omtcn und Arbeiter, der gezwungen ist, seinen Frankkohn um- zu wechseln, abgenommen. Im übrigen Deutschland mag vielleicht schon manch Fern- stehender an den Franklohnforderungen der Arbeiter und®e- werkschaften Anstoß genommen haben. Dieses Vorgehen kann besonders dann befremdlich erscheinen, wenn man sich vor Augen hält, daß die allgemeine Frankentlohnung nicht etwa das Ende der wirtschaftlichen Not, sondern wahrscheinlich den Anfang einer noch viel größeren Teuerung und heftigerer Lohnkämpfe bedeuten wird. Man muß sich jedoch hierbei die Bestimmungen ins Gedächtnis rufen, die im Z 31 der Anlage zum Friedensoertrage festgelegt sind. Sie besagen, daß nach einem Ablauf von S Iahren das Saargebiet dem französischen Zollinlande angegliedert werden wird. Das heißt, daß vom Januar 1ö25 an die Grenze nach Deutschland geschlossen und der Frank ohne weiteres zur Einsührung kommen wird. Die Haupttriebkraft für das Vorgehen der Arbeiterschaft ist aber der Wille, endlich aus dem wirtschaf tlichen Sumpf der zwei Entlohnungs- und Währungsarten herauszukommen. Dieser Wille ist so unwiderstehlich geworden, daß sich die Gewerkschaften, ohne sich schwer zu schädigen, dem nicht widersetzen können. Aber über eins mag man dabei in Deutschland beruhigt sein. Dem Deutschtum wird das französische Zahlungsmittel ebenso wenig Abbruch tun können» wie es dem Rubel, der Mark und der Krone ge- lang, das Polentum zu ersticken. Im Gegentell, die durcb die allgemeine Frankwährung entstandene Frage der w> r t- sch östlichen Neuorientierung mit ihrem Elends- weg für die Arbeiterschaft wird der denkbar beste Agitator für das Deutschtum im Saargebiet sein.« Die allgemeine Frankwährung ist nämlich für die S a a r- i n d u st r i e von schwerwiegendster Bedeutung. Das Wohl und Wehe der Saararbeitersctzast aber ist mit dem der Industrie auf das engste verknüpft. Mit der Frankwührung erhält das Saargebiet für den deutschen Export den Charakter eines Auslandes. Das heißt, an Stelle der bisherigen deutschen Inlandspreise wird das Saargeblet Weltmarktpreise für die Einfuhr feiner lebens- wichtigen Waren bezahlen müssen. Das aber bedeutet teureren Einkauf und teureren Verkauf wie bisher. Die Hauptwaren- bezugsguellen des Saargebiets lagen aber bis jetzt in Deutschland . Die Ausfuhr des Saargebiets nach Deutsch - land wieder wird infolge der hohen Gestehungskosten sFrankbetriebskapital, Franklöhne, Frankfrachtsätze) mit einem schweren und wahrscheinlich aussichtslosen Konkurrenz- kämpf mit der rheinisch-westfälischen Industrie zu rechnen haben, was Absatzstockung, Betnebsstillegung und Arbeits- lofigkeit im Gefolge haben wird. Es erhebt sich deshalb d'e bedeutungsvolle Frage der U m st e l 1u n g und Neu- Orientierung der Saarindustrie nach dem W e st e n. Die saarländische Ausfuhr nach Frankreich würde besonders unter höheren Frachtsätzen wie die fran- zösische Industrie im Zentrum Frankreichs zu leiden haben. Die französische Industrie erholt sich ferner von den durch den Krieg gescvlagenen Wunden von Tag zu Tag mehr, und fo trifft die saarländische Industrie auch auf dem sranzösischen Wtrtschafismarkt einen scharfen Konkurrenten an. Gegen die „drohende Invasion" saarländischer Produkte läuft heute schon die französische Industrie Sturm. Die Aufträge der ftanzösi- schen Siaatseisenbahn an das Stahlwerk Dingler u. Karcher weckte schon den lebhaftesten Protest französischer Industrieller, und die französischen Drahtindustriellen wollen infolge der saarländischen Einfuhr jetzt schon gezwungen sein,„ihre Be- triebe zu schließen". Man ruft die Regierung auf. die Be- stimmung des Friedensvertrages, laut welcher die saarlän- difche Einfuhr nach Frankreich nicht das Friedenskontingenr überschreiten darf, strenger und rücksichtsiofcr zu handhaben. Es ist klar, daß dieser Kampf der saarländischen Industrie um eine Lebensmöglichkeit in Zukunft sich noch mehr wie bis- her für die Arbeiterschaft in Lohnreduzierungen, wie sie inzwischen in der Hüttenindustrie bereits zur Tat gewor- den sind, sowie in einem ständigen Druck des Unternehmer-
tums auf die Arbeitsbedingungen äußern wird. Diese trau- rige Lage der Saarbeoölkerung ist, ohne daß eine Wirtschaft- liche Notwendigkeit vorlag, durch die Umstellung der Marr- in die Frankwährung seitens der Saarregierung aus bestimmten politischen Gründen heraufbeschworen worden. Diese Tatsache wird von der Saarbevölkerung nicht ver- gesien werden._ Minifterberatungen über öle Steuern. Das Reichskabinett beschäftigte sich gestern mF dem Steuerproblem. Man einigte sich auf eine Ver' mögenszuwachssteuer, auf eine Zuwachssteuer aus Kriegs- gewinnen und auf Umänderung des Umsatz- und Stempel- äbgabengefctzes. Die Vorlagen des Reichswirtschaftsministers Robert Schmidt kamen nicht zur Sprache. Heute vor- mittag tritt das Rcichskabinett zu einer neuen Sitzung zu- sammen._ Münchhausens Drahtberichte. Ein Essener Revolverblatt gelb-nationalistischer Färbung, dem selbst in Essen kein Mensch Beachtung schenkt, veröffent- licht die Tatarennachricht, das Zentralexekutiv- komitee der dritten Internationale werde demnächst nach Berlin verlegt werden. Die Parteileitung der VKPD . habe bereits Anweisung erhalten, in das engere Zen- tralexekutivkomitee nach Berlin je sechs Vertreter aus Bayern und Württemberg , acht aus Sachsen und je einen aus Meck- lenburg, Pommern , West- und Ostpreußen , Ober- und Nieder- schlesien , Sachsen , Schleswig-Holstein , Hannooer, Westfalen . Rheinprovinz und Hessen-Nassau zu bestellen. Nach außen hin bleibe das Exekutivkomitee in Moskau , aber auch der Haupt- aktionsrat, der die kommunistischen Sektionen Polen , Italien , Tschechoslowakei , Bulgarien , Frankreich und Belgien mili- tärisch umschließe, komme nach Berlin . Die Berliner Partei- leitung sei mit dem Moskauer Befehl beauftragt worden, zu- nächst für 400 Mann Unterkunft vorzubereiten. Die Telegraphen-Union, deren Verbindungen mit der Schwerindustrie bekannt sind und von der man bisher annehmen konnte, daß sie immerhin noch einigen Wert auf ihr politisches Ansehen legt, veröffentlicht diese Meldung ohne Vorbehalt, ohne ein Wort der Kritik und ohne den inneren Wert und die Glaubwürdigkeit der Quelle auch nur anzudeu- ten. Wir erinnern daran, daß die Telegraphen-Union b e- reits vor einigen Tagen in auffälliger Weife offen- sichtliche Falschmeldungen über einen bevorstehenden Links- putsch verbreitete. Der Verdacht liegt nahe, daß hier wieder die Wühlarbeit jener pflichtvergessenen Sorte von Menschen einsetzt, die den roten Mantel des Bolschewismus zu ihrer eigenen Leichenfleddererarbeit mißbrauchen. Sollte die Telegraphen-Union so naiv sein, sich unbewußt zu Zu- hältern dieser unappetitlichen Elemente mißbrauchen zu lasten?
SozialisierungskommWon«nsRepa?ationen Die Sozialisierungskommiffion hat über die mit der Reparation zusammenhängenden Fragen eine Enquete veranstal- tct. Die Kommission behält sich vor, das Ergebnis dieser Enquete durch weitere Verhandlungen zu ergänzen und ihre eigene Stellung- nahm« in Gutachten niederzulegen. Die unterzeichneten Mitglieder der Kommission erklären vorläufig, daß ihnen al» Voraussetzung jeder wirksamen Reparationspolitik die Beachtung folgender Grund- sätze geboten erscheint: I. Die Reparation ist nur denkbar im Rahmen einer Wirtschasts- Politik, die eine Steigerung und Rationalisierung der Produktion be- zweckt. II. In diesen Rahmen muß sich auch dleAufbringungder Mittel einfügen, welche zur Vermeidung weiterer Geldentwertung durch Aufnahme schwebender Schulden unter allen Umständen die Herstellung des Gleichgewichts im Reichshaushalt erreichen muß. III. Da die Erträge der Volkswirtschaft an den Stellen, wo sie
Prioateinkommen werden, bereits stark belastet sind, und dadurch die Gefahr der Hinterziehung erzeugt wird, erachten die Unterzeich- neten den Uebergang zur Vesleuerung an der Quelle für nötig. Sie halten die unmittelbare Anteilnahme des Reichs an den Erträgnisse« in Landwirtschaft, Industrie, Handel und Banken für geboten: a) als beste Erfassung der Steuer an der Quelle; b) als Anteil der Allgemeinheit an der Preissteigerung, die infolge der Angleichung an die Weltmarktpreise eintritt. IV. Diese Art der Aufbringung kann dos Reich in den Besitz von Substanzwerten setzen, welche geeignet sind: a) bei eintretender zwingender Notwendigkeit durch Beleihunz oder Veräußerung von Vermögenswerten die Äeparations- Verpflichtungen zu erfüllen; b) gleichzeitig den mit der U e b er fr e md un g verbundenen Gefahren zu begegnen, indem durch planmäßige Regulierung ein regelloser Ausverkauf des Volksvermögens hintangehalten wird. Die Unterzeichneten betonen, daß eine solche Veräußerung der Substanzwerte nur zur Erfüllung der auswärtigen Zahlungsverpflichtungen in Betracht kommen darf, soweit diese in der Uebergangs- zeit anders nicht möglich sein sollte, keinesfalls aber zur Herstellung des Gleichgewichts im inneren Haushalt. Daltrusch, M. d. R. W. R.; Dr. Adolf Braun, M. d. R.; Adolf Cohen. M. d. R. W. R.; Feiler, M. d. R. W. R.t Hartmann, M. d. L.: Dr. Hilferding, M. d. R. W. R. und des Preußischen Staatsrats; Kaufmann: Kautsty; Professor Dr. Lederer; Prosessor Dr. Linde- mann; Erster Bürgermeister Dr. Luppe; Steger, M. d. L.; Professor Dr. Alfred Weber ; Werner, M. d. R. W. R.; Reicheminister a. D. Wissell, M. d. R. W. R. und M. d. R. Nicht unterzeichnet haben: Generaldirektor Kam; Direktor Krae- mer. M. d. R. W. R.; Dr. Kuczynski; Geh. Reg,-Rat Prentzel und Dr. Vogelstein. Diese Mitglieder stimmen der Erklärung sachlich nicht zu. Batocki und Reichstagsabg. v. Siemens wohnten den Der- Handlungen nicht bei und wünschen ihr« Stellungnahme erst nach Kenntnis der stenographischen Protokolle der Enquete festzulegen. Professor Dr. Ball od und das Mitglied des Reichswirtfchaftsrats Umbreit waren in der kurzen Zwischenzeit nicht erreichbar. Die Zu- stimmung Baltr Uschs, der mit unterzeichnet hat, gilt nur den drei ersten Punkten der Erklärung, nicht dem vierten. Keine sächsischen Neuwahlen. Dresden , 23. Juli. (MTB.) In der heutigen Sitzung des Landtages gab Minister des Innern Lipinski eine Erklärung über die Ablehnung der Steuervorlage der Regierung durch eine aus den bürgerlichen Parteien und den Kommunisten bestehend- Mehrheit ab. Der Minister sagte, ohne Grund- und Gewerbesteuer sei keine Besoldungsordnung und keine Erhöhung der Pensionen möglich. Die Regierung würde es begrüßen, wenn der Landtag, wie die Verfassung vorschreibe, durch eigenen Beschluß sich auflöse und so das Volk selbst entscheiden lassen. Die auf diese Regierung?- crklärung folgende Debatte brachte keine Klärung der Lage, schließ- lich wurde ein Antrag angenommen, nach dem die Regierungsoor- läge noch einmal an den Sonderausschuh zurückverwiesen wurde. Das Haus beschloß ferner, die Einsprüche des Retchsfinanzministers gegen die sächsische Besoldungsvorlage vor das Reichsschiedsgericht zu bringen. Der Landtag vertagte sich sodann bis zum September. Eisenach für Anschlnft an Preuhen. In der Frage des Anschlusses de» E i f e n a ch e r L a nd e s an die Provinz Hessen-Nassau sprach, wie WTB. meldst, eine Abordnung au» Eisenach beim Preußischen Minister de» Innern vor, Der-Minister verwies die Erschienenen auf Art. 13 der Reichsver- fassung, der allein die Voraussetzungen regele, unter denen Gebiets- Veränderungen der Länder erfolgen könnten. Das Schwergewicht liege hiernach in dem Willen der beteiligten Bevölkerungskreise. Be- reits die frühere Preußische Regierung habe gelegent- lich einer Kleinen Anfrage in der Landesversammlung im November 1020 erklärt, daß, falls von thüringischer Seite der Wunsch einer wirtschaftlichen oder politischen Annäherung an Preußen her- vortrete, die Preußische Regierung ihrerfens der Erfüllung solcher von breiten Bevölterungsmassen getragenen Wünsche teinHinder. n i s in den Weg legen werde.
Sommerferken eines Journalisten. Bon Karl Heinrich Krüger. Don früher her weiß ich, daß die Leute während Ihrer Sommer- ferien zu verreisen pflegten. Meist nach irgendeinem weltentlegenen Badeort völlig unbekannten Namen». Daß sie am Ende braun- gebrannt wie ein Mischling aus Neger und Franzose zurückkamen, ihren Bekannten sogenannte Reiseandenken gerührt in die Hand drückten— meist aus einem bekannten Weltbadeort, an dem man Zugaufenthalt gehabt hatte— und schließlich beteuerten, e» sei schrecklich schön gewesen, also wirtlich. Da», alles war früher so Sitte bei uns. Aber die Zeiten ändern sich und mit ihnen Menschen. Seitdem infolge des verlorenen Krieges— weshalb verloren, dar- über erteilen gratis und gern Auskunft:„Deutsche Tage»"-,„Deutsche und„Kreuzzeitung "—, seitdem also unser Markkurs eine Entfernung in die Tiefe zurückgelegt hat, die selbst den Astronomen imponiert, seitdem soll der sogenannte Reise- und Fremdenverkehr nachgelassen haben, woran aber die Kriegsschieber keine Schuld haben, denn ste absolvieren standesgemäß nach wie vor Ihren Bodeaufenthalt in Herinzsdorf, Ahlbeck , Norderney und sonstwo, zumindest besuchen sie dort von Berlin aus ihre Familie per Luxusauto oder Flug- Maschine. Die Menschen aber, ich wollte sagen die übrigen Menschen sollen sich im allgemeinen da» Reisen heutzutage sehr überlegen. Wer doch fährt, kommt wohl zuweilen noch wie in der guten alten Zeit wind- und wettergebräunt zurück, die Hand aber, die sonst mit phäakischer Freigebigkeit Reiseandenken austeilte, ist leer, und statt der üblichen pathetischen Lobeshymne daraus, daß es so furchtbar schön war, wird man je nach Stärke der zurückkehrenden Familie mit einem Schimpfduett,-quartett,-oktett über die wahnsinnig hohen Preise und das folglich leere Portemonnaie beglückt. Trotzdem ich da» alle» genau wußte, ließ ich mich höchsterseits dazu verleiten, in die Sommerferien zu gehen. Als ich eines Morgens zur Redaktion komme, werde ich gefragt, ob ich nicht nach X. gehen wollte, um dort für drei Wochen den polltischen Redakteur unseres Parteiblattes zu vertreten. Ich sollte noch näheren Bftcheid bekommen. Und richtig: nächsten Morgen klingelt mein Telephm: „Sie sollen sofort nach I. fahren". Durch das Rattern de» Zuges hindurch lächelte ich überleg'.n: diese guten Leutchen alle fahren in die Sommerferien, kommen mit leerem Beutel heim und schimpfen über die hohen Preise, uad du fährst in tzie Sommerferien und bekommst noch Geld dazu. Denn Ferien werden's doch gewiß. Die paar Stunden RedaktionsZdtt und den ganzen übrigen Tag frei. Nur gut. daß ich mir meine spanische Arbeit und Klaviernoten mitgenommen Hab«, sonst wird'c noch langweilig. Und ich muß wieder überlegen lächeln. Die eigentliche Arbeitszeit liegt zwischen acht und elf Uhr vor- mittags. Da heißt es schneiden, kleben, streichen und schreiben wie un Teufel und zulegt mit den Manuskripten in die Setzerei stürzen wie zweie. Als der Umbruch fertig ist, sticke ich erschöpft in meinen
Stuhl und schnappe nach Luft. Bor mir liegt ein Stoß Zeitungen, die nur ganz flüchtig durchgesehen sind; sie müssen noch bis auf die innersten Eingeweide verarztet werden. Das erfordert Stunden. Aber heute nachmittag....„Guten Tag". Ich erwidere den höflichen Gruß ebenso unhöflich. Ich habe doch jetzt Ferien. Wie kommt der Mann dazu, mich noch in meiner Arbeit zu stören. Was soll ich alles? Heute nachmittag ein« Sitzung wegen Protestverfammlung, heute abend eine Bezirtsver- fammlung, da soll ich einen Dortrag hallen, nächste Woche in der Protestversammlung reden, nächsten Sonnabend aus der Funktionär- konferenz einen Vortrag halten, und noch etwas? Seelenruhig, freundlich lächelnd diktierte mir der Vorsitzende de» Ortsvereins unserer Partei die Daten in die Feder. Und ich fügte mich. Als ich nachts um 1 Uhr endlich dazu kam, in« Bett zu steigen, da war ich zu müde, um Dergleich« anzustellen zwischen meinen Sommerferien und den Ferien der anderen, die ich auf der Fahrt nach X. einen Tag zuvor noch so überlegen belächell hatte. Es war vielleicht auch ganz gut so., Sonntag:„Sonne und Regen müssen ja sein, sollen zum Segen die Saaten gedeihn," so heißt e, in einem altfinnischen Voltslied«. Und da ich selber einen Garten besitze, sah ich die oben angedeutete Notwendigtell ein und haderte nicht weiter mit dem Himmel, daß er ausgerechnet am Sonntag well über das polizeilich erlaubte Maß hinaus im rasenden Wechsel von Sonnenschein und Regen seine Energien vergeudete. Al» erstrebenswerte» Ausflugsziel hatte man mir den Stadtpark genannt. Da ich, wie kaum«in zweiter die fabelhafte Fähigkeit besitze, mich auch am hellsten Tage gründ- lich zu verlaufen, so war es bei diesem Wetter kein Wunder, daß ich den Stadtpark nie zu sehen bekam. Trotzdem ttppell« ich frisch drauflos. Am Abend sollte noch der größte Tell der Manuskripte für Montag fertiggemacht werden, damit die Setzer am Montag früh um sechs losklavieren tonnten. Bis dahin aber wollte ich meine Freiheit, genießen, mein« Ferien. Ueberlegen dabei zu lä- cheln, hatte ich mir abgewöhnt. Häuser. Irgendein Dorf. Girlanden mit der Inschrift„Herz- lich willkommen." Die haben auch ihren Sonntag genau wie ich. Radfahrer sind es. Zahlreiche Vereine. Ich freue mich übe? das muntere Treiben.„Ah, guten Tag, sind Sie nicht von der«Volks- stimme"? Das paßt aber fein. Sie können doch unser Fest mit- machen, die Reigen und das Kunstfahren mitansehen und einen Bericht darüber schreiben." Welche Spottgeburt der Phantasie hatte mir da einen freien Sonntag vorgegaukelt! Im Marsch— marsch zur Redaktion, im Hetztempo die Arbell gemacht, dann wieder raus zu dem Dorf, um noch zum Neigen- und Kunstfahren zurechtzu- kommen mit anschließender kleinen Kneipe. Am zweiten Sonntag hatte ich Besuch, der die Hälfte des Tages allein blieb, weil ich einer Preßkommissionssstzung beiwohnen mußte, am dritten Sonntag hatte ich in Berlin dringende Geschäfte zu erledigen� von den übrigen Tagen bester nicht zu reden. Don
allem, was mit mir nach X. gegangen ist, hat allein meine spa- nische Arbeit drei volle Wochen Sommerferien gehabt. Für das Klavier dagegen habe ich mit List und Tücke manche halbe Stunde ergaunert, die allerdings nicht immer außerhalb der mietstontrakt- lich festgelegten Mittagsruhe meiner Nachbarn fiel und dann stets ein„unerhörtes" Klopfen hervorrief, d. h. ich hört« es eben nicht. Di« Stadt X. ist eine sehr schöne Stadt. Es gibt dort noch eine uralte Stadtmauer mit Toren darin,«inen Stadtwall, auch aus aller Zeit stammend, da die Städte noch auf kriegerischen Schutz bedacht sein mußten, es gibt einen neuzeitlich angelegten Part, es gibt ein außen wie innen sehr schön gebaute» Theater— na, reden wir nicht weiter darüber—, e» gibt Kinos, es gibt gutes Vollbier, es gibt schöne Wirtstöchter, es gibt sogar hin und wieder eine Elek- ttische, nur dann nicht, wenn man den Berliner D-Zug noch un- bedingt schaffen muß. X. ist wirklich schön, nur— und so beende auch ich zeitgemäß meine„Sommerferien"— wenn die verdammten hohen Preise nicht wären!
Die deutsche Kunstausstellunq in Holland . An die Nachricht, daß die„Kornscheuer"«ine deutsche Graphikausstellung In Nieder. löndlsch- Indien veranstalte, hatten wir die Frag« geknüpft, ob diese Schau etwa das Gegenstück für die vor«inigen Monaten im hiesigen Kronprinzenpalais gezeigte Ausstellung junger Holländer fein lallte. Daraufhin teilt die„Kornscheuer" jetzt mit, daß die deutsche Kunstausstellung in Holland von dieser Veranstaltung nicht be- rührt werde, sondern Anfang nächsten Jahre» in Holland stattsinden solle. Eine Berichiebung dieser Ausstellung um einige Zeit sei unter anderm mit Rücksicht auf die allgemeine wirtschaftliche Depression notwendig gewesen. Eine neue arktische Expedition. Der englisch « Polarforscher Donald B. MacMillan , der bei der Nordpolexpedttion von Peary 1909 sein erster Leutnant war, bricht jetzt zu einer neuen Expedition auf, durch die er hauptsächlich Baffinsland, die große arktische Insel südwestlich von Grönland , erforschen will. Das Schiff der Expeditton, die sechs Mitglieder umfaßt, ist der IIS-Tonnen-Schoner Bowdoin. MacMillan hofft, Baffinsland Mitte August zu erreichen und ein Lager südlich von dem Eingang in die gefährliche Fury- und Helena-Straße zu errichten. Im Winter 1921 zu 1922 soll die Küste von Baffinsland erforscht werden, und der Sommer 1922 wird dem Eindringen in das Innere der unde» kannten Insel gewidmet sein, wo nach den Erzählungen von Eskimos sich ein reiches Feld für die Erforschung darbieten soll. Nach ihren Angaben befinden sich dort große Erzlager, hohe Berge und schöne Seen, die noch niemals von weißen Männern ge- schaut wurden. Besondere Beobachtungen sollen dem m a g n e t i- schen Pol gewidmet werden, der zuerst von James Roß 1830 nicht weit von dem in Aussicht genommenen Winterlager MacMillans festgelegt wurde. Die Expedition wird auch den Bersuch machen, um Baffinsland herumzufahren. Viktor Palfi, der Direktoi de« Sltuttt Operetteahaujet, ist im KUtt fett Jahren plötzlich gestorben.