Der Sumpf. Ts war bereits»or dem Kriege in Frankreich «in offenes Geheimnis, daß die große französische Presse im Soldeder Zarenregierung stand. Namentlich die russischen Milliardenanleihen, die in Frankreich von Zeit zu Zeit lanciert wurden, boten einen verhältnismäßig einfachen Weg, um die hauptsächlichen Zeitungen in Paris u�d in der Provinz mehr oder minder indirekt zu bestechen. Oberster Rubelverteiler war der russische Finanzagent in Paris , R a f f a l o w i t f ch, die rechte Hand des Botschafters I s- w o l f k i. Es war u. a. stadtbekannt, daß der politische Direktor des„Temps ", A d r i e n H 6b r a rd, und dessen Außenpolitiker, Andr6 Tardieu, in materieller Ab- hängigkeit von der russischen Botschaft standen. Indessen konnte der positive Deweis dieser systematischen Korruption niemals erbracht werden. Solch« Beweise kommen erst jek�t zum Vorschein, nachdem die Bolschewiki in den Besitz der russischen Geheimarchive gelangt sind und hin und wieder einige kompromittierende Dokumente der Oeffentlichkeit preis- geben. So ist die kommunistische„Humanit6" in der Lage, folgendes bezeichnende Dokument zu veröffentlichen. Es han- dest sich um«in G e h e i m t e l e g r a m m des Gehilfen im russischen Ministerium des Aeußeren N e r a to w an den Pariser Botschafter I s w o l s k i: Am 29. August 1918, Nr. 3934, Ziffer 410/403; Vertrau- Nch. Der Petersburger Korrespondent des.Temps' hat in Vefol- gung von Instruktionen seiner Redaktion die Frage aufgeworfen, ob seinem Blatte eine Unlersiiihung in höhe von 150 000 jt. jährlich während zwei Jahren gewährt werden könnte, wofür flch die Redaktion verpflichten würde, jährlich 72 Telegramme an, Petersburg abzudrucken, die die außenpolitische« Fragen in einem nn« erwünschten Lichte beleuchten würden. Die Durchführung diese» Vorschlages wird der»Agence Töle- graphique des Balkans' anvertraut werden, die ein Bureau in Petersburg eröffnen soll. Außerdem hat Rio et(so hieß der damalige Petersburger Berichterstatter des sauberen offiziösen Pariser Blattes. D. Red.) uns»ersichert, daß seine Re» daktion bereit wäre, solche Notizen und Artikel über die russische innere Politik zu oeröffentlichen, die nicht ihren eigenen Ansichten direkt wider- sprechen würden. Diese« Geschäft könnte für un» vorteil- hast sein, namentlich zur Zeit der Debatte über die Friedensbedingungen. Es wäre wünschenswert zu wissen, in welchem Maße der Ein- fluß de».Temps' bedeutend ist, da wir befürchten, daß nur die Erschütterung seines finanziellen Kredits in Frankreich sein« Rc- dattton veranlaßt haben könnte, uns einen solchen Vorschlag zu unterbreiten, und die» mit einer derartige.» Auf- d r i n g l i ch k e i t. Sie möchten uns daher ihre Ansichten hierüber mitteilen, ohne den Gesichtspunkt an» den Auge« zu verlieren, daß da» betreffend« Blatt bereits indirekt durch unser Finanzministerium subventioniert wird, und daß außerdem die Telegropheuspejen feines Petersburger Korrespondenten vo« un» bezahlt werde«. gez. Neratow. Auf dieses Telegramm erfolgte am 6. September eine ausführliche Drahtantwort von I s w o l s k i, die in der .,Humanit6' ebenfalls im Wortlaut abgedruckt wird, und in der bestätigt wird, daß sich die finanzielle Lage des„Temps ' seit Kriegsbeginn verschlechtert habe, sodann aber hinzu- gefügt wird: „Es gibt mdesien kein Organ tn der Tagespresse, das fähig Ist, die Stellung des„Temps ' einzunehmen, und es ist kaum wahr- scheinlich, daß sich«in solches Blatt bis Kriegsende und bis zu den Friedensverhandlungen noch finden und sich endgültig durchsetzen würde. Es Ist eins der für die auswärtige Politik einflußreichsten Organe, und in dieser Hinsicht kann da« vorgeschlagene Geschäft unter Um> ständen für unsere Interessen von einigem Vorteil sein.abernuringewissenFragen.' So könne man, meint Zswolski weiter, kaum auf die Unterstützung des.Temps ' in gewissen innerpolitischen Ange-
Stunden nach dem Essen, so erhob sich die Fehlerzahl auf 7,8 Proz. Dies« Versuche bestätigen die alte Wahrheit von der Nachteiligkeit des Trinkens auf den leeren Magen. Es gibt einfache Tätigkeiten, dl« jemand, de?«in« mäßige Menge Alkohol zu sich genommen hat, ohne die geringst« Veein� trächtigung vollbringt, während dieselbe ein Hindernis bilden kann für Funktionen, die größere Anforderungen stellen. Im Straßen- verkehr gibt es beständig Anlässe, in denen die Sicherheit von Leib und Leben davon abhängt, ob ein Kutscher«ine neue Lag« mit dem geringstmöglichen Zeitverlust erfaßt. Ein Ausschuß unter- suchte die Geschwindiqkit, mit der eine Person, die«ine gewisse Menge Alkohol genossen hatte, ihren Blick aus einen neuen Gegen- stand richten konnte. Dies ist in Wirklichkeit ein höchst verwickelter Vorgang: die zwölf Muskeln de» Augapfels müssen sich einheitlich bewegen, und die Rervenzentren müssen rasch darauf reagieren, um sich alsbald in der erforderlichen Weise zu betätigen. Es zeigte sich nun, daß das Nichten des Blicke» auf einen besttmmten Gegenstand verzögert wird, wenn jemand Branntwein oder Bier zu sich ge- nommen Hot. Der Verlust des Bruchteiles einer Sekunde bei der Erfassung einer Lage kann aber oft die Entscheidung über Leben und Tod bedeuten. Ein gräflicher Gemütsmensch. Der bekannte Ornithologe Wer- ner Sunkel- Marburg erhielt auf«ine Umfrage nach dem Vor- kommen seltener Tierarten den Brief«ine» Grasen zu E., in dem dieser schrieb, daß er Nachtigallen öfters auf seinem gräslichen Schlosse in der Neumart beobachtet bade.„Vor lö Fahren,' schrieb der Graf,.gab e» auf diesem Besitz« Hunderte von Nachti- gallen, aber der vorhergehende Besitzer schoß sie alle er- barmungslos nieder, da er und seine Familie wegen des Gesanges in der Nacht nicht schlafen konnten.' Sunkel bemerkt dazu mit Recht:„Wenn sich ein Dogellieb- haber einen Piepmatz fängt, wird er schief angesehen und womöglich bestraft, aber ein nervöser Junker konnte ungestraft wegen seiner für die Allgemeinheit ganz gleichgültigen Schlaflosigkett zahlreiche Nachtigallen morden. Jeder Grundbesitzer sollte sich dem ganzen Volke gegenüber verantwortlich fühlen für die auf seinem Grund und Boden vorhandenen Naturschätze, besonder» für die idealen land- wirtschaftlichen Werte, wozu auch seltene Pflanzen und Tiere ge- hören, und die Volksgencssenschaft sollte das Reckt haben. Leute, die die Natur mißbrauchen und deshalb nicht wert sind, ein Stück unseres Vaterlandes ihr eigen zu nennen� mit Enteignung oder anderen schweren Strafen zu bestrafen.' Im Deutswe« LperubauS beginnt am Mittwoch, den 10., der vor- verkaut für die«rite Woche der neuen, mit dem.Tannhäuser' am kewmende» Donntag ,u eröffnenden, Spielzeit. Sdvarb»»« Wintert« ei» ist au« de» Ensemtle de? St-at»th««terS »««geschieden. «■-in FreSkobildni» D«nteS, d»5 n»ch au« dem 14. Jihrhundert stimmt, ist tn«wer Kirche tn Nim int entdeckt»erden. Ter Kelilkopfarzt q?r»sessor Kraute ist in«ad Wildungen im 73. Lebenkjehr>« st, r b e». Er hatte seinerzeit den Kaiser Friedrich behandelt. «in neuer LHanet— zwölUer Griffe— ist in der Kacht»»» 5. zu» «. durch Palisa in Wie» entdeck» ward««,
kegenheiten,«te der Polenpvfltik und namentlich der Judenpolitik der russischen Regierung renchen. Iswolski schließt mit den Worten, es sei ihm daher schwer, einen Rat zu erteilen,.zumal die Tatsache, daß wir ein Blatt in einem ver- bündeten Lande gekauft hätten, falls sie bekannt werden sollte, einen ungünstigen Eindruck(!) auf die französische Re- gierung und öffentliche Meinung machen könnte.' Er wolle daher auf alle Fälle auf dem laufenden gehalten werden. Welche besonderen intimen Gründe Iswolski zu dieser etwas kühlen Behandlung des„Temps " damals veranlassten, entzieht sich unserer Kenntnis. Es ist indessen nunmehr der unwiderlegbare Beweis dafür erbracht, daß die bürgerliche Presse Frankreichs nicht einmal den Anspruch daraus hat. mit einer großen Kokotte verglichen zu werden, die ihre festen Kun- den hat, auf deren Anträge sie zu Hause wartet, sie glich viel- mehr einer Prostituierten letzten Ranges, die auf den Strich gehend sich aufdringlich anbietet, wenn die freiwillige Kundschaft ausbleibt. Und so was hat während sieben Jahre von„Recht",„Ge- rechtigkeit",„Zivilisation",„Demokratie" gesprochen. Zu den bedeutendsten Mitarbeitern dieses„angesehenen" Blattet gehört Herr Raymond Poincar6, bis vor kurzem Präsident der französischen Republik . Wir gratulieren der französischen Republik.
tzilfe für Nußlanö. In der Fortsetzung der vom Deutschen Roten Kreuz ein- geleiteten Hilfsaktion für Rußland fand gestern in den Räumen des Landesvereins des Deutschen Roten Kreuzes unter dem Borsitz des Präsidenten vom Reichsgesundheitsamt Geheimrat Bumm eine Beratung von Aerzten, Hygienikern und Vertretern der chemischen Industrie statt. Aus den Dar- legungen des Vorsitzenden des Deutschen Roten Kreuzes. Landesdirektor von Winterfeldt, ist zu entnehmen, daß das Internationale Rote Kreuz in Genf eine allgemeine Hilfsaktion einleitet, die auf Linderung der H u n g e r s n o t in Rußland gerichtet ist. Der Beschluß des Deutschen Roten Kreuzes, ein Sanitätsschisse mit Aerzten, Pflegepersonal, Medikamenten und chemischen Präparaten auszurüsten, beschränkt sich aus die Bekämpfung der in Rußland ausgebrochenen Seuchen und ergänzt sich mit der internationalen Aktion. Für diese beson- dere Unternehmung ist neben der grundsätzlichen Hilfsbereit- schaft des Roten Kreuzes auch die Rücksicht auf die den deutschen Grenzen drohende Seuchengefahr maßgebend. Im Verlaufe der Besprechung wurde beschlossen, die Aus- rüstung und Absendung des Sanitätsschisfes so rasch als möglich durchzuführen. pestfälle in Gstpolen. Warschau . 8. August. (<£(£.) wie die Blätter melden, ist lrah strengster Maßnahmen die asiatische Pest in Warschau eingeschleppt worden. In einem Bezirk an der Grenze ereigneten sich bereit» acht Pestfälle. Dänische Hilfe. Kopenhagen , 8. August. (EP.) Im„Socialdemokroten' äußern sich die Mitglieder der Delegation des dänischen Hilfs- komitees über di« Eindrücke, die sie auf ihrer Studienreise im Juni nach Sachsen , Thüringen , dem Vogtland und Berlin gewonnen haben. Sie heben besonders hervor, daß noch«eitere Hilfe für die Kinder in den Jndustriebezirken ein Gebot der Menschlich- keit sei. 300 deutsch « Kinder sind von Kopenhagen nach Deutschkqnd zurückgereist. Sie werden die väterliche Liebe unserer dänischen Genossen ihr Leben long nicht vergessen. Die russische Gesamterute. Reval . 8. August. (EE .) Der Gesamtertrag an Brotgetreide wird in ganz Sowjetrußlond aus 227S Millionen Pud geschätzt. Für die Aussaat werden 432 Millionen Pud benötigt, so daß 1343 Millionen Pud für die Ernährung von 93 Millionen Seelen der Landbevölkerung verbleiben. Es entfallen somit auf die Person über 19 Pud. Ueberschuß an Brotgetreide weist nur die Ukraine mit 230 Millionen Pud und Sibirien mit 145 Millionen Pud auf. Alle übrigen Gegenden bleiben mehr«der weniger unter dem Durchschnitt.
Wurths letzter Appell. Berlin . 8. August.(MTB.) Der Reichskanzler Dr. Wirth hat dem Vertreter des„Nuovo Giornale' in Florenz eine Unterredung gewährt, in der er sich zur o b e r s ch l« s i s ch e n Frage unter anderem folgendermaßen äußerte: Man kann die von un» verlangten ungeheuren Leistungen nicht erwarten, wenn man uns di« Hand abschlägt, Vberschlcsien nimmt. Die Zuteilung Oberschlesien » au Deutschlaad ist unabweisbar. wenn nicht das Selbstbestimmungsrecht der Völker, wie es in der Abstimmung zum Ausdruck gekommen ist, zum Hohn werden soll. Die vielen Gründe, welche dieses Verlangen im einzelnen recht- fertigen, brauche ich Ihnen nicht weiter auseinanderzusetzen. Ober- schlesten ist mit einem Arbeitssaal zu oergleichen, der nicht will- kürlich zerschnitten und zerrissen werden könnte. Der Uebergang der ooerschlesischen Wirtschaft an Polen würde bedeuten, daß sie ver- urteilt wäre, in den Zusammenbruch der polnischen Wir tschast hineinbezogen zu werden. Man hat von Oberschlesien als von einer Waffenschmiede gesprochen. Sie wissen ganz genau, daß Deutschland keinerlei kriege- rische Absichten im Schilde führt. Ein deutsches Oberschlesien wird berufen sein, in friedlicher Arbeit den Wiederaufbau Europas zu fördern. Die deutsche Regierung hat sich schon in ihrer Note an die alliierten Mächt« vom 1. April bereit erklärt, Polen unter vorzugsweisen Bedingungen die für seine Wirtschaft etwa noch erforderlichen Kohlen und sonstigen Erzeug- nisse zu liefern, solange das an Bodenschätzen reiche polnifche Gebiet, welches den größten Teil de» südöstlichen Beckens umfaßt und viel größer als da» deutsche Areal ist, noch nicht erschlossen ist. Sie hat stch weiterhin bereit erklärt, weitgehende Hilf« bei der Erschließung der polnischen Bodenschätze zu leisten. Sie hat gehofft, auf diese Weise enge wirtschaftliche Bande zwischen Deutschland und Polen zu knüpfen, die auch eine Grund- bedingung für den Bestand des polnischen Staates sind. Sie hat aber aus Warschau nur Spott und Hohn gehört, sie hat erleben müssen, wie die polnische Regierung den dritten, blutigen Aufstand in das oberschlestfch« Land trug, und sie muß jeden Tag noch er- leben, wie der deutsche Abstimmungssieg duech unsaubere Methoden verfälscht wird. Wir können und wollen mit solchen Waffen nicht kämpfen, wir wollen Frieden, Arbeit und Recht. Aber wir verlangen das Gleiche von der Gegenseite und müssen fordern, daß sie aufhört, nach unrechtmäßigen Zielen zu streben, und daß sie auf alle Mittel der Gewalt verzichtet. In de« Pressestimmen der letzten Tage ist wiederholt der Ge- danke einer provisorische« Lösung der oberschlesischen Frage
erörtert worden. Ich brauch« Ihnen gegenüber nicht zu betonen, daß jede derartige Lösung für die deutsche Regierung völlig un- annehmbar sst; sie widerspricht dem klaren Worte des Friedens- Vertrages und würde den Keim zu dauernden Konflikten im Osten legen. Wir warten auf den Spruch des Obersten Rates. Dieser Spruch wird entscheidend fein für die Zukunft Deutsch- lands, aber auch für die Zukunft Mitteleuropas . Wir oertrauen fest darauf, daß der Spruch iin Sinne des Rechts ausfallen wird, das allein den so nötigen Frieden und Wiederaufbau Europas er- möglichen und gewährleisten kann. Severing über Oberschlesten. Rendsburg , 7. August. (Eigener Bericht des„Vorwärts".) In einer hier stattgesundenen öffentlichen Versammlung leg»« Minister a, D. Scvering noch einmal den sozialdemokratischen Standpunkt zur oberschlesischen Schicksalsfrage dar, in der die En!» scheidung bevorsteht. Er sagt« u. a., die A b st i m m u n g habe be> wiesen, daß das obcrschlestsche Volk von polnischer Herrschaft nicht» wissen wolle. Wenn der Willensenlschcid der Oberschlesier igno- riert werde, so bedeute das eine Verletzung des S e l b stb e st i m> m un g s r e ch t s der Böller. Leider müsse man sich damit vertraut machen, daß wichtige Gebietsteile des oberschlesischen Jndustricbezirks den Polen zugesprochen würden. Das bedeute eine schwere Be- nachteiligung unserer Industrie, besonders im Osten, und einen wirtschaftlichen Blutverlust, von dem wir uns nur sehr schwer wür- den erholen können. Er sei der Meinung, daß die Engländer und Italiener wohl nicht alle französischen Pläne in der ober» schlesischen Frage mitmachen würden. Frankreich habe Interesse daran, daß es im Osten den Gendarmen K o r f a n t y zur Der- fügung habe. Er wolle hoffen, daß es dem Obersten Rat gelingen werde, daß die oberschlesischen Bodenschätze rationell bewirtschaftet würden und nicht durch eine verkehrte Teilung Oberschlesiens ein neuer europäischer Wetterwinkel entstehe. Er wünsche und hoffe, daß die Bodenschätze von einer Nation bewirtschaftet wür- den, die ihr A u f b a u t a l« n t bewiesen habe. Er als Sozial- d e m o t r a t möchte den Polen nichts andichten, was mit Objek- tivität und geschichtlicher Wahrheit sich nicht in Einklang bringen lasse. Aber er müsse doch sagen, daß nach den Erfahrungen in den ehemals preußischen Provinzen die Polen nach seinem Empfinden sich nicht dazu eigneten, Oberschlesien so zu verwalten, wie es das Interesse dieses Gebietes beanspruche. Es gebe Leute, die glaubten, daß der polnisch« Staat überhaupt bald zusammenbrechen werde. Wenn man diese Bedenken teil«, dann müsse man Oberschlesien ungeteilt bei Deutschland lassen. Severing wandte sich gegen die Forderung der Deutsch - nationalen, daß das Kabinett Wirth zurückzutreten habe,«enn Oberschlesien geteilt würde. Die Kämpfe in Oberschlesien seien zum allergrößten Teil auf da» Verschulden der Polen zurückzuführen. auf das Drängen K o r f a n t y s, eine Entscheidung vorweg zu nehmen und Europa vor vollendet« Tatsachen zu stellen. Durch unsere Außenpolitik hätten wir diese Entwicklung mindestens begünstigt, indem wir den Polen viel zu oft Anlaß gegeben hätten, mit einem Schein von Recht die Behauptung aufzustellen, daß sie sich wehren müßten gegen die Absicht der Deutschen , ihrerseits den Polen zuvorzukommen. In dieser Hinsicht sprach Severing von einem Verschulden der Politik Simons. Das Auftreten der Freikorps in Oberschlesien bezeichnete er aus innen- und außenpolitischen Gründen fstr schädlich. Reaktiv- näre, aus den Kapp-Putfchtagen bekannt, feien auch wieder unter den Freikorps in Oberschlesien tätig. Es fehle bei den Frei- korpssoldaten, die blindlings dem folgten, der ihnen den höchsten Sold zahle, an Disziplin, und sie hätten Requisitionen wie in Feindesland vorgenommen. Das Kabinett Wirth habe alles zu einer rückläufigen Bewegung getan. Man wisse also nicht. warum dieses Kabinett zurücktreten solle. Zum Schlüsse seiner Ausführungen ging Genosse Severing auf' die politischen Verhältnisse in Preußen sowie aus die Stellung der Sozialdemokraten zur bevorstehenden Steuerreform ein und for-, derre in erster Linie Heranziehung des Besitzes. Die kommunistische Gefahr sei weniger zu fürchten als die von deusschnationaler Seite drohend«.
Was geht auf üen Postämtern vor! Man schreibt uns: Wie bereits an verschiedenen anderen Stellen, so fand auch am Donntag wieder eine Einweihungsfeier von Gedenk- tafeln des Postamts 17 und der Bahnpostämter 4 und 18 statt, die mit dem Niederländischen Dankgebet als allgemeiner Gesang mit Musikbegleitung ihren Abschluß fand. Auf alle Einzelheiten dieser Veranstaltung einzugehen, ist hier nicht der Raum. Wir wollen un» selbst die Weihrede des Predigers Herrn H o l l e r schenken, der unter Verdrehung des bekannten Bibelworts:„Gehet hin und tuet desgleichen", von den Anwesenden verlangte, den Gefallenen nach- zueifern, um„das Joch der Fremdherrschaft' von uns abzuschütteln. Verwahrung«inlegen müssen wir aber gegen die Worte des Herrn Oberpostdirektors Maaß:„Diejenigen aber, die zum Gelingen dieses Wertes beigesteuert haben. werden wir in dankbarer Erinnerung behalten.' Wir, die wir wissen, daß die Sammlungen für di« Gedenktafel bei den jeweiligen Gehaltszahlungen in demselben Zimmer vorge- nommen wurden, in dem dos Gehalt zur Auszahlung gelangt«, dazu also Dienststunden und Diensträume oerwendet wurden, können nicht zugeben, daß diejenigen, die aus prinzipiellen Gründen Ihr Scherslein hierzu nicht gegeben haben, von ihrem vorgesetzten schikaniert oder auch nur zurückgesetzt werden. Wir werden daher die Tätigkeit dieses Herrn nicht aus den Augen verlieren. Dom Reichspostministerium aber müssen wir verlangen, daß wenn über- Haupt Feiern dieser Art für notwendig und zweckdienlich gehalten werden, es derartige völkeroerhetzende Ausmachungen unterbindet.
Iuüenhetze in Kahr-Sapern. Di« TU. berichten aus Memmingen folgende skandalösen Bor- tommnisse: Am Sonnabend nachmittag sammelte sich eine große Volks- menge vor dem Anwesen de» Großhändlers Rosenbaum, der unter dem Verdacht stand, Butter und Käs« zurückgebalten zu haben. Die ausgeregl« Menge verlangte noch dem Angeschuldigten und demon- strierte über sechs Stunden vor dem Hause. Inzwischen war der Hastbefehl erwirkt worden. Di« Menschenmenge verlangte nun, daß der Verhaftete durch die Straßen geführt werden sollte. Die Polizei konnte dem stürmischen Berlangen sich nicht mehr widersetzen(?) und wurde mit dem Verhafteten förmlich durch die Straßen gescho- den. Nachdem der Verhaftete im Gefängnis untergebracht war, ver- suchte die Menge, noch in weitere Wohnungen von Israeliten ein» zudringen. Während der ggnzen Nacht durchzogen große Menschen- Massen die Straßen, unb auch am Sonntag war die Ruhe noch nicht wiederhergestellt. Wie eimoandfrei festgestellt wurde, soll der Ausruhr von judenfeindlicher Seite hervorgerufen worden sein, deren Führer sich im Untergründe halten. Damit wären wir glücklich auf dem Niveau der kulturell am tiefsten stehenden Staaten angelangt. Wir haben wenig Hoffnung darauf, daß die Regierung Kahr durch energisches Zugreifen beweist, daß es sich nur zufällig um eine bayrische Stadt handelt.
Ehrhardt«icht Fregattenkapitän. Di« Sonntag vom Genosse» Rief stahl auf dem Bezirksparteitag gemachte Mitteilung, daß Ehrhardt als Fregattenkapitän in der Mann« Dienst tue, entspricht. wie wir von authentischer Seit« erfahren, nicht den Tatsachen.