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Eröffnung öer Sielefe Dielefeld. 29. Juli. (Eigener Drahtbericht des.Vorwärts".) Freitag nachmittag 3 Uhr sammelten sich die Jungsozialisten auf der „Berglust" zu ihrer ersten Reichskonferenz. Bald war der große Saal gefüllt und mancher mußte auf der Veranda den Worten lauschen, die darinnen über das Sehnen und das Wollen der Jung- sozialiften gesprochen wurden. Nachdem die Klänge des gewaltigen Liedes:„Die neue Zeit" verhallt waren, nahm Genosse Heinrich Schulz das Wort und begrüßte die Erschienenen im Namen des Zentralbildungsausschustes. Er erinnerte daran, wie nach den Männern die Frauen zur Bewegung kamen, wie für sie politische Freiheiten errungen wurden, wie dann die Jugendbewegung ent- stand, ganz allmählich, Schritt für Schritt. Kurz streifte er die Ur- fachen der jungsozialistilchen Bewegung, erkannte an, daß die Or> ganisationsarbeit vielfach so hausbacken ist, daß sie die Jugend nicht anziehen kann. Aber er wünscht, daß das Bekenntnis der Jugend zum Sozialismus und ihr Wirken in ihm der Jugend, der Partei und der Arbeiterschaft dauernde Erfolge bringen. Mit sehr warmen, von Herzen kommenden Worten begrüßte der alte Kämpe der Biele- felder Arbeiterschaft, Genosse Schreck, die Tagung, das Wort an die Spitze stellend,„auf die Tat kommt alles an". Er erinnert an die schweren Kämpfe, die die Arbeiterschaft Bielefelds in der Ver- gangenheit zu führen hatte, und stellt fest, daß sie trotz aller An- fechtungen von rechts und links standgehalten habe. Nicht darauf kommt es an, etwas zu scheinen, sondern etwas zu sein.„Sei du in allen Stunden deines Lebens du selbst," so rief er der Juaend zu, die ihn mit lebhaftem Heil grüßte, als er geendet hatte. Genosse Hermann Müller begrüßte namens des Parteivorstandes die erste Reichs- konferenz der Jungsozialisten. Er auferlegt den Jugendlichen die Verpflichtung, die große politische Bewegung mit dem Schwung zu versehen, dessen sie bedarf, um den Sozialismus zur Tat werden zu lassen. Rüdiger begrüßt im Namen des Hauvtvorstandes der Arbeiterjugendverbände den Jungsozialistenkongreß und wünscht, daß aus der Zusammenarbeit der Jungsozialisten mit der Arbeiter- jugeud Ersprießliches für den Sozialismus entstehe. V o o g d- Amsterdam überbringt im Namen der ausländischen Freunde, die noch nicht alle in Bielefeld eingetroffen sind, die herz- lichsten Grüße. Es fehlen noch die Belgier, die Franzosen und die Schwaden. Die Dänen sind schon hier und heute abend erwartet man über IVO Holländer. Die junasozialistische Bewegung fn Holland ist noch sehr schwach, aber wir hoffen, daß wir in nicht ferner Zeit so stark sein werden wie in Deutschland . Alsdann konstituiert sich das Bureau und Genosie W e i m a n n vom Zentralbildungsausschuh erstattet den Bericht über die Bewegung. Cr bemerkt, daß es nicht viel zu berichten gibt, daß die Anhängerzahl in den verschiedenen Orten des Reiches steigt und dag 89 Gruppen in Bielefeld vertreten sind. Aber eine Zahl fei nicht der Ausdruck einer Bewegung. Wo eine gute Jugendbewegung vor- handen war, find die besten Ansätze für die jungsozialistische Bewe- gung gegeben. Ueberall ringt die Jugend seit der Beendigung des Krieges nach neuen Zielen. Die Partei hat alles getan, um diese Bewegung zu fördern. Der Kasieler Parteitag schuf die organiso- torische Grundlage und begrüßte das Streben ckier Parteijugend nach einer Selbständigkeit. Diese Jugendbewegung ganz im besonderen kann niemals gemacht werden, sie kann nur getragen werden von der Jugend selbst. Wir haben eine Bewegung von jungen Sozial- demokraten und haben sie einzustellen auf die Sozialdemokratische Partei , deren Vorhut die Inngsoziallsten werden sollen. Das Sprachrohr der jungen Bewegung war bisher die„Arbeiter- bildung": sie hat zwar ihre Aufgabe erfüllt, aber sie wird dennoch durch einen neuen Kämpfer für die JuNisozialisten ersetzt werden müssen. Nach diesem Bericht erfolgen die Referate über das Thema: „Was wir wollen." Als erster erbält dos Wort Genosse M ü l l e r- Magdeburg. Er führt im wesentlichen aus: Als Folge dieses Krieges hat sich eine Schwärmerei und eine Sucht noch neuer Kultur bemerkbar gemacht. Da erhob sich der Idealismus bei der deutschen Arbeiterjugend. Auch der Idealismus muß hinein in die Sonne und hinaus in den Sturm. Pflicht der Jungsozialisten ist es, für diesen Idealismus, für den neuen Menschen zu wirken. Das Verbinden Im vertrauten Kreise darf keine lange Bant sein, aus der man ausruht, wäbrend draußen gekämpft wird. Opposition gegen das alte ist das Recht der Jugend. Wer etwas Neues ins Leben stellt, muß das Alte verneinen, aber die Opposition muß in einer Linie verlaufen, die zu einem Ergebnis führt. ..Engstirniger Klassenkampf", der nur zur Wahrung materieller Interessen dient, gehört nicht zu dieser Opposition. Wenn diese Be< hauptung von dem angeblich engstirnigen Klassenkampf richtig wäre, dann hätte unsere Partei niemals die Zelt des Gozioliltengesetze» überlebt. Wenn die Lungsozialisten glauben, sie seien besser al» die Alten, dann ist das nicht wahr. Heute geht es nur besser.(Sehr wahr» Ihr Jungen wart einst für die Alten das Ziel. Darum fallt Ihr in Edrfurcht derer gedenken, die es ermöglicht, daß Ihr Euch jetzt der Sonne freut. Der Redner zervflückt dann die dumm« Mär, daß das„Gift" des Klassenkampfes in die Massen hinein- aetraaen worden ist. Der Zweck des Sein«, fährt er dann fort, ist der Mensch. Wir sind in das Leben hineingestellt und müssen einen nicht immer idealen und schönen Kampf führen. Das zwingt uns zum Zusammenschluß in der Partei. Es liegt nicht immer viel ehrlicher Kampfeswillen und Mut darin, wenn man es ablehnt, Stellung zu ihr zu nehmen. Eine Gemeinschaft von Jungsozialisten,
die sich um alles und jedes kümmert, ist entsetzlich. Es ist nicht erfreulich zu sehen, wie junge Arbeiter ihr inneres Leben auf offe- nem Markte zur Schau tragen. Wie viel Kraft und wirkliches Talent verfliegt dabei nutzlos. Wir haben zu wirken in weiter Runde und nicht in kleinem Kreise. Für das, was wir wollen, müssen wir kämpfen. Die Arbeilerjchast braucht eine neue Form der Feierlichkeik, die die Jugend ihr geben kann und in vielen Fällen auch zur Freude der Alten gegeben hat. Wir müssen in der Partei einen Geist fchaifen, der nicht nur nach der Notwendigkeit, sondern auch noch der Nützlichkeit fragt. Ihr seid die junge Kraft, die diese Aufgabe er- füllen kann. Ihr könnt unmittelbar wirken und all die Freude und all die Sonne, die Ihr Euch schafft, müßt Ihr in die Arbeiterschaft tragen.(Lebhaftes Heil und ebenso lebhafter Widerspruchs Der Korreferent Genosse Bach betont eingangs, daß wir eine Kampf- gemeinfchaft sind, das, was sich der Arbeiter in der Partei und in den Gewerkschaften gegeben hat, müssen wir ausbauen, um ein abermaliges Versagen der Arbeiterklasse ähnlich wie im November 1918 unmöglich zu machen. Gestern wie heute wird die Arbeiter- bewegung getragen von wenigen Idealisten, während die Masse nur wegen materieller Interessen sich ihr anschließt. Wir verkennen nicht, daß uns die Umstände und die Zeit verpflichten, in Reih und Glied mit den Leuten zu stehen. Zu allen Kämpfen ist immer Jdea- lismus notwendig, der stark genug ist, um alle egoistischen Triebe niederzuhalten. Krieg und Revolution haben bedingt, daß Kreise, die uns sonst noch sehr fernstanden, zu uns kamen, ohne daß sie in diesem Sinne den Sozialismus erkannt hatten. Ihnen Müssen wir die Grundlagen geben, damit die Sozioldcmokralie eine große Lebeilsgcmeinfchafi werde. Der sozialistische Rohmen, den man ein Staatswesen heißen kann, muß ausgefüllt werden und kann nur ausgefüllt werden von sozialistischen Menschen. Wir wollen das Rad der Geschichte weiter treiben mit den alten unter besonderer Betonung der Forderungen und Notwendigkelten der kommenden Zeit, für die wir die große Verantwortung tragen. Die Forderung des Tages heißt Aufbau auf allen Gebieten, auf wirtschaftlichem, politischem und kulturellem, und in diesem Aufgabentreis liegt auch die Aufgabe der Jung- fozialisten.(Heilrufe.) Damit hat der erste Tag der Iungjozialisten- konferenz lein Ende erreicht. Am Abend fand in den Zentralhallen eine riesige Kundgebung der in Bielefeld versammelten Iungsozialisten aus dem Reiche statt. Die Derfammlung wurde eingeleitet durch einen Gesang der Jugend- lichen, durch eine mit großem Beifall aufgenommene Begrüßungs- rede des Genossen Schreck und durch Rezitationen jugendlicher Bielefelder Arbeiter. Alsdann ergriff Hermann Müller im Namen des Partei- Vorstandes das Wort. Nach einer großangelegten Rede, in der er die Aufgaben der jungsozialistifchcn Bewegung skizzierte, zeigte er der Parteijugend, ein wie großes Gebiet sich ihr hier zur Bearbci- tung auftue. Er führte u. a. aus: Wir haben die Republik unter allen Umständen zu erhalten, und diejenigen, die die Republik stürzen wollen, mögen sich gesagt sein lassen, daß die Herzen und Hirne der Arbeiter die beste Verankerung der Republik sind. Er wies auf die großen Gefahren hin, die in der nationalistischen Verhetzung der Jugend liegen, wie sie von abgedankten Generälen und 2ldmiralen in Wort und Schrift nelührt wird. Aus diesem gewaltigen Kriege haben wir, so sagte Müller weiter, die Folgerung zu ziehen, daß wir überall eintreten für vollständige Abrüstung. Es darf nicht mehr fein, daß die Arbeiterfugend, fei es als Deer, wie es der alte Staat gekannt hat, fei es als Volksheer oder Miliz, auf den Schlachtfeldern verblutet.(Stürmisches Sehr richtig.) Zum Schlüsse sagte«r: In diesem Ringen um eine bessere europäische Zukunft muß die Arbeiterklasse und besonders die Jugend der Vortrupp sein. Geben wir unseren belgischen und französischen Genossen das Betspiel eines tätigen Volkes, dann er- leichtern wir ihnen ihre schwere Stellung. Alsdann zeigte Paul L o e b e die kulturellen Aufgaben der Jungsozialisten, die er am Schlüsse folgendermaßen zusammenfaßt«: Die Alten kämpften um die Eroberung politischer Rechte, die Jungen sagen: Wie werden wir sie verwenden können? Die bisherige Ent- wicklung brachte uns nicht an die politische Macht. Wie führen wir den Sozialismus herbei? In diesem Streben setzen die Jugendlichen die Arbeit der alten Parteifreunde fort. In diesem Sinn« unser herzlichstes Glückauf! Sodann sprach der Vertreter der Auslondsgälie und besonders der soeben einqetrbsfenen hundert Holländer, Genosse V o o g d- Amsterdam, dessen Rede ausklang in den Ruf: Zerbrecht die Waffen, auf daß es nie wieder Krieg gebe." Zum Schluß der eindrucksvollen Kundgebung wurde folgende Resolution einstimmig angenommen: Die aus allen Teilen Deutsch » land« au» Anlaß der Reichskonferenz und des Internationalen Juqendtaqes versammelten Jungsozialisten bezeugen den festen Willen der Entfaltung des Sozialismus die tatkräftigste Förderung zu geben auf der Grundlage der republikanischen Staatsform und der gleichen Rechte aller Staatsbürger. Diele Form in wahrhaft sozialistischem Sinne auszuführen auf dem Wege der Demokratie, werden wir den Kampf führen. Dieser Kampf erheischt eine große Verpflichtung in dem Ausbau und eine Vertiefung internationaler Beziehungen, ist doch eine starte Internationole das sicherste Boll- werk gegen alle blutigen Auseinandersetzungen der Völker. jfc-aMMSiacr'iTl'
Die Krise in Thüringen . Die Li»lkskoalitio« gesprengt? Weimar , 29. Füll.(BJXB.) 3m Thüringischen Landtag wurde ein Antrag der llnabhSngigen auf sofortige Einstellung der Arbeiten des Landtag » und auf seine Auflösung abgelehnt. Darauf wurde ein Autrag der Rechten auf Weiterberatuog und Verabschiedung de» veamlenbesoldungsgesehes angenommen. Ent- scheidend für die Annahme war die Haltung der Demokraten, die für den Antrag stimmten und somit der bisherigen Koalition den Rücken kehrten._
Steuer unö Ueberftunöen. Immer wieder taucht die Behauptung auf, daß Ueberstunden zu den Verdiensten gehören, die nicht unter das Lohnsteuergesetz fallen. Das ist ein großer Irrtum. In unserer Morgenausgabe vom 28. Juli haben wir erst wieder den für diese Frage entscheiden- den§ 45 des neuen Lohnsteuergesetzes abgedruckt. Dieser erläutert den Begriff des Arbeitslohnes. Es heißt da, daß als Arbeitslohn der Gesamtbetrag der Einkünfte gilt, gleichviel unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form er bezogen wird. Dazu gehören auch Ueberstunden, Ueberschichten, Sonntagsarbeit und son- skige über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Arbeits- leistungen. Unterschiede in der Behandlung bei der Berechnung de» Steuer- abzug» werden nur für zweierlei Sondereinnahmen gemacht. Die einmaligen Einnahmen(Tantiemen, Gratifikationen usw.) unterliegen dem Abzug von 19 v. H. ohne Anrechnung der Er- Mäßigungen für den Steuerpflichtigen, für Ehefrau, Kinder, Wer- bungskosten usw.; die sogenannten Dienstaufwandsentschä- digungen bleiben völlig steuerfrei.
presse unü Zernsprechgesetz. In den Ausführungsbestimmungen zum neuen Fernfprech- gesetz, das am 1. Oktober in Kraft treten soll, ist vorgesehen, Nacht- abonnementegespräche nur noch zwischen 19 Uhr abend» bis 7 Uhr morgens zu gestatten und sieben Stunden am Tage den Fernsprecher für dringende Pressegespräche ganz zu sperren. Dafür dürfen in der übrigen Zeit dringende Presse- gespräche in unbeschränkter Anzahl mit einfacher Gebür stattfinden. veber die Gründe dieser Umstellung de» Fernsprechverkehr» für die Presse verlautet nichts, jedoch ist kaum anzunehmen, daß sie einen Vergleich mit den Schäden, die Presse und Oeffentlichkeit da- durch erleiden, aushalten. Es liegt nun einmal im Wesen der mo- dernen Presse, daß sie an den Augenblick gebunden ist und sich nicht auf bestimmte Stunden festlegen kann. Der Verkehr zwi- schen Provinz und Landeszentralen, zwischen Inland und Ausland würde Hemmungen unterworfen werden, die die Presse nicht ver- tragen kann. Eine Zeitung, und vor ollem die politische Zei- tnng, muß sich heute jederzeit auf den Fernsprecher verlassen können, außenpolitisch wie innenpolitisch ist es von gleich großer Bedeutung, der Presse in dieser Hinsicht vollste Bewegungs- freiheit zu geben. Eine Verzögerung könnte da Folgerungen vach sich ziehen, die zu vermeiden Pflicht der Regierung ist. Um- stellen läßt sich der moderne Pressebetrieb ebensowenig, wie sich etwa das moderne Großstadtleben durch einen Federstrich auf«in anderes Tempo einstellen ließe. Da die Aueführungsbestimmungen bereits in allernächster Zeit dem in dieser Materie allein zustän- d'gen vorläufigen Reichswirtschaftsrat zur Beschlußfassung vorge» ligt werden, sollten sich die Organisationen, denen diese Frage eine Lebensfrage ist, zu einer geschlossenen Kampffront zusammen- finden.
Abschiebung deusscher veamter aus Posen. In den letzten Tagen haben, nach einer TU.-Meldung, in Posen die Magistratsboten deutscher Nationalität ihre Kündigung erhalten, darunter Hilf«. boten, die schon 2S Jahre im Dienst d«r Ttadt stehen. Die Maß- regel wird damit begründet, daß an ihre Stelle Kriegsinva» l id en treten sollen. Vor einiger Zeit wurden auch die deutschen Arbeitet au» der GasanstaN entlassen.
Vielweiberei in Frankreich . Der F r e i s p r u ch eines Manne», der wegen Bigamie angeklagt war, durch ein Dersailler Gericht hat die Frage der Einführung der Dielweioerei in Frankreich , die bereits während des Kriege» öfter» erörtert wurde, wieder in Fluß gebracht. In einem Aussatz de»„Petit Bleu" erklärt Jean Heß, daß „Frankreich von fremden Elementen aufgesogen werden wird, wenn es nicht die Dielweiberei einführt". Er fordert die Regierung auf. dem Beispiel des Gerichtes zu folgen und Bürgern, die den Mut und die Mittel haben, zwei oder mehrere Frauen zu nehmen, die gesetzmäßige Erlaubnis dazu zu verleihen. Heß sogt, die Krists sei auf dem Lande schon so groß, daß Bauern die Ackerbaugerate ver- lassen, weil sie mit einer einzigen Frau das Land nicht bestellen können und von ihr nicht genug Kinder haben, die ihnen helfen können. Sodann sei die Zahl der unoerheirateten und«rwerbs- losen Frauen so gewaltig, daß ihre Versorgung«in unlösbare» wirt- schastliches Problem bietet. Allen moralischen Bedenken gegenüber erklärt er. daß Biel- weiberei die natürliche Form der Che sei und daß man damit nur zu dem Brauch von Kulturen und Religionen zurückkehre, die ebenso klug und verehrungswürdig gewesen seien als die unseren. Er soricht die Ansicht au», daß die Frauen selbst einer solchen staallichen Verordnung keinen Widerstand leisten würden. Sein Lickitfleaad. Au» den Erinnerungen Iuliu» Daran«, des in diesen Taaen verstorbenen Begründers des Berliner Winter- gartens, erzählt Leo Heller folgende Anekdote: Es war in Luxor. Dort lernt« ich einen Grafen Arco kennen. Eines Tages traf ich ihn und wies im Lauf« unsere» Gesprächs auf die Naturschönhelten, die uns umgaben, hin. „Muß man angesichts dieser Pracht nicht zum Sonnenan- beter werden, Herr Graf?" „Ich nicht, ich bin Katholik", erwiderte er. „An die Opporkuatsten." In de? letzten Nummer der„Heim- welt" brachten wir die Verse von Arno Holz : Die sieben Weisen waren eure Väter, Doch euer Ohm ist Judos , der Verräter, Denn wie der Wind weht, macht ihr wpkr Front, Und euer Bauch ist euer Horizont. Dafür nennt uns die„Rote Fahne" schelmisch«inen„kleinen Schäker." Weshalb eigenlltch? Weder Arno Holz noch wir haben dabei an die deutschen Kommunisten gedacht. Zwar stimmt es. daß dieis, wie der Wind aus Moskau weht, tapfer Front machen: aber kein Mensch wird behaupten wollen, daß die sieben Weisen ihr« Väter waren.___
TSdamerikanIsche Hilfe für die deutsche Wissenschaft. Schon Ende de» letzten Jadre« war der Deutsche wissenschastllche verein in ? u e n o» A i r e» in der Lag«, der Rotgemeinschaft der deutschen Wiss en- schntz als Ergedni» einer Sammlung mehr al» LtzOoiX» M. zumiudren. In d!«>em Jahre wird eine Wiederholung dieser Sammlung geplant.— lln Brasilien ist ein« ähnliche Sammlung in Mang, die einen guten Er- folg verspricht.— Auch au« Chile , und zwar bisher au» Vaiparaiso und der lleineu deutschen Kolonie in«utosogafla, s»d erfreulich« Betröge»in- gegaugm,
Störer öer Reichseinheit. Aus Arolsen wird uns geschrieben: Die Frage nach der Zukunstsgestaltung der staatsrechtlichen Verhältnisse Waldecks hat zwischen der Rechten und der Linken in der Waldeck-Pyrmonter Londesvertretung zu grundsätzlichen Mei- nungsverschiedenheiten und zur Obstruktion der Rechts- Parteien geführt. Während früher die gesamte Londesvertretung den Anschluß Waldecks an den Nachbarstaat Preußen befürwortete, wollen jetzt die sechs deutschnationalen Abgeordneten und der einzige Vertreter der Deutschen Volkepärtei unter der Mit- Hilfe Preußens die Selbständigkeit des Zwergstaates Waldeck weiter erhalten. Nachdem neuerdings der Anschluß Pyrmonts an Preußen mit Vertretern der preußischen Regierung besprochen und in seinen Einzelfragen befriedigend geklärt ist, auch bereits früher von der Landesoertetung einstimmig gutgeheißen worden war, ist nunmehr auch die Anschluhfrage unseres Waldeckschen Freistaates akut ge- worden. In ganz«inseitiger Weise und ohne sichere Unterlagen für die finanzielle Kraft Waldecks, haben die Herren der Rechtsparteien namentlich auf dem Lande Stimmung für ein Selbständigbleiben unseres Ländchen« versucht. Sie wandten sich dabei natürlich mehr an das Gefühl Aer Waldecker als an deren Verstand. Die Be- mühungen der rechtsparteilichen Minderheit verdichteten sich in der vorletzten Sitzung des Landtages zu dem Dringlichkeit»- a n t r a ge, die verfassunggebende Landesversammlung des Freistaates Waldeck-Pyrmont auszulösen und bis spätesten» 1. Oktober d. I. Neuwahlen vorzunehmen. Sie hoffen, da- durch einen für Ihre Zwecke gefügigeren Landtag zu erhalten und so ihre eigenartigen Pläne durchsetzen zu können. Dieser Forderung traten die sozialdemokratisch« und demo» kratische, sowie auch die Fraktion des Waldeckischen Dolksbundes entgegen, indem dies« Mehrheit sich auf den Standpunkt stellte, daß ein Anschluß an Preußen, das auf Grund eines 1867 abgeschlossenen und später des öfteren erneuerten Atzesstonsvertrage« schon fest jener Zeit die Verwaltung geführt hat, da» Richtige sei.
Die Landtagsmehrheit glaubt nicht daran, daß ein kleines Staaten- gebilde, wie Waldeck, mit seinen 55 999 Bewohnern im Hinblick auf den zu erstrebenden deutschen Einheitsstaat fernerhin als extstenz. berechtigt gelten könne. Man glaubt picht daran, daß di« Ein- nahmen des Landes sich dauernd in einer solchen Höhe bewegen werden, um die Selbständigkeit dieses Liliputstaates auf die Dauer sicherzustellen, mögen auch unter den heutigen abnormen Verhält- nissen noch so günstige Berechnungen von gewisser Seite aufgestellt werden. Eine vollständig genügende und weitaus bessere Selb- ständigkeit erblicken die Mehrheitsparteien in dem zur Verwaltung des waldeckischen Dominialoermögens zu bildenden Kommunal» verband. Sie stellten deshalb den Antrag, über einen Anschluß erneut mit Preußen in Verhandtungea zu treten und nach Klärung der einschlägigen Fragen den Waldeckern Gelegenheit zu geben, durch eine Boltsabstimmung ihren Willen kundzutun. Er- klär« sich das Volt gegen einen Anschluß an Preußen, so soll« so- fort zur Neuwahl der waldeckischen Landesvertretung geschritten werden. Von einer Volksabstimmung wollte ober die Minderheit des Landtags nichts wissen, wenngleich sie früher damit einverstanden war. Mit vollem Recht betonten die Abgeordneten der Mehrheits- Parteien, daß die jetzige Landesvertretung ein« verfassunggebende und es deshalb ihre Aufgabe sei, dem waldeischcken Volke eine Ver- fassung zu geben. Das aber geschähe durch, die Bollziehung des An. schlusses an Preußen. Zur Neuwahl liege erst dann Grund vor, wenn ein« Volksabstimmung darüber entschieden habe, daß die Mehrheit der waldeckischen Bevölkerung Mit diesem Vorschlage nicht einverstanden sei. Als nun der Antrag der Rechts- Parteien abgelehnt worden war, erklärten diese, auf eine weitere Mitarbeit in der jetzigen Landesversammlung verzichten zu müssen und verließen den Sitzungssaal. Wie nun mitgeteilt wird, gedenkt der Kreis Pyrmont nach diesen Vorgängen oll« Hebel in Bewegung zu setzen, um so rasch als möglich von Waldeck loszukommen und den Anschluß an Preußen selbständig zu vollziehen.