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sprachen, obwohl nach dem Buchstaben des Gesetzes seine Tat ein Mord ist. haben damit die furchtbarste Verur- teilung Talaats und der Armeniergreuel aus- gesprochen. Wir glauben nicht, daß der Freispruch dadurch erzielt wurde, daß zwei Sachverständigengutachten die rettende Brücke des§ 51(Unzurechnungsfähigkeit) bauten. Als die Geschworenen Teilirian freisprachen, folgten sie demselben sittlichen Gesetz, auf dem fußend Friedrich Schiller den Mörder Wilhelm Teil freispricht. Das Tellwort Gerächt Hab' ich die heilige Natur" darf auch Teilirian für sich in Anspruch nehmen. Damit sprechen wir durchaus kein Bekenntnis zum politischen Mord aus. Der Fall Teilirian Talaat ist so übersättigt mit m e n s ch l i ch st e r, erschüttern- der Tragik, daß das Politische ganz im Hintergrund steht. Der Mann, der die Ermordung seiner Eltern und Brü- der. die Schändung seiner Schwestern, die Zerstörung seiner Heimat, die Ausrottung seines gesamten Volkes erleben mußte, der nur durch ein Wunder selbst dem Tod entging, der auf der Leiche seines ermordeten Bruders liegend vom Halbtod erwachte, er hat das Recht, in erster Linie nach menschlichen und nicht nach politischen Gesichts- punkten beurteilt zu werden. Schließlich war auch die Tat Teilirians kein politisches Delikt im landläufigen Sinne, denn eine Beeinflussung der politischen Z u- kunft sollte und tonnte damit nicht erzielt werden: der er- mordete Talaat mar politisch läng st ein toter und sogar buchstäblich ein zum Tode verurteilter Mann. Kein Mörder also, der den politischen Gegner um seiner Gegnerschaft willen aus dem Wege räumt, kann sich auf den Fall Teilirian berufen. Dennoch sollte von diesem Prozeß eine große moral- politische Wirkung ausgehen: er sollte der Welt die AugSn öffnen über die Barbarei des Krieges und über die K r i e g s o e r b re ch e n der Großen! «« Als letzter der Verteidiger sprach Universitätsprofessor Dr. Ni» m e p e r- Kiel, der bekannte Stoatsrechtslehrer. Er schildert die religiösen und rechtlichen Anschauungen des armenischen Volkes und die Empfindungen, welche der Angeklagte, der in diesen An- schauungen erzogen worden sei, gehabt haben mag, als er die Tot beging. Für den Angeklagten sei rechtliche und sittliche Richtigkeit gleich. Er könne sich nicht denken, daß etwas sittlich richtig und rechtlich unrichtig ist: er kann sich nicht denken, daß das, was sittlich richtig ist, ihn des Todes schuldig gemacht hat. Ihm, als Armenier, müsse man glauben, daß es seine ehrlichst innere Empfindung ist, wenn er hier auf die Frage, ob er sich schuldig bekenne, sich an die Brust schlägt und erklärt:Ich bin unschuldig, denn mein Ge- wissen ist rein!" Der Angeklagte ist unschuldig vor sich selbst und auch unschuldig vor dem Gesetz, da die Tat der Ausbruch eines krankhasten Triebes sei. Ein Freispruch mache die Eltern und Ge- schwister nicht wieder lebendig, ein Freispruch mache den Ange- klagten nicht wieder gesund, aber ein Freispruch gebe dem Ange- klagten das, was jeder Mensch zu verlangen habe, nämlich Ge- rechtigkeit. In einer kurzen Replik erhebt Staatsanwaltschaftsrat Göll- n i ck dagegen Protest, daß einer der Verteidiger Enoer Pascha und Talaat Pascha alslandesflüchtige Verbrecher" bezeichnet habe. Nach nochmaligen Erwiderungen der drei Verteidiger und einer längeren Rechtsbelehrung durch Londgerichtsdirektor Dr. Lehm- b e r g ziehen sich die Geschworenen zur Beratung zurück, um nach fünsviertelstündiger Beratung die Verneinung der Schuld- frage verkünden zu lassen. Der Gerichtshof spricht darauf den An- geklagten Teilirian frei. Dos Urteil wurde von den Zuhörern mit minutenlangem Händeklatschen und Bravorufen aufgenommen. Als die Verhandlung beendet war, stürzten die Landsleute und Freunde des Angeklagten auf diesen zu und beglück- wünschten ihn durch Härdedrucke, Umarmungen und Küsse, was der Angeklagte mit dankbarem Lächeln und glückstrahlend quittierte.

Dem Reichsrat ist der Entwurf eines Gesetzes zum Ersatz von Personenschäden, die infolge des Krieges entstanden find, zugegangen. Es handelt sich dabei besonders um Schädigungen der Bewohner der besetzten Gebiete durch Maßnahmen der Besatzungstruppen.

Ein Sotstbaster öes gerechten Zrieöens. David Iayn« Hill, der künftige Botschafter der Vereinigten Staaten in Berlin , der diesen Posten bereits in den Jahren 1908 bis 1311 inne hotte, ist ein Verfechter eines Rechtssriedens. Er hat feine Gedanken über dasErstarken des Rechtsbewußtseins unter allen zivilisierien Völkern" in seinem WerkeVölkerorgani- sationunddermoderne Staat"(in autorisierter Uebersetzung bei Egon Fleischet u. Co., Berlin , erschienen) einer Wiedergabe der acht Vorlesungen, die vor der Columbia-Universität zu New Jork im Auftrag der Carpentier-Stiftung im März 1311 gehalten worden sind festgelegt. Er beschäftigt sich darin mit einer Lösung des Problems der Völkerorganisation, die vorahnend sein Urteil über den heutigen Völkerbund darlegt und die mit Bezug auf gegenwärtige Zustände von besonderem Interesse sein mögen: besonders reizdoll ist in diesem Buche ein Zitat aus einem in Paris 1877 erschienenen Werke: Wenn ein Staat ein« gewaltsame und rücksichtslose Politik seinen Nachbarn gegenüber verfolgt, so mag er sie zwingen, das zu ertragen, solange er der Stärker« ist: aber er veranlaßt und erregt eine feindselige Stimmung, die schließlich einmal gegen ihn losbricht... Wenn ein Staat einen besiegten Gegner«inen zu horten Friedens- vertrag diktiert, so wird dadurch nicht der Friede wieder hergestellt, sondern nur der neue Krieg vorbereitet.... Es mag sein, daß in der kurzen Spann« eines Menschenlebens die Zeit nicht ausreicht, um die Folgen hervortreten zu lassen, aber später müssen sie sich unaus- bleiblich erkennbar machen. Staatsmänner mögen manchmal Straf- losigkeit genießen, weil sie sterben: die Völker können nicht ewig straflos bleiben, weil sie lange genug leben, um die Folgen ihrer Handlungen zu tragen. Um eine feindselige Stimmung auch noch Kriegen zu vermeiden, erscheint Hill das wichtigsteDie rechtliche Organisation des Friedens". In dem wechselnden Glück der Schlachten ist kein Maßstab für die Beurteilung des zu sühnenden Unrechtes und die Höhe des zugc- fügten Schadens enthalten, und es gibt kein Verhältnis zwischen den zu schützenden Rechten und dem Ueberschuß an Macht, der den Sieg entscheidet. Das einzige Ergebnis des Kampfes ist eine zeitweilige Beantwortung der Frag«, wer gerode der Stärker« ist und wessen Wille, ob Recht oder Unrecht, maßgebend sein soll. Krieg ist ein physischer Prozeß, der darin besteht, daß eine Macht die andere überwältigt, während der Friede ein Zustand ist, in dem die Regelung großer und mannigfacher widerstreitender Rechte und Interessen erforderlich ist: um so mehr aber und gerade aus diesem Grunde ist es notwendig, daß Intelligenz und nicht Gewalt hierfür angewendet werde. Hill sogt: ein souveräner Staat hätte keinRecht", das irgend «in moderner.Staat konfequsnterweis« anzuerkennen vermöchte, in. irgend einem Fall willkürliche Friedensbedingungen nach dem

Deutsther Stickstoff für üas f�uslanö. Auf eine Kleine Anfrage der volksparteilichen Abgeord- neten Schistan und Genossen hat der neue preußische Land- wirtschaftsminister W a r m b o l 0 unter dem 30. Mai 1921 eine ausführliche Antwort erteilt(Drucksache Nr. 412), aus der wir folgenden Absatz entnehmen: Es sind somit 26184 Tonnen Stickstoff, und zwar zu rund 80 Proz. in Form von schwefelsaurem Ammoniak, i n d a s Ausland geliefert worden: davon ist über die Hälfte, nämlich 11 280 Tonnen, in den für die Deckung des Inlandsbedarfs wichtig- sten Abrufsmonaten Januar bis März zur Verladung gekommen. Diese Ausfuhrmengen, namentlich des schwefelsauren Ammoniaks, fehlten der deutschen Landwirtschast zur Zeit der Frühjahrsbestellung." Es sind also große Mengen deutschen Stickstoffs ins Aus- land gegangen, die von der inländischen Landwirtschaft b e- nötigt wurden. Ein Erfolg der Politik desFachministers" Hermes, der den Organisationsplänen unseres Genossen Braun den stärsten Widerstand entgegengesetzt hat. Es ist undenkbar, daß wir uns diesen Verzicht aus die Ausnutzung des heimischen Bodens und auf die Teuerung der landwirt - schaftlichen Erzeugung noch leisten können zu einer Zeit, wo Deutschland auch seine Lebensmitteleinfuhr auf das notwen- digste(beschränken muß. Diese Erkenntnis scheint auch Kierrn Hermes nur etwas zu spät gekommen zu sein, denn er erhob gegen den Absatz deutschen Düngers nach dem Ausland Einspruch in den letzten vierzehn Tagen, in denen die Aus- fuhrerlaubnis lief! Von dem neuen Kabinett, das die Er- füllung des Ultimatums durchzusetzen hat, erwarten wir, daß es derartige Quertreibereien gegen die deutsche Lebensmittel- erzeugung unter allen Umständen verhindert und den Weg zu einer Produktionssteigerung beschreitet. Eine Disziplinlosigkeit. Aus Hamburg wird uns geschrieben: In Hamburg hat am Donnerstag auf Einladung des Deutschen nautischen Vereins, des Deutschen Seefahrtsausschusses und des Aktionsausschusses see­männischer Berufsverbände eine Kundgebung stattgefunden, um gegen die Verordnung des Reichspräsidenten aus Aenderung der schwarz-weiß-roten Handelsflagge Protest zu erheben. Da die Presse aus dieser Kundgebung ein großes Ereignis macht und augenscheinlich benbsschtigt ist, durch sie eine gewisse demonstrative Wirkung nach außen hin auszuüben, muß darauf hin- gewiesen werden, daß der Vertreter der Arbeitnehmer, der in dieser Versammlung zu Worte kam, der Vorsitzende des Aktionsausschusses seemännischer Berufsverbände, Paul Müller, der, soviel wir wissen, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei ist, sich in einer Weise geäußert hat, die keineswegs als die Stimmung der organisierten Arbeitnehmer anzusehen ist. Seine Rede war voll von nationalistischen Redensarten, die neue Reichsflagge der Republik bezeichnete Müller nach Presseberichten als einefremde, unbekannte Flagge" und deutete ihre Farben so aus, daß er sagte:Schwarz ist Selbstaufgabe, rot Wirrwarr und Chaos, gelb Falschheit und Neid." Im weiteren Verlauf dieser Rede hielt Müller es sogar für verständlich, wenn die Engländer die schwarz-rot-goldene Flagge als eine Seeräuberflagge an- sehen würden. Es ist angezeigt festzustellen, daß das seefahrende Proletarial mit diesen INeinungen Müllers nicht das geringste zu tun hat. son­dern sein Pcchaltcn als unqualifizierbare Disziplinlosigkeit betrachiet.

Ein vernünftiger ßreispruch. Kempten (Algäu), 8. Juni. (TU.) Vor dem hiesigen Volks- gericht waren 89 Arbeiter wegen Nötigung und Auf- ruhrversuchs angeklagt, weil sie im August vorigen Jahres die O e f f n u n g von Möbelwagen auf der Bahnstation er- zwungen hatten, in denen man Lebensmittel oder Waffen vermutete, die nach Ungarn verschoben werden sollten. Die Wagen waren aber als leer befunden worden. Entgegen dem Antrage des Staatsanwalts auf acht bzw. sechs Monat« Gefängnis wurden alle S9 Angeklagten freigesprochen, weil ihnen ungesetzliche 5)andlungen nicht nachgewiesen werden konnten.

Gutdünken des Siegers aufzuerlegen. Er kann tatsächlich eine solche Gewalttat begehen und sich jeden möglichen Maßes von Ungerechtigkeit schuldig machen: ober es wäre die Vernichtung unseres gesamten Rechtsbegrisfes, wenn man behaupten wollte, daß«ine solche Ausschreitung legal zu rechtfertigen sei., In seinem Buche kommt Hill zu dem Ergebnis, daß dos ganze Problem der Völkerorganisation unter einer Voraus- fetzung zu lösen sei. Es sei nichts nötig als:eine gegenseitige Garantie der souveränen Staaten, daß sie gegenseitig keine Gewalt anwenden wollen, solange die in diesen Konventionen vorgesehenen Rechtsmiidel nicht erschöpft sind." Zweifelnd knüpft er daran die Fragewird eine solch« Garantie l« gegeben werden?" Zu einer Beantwortung dieser Frage sllhlt er sich in seiner rein wissenschaftlichen Untersuchung nicht berufen, da er weder Politik treib«»-noch sich in Prophezeiungen einlassen wollte. Das Ergebnis seines Studiums läßt ihn den Schluß ziehen, daß die Entwicklung unseres modernen Staates das gegenseitig« Ver- ständnis der Völker sehr erleichtert und ihren Gemeinschaftssinn sowohl vertieft wie erweitert hatl Den Weg, das gegenseitige Ver- ständnis der Völker zu vermitteln, betrachiet Hill als die hauptsächliche Ausgabe der Diplomatie. Er schreibt darüber: Staaten sind unabhängige Wesen, die mit ihrer Fähigkeit, einander Gutes zu tun und Schaden zuzufügen, sich freundlich oder feindlich zu verholten, natürlichen Personen sehr ähnlich sind. Wie die Dinge liegen, müssen sie daljer soziale Beziehungen neben ihren juristischen Beziehungen anerkennen und unterhalten. Dies« müssen durch lebende Personen vermittelt werden, denn ein freundnachbarliches Berhälwis kann niemals rein mechanisch hergestellt werden. Es ist ein be- ständiger Austausch von Höflichkeiten, von freundliefen Mitteilungen, von Bersicherungen und von Erklärungen notwendig. Dos ist die Aufgabe der Diplomatie, eine Funktion, die oft als überflüssig be- trachtet wird, aber in Wirklichkeit von großer Wichtigkeit und sogar absolut notwendig für die dauernde Erhaltung gegenseitigen Ver- ständnifles und freundschaftlicher Beziehungen ist. Gerade in der Sphäre derInteressen", die noch nicht zu vollkommenenRechten" geworden sind, findet der Diplomat das beste Feld nützlicher Be- tötigung. Er vertrittInteressen" weit mehr als anerkannt«Rechte". Er baut Interessen in Rechte aus. Er entwirft und interpretiert Ver- träge, die eine positive Grundlage für Rechte liefern. Er ruft ihr Vorhandensein ins Gedächtnis zurück, er sieht darauf, daß sie aus- geführt werden, und, wo sie nicht ausreichen, juckst er sie zu erweitern oder wenigstens soviel zu erreichen, daß die Völker nicht ganz den Berkehr unter einander abbrechen. Es ist keine leichte oder nutzlose Aufgabe, den Weg zum richtigen Verständnis zu bahnen und in seiner Person das Mittel zu liefern, durch welches Vernunft und Wohl- wollen und gegenseitigem Verstehen freier Laus gelassen werden kann. Kommt David Ioyne Hjll dazu, seine sllr richtig befundene Auf- gäbe in diesem Sinne wieder neu in Berlin aufzunehmen, wird er uns willkommen sein.

Eine seltsame Geschichte. DieTelegraphen-Union" meldet aus Schloß Zell in Wünttem» berg :Herzog Albrecht von Württemberg , der gegenwärtig auf Schloß Zeil zu Besuch weilt, und Fürst Erich von Zeil wurden am Mittwochabend auf der Heimkehr von der Jagd, während sie auf«in bereitstehendes Automobil zugingen, meuchlings von hinten- her beschossen. Herzog Albrecht fielzu Boden und wurde im Automobil nach dem Schlosse gebracht, Fürst Erich wurde nur l e i ch t v e r l e tz t und befindet sich außer Bett, während der Herzog das Bett hüten muß." Die TU. oersieht diese Meldung mit der UeberschristEin Atten- tat auf den Herzog von Württemberg". Uns scheint wenig glaubhaft. daß hier etwa ein politisches Attentat vorliegen sollte. Eher läßt sich ein Ueberfall gewöhnlicher Verbrecher auf die Insassen des Automobils vermuten Wie nehmen an, daß diese dunkle Sache bald ihre Aufklärung finden wird.________

Interm'erungslager Stargarü. Zu unseren Mitteilungen über die Zustände im Jnternierungs- lager S t a r g a r d teilt der Preußische Pressedienst mit. daß der Minister des Innern DominicuS bereits am 31. Mai, also vor der Veröffentlichung imVorwärts", eine Untersuchung in dieser Angelegenheit veranlaßt hat, die auch sofort in Angriff genommen worden ist. Ucber das Ergebnis liegt zurzeit noch kein Be- r i ch t vor._ Mehrer öes Reiches. London , 3. Juni. (MTB.).Times' erklärt, die Reden deS Generals F r a n j e ck y bei den Leipziger Verhandlungen und die Stellungnahme der deulschen Presse zu diesen Reden bewiesen, daß, so aufrichiig auch das Bestreben Wirths sei, die Errichtung einer friedlichen Demokratie zu sehen, seine Wünsche von großen mächtigen Klassen und Interessen im deutschen Volke nicht geteilt würden. Die Sicherheit Frankreichs brauche eine festere Grundlage als die augenblickliche-Abrüstung Teutschlands oder als ganze Wagenladungen von Versicherungen seiner demokratischen Staatsmänner. Das Blatt sieht die Grundlage für die Sicherheit Frankreichs in einer Ausdehnung der Entente und ihrer Anwendung in weitestem Maße auf alle Fragen, an denen England und Franl- reich leilhpven oder vielleicht teilhaben werden. Was werden uns erst noch die Skagerraker einbrocken?

tzepnen unü Dper. London , 3. Juni. (DA.) Bei Besprechung der Leipziger Kriegs« beschutdlgtenprozesse schreibt der sozialistischeDaily Herald": Wir möchten die Leute, die noch einer schweren Strafe schreien, daran erinnern, daß der Unteroffizier Hchnen nur typisch für den militärischen Geist überbaupt ist, jenen Geist, der keinen Widerspruch ertragen kann, der fest an die Lehre glaubt, daß Macht Recht ist. DaS ist nicht nur die Auffassung des deutschen Milita- rismuS, sondern die eines jeden Militarismus. Niemand wird glauben wollen, daß der deutsche Unteroffizier schlimmer war als General Dyer, der den Befehl gab, aus eine unbewaffnete Maffe von Indern mit Maschinengewehren zu feuern und den die obersten Klaffen Englands als einen Helden priesen und mit Geld belohnten. Wir glauben nicht, daß irgendein Verbrechen, das, dieser Mann beging, sich im geringsten mit den Schandtaten vergleichen läßt, die im Namen von Gesetz und Ordnung und mit Billigung der britischen Regierung gegen daS irische Voll in Irland verübt werden, wo Gefangene kalten Blutes niedergeschossen und un- schuldigen Leuten die Häuser über dem Kopse angezündet werden.

Der Sowjet-tzanüelsvertreter in Serlin. Berlin , 3. Juni. (MTB.) Die Regierung der russischen Sowjet- republik hat amtlich mitgeteilt, daß der bisherige provisorische Leiter der hiesigen russischen Handclsabteilung, Herr S t o m o n i a- k o w, zum offiziellen Handelsvertreter bei der hie- sigen Vertretung ernannt worden ist. Die Ernennung des Leiters der Gesamtoertretung steht noch aus.

h. E. JacobysTulpenftevel" wurde am 31. Mai im Mann- heimer Nationaltheater mit gutem Erfolge aufgeführt. Dieses sowohl bühnenfeste wie geistig und stilistisch kultivierte Stück gehört zu dem Reifsten und Lebensfähigsten unserer jungen Bühnenliteratur. Das Schauspiel desselben DichtersBeaumarchais und Sonnenfels" an Einheitlichkeit und Wucht der Komposition übertreffend, steht dieses l ständische und Gesellschaftsdrama fest in seinem altniederländischen Milieu, ohne Historie oder Zustandsdarstellung zu bleiben. Vielmehr weist in zurückliegender, fremder Umgebung sich Abspielendes weit hinaus auf die Grundtendenz Rousscauscher Ethik:Alles ist gut, wie es aus des Schöpfers Händen quillt, alles entartet unter des Menschen Hand." Das an sich harmlose und bodenständige Ge- werbe der Tulpenzüchtung wird in Mode gekommen zur alle andern Produktionszweige des Landes niederdrückenden Groß- industrie Hollands , trägt einige Tulpenmagnaten zu schwindelhaften Glückshöhen, zieht alle Welt von der gewohnten Arbeit ab in den Taumel eines wilden Spekulierens und stürzt schließlich alle hinab in einen wirtschaftlichen und moralischen Ruin, der bei Jakob zu bildhaftester Entlarvung aller in dieser tollen Spekulationszeit in den Menschen angewachsenen schlechten Eigenschaften und Trieben, wie des Wuchers, der sinnlosen Besitzgier bis zum unmenschlichsten, natur- widrigsten Egoismus wird. Die sich gegenseitig auslösenden Grund- .stosfe des Stückes, zeitloses Weltgefühl und Zeit vor uns hinbaucnde Dichterkraft mit bis ins letzte verfeinerter Sprachkultur machen das Drama in jeder Einzelheit wertvoll und liebenswert. Die Auf­führung war zufriedenstellend unter der tüchtigen Regie von Hans Lötz. Von den Schauspielern zeichnete sich vor allem Herr Kalmar in einer von ihm erst recht zu Eigenleben gebrachten Chargenralle aus. Fräulein W i s s e r und Herr Garrison als Träger der Hauptrollen seien neben ihm erwähnt. Die Ausnahme beim Publi- kum war eine durchaus warme und steigerte sich von Akt zu Akt, so daß all« Beteiligten vor die Rampe treten konnten. er. Tagur", nichtTagore " nennt sich der indische Dichter und Philosoph, der gegenwärtig Europa bereist und dieser Tage in der Berliner Universität einen Vortrag geholten bat.Tagore " ist die englische Schreibweise seines Namens. Da? Geschlecht derThakur" wie es richtig indisch heißt ist ein Jahrtausend alt und kann es daher anVornehmheit" mit den feudalsten Adelsfamilien des Abendlandes aufnebmen. Es ist allerdings ein Adel des Geistes. der der indischen Nation seit Jahrhunderten eine Fülle bedeutender Männer, Dichter, Gelehrte und Künstler, geschenkt hat. Einen richtigen Raubr.tter aber hat es noch nie hervorzubringen ver- macht und deshalb dürfte es von unseren Zitzewitzen auch kaum als ebenbürtig anerkannt werden. Staatsaver. Die Verlegung derFrau ohne Schatten -. Aufführung vom 3. aus nächste Woche erfordert eine Aenderung der ,Margarete--Bor- stellung am Montag, den 6. Es wird statt dessenB o h s m e" mit Frl. Ärtüt de Padilla und Herrn Hütt m den Hauptrollen gegeben. Diruient: Kapellmeister Uräck. Die im Vorverkauf verlausten Eintrittskarten zu Mon- tag, den 6.(140. Abonnements-Boritellungl, behalten ihre Gültigkeit, können jedoch auch an der Opcrnkasse des Vormittags und am Tage selbst abends bis zum Beginn der Vorstellung(Ansang 71/, Uhr) zurückgegeben werden. Die Aufführung der»Frau ohne Schalten" findet am DienStag, ten 7., statt. Konzertnotize». Der Vortraasabcnd der Gcsangfchule von E l l Recke findet am Mittwoch, 15. Juni, S Uhr im VechjleMMl jw".