fiöfieren Periode der Kapitalismus als krasse Utopie betrachtet worden wäre. Die Arbeiterschaft muß nun aus sich heraus die Kräfte entwickeln, die fähig sind, die ihnen gestellten neuen Aufgaben flu lösen, ohne dabei den dauernden Zusammenhang mit ihrer Klasse zu verlieren. Das kann nicht von heute auf morgen geschehen, aber wenn sich dieser Prozeß vollzogen hat, dann wird sich auch durch ihn das ganze Bild unseres Wirtschaftsaufbaus entscheidend verändert haben. Wieder kommt auf einem neuen Gebiet des Klassenkampfes das Wort des alten Wilhelm Liebknecht zur Geltung:.Wissen ist Macht, Macht ist Wissen!" In diesem Zusammenhang wird auch ganz klar, warum die Arbeitgeber im Reichswirtschaftsrat die Stellung der Be- triebsrüte im Aufsichtsrat auf die bloße„Wahrnehmung von Arbsiterinteresfen" beschränken wollten. Sie erkennen die große grundsätzliche Bedeutung des Schrittes, den der Be- triebsrat über das Aufgabengebiet eines„Arbeiterausschusies" alten Stils hinaus tut. Gegen Putsche gibt es„Schupo" und „Orgesch", gegen das legalisierte g e i st i g e Eindringen der Arbeiterklasse in die Wirtschaft hilft aber keine Polizei. Die Vernichtung des ganzen kapitalistischen Systems und feine Ersetzung durch ein sozialistisches mit e i<ne m Schlage ist unmöglich. Der Versuch ist in Rußland gescheitert, er muß in anderen wirtschaftlich höher entwickelten Ländern noch schlimmer scheitern. Der Eintritt der Arbeitervertreter in den Aufsichtsrat als gleichberechtigte Mitglieder ist auch nur der Anfang, nicht der Abschluß einer Entwicklung, unter den Mitteln, die Lage der Arbeiterklasse zu heben, ist er nur eines von vielen, er ist kein Allheilmittel, das gibt es überhaupt nicht. Die Rot der Arbeiter, die auf dem kapitalistischen System be- ruht und die durch dessen politische Auswirkung, den Weltkrieg, vielfach verschärft wurde, wird damit nicht beseitigt. Aber ein neuer Weg des Aufstiegs öffnet sich, ihn entschlosien betreten zu haben um des Zieles willen, zu dem er führt, muß der Stolz und die Genugtuung dieser Generation sein. Kombinationen. Die Erörterungen über die Regierungsumbildung in Preußen gehen weiter, und bezeichnenderweise wird mit ihnen in den Organen der Rechtspresse eine Diskussion über die angebliche Notwendigkeit einer Kabinettserweiterung im R e i ch verbunden. Hierbei geben sich die Vertreter des reaktiv- '.Aren Bürgertums den Anschein, als ob das Kabinett Wirth cin völlig unfertiges Provisorium sei, das erst in dem Augen- Mick als aktionsfähig betrachtet werden könne, in welchem— die Deutschs Volkspartei ihren Eintritt vollzogen habe. Zur Frage der Regierungsumbildung in Preußen macht die„E-ermania" in ihrer heutigen Morgenausgabe Aus- führungen, die eine unverkennbare Spitze gegen den preußi- schon Ministerrpäsidenten Stegerwald enthalten. Wäh- rend dieser, der sich bekanntlich stolz als„der Minister aus Trotz" bezeichnet, der Ueberzeugung zu sein scheint, daß alles in Preußen, so wie es ist, gut sei, schreibt die„Germania ": „Dag das Kabinett Stegerwald, dessen politische Basis nur aus zwei Parteisn, dem Zentrum und den Demokraten, be- steht, irgendmann und irgendwie einmal eine Umgestaltung werde erfahren müssen, das ist«in Gedanke, dessen B e r e ch t i- gung nicht von der Hand zu weisen war, daß nunmehr nach den mgsten einschneidenden außenpolitischen Ereignissen auch in Preußen, dem größten Lande des Deutschen Reiches, eine stabilere Tragfläche für die in Zukunft zu fassenden Eni- schlüsse und zu erledigenden Staatsgeschäfte nicht unerwünscht sei und darum nach einer praktischen Lösung gesucht werden müsse, liegt offen und entspricht, wie bekannt sein dürfte, auch den Absichten des Ministerpräsidenten Stegerwald selbst." Di«„Germania " wird es uns nicht verübeln, wenn wir den letzten Worten dieser Ausführungen keinen Glauben schenken. Die— gelinde gesagt— dilatorische Behandlung der Regimmgsneubilöung in Preußen durch Stegerwald läßt viel- mehr eher aus den entgegengesetzten Willen des Ministerpräsidenten schließen._
Die Mpstik öes Eimens. Der Atem, das Zeichen für das Leben des Menschen, genießt bei allen Naturvölkern besondere Verehrung und wird vielfach für den Sitz der Seele gehalten. Di« Inder haben diese Lehre be- sonders eingehend und tiefsinnig ausgebildet. Das Wort„Atman", das Ateni und zugleich Seele bedeutet, ist in den Upanischaden, den heiligen Büchern der indischen Religion, mit dem„Brahman", dem Begriff für das höchste Wesen, gleichgesetzt, und diese Auffassung des Aimcns hat auch zu einer andächtigen Beachtung dieser wichtigen Tätigkeit geführt. Der Inder oersteht meisterhaft eine bestimmte ,.At em t c ch n i k" auszuüben. Aber während der aufgeklärte Euro- paer im Atmen nur eine„Sauerstoff-Frage" sieht, ist es für den indischen Weisen eine mystische Kunst, durch die er stärkste Konzen- tration der geistigen Kräfte, Selbstzucht, Glück und sogar SUllichkeit erlangt. Diese Mystik tritt uns entgegen in einzelnen wichtigen Stellen der Brahmanas und Upanischaden. Die Gottheit des Atmens ist verkörpert in dem„Prana ", dem„Hauch", dem Herrn des Alls. Die Upanischaden schildern den Wettstreit zwischen dem Hauch und den übrigen Sinnesorganen und verherrlichen den Sieg, den er über sie alle erringt. Sie alle können nämlich fehlen, ohne daß der Mensch tor ist: nur wenn der Hauch fehlt, ist auch sein Leben zu Ende.„Die Sinnesorgane, heißt es in diesem Mythos,„gingen zu Vater Pro- japati und sprachen:„Heiliger, wer von uns ist der Beste?" Er sprach zu ihnen:„Der, bei dessen Auszug der Körper sich am übelsten zu befinden scheinen wird." Die Stimm« zog nun aus. Sie blieb ein Jahr abwesend, kehrte wieder und sprach:„Wie konntet ihr ohne mich leben?"„So wie die Stummen nicht reden, ober durch den Hauch atmen, mit dem Auge sehen, mit dem Ohr hören, mit dem Verstand denken." Di« Stimme zog wieder in ihn ein. Das Gesicht zog aus. Es blieb ein Jahr abwesend, kehrte wieder und sprach: „Wie konntet ihr ohne mich leben?"„So wie Blinde nicht sehen, aber durch ihren Hauch atmen, mit der Stimme reden, mit dem O!)r hören, mit dem Verstände denken." Das Gesicht zog wieder ein. In derselben Weise ziehen Gehör und Verstand aus und wieder ein.„Da wollte der Hauch ausziehen, und so wie ein gutes Roß die Pflöcke seiner Fußfessel herausreißt, so riß er die andern mit heraus. Da kamen alle zu ihm und sprachen:„Helliger, komm! Du bist der Trefflichste von uns: zieh nicht aus!" Die hygienische Bedeutung einer guten Atemtechnik ist auch von unserer modernen Medizin anerkannt worden, so daß die indische „M y st i k des A t m e n s", was ihre praktische Nutzanwendung anbetrifft, Beachtung verdient. Wenn wir uns auch kaum der Hoffnung hingeben können, daß eine rationelle Regulierung dieser Art von Stoffwechsel uns glücklicher und besser machen, uns das große Los oder die ewige Seligkeit bescheren werde, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß misgiebiges, tiefes Atmen eine Art Massage de ? inneren Organe hervorruft und auf das Nervensystem be- ruhigsnd einwirkt. Die Muskeln der Atmungsorgane werden zu ihrer höchsten Starke onsgeoildet, und es lann auf diese Weise tat- sächlich die gesamte Leoendkrast erhöht werden.
Die„Germania " hält es für richtig, die Behauptung, die Sozialdemokratie„liebäugle" mit der USP., sich zu eigen zu machen: dies geschieht jedoch in einer diplomatischen Form, die erkennen läßt, daß das Zentrum nicht ganz abgeneigt wäre, zusammen niit den Unabhängigen eine erweit er te Regierungsbasis zu schaffen. Um so mehr wächst also die Verantwortung, die bei den künftigen Verhandlungen auf den Vertretern der USP. im Landtag lastet. Ganz entschieden muß der Auffassung der „Germania " widersprochen werden, als erhebe die Sozial- demokratie aus„Willen zur Macht" nunmehr den Ruf nach Homogenität zwischen Reichs- und Landesregierung, den sie bisher bei den bürgerlichen Parteien, insbesondere bei der Deutschen Volkspartei , nicht habe gelten lassen wollen. Diese Auffassung bedeutet eine Umdrehung der Tatsachen. Wenn die Sozialdemokratie mit allem Nachdruck eine Neubildung der preußischen Regierung unter Zugrundelegung der Reichs- Verhältnisse fordert, so lediglich aus der demokratisch- parlamentarischen Erwägung heraus, daß es der gegen- wärtigen preußischen Regierung an jeder parlamentarischen Basis fehlt, wie ja auch die„Germania " selbst zugeben mußte. Es ist also keine überraschende„Elastizität", die diesen schein- baren Stellungswechsel begründete, sondern es sind die völlig geänderten Voraussetzungen innenpolitischer und vor allem außenpolitischer Natur, die für die Sozialdemokratie allein entscheidend sind. Das Organ der Deutschen Volkspartei , die„National- liberale Korrespondenz", führt den Kampf g e ge n einen Ein- tritt der Sozialdemokratie in die preußische Regie- rung und für die Beteiligung der Deutschen Volks- Partei in einer Weise, für die man der Sozialdemokratie gegenüber in den gleichen Kreisen das schöne Wort von der „Futterkrippenpolitik" geprägt hatte. Das Ideal einer Re- gierung im Reich und in Preußen wäre für die„Rationllibe- rale Korrespondenz" dies, die Sozialdemokratie in Preußen auch in Zukunft auszuschalten und dafür die Deutsche Volks- parte: wirken zu lassen, während man auf deutschvolkspartei- sicher Seite offenbar nicht ganz abgeneigt ist, es im Reiche gsmeinsam mit der Sozialdemokratie zu versuchen. Die scharfe Kampfansage der Deutschen Volkspartei an die Steuer- p o l i t i k des Reichskanzlers und Finonzministers Dr. Wirth zeigt jedoch mit erfreulicher Deutlichkeit, daß für ein Zu- sammengehen zwischen beiden Parteien keine gemeinsame Vor- aussetzung geschossen ist. Die Deutsche Volkspartei fühlt sich nach wie vor als Vertreterin der besitzenden Klassen, des rechts- stehenden Bürgertums und sieht ihre vornehmste Aufgabe darin, diese Schichten möglichst vor jedem Steuerzugriff des Reiches zu entlasten und die natmendigen Abgaben auf die breiten Massen des werktätigen Volkes abzuwälzen. Schon dieser eine Punkt genügt, um die Sozialdemokratie in eine scharfe Kampfstellung gegen die ehemals Nationalsibe- ralen zu treiben, und es bedarf kaum noch eines.ssinweiles auf die Verfassungöfeindsichkett und die monarchistische Gesinnung dieser Vartet, um den Kurs der Sozialdemokratie im Reiche wie in Preußen unzweideutig festzulegen.
Nünchener Kniippelhelöen. Zu dem schamlosen Uebcrfall auf den bayerischen Landtags- abgeordneten Genossen Dr. Sa eng er in München in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni erfahren wir eine Reihe von Einzelheiten, die auf die bayerischen Kulturzustände unter dem System Kahr ein äußerst bedenkliches Licht werfen und darüber hinaus wertvollen Ausschluß geben, wie es in Wirklichkeit um die„Ordnung" im Musterland Bayern bestellt ist. Bis zum 6. Juni, dem Zeitpunkt, an dem die Mittellungen aus München , die hier verspätet eintrafen, an uns abgesandt wurden, hielt es kein Orgcm der Staatsanwaltschaft für notwendig, sich mit dem Überfallenen Abgeordneten Saenger zwecks Aufklärung der Angelegenheit in Verbindung zu fetzen. Die Publikationen der Polizei beschränken sich auf die Feststellung, daß der Ueberfall hundert Meter von einer Polizeipatrouille des 7. Bezirks stattfand, welche keine Vexanlassung habe, im 6. Bezirk nach dem Rechten zu sehenl Es scheint, daß der Lureaukratismus, der unter dem alten
Eine Vorstellung der Siaalsoper drahtlos in alle Welt tele- phoniert! Unsere Siaatsoper hat gestern ein interessantes und wie es scheint, gutgelungenes Experiment unternommen. Die ganze Bor- stellung der„Madame Butterfly " wurde von der Groß- funken st ation 5t önigswu st erHausen ausgenom- m e n und einer Anzahl drahtloser Empfangs st ationen Mitteleuropas hörbar gemacht. Der zu diesem Zweck nötige äußere Apparat bestand in einer Reihe von Mikrophonen, die entlang der Bühnenrampe eingebaut waren und die Musik und die Gesangtexte weiter übermittelten. Die mitteleuropäischcn Stationen waren von dem beabsichtigten Experiment verständigt worden, es ist aber anzunehmen, daß man auch an entfernteren Auslandsyrten unsere„Madame Butterfly " zu hören bekommen hat. Versuche mit drahtlosen Uebertragungen von Musikvorträgen sind in letzter Zeit bekanntlich schon öfters, unter anderem gelegent- lich eines Gesell'chaftsabends beim deutschen Reichspräsidenten, ge- macht worden. Sie fanden auf Veranlassung unserer Reichspostoer- waltung statt, die dabei mehrere neue technische Verbesserungen mit Erfolg erprobt hat. Die Musik ist in den Cmpsängsräumen klar und deutlich zu oer- nehmen und so wird in Zukunft das e n t l e g e n st e Städtchen lind das kleinste Dorf, das die nötigen Apparate aufgestellt hat, in der Lage sein, weit städtische Konzerte und Opernaufführungen zu geniehenl Zahlkarle und Briefmarke als Schreiblehrer. Der Reichs- kunsrwartRedslob hat Versuche eingeleitet, durch Verbesserung der Zahlkarte unserer Reichspostverwaltung auch zur Verbesserung unserer Schreibschrift milwicken zu helfen. Wie Redslob in der Zeisschnst.Das Plakat" ausführt, werden zurzeit Drucksachen da- durch verbessert, daß man alte Formulare umdruckt nach den Ge- setzen einer gleichmäßigen Verteilung des Blockes, wie sie jetzt für die Arbeitsart der Drucker maßgebend sind. So hat man das behördliche Formular für Einfuhrbewilligung und die Zahlkarte umgestaltet, vom Druckerstandplinkt aus gkwiß ein Fortschritt. Redslob aber erklärt mit gutem Recht diesen Weg für bedenklich. Denn solche Ver- besserungen beachten-meist nicht, daß cin Formular erst nach Aus- füllung durch Schrift fertig ist. Sie beachten nicht, daß daher hier Gelegenheit ist, täglich Teufende von Menschen in ihrer Schreib Übung zu beeinflussen. Nicht etwa daß solch Formular sich anmäßen sollte, einen Kursus für Schön- schreiben nachzuholen. Aber in der Verbindung von Schreib- und Druckschrift liegt ein Gesetz vor, das wohl beachtet werden will. Die vorgedruckten Warte sollien so angelegt werden, daß sie bereits auf die Schrift hinführen, ihr gewissermaßen entgegenkommen. Behörd - liche Formulare, die schriftlich auszufüllen sind, dürfen daher nicht durch ein ganzes System von Umrandungen den Schriftraum ein- pserchen. Für den Schreibenden ist es eine Qual, in solche um- randetcn Gebiete seine Buchstaben einzufügen, er hat immer Angst, nicht auszukommen. Statt übertrieben blackmößigsr Ausgestaltung sollt? eine Form entstehen, die zu klarer Verteilung und einer dem Druckchara'ter einigermaßen angepaßten Führung"der Schrift hin- leitet. Em erster Versuch auf diesem Weg wird von Redslob in
System in Preußen wahre Orgien feierte, nunmehr seinen Sitz in München aufgeschlagen hat. Der Ueberfall auf Genossen Saenger wurde nicht von einem einzelnen Fanatiker ausgeführt, sondern von einem wohlorgani» sierten Trupp führender Persönlichkeiten der„national-sozialistischen Arbeiterpartei", einer verschrobenen Organisation von Nationalisten, die unter dem Deckmantel sozialer Bestrebungen Eingang bei der Arbeiterschaft zu finden suchen und bei denen sich Männer vom Schlage eines Ludendorff mit wildesten KAPDisten harmonisch zusammenfinden. Dieser Trupp folgte in einer Stärke von 20 bis 30 Mann dem Genossen Saenger vom Zentrum der Stadt aus in ein entlegenes Stadtviertel und umstellte den Tatort in weitem Bogen. Die von privater Seite bisher angestellten Recherchen er- gaben, daß innerhalb dieser Organisation für derartige Ueberfälle genaue Abmachungen getroffen sind und daß politisch miß» liebige Persönlichkeiten in ihren täglichen Lebensgewohnheiten genau beobachtet werden, um sie gegebenenfalls der Straßenjustiz zu überliefern. Auch für die ehrenvolle Tätig- keit der Bcschmicrung össentlicher Gebäude mit Hakenkreuzen usw. sind eigene Organisationen geschaffen. Daß der„Miesbacher Anzeiger", das saubere Organ des„Dichters" Ludwig Thoma , die Schandtat mit den Worten begrüßte:„Der Saenger hat Prügel gekriegt. Endlich! Gott sei Dank!" bedarf kaum besonderer Erwähnung. Die Münchener Arbeiterschaft hat im ehrlichen Zorn über diese bayerssche Kultursch-nach für die kommende Woche eine große Protest Versammlung einberufen, um dem System Kahr zu zeigen, daß ihre Geduld endlich erschöpft ist. Wir fordern, daß in Bayern nicht nur die Einwohnerwehren aufgelöst werden, sondern daß endlich auch die„Volksgerichte" beseitigt werden und damit die Voraussetzungen für eine Schandjustiz fallen, wie sie in Bayern unter der Ordnungsregierung Kohrs an der Tagesordnung ist.
Die Krise üer KPD . Der Prozeß gegen den Vorsitzenden der KPD. , Brandler . hat mit ebenso überraschender wie erfreulicher Deutlichkeit den Zer- setzungsprozeß bei den Kommunisten gezeigt. Während die„Rote Fahne " dies natürlich nicht zugeben will, und wie wir von vornherein vorausgesagt haben, unser Urteil über den Brandler-Prozeh als „menschewiftischen Entstellungen" zu brandmarken sucht, findet un- sere Auffassung von einer Seite Unterstützung, von der wir sie am wenigsten erwartet hätten, die uns aber um so sympathischer ist, als ihre Autorität auch von der„Roten Fahne" nicht in Zweifel gezogen werden dürfte. In der„Internationale" untersucht nii'nlich Karl Rädel, führendes Mitglied des Zentralkomitees der 3. Jnter- nationale, die Ursachen der„Krisis in der deutschen kommunistischen Partei", und schon die ersten Worte, mit denen er seine Ausführun- gen einleitet, enthalten einen schweren Schlag gegen die Behaup- tungen der deutschen Kommunisten. Rädel schreibt:„Die deutsche kommunistische Partei machte während der Märzbewe- gung viele Fehler", und als haupssächlichsten Fehler be- zeichnet er den„unerwarteten und ungestümen Uebergang von der Propaganda und Agitation zum aktiven Kamps", Weiter tadelt Radek, die KPD. habe von einer Offensive gesprochen und hierdurch den Eindruck erweckt, daß die Bewegung k ü n st l i ch von den Kommunisten hervorgerufen sei. Auch hierin können wir Radek nur zustimmen, und wenn die„Rote Fahne " in einer Polemik gegen unfern Leitartikel von gestern abend die alte Lüge auftischt, die Märzaktion sei durch den da- maligen preußischen Innenminister Genossen S e v e r i n g und den sächsischen Oberpräsidcnten Genossen Hörsing provoziert worden, so genügt demgegenüber wohl ein Hinweis auf das feiner- zeit vom„Vorwärts" veröffentlichte kommunistische„Material III", um die Haltlosigkeit dieser neuausgefärbten Verleumdung einwand- frei darzutun. Dort wurde nämlich, wie auch der„Roten Fahne" noch in Erinnerung sein dürfte, die Behauptung, der Mitteldeussche Aufstand sei durch Hörsing provoziert worden, als M ä r ch e n ab» getan. Die„Rote Fahne " versteht es vortrefflich, schlechtes Ge- dächtnis vorzutäuschen, wenn hierdurch ei re tatsächliche Fessstellung aus der West geschafft werden soll. Ihr Gedächtnis scheint jedoch so schwach geworden zu sein, daß sie die erst vor wenigen Tagen von Brandler in seinem Prozeß vorgebrachte und von uns gestern abend zitierte Aeußcrung verschweigt, der Kommunismus könne erst dann
Wiedergabe veröffentlicht. In der Hast des Geschäftslebens ist es dazu gekommen, daß sich unsere Handschrift in einem Zustand der Degeneration befindet. Man braucht bloß einmal die Zahlen anzu- sehen, die Kaufleute neben ein Telephon kritzeln. Nur in England hat der Ausschwung der Buchdruck- und Schriftkunst seit Morris da- zu geführt, daß dort die Zahlen architettonisch einwandfrei geschrieben und aufgereiht werden. Für die Schulung zu klarer Linienführung und Verteilung der Zahlen ist übrigens auch das Zahlenbild der Briefmarken wichtig: Z. V. könnte die einem astronomischen Zeichen fast gleich- kommende schöne 5 der neuen Geigerschen Briefmarke da viel Gutes für unser Adresseschreiben wirken. Kein staakstchcs Kunsterp zrlamk. Wie wir berichteten, waren Bestrebungen im Gange, ein staatliches Kunstexportamt zu schaffen, das auch dazu mithelfen sollte, deutscher Kunst Absatz im Auslände zu schassen, das aber vor allem für die deutsche Kunstausfuhr eine Zentralstelle geworden wäre. Bis jetzt fehlen nun die Mittel, und es ist nicht gelungen, auch eine finanzielle Unterstützung des Staates für ein solches Amt zu erhalten. Einstein in England. Wie die Londoner Blätter melden, wird der gestern aus den Vereinigten Staaten in Liverpool eingetroffene Professor Einstein am Freitag mit Lloyd George und dem Erz- bischof von Canterbury zusammentreffen und darau' eine Vorlesung halten, bei der L o r d H a l d a n e den Vorsig führen wird. Der entgleiste Vetter. Der Vorstand derFamilievonKleist veröffentlichte vor einiger Zeit in der ,L r e uz z e i t u n g" eine Er- klärung, in der mitgeteilt wird, daß die Familie mit der Kleist- st i s t u n g nichts zu tun habe. Weit davon entfernt, diese Behauptung zurückzuweisen, stellt der Vorstand der Kleissstiftung jetzt fest, daß sie durchaus zutrifft. Die Familie von Kleist hat zu der Klesssstistung und zu dem Geist, der diese in Erinnerung an den großen Dichter beherrscht, keinerlei Ve- Ziehung. Sie hat sich von Anbeginn an, als die besten deutschen Schriftsteller zur Gründung der Stiftung austiefen, ablehnend verhasten und damit eine Auffassung bekundet, von der die Familie, abgesehen von wenigen Ausnahmen, schon zu Lebzeiten des Dichters rmd auch späterhin beseest war. Sogar das arg verfallene Grab K l e i st s konnte erst auf dem Wege ösfentlicherHilse instand- gesetzt werden. Seitdem die Epoche der Minnesänger vorüber ist, allo schon seit ziemlich langer Zeit, gilt das Dichten bei den deutschen Junkern als keine standesgemäße Beschäftigung. Man kann deshalb die Abnsi- gung der Familie Kleist gegen einen„Vetter" verstehen, der seinen Ehrgeiz nicht darin setzte, Rekruten zu drillen oder die dicksten 5-ar- toffeln zu bauen, fondern Verse machte und Theaterstücke schrieb. Einer öffentlichen Bestätigung dieses Sachverhalts hätte es nicht be- dürft, jeder richtige Leser der„Kreuzzeitung " war ohnehin davon überzeugt, daß das nicht anders sein könne und dürfe.
Sioa neue Zeitschrift..Fault', eme neue Monatsschnst. erscheint unter beioudcrer Mitwirtung von Gerhart Oauptwaun, llcmiccio Bujout und"ud'vig Iufti vom l. Oktober ab im Iktliip, von.ZuliuS �urd zu Berlin Die Zeitschrift wird Haupisragen unseres Geistes» und ztunstlebeuZ in abgeschlbsjeneu Daiftelluuzen behandeln.