugmachers Münsinger und des Schlossers Leo die Bestätigung wiederum versagt. Wegen der Wahl des Lehrers und früheren Gemeinde- Vorstehers von Staaken . Eggert, und des Buchdruckers Finkelmeyer zu besoldeten Bezirksstadträten schweben noch Ermittelungen.— Ferner ist die Wahl des Mechanikers L u fch er zum besoldeten Mitglied des Bezirksamts Reinickendorf bestätigt worden; Luscher hat bereits sein Amt angetreten. Auf Hungerurlaub. In den Beelitzer Heilstätten gibt es schon wied« Konfliktstoff. D« Pattentenrat wendet stch durch Vermittlung des Verbandes der Lungen- und Tuberkulosekranken an die Oesfenllichkeit mit der Klage, daß für Urlaubstage den heimkehrenden Patienten keine Lebensmittel mehr mitgegeben werden. Glaubt d« Vorstand der Landes- Versicherungsanstalt Berlin auch diese Maßregel damit entschuldigen zu können, daß Geldmangel ihn zur Sparsamkeit nötigt? Da die meisten Patienten vor ihr« Ueberweisung an die Heilstätte schon längere Zeit krank und arbeitlslo« waren, so lassen sie bei Beginn der Kur ihre Familie in dürftigen Verhältnissen zurück, die auch durch die karge Fomilienunterstützung nicht viel gebessert werden. Mit welcher Freude wird künstig der Urlauber nach Hause fahren, wenn « weiß, daß er daheim den Kindern noch die paar Bissen wegessen muß! Zu d« Liebeskragödie auf der Havel , über die wir im gestrigen Abendblatt berichteten, erfahren wir noch, daß der 20 jährige Z a t r i e b von Beruf Kutscher und aus Spandau gebürtig ist. Seine Geliebte ist die 17 Jahre alte Friseurgehilfin Alma A b r a- h a m, die in der Klosterstr. 31 in Spandau bei Klinge wohnte. Allem Anschein haben Zatrieb unüberwindliche Hindernisse, die sich einer Eheschließung entgegenstellten, zu der Tat getrieben. Ob Z. im Einverständnis mit der A. oder gegen deren Willen gehandelt hat, bedarf ebenfalls noch der Aufklärung. Bisher waren beide Personen noch nicht vernehmungsfähig.
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Stme Menschenkind.
Nl. Der Sündenfall. Don Martin Andersen Nexö . „Was zum Kuckuck, bestellt er jetzt auch Nachttouren?* rief Lars Peter heftig.»Hat er uns nicht schon genug Schaden zugefügt!" „Vater!" ertönte es drüben aus der halb geöffneten Kammertür.— Sörine war schon im Begriff, zu Bett zu gehen. Es lag ein wenig Erstaunen in dem Ruf.„5o, zum Kuckuck, du mußt doch zugeben.. versuchte er. brach dann ab« ab. Die Kinder standen lauschend da. mit offenem Munde und Stielaugen. Stine ging in die Küche und band ein Tuch um.„Else kann den Tisch abräumen," sagte sie,„ich geh' etwas an die Luft." Ihre Stimme zitterte. Lars Peter kam zu ihr m die l Küchentür. „Ich Hab' dich doch nicht kränken wollen," sagte« ge- dämpft,»das weißt du. Aber ich an deiner Stelle würde ihn mir vom Leibe halten. Er führt nichts.Gutes mit dir im Schilde." Er legte die Hand vertraulich auf ihre Schulter. „Ich will mit ihm sprechen," sagte Stine, noch immer mit Zorn in den Augen.„Ihr könnt es auslegen, wie ihr wollt! — Ich glaube, es tut ihm leid," fügte sie ruhiger hinzu. „Gerade die Sorte ist am allerheimtückischsten. Vor heulenden Burschen soll man sich hüten, sagt ein altes Weiber» wort. Ja ja, tu, was du für das Richtigste hältst. Ich Hab' dich nur warnen wollen!" Stine ging in die Dämmerung hinaus. O, wie das gut tat, nach der langen Einsperrung wieder einen Mund voll frischer Luft zu schnappen. Sie war gespannt, was Karl ihr wohl zu sagen habe. Ja, und was wollte sie eigentlich von ihm? Daß sie ihn nicht heiraten wollte, wenn es erst geschehen konnte, nachdem die Geschichte überstanden war, das wußte fie. Darum wollte sie zur Hauptstadt in Dienst gehen, wo niemand sie kannte, und wo ein bißchen Leben war. Es hatte keinen Zweck, hier zu bleiben und sich mit einem flennenden Man» herumzuschlagen. W« sie hatte nichts dagegen ein» jwwdöv rn chm La»« Ar» Gvßämm dvrch
das Dorf zu machen, bloß um den Leuten zu zeigen, daß sie einen Mann für ihr Kind habe, sobald sie nur selbst wolle! Hint« dem Spritzenhause stand er und wartete; er trat hervor, als sie vor dem Hause ankam.»Ich Hab' deine Schritte erkannt." sagte er froh und ergriff ihre Hand. „Warum versteckst du dich hier?" fragte sie ein wenig ver- drosien. „Nicht meinetwegen; ein jed« darf sehen, welche Wege ich gehe." Er sprach einfach und ruhig; es war nichts von dem Zittern in seinem Wesen, das einem sonst immer Herz- klopfen und Unglücksahnungen einjagte. Aber er nahm immer noch alles so schwer; das merkte man an Gang und Haltung. „Meinetwegen sollst du dich jedenfalls nicht verstecken," sagte Stine und lachte hart.„Denn jeder weiß es, selbst die kleinen Kind« rufen es mir nach. Wenn du etwas von mir willst, kannst du am Tage kommen." „Das tu' ich auch gern," sagte Karl.„Aber dein Vater duldet meinen Anblick wohl nicht." „Ach, vor Vater brauchst du dich nicht zu fürchten— wenn du es ehrlich meinst." Sie waren landeinwärts geschlendert, gingen nebenein- ander her und sprachen gedämpft; nun entfernten sie sich von den Hütten und kamen in den Hohlweg, d« zum Kruge führte. Es war Sonnabendabend, Frauen kamen mit Waren für den Sonntag vom Kruge . Stine sagte ihnen laut guten Abend; sie hatte nichts dagegen, daß man sie in Gesellschaft mit dem sah, der bei ihr geschlafen hatte. »Darf ich morgen vormittag kommen und dich zu einem Spaziergang abholen?" fragte Karl bittend und legte seine Hand verstohlen in die ihre.„Wir können ja miteinander ins Gotteshaus gehen." Sein Gesichtsausdruck war elend und feine Hand kalt—« brauchte einen Menschen. Stine fühlte es, daß es ihr weh tat, und sie überließ ihm ihre Hand. Nein, in die Kirche wollte sie nicht! Sie kam sich nicht als Sünderin vor und wollte nicht, daß die Leute sagten: Seht, da sitzen die beiden und tun Buße— und vielleicht vor Rührung dabei zu heulen anfingen.„Aber wenn du einen Spaziergang mit mir durch das ganze Dorf und am Krug vorbei machen willst, dann—" Gespannt lauschte sie auf seine Antwort.„Aber ich will untergefaßt mit dir gehen, und ich will WK bestimmen» wie wM M
Vielleicht bis ganz nach Frederiksvärk hinaus." So recht gründlich sollte er sich zu ihr bekennen. Karl lächelte..„Wir wollen so weit gehen, wie du Lust hast— und aushältst," sagte«.„Aber willst du mich nun einmal richtig küssen, nicht aus Mitleid, sondern um meiner selbst willen?" „So furchtbar verschossen bin ich nun nicht gerade in dich, ober vielleicht kommt das noch- mal," sagte Stine und küßte ihn. An seinem bebenden Munde merkte sie, wie ihm die Wärme fehlte.„Du führst gewiß auch ein tristes Leben." sagte sie unwillkürlich und dachte an Essen und häusliche Be- haglichkeit.„Wie kannst du die Zeit hinbringen— ohne einen Menschen zu haben?" „O. ich denke nach," erwiderte et still. „Woran denkst du denn— an mich?" Stine lachte aus» gelassen. „Am meisten an das Kind. Es ist so seltsam, daß aus unfern Nöten ein neues Menschenleben keimt. Gott schlägt wunderbare Wege ein, um zum Ziele zu kommen, du!' Nun begann er wieder seine alte Weise; und Stine fiel ein. daß sie nach Hause mußte. Als sie in der Nähe der Hütte waren und stehen blieben, um gute Nacht zu sagen, steckte er ihr etwas in die Hand; es war ein Zehnkronenschein. „Ich will dein Geld nicht," sagte Stine abweisend und reichte ihm den Schein zurück. Verzagt hielt er ihn in der Hand.„Dann Hab' ich nichts, wofür ich arbeiten kann," sagte er. „Ja, wenn es für das Kind fein soll, dann... Aber du darfft dir's nicht am Munde absparen und uns deinen ganzen Wochenlohn geben— das will ich nicht:" Sie wußte nicht, was sie sagte, so verwirrt war sie; ihre Stimme klang zornig. Erst hernach, als sie im Bett lag, den Schein fest mit der Hand umschließend, erkannte sie, was geschehen war. Sie brauchte nicht mehr daran zu denken, daß sie den anderen das Brot fortaß, od« sich schaudernd zu fragen, woher das Geld für die Geburt kommen solle; sie hatte einen Berloraer ge? sunden! Karl war nicht länger die Last in ihrem Dasein, sie konnte sich auf ihn verlassen. Das erleichterte ihr das Leben so sehr, und sie rollte sich im Bett zusammen und weinte noch eutjaot über jfe,(gocts. folgt.)