Das Verbrechen in öen Rheinlanöen. Minister Rosen über die Sanktionen.
Zu Beginn der gestrigen R e i ch s t a g s s i tz u n g verweigerte' das Haus die Genehmigung zur Strafverfolgung des Abgeordneten Vogtherr(II. Soz.). Nach Ueberweifung verschiedener Vorlagen an den sozialen Ausschuß erfolgte der Bericht des B i l d u n g s- ausschusses über die Verwendung der ehemaligen militari- fchen Bildungsanstalten. Der Ausschuß ersucht die Re- gierung um Umwandlung ehemaliger militärischer Bildungsanstalten in Erziehungsanstalten unter Reichsverwaltung, in denen die Erziehung nach zeitgemäßen pädagogischen Grundsätzen durch- geführt werden soll. Di« Genossin Pfülf fordert Einrichtung der Schulen als Simultan an stalten. Nach kurzer Debatte, in der Abg. Mumm aufs neue die FeinÄichkeit der Deutschnationalen gegen das moderne Schulwesen zum Ausdruck bringt und nach einer Erwiderung des Staatssekretärs Schulz erfolgt„Hammelsprung" über den Antrag Müller- Franken(Soz.) und P a ch n i ck e (Dem.), der die Bildungsanstalten dem konfessionellen Schulbetrieb verschließen will. Der Antrag wird gegen die Linke mit schwacher Mehrheit abgelehnt! Es folgt Beratung einer Reihe von Nachtragsetats. Der deutschnationale Redner Schmidt zeigt die„Arbeiterfreundlichkeit" seiner Parteifreunde, indem er die Zahl der Arbeitervertreter bei den Eisenbahnen auf ein Minimum beschränkt wisien will. Genosse B r u n n e r protestiert gegen die Sabotierung des B e» triebsrätegefetzes und weist auf den arbeiterfeindlichen Charakter der Rechten hin. Es folgt die Beratung der Interpellalion Skresemana auf Beseitigung der Sanktionen. Abg. Dr. Zapf(D. Bp.) begründet die Interpellation und wider- spricht der Auslegung des Versailler Friedensvertrages durch die Entente. Das Wort des Reichskanzlers„durch Arbeit zur Freiheit" ist ein leerer Traum, aus dem es ein jähes Erwachen geben muh. Weil wir auf eine Besserung der Weltlage nicht warten können, muß die Regierung bei jeder Handlung darauf hinweisen, daß die Sanktio- nen im Rheinlande nur auf der brutalen Gewalt beruhen. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Die Sperrung der Rhemgrenze hat den gesamten Verkehr stocken lassen. Nach Westen dagegen wird der Verkehr sogar bedeutend erleichtert, so daß über die Westgrenze Waren in ungeheuren Mengen strömen. Unsere Devisen aber strömen in Millionen hinaus. In der letzten Zeit sind sogar die Grundsätze der Sanktionen überschritten worden: der deutsche Zolltarif ist abgeändert, für„Hochverrat" sind besondere Straf- bestimmungen gegeben, das Branntweinmonopol ist abge- ändert worden. Und dabei erklärt B r i a n d noch in der französt- schen Kammer, daß die Besatzungsfristen noch gar nicht zu laufen begonnen hätten. Im Rheinlande gibt es keine Preß» und D e r- einsfreiheit mehr.(Zuruf links: wie in Bayern !) Die Briefe werden kontrolliert. Die Rheinländer haben ihre Pflicht getan und erwarten von uns das gleiche.(Lebhafter Beifall.) Reichsminister des Auswärtigen Dr. Rosen: Bei der Besetzung der Städte im Westen haben wir in einer Note die Unvereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Ber - trage von Versailles dargelegt und in Paris , London und Brüssel Verwahrung gegen diese Verletzung des Vertrages von Versailles und des Zlheinlandsabkommens eingelegt. Unsere Proteste sind ungehörtverhallt. Sie stützten sich auf u n a n f e ch t- bare Rechtsgründe. Di« Besetzung der Städte Duisburg , Ruhrort und Düsseldorf , sowie die-Einführung eines besonderen Zollregimes haben schwere wirtschaftliche und andere Schädi» gungen mit sich gebracht. Die neue Zollinie richtet sich nicht nach wirtschaftlichen Bedürfnisien, sondern bezweckte, uns zur An» nähme des Ultimatums zu veranlassen. Umso mehr war die Erwartung berechtigt, daß sie nach der Annahme in Fortfall kommen würde.(Sehr richtig!) Nachdem Deutschland es ehrlich übernommen hatte, den Verpflichtungen zu entsprechen und in Aus- führung dessen ungeheure Leistungen an unsere früheren Gegner bewirkt hat, haben die Sanktionen jeden Grund verloren. Ihre Aushebung wäre ein einfaches und klares Gebot der Loyalität. (Lebhaft« allgemeine Zustimmung.) Die deutsche Regierung hat diesen Standpunkt mit allem Nachdruck bei den alliierten Mächten ausgesprochen. Der Ausschuß der französischen Kammer für auswärtig« Politik hat sich in den letzten Tagen mit der Auf- Hebung der Zwangsmaßnahmen befaßt. Dabei hat sich Briand gegen ihre Aufhebung ausgesprochen.(Lebhaftes Hört, hört!) Ich habe sofort den deutschen Botschafter angewiesen. Briand auf da» große Unrecht aufmerksam zu machen. Der Botschafter hat daraufhin vorgestern«ine Unterredung mit Briand gehabt. Briand hat ihm mitgeteilt, er habe im Kammerausschuß, ebenso wie im Senatsausschuß erklärt, die Aufhebung der Sanktionen könne erst in Jrage kommen, wenn das Objekt, auf das sie sich beziehen, verwirklicht sei. Unser Botschafter hat demgegenüber mit allem Nachdruck daraus hingewiesen, daß der deutschen Regierung nach keiner Rich- tung hin ein Vorwurf wegen Nichterfüllung der im Ultimatum über- nommeneu Verpflichtungen gemacht werden könne. Trotzdem be- harrte Herr Briand auf seinem Standpunkt.(Hört, hört!— Erregte Zurufe: Unerhört!) In Uebereinstimmung hiermit steht die Reso- lutiondesfranzösischenKammerausschusses, worin er darauf vertraut, daß. keine der militärischen oder wirtschaftlichen Sanktionen aufgehoben werde, bevor die Verpflichtungen, mit Rück- ficht auf welche die Sanktionen angewendet wurden, voll ausgeführt sind.(Erneutes Hört, hört!) DiedeutscheRegierungwird sich damit nicht zufrieden geben. Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß nichts unterlassen worden ist. nichts unterlassen werden wird, um die Auf- Hebung der Sanktionen zu erreichen. Unser Stand- punkt findet auch bei einem Teil der Alliierten Verständnis. So will Graf Sforza für die Aufhebung der Sanktionen «introteu. Ach Hab« keinen Grund für die Annahme, daß die itokto- uische Regierung ihren Standpunkt in dieser Frage zu andern beabsichtigt. Ich habe kurz nach meinem Amtsantritt unseren Botschafter in London ersucht, bei der englischen Regierung mit allem Nachdruck dahin vorstellig zu werden, daß die Gewaltmaßregeln alsbald auf» gehoben werden. Lord C u r z o n erinnerte in seiner Antwort den deutschen Botschafter daran, daß, ebenso wie die Derhängung in gemeinsamer Konferenz der Alliierten erfolgt sei, sie auch nur durch dieselbe Autorität wieder ausgehoben werden konnten. Aus diesen wie aus anderen Gründen hätte die britische Regierung einer viel früheren Zusammenkunft des Obersten Rates in Frankreich entgegengesehen.(Hört, hört!) Unglücklicher- weise hätte die französische Regierung nicht beigestimmt und selbst jetzt wäre ihre Stellungnahme, wie Lord Curzon kürzlich in seinen Unterredungen mit Briand festgestellt hätte, durchaus ab- lehnend.(Hört, hört!) Die französische Regierung hätte auf Gefahren von seiien irregulärer deutscher Truppen ver- wiesen, die erst beseitigt werden müßten. Dagegen sei die b r i t i s ch e Regierung gern bereit, die Angelegenheit zur Erörterung tzu bringen. Lord Eurzon hätte auf eine baldige Zusammenkunft des Obersten Rates gedrängt, wobei diese Frage erörtert werden sollte. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde der Rat im Laufe des Monats Juli -usamentreten. Lord Eurzon riet dem deutschen Botschafter, den Zeitraum bis dahin durch prompte Erfüllung der Bedingungen des Ultimatums, insoesonde« der Entwafsmmg dar Eiuwohaerivehreu auszufüllen, um, wenn möglich, zu erreichen, daß die übrigen
Alliierten vor Zusammentritt des Botschafterrates der Sache günstig gegenüberträten. Wir wollen das Ultimatum getreu erfüllen. Deutschland hat alle Fristen und Bedingun- gen bezüglich der Entwaffnung und der Reparationsleistungen genau erfüllt. Insbesondere sind auch die heute ablaufenden Fristen für die Auflösung der Selbstschutzorganisationen und die Ablieferung der Waffen trotz größter Schwierig- leiten innegehalten worden. Die von uns bewirkte Zahlung von l Milliarde Goldmark stellt eine ungeheure, noch nie dagewesene Leistung dar. Die Berhandlun- gen Rat Henaus in Wiesbaden beweisen unsere Bereitwillig- teil zur Erfüllung der wirtschaftlichen Verpflichtungen. Wir werden uns auch in Zukunft die genaue Erfüllung unserer Verpflichtungen angelegen sein lassen. Wir müssen aber, wenn nicht auf das Ge- rechtigkeitsgefühl, so doch zum mindesten auf den praktischen Sinn der Gegenseite vertrauen können. Es ist ein Widersinn, von Deutschland übermenschliche Reparationsleistungen zu verlangen und zugleich Maßnahmen aufrecht zu erhalten, die unseren Gläubigern nichts nützen, dagegen auf de ränderen Seite„Deutschlands Leistungs- fähigkeit" vermindern.(Sehr wahr!) Hosfentiich ringt sich auch in Frankreich allmählich die Einsicht durch, daß die Aushebung der Sanktionen eine Forderung des gefunden Menschenverstandes im Interesse derjenigen ist, denen die Reparationsleistungen zugute kommen sollen. Mit Bewunderung und Dankbarkeit stellen wir die würdige und e i n m ü ti g e 5)altung fest, welche die B e v ö l k e- rung der Rheinlande in dieser neuen Prüfung eingenommen hat. Derartige Prüfungen knüpfen nur noch das Band fester, das die Rhelnlande mit dem sonstigen Deutschland verbindet.(Lebhafter B-isall.) Das 5iaus tritt in die Besprechung der Interpella« tkon ein. Abg. Sollmann(Soz.): Der' Standpunkt der französischen Regierung, daß die Aüfhe- bung der Sanktionen von der Erfüllung des Ultimatums abhängen soll, ist widerrechtlich. Mit den Sanktionen sollt« unsere Unterschrift erzwungen werden: nach dieser Unterschrist mußten sie deshalb fortfallen. Nicht einmal die Auflösung der mili- tärischen Organisationen hat irgendeinen Vorwand für die Aufrechterhaltung geliefert. Vor allem aber muß hingewiesen werden auf die durch die Sanktionen hervorgerufen« ungeheure wirtschaftliche Verwüstung. Nach dem Friedensverlraz sind Sanktionen nur im Interesse des Rheinlandes zulässig. Deshalb ist das ungeheure Elend der Massen, die Folge der Sanklionen,« i n blutiger Hohn auf den Friedensvertrag. Der französische Standpunkt wird durchaus nicht von allen Kreisen der Entente, selbst in Frankreich nicht getellt. Für den französischen Kapita- Iis m us sind die Sanktionen dasselbe, was der Krieg für die Kapitalisten aller Länder war. Nordfrankreich liegt verwüstet aber am Rhein geben sich Tausende von Franzosen dem Müßiggang oder schlimmeren Spielereien hin.(Zustimmung.) Das einzige Aktioum ist, daß die Abneigung der rheinländifchen Bevölkerung gegen den französischen Imperialismus von Tag zu Tag wächst. In Düsseldorf sind allein 410 Schulräume von den Franzosen besetzt, was eine unerhörte geistige Verwüstung der Jugend zur
Folge haben muß.(Sehr richtigl links.) Zum Bau einer Kavallerie- kaserne sind 26 Millionen Mark von der Stadt angefordert. Die Wohnungsnot im befehlen Gebiete ist ungeheuer verschärft. Die Franzosen irren sich, wenn sie glauben, daß die s o z i a l i st i s ch e n Arbeiter die allgemeine Entrüstung nicht teilen, denn die Sanktionen sind eine Hölle für die A r b e i- t e n d e n und ein Paradies für das internationale Schieber- t u m, das durch das„Loch im Westen" triumphierenden Einzug hält. (Lebhafte Zustimmung links.) Im Rheinland sind jetzt so viel Luxuswaren aufgespeichert, daß man Deutschland für mehrere Jahre damit versorgen könnte. Eine einzige Einfuhrbewilligung be- trug mehr, als die deutsche Gesamteinfuhr von 1913. Wie die „Kölnische Zeitung " zugibt, haben sich auch deutsche angesehene Kauf- leute ohne Rücksicht auf die Gesamtwirtschaft an dieser Einfuhr be- teiligt. Ein Reichskommissar Simon hat seiner eigenen Firma die Einfuhrbewilligung für englische Textilwaren im Betrage von 2 Millionen Mark erteilt! Die Reichsregierung muß sich um die wirtschaftliche Seite der Sanktionen noch viel mehr kümmern, denn der wirtschaftliche Kampf steht im Vordergrunde. Sie muß z. B. bei Angelegenheiten wie dem Spiritus Monopol noch schärfer aufpassen, damit uns nicht von deutschen Kausleuten der schwerste Schaden zugefügt wird. Manche der wirtschaftlichen Organisationen, die am lautesten gegen die Annahme des Ultimatums geschrien hoben, fanden am schnellsten den Weg zur Rheinlandkommission. Geschäftliche Verhandlungen mit dieser Kam- Mission dürsten überhaupt nur durch Vermittelung des R h« i n l a n d- k o m m i s s a r s geführt werden. Die fortgesetzten Lügen von fran- zösischen Journalisten über eine angebliche Hetze des Reichskommissars in C o b l e n z entbehren jeder Grundlage. Die Regierung muß dem französischen Bemühen, dies Reichskommissariat zu beseitigen, den stärksten diplomatischen Widerstand entgegensetzen. Für Frank- reich gibt es nur eine Wahl: entweder ein vorübergehendes Aufblühen seiner Luxusindustrie, infolge der Sanktionen und Verzicht auf Erfüllung der Reparationen, oder aber Erfüllung der Repara- tionspflichten durch Deutschland . Die Sanktionen sind einfach eine Sabotage der deutschenReparationszahlung. Vor dem Kriege ist im Rheinland nie ein Wort des Hasses gegen Frank- reich gehört worden. Jetzt ist, infolge der sranzösilchen Durchdrin- gungspolitik die Mauer des Hasses zwischen der Bevölkerung und den Franzosen höher als jemals.(Lebhaftes Hört! Hört!) A l s Sozialdemokrat bedauere ich das. Im Rheinland ist das Bolk »an den Deulschnallonaien bis zu den llnabhängig«, einmütig in seinem Widerstand gegen den französischen Druck. Wir haben nichts gegen die französische Kultur, aber wir hassen die erpresserische Räuberpolitik der Führer des französischen Kapitalis mus . Die Massen im Rheinland werden niemals französisch emo- finden, ebenso wenig wie die ftanzösischen Arbeiter Nordfrankreichs lemals deutsch empfunden hätten. Wir verlangen die A u s h e b u n g der Sanktionen, weil sie«in Verbrechen sind an der deutschen Wirl- schaft und am deutschen Volke.(Lebhafter Beifall bei den Sozial- demokraten.) Die Beratung wird abgebrochen. Das Haus oertagt sich auf Freitag 1 Uhr: Anfragen, kleine Vorlagen, Weiterberatung, I n t e r- pellation über das Grubenunglück.— Schluß gegen K7 Uhr.
vie Hefangenenerßhießung vor sem Reichsgericht
Nach dem Aufruf des für gestern geladenen Zeugen teilt der Präsident mit, daß der französische Zeuge, Dr. Wenger aus Dornach i. Elf., nicht erschienen ist. Er bedaur« dies, da gerade der Aussage dieses Zeugen besonderes Gewicht beigelegt werde. Es wird hierouf in der Zeugenvernehmung fortgefahren. Der französische Zeuge, Tagelöhner Josef Dietsch aus Tags- darf i. Elsaß, der der ersten Kompagnie des Inf.-Regt. 112 ange- hörte, gibt an, er habe am 21. August von dem fraglichen Befehle nichts gehört. Am 26. August dagegen habe er gehört, daß General Stenger befohlen habe, keine Gefangenen zu machen. Der Zeuge hat nicht gesehen, daß Franzosen von den Bäumen herab- schössen. Generalmajor Neubauer bestreitet erneut, den Befehl ge- hört und weitergegeben zu haben. Oberrechnungsmeister K l e i n h a u s aus Mühlhausen i. Elsaß schildert die Ereignisse vom 20. bis 26. August in der bekannten Weise. Am letzten Tage sei auf dem Marsche der Befehl gegeben worden, daß Gefangene nicht gemacht werden sollten. Sie seien, ob verwundet oder unverwundet, zu erschießen. Er, der Zeuge, habe sich geweigert, diesen Befehl auszuführen. Der Zeuge erzählt dann weiter, daß ein Sergeant, der drei Franzosen gefangengenommen hatte, vom General Stenger mit den Worten angeredet worden sei: haben Sie denn keine Kenntnis von meinem Befehl? Warum haben Sie ihn denn nicht ausgeführt? Der Sergeant habe dann den Rückmarsch mit den Gefangenen auf Anordnung des Generals fortgesetzt. S t e n g e r habe gesagt: Was soll ich mit den Kerls machen? Don meinen Leuten kann ich sie doch nicht erschießen lassen. Bald darauf habe er, Zeuge, mehrere Schüsse und Salven gehört. Er und seine Kameraden hätten sich gesagt: Jetzt sind wahl die Gefangenen erschossen worden. General Stenger protestiert sehr energisch gegen diese Aussage, die er als vollkommen unwahr bezeichnet. Es wird dann festgestellt, daß der Zeuge Kleinhaus wegen Fahnenflucht in Eontümaciam verurteilt worden sei. Der Präsident weist auf seine gering« Glaubwürdigkeit hin. Eisenbahnarbeiter Josef Richert aus Mülhausen i. Elsaß ist am 26. August 1914 m französische Gefangenschaft geraten. Am Nachmittage dieses Tages Hab»«« plötzlich geheißen, Gefangen« dürfen nicht mehr gemacht, verwundet« Gesängen« sollten«r- schössen werden. 12 dt« 1ü Gefangene seien alsbald e r s ch» f f« n worden. Ob sie verwundet waren, wisse«r nicht.— Der Befehl zur Erschießung, die gegen 2 Uhr nachmittags vorgenommen wurde, sei von einem Unteroffizier einer anderen Kompagnie über- bracht worden. Er habe sich abgewendet, da er das Erschießen nicht mit ansehen konnte. Maurer Eugen Oberdorf aus Hetlingen i. Elsaß macht ähn- «che Angaben. Die drei Franzosen, die flehentlich um ihr Leben baten, seien dann in einem Hause von drei Soldaten erschossen worden. Aus Vorhalt behauptet der Zeuge, daß die vom An- geklagten Stengcr zunächst mit der Erschießung der Gefangenen be- auftragten drei Soldaten sich geweigert hätten, den Befehl auszu- führen. Es seien daraufhin andere Soldaten zu der Erschießung besohlen worden. Eisenbohnarbeiter S ch m e r b e r aus Straßburg i. Elsaß war B e f e h l s g ä n g c r bei der Kompagnie des Angcilagten C r u s i u s. Er gibt an, Crusius habe gesagt, es sei B r i g a d e b e s e h l, samt- liche Gefangen« zu erschießen, weil die Franzosen heimtückisch von hinten auf die Deutschen geschossen hätten, und weil wir keine Leute zum Abtransport der Gefangenen hätten, ver Befehl fei den Leuten von Major Müller und Hauptmann Crusius ein- geschärft worden. Es feien etwa 20 Vermundete erschossen worden. Der Zeuge behauptet weiter, Erusius habe cun 21. August 1914 beim Borgehen ein oder zwei am Boden liegende Verwundere erschossen. Der Angeklagte Erusius bestreitet diese Angaben.
Nach einer halbstündigen Mittagspause wird der Tischler Alfred Reubrecht aus Leimbach i. Elsaß vernommen, der angibt, beob- achtet zu haben, daß ein Leutnant Verwundet « zusammengeschossen habe. Den Lesehl, keine Gefangenen zu machen, habe Hauptmann Schröder, nicht der Angeklagte Crusius, gegeben. Ingenieur Paul Baldenscherger aus Mühlhausen ist erst im Oktober zum Bataillon als Kompagnieführer gekommen. Der Zeuge erzählt, daß er am 12. Oktober bei La B äffte die ersten Engländer gefangengenommen habe. Der Zeuge Neubauer habe jhn daraufhin auf den Befehl des Generals Stenger aufmerksam gemacht. � Die Gefangenen seien ihm abgenommen worden: er habe dann gesehen, wie drei von ihnen niedergeschlagen worden seien. Generalmajor Neubauer bezeichnet diese Angaben als völlig unzutreffend. Hauptmann d. R. a. D. W o l f f aus Berlin-Wilmersdorf äußert sich über den Zeugen Laldensperger, dem er kein besonders günstiges Zeugnis ausstellt. Der Schmied Gustav Großmann aus Halberstadt wurde am 27. August gefangengenommen. Er ist in Frankreich mit seinen Mitgefangenen Kameraden von einem Kapitän ausgefragt worden. Er hat damals den Franzosen gegenüber ausgesagt, es sei am 26. August der Befehl erteilt worden, sämtliche Gefangenen zu erschießen, weil deutschen Soldaten die Augen ausgestochen worden seien. Daß ein Gefangener erschossen wirden sei, habe er selbst nicht gesehen. Bergrat Heinrich aus Essen war Ordonnanzoffizier der S8. Brigade und bis zu seiner Verwundung stets an der Seit« des Generals Stenger. Der Zeuge schildert ausführlich Die Vorgänge in der Schlacht bei Saarburg . Die deutschen Truppen hätten plötzlich Feuer im Rücken erhalten, das nur von anscheinend tot daliegenden Franzosen herrühren konnte. Stenger sagte damals, derartige Menschen verdienten, ge- tötet zu werden. Ein Befehl nach dieser Richtung hin sei aber nicht ergangen. Mündliche Befehle habe Stenger nicht gegeben. . Major a.D. Recknagel aus Wöblingen i. Württemberg , der ! beim Brigadestab des Angeklagten Stenger war und die Befehle an die Truppenteile«eiterzugeben hotte, oersichert, daß ein Befehl, wie ihn der Angeklagte Crusius»rhalten Häven will, nicht erteilt worden tst. Hauptmann a.D. Petersso», Dabendorf bei Berlin , hat ct9 Adjutant eine« Bataillon» de» InsaNterieregimont» IIS gerächt- weise von dem«»geblichen Befehl gehört. Hierauf wird die Weitervcrhandlung auf Freitag, 9 Uhr, vertagt. Schluß nach 3 Uhr. • Wo nicht»erhandelt wird. Varls. 29. Juni. (EP.) In der Kammer wurden eine Reihe Interpellationen eingebracht, die alle auf Bestrafung von Offizieren hinausgingen, die im Kriege Soldaten rechtswidrig hakten erschießen lassen. Kriegsministcr Barthou erklärte, daß ein Teil der Fälle von ihm schon dem Obersten Staatsanwalt überwiesen sei, und er stehe dafür ein, daß Gerechtigkeit obwalten werde. Dagegen werde er nicht zulassen, daß man diese Fälle politisch ausbeute, um eine Agi- tation im Parlament gegen die Armee ins Werk zu setzen. Er verlange deshalb dje Einreihung der Interpellationen in die Tages- ordnung. Briand stellte die Vertrauensfrage. Darauf wurden die Interpellationen mit großer Mehrheit auf der Tagesordnung vor- gemerkt. Sie werden aber wohl nicht mehr vor den Ferien zur Beratung gelange». H«rte Sühne. Von dem Sondergerickt i« Eongerhausen !?urbe gestern der kommunistische Parteisekretär Kurt Franke au« Sangerhausen wegen Hochverrat zu ackt Jahren Zuchthau« und acht Jahren Ehrverlust verurteilt: drei Monate Untersuchungs« hast wurden angerechnet. Franke war neben dem Stodteot Kränzte die Seele deZ Sangerhauser Putsche« am 26. März.