Neue Schule und alteGesellschast. Von Paul Oe st reich. Durch Erziehung pflanzt sich die Gesellschaft fort. Die a l t e Gesellschaft will dabei der Jugend ihre erstarrten „Heiligtümer"(Jdeologismen), die in vergangener Wirtschaft- lich-geistiger Epoche einmal lebendig, zeitgemäß waren, ein- impfen. Sie sind Herrschaftsmittel für sie geworden, um ihre innerlich längst unberechtigt gewordenen Besitztümer und Privilegien zu legitimieren.„Recht",„Moral",„Stand", „Vaterland",„Religion" und„Philosophie" werden so aus- gelegt, daß diese Begriffe tödliche Waffen in den Händen der Fossilienmenschen werden. Die Jugend wird dadurch gleich- falls starr gemacht; geduldig betet sie dann die Götzen an, die einmal— lang ist es her!— lebendige Götter waren. Die Jugend wiederholt am eigenen Leibe den Entwick- lungsgang der Menschheit; sie muß, falls sie gesund und leben- dig bleibt, hindurchschreiten bis zur Gegenwart, bis an die Schwelle unserer beginnenden, der„personalen" Epoche smit Müller-Lyer zu sprechen). Aber die ganze Umwelt ist erfüllt von rückständigen Jdeologismen. So haben die meisten Jugendlichen nicht die Kraft, den doppelten Kampf in ihrem Innern und mit der Außenwelt siegreich zu führen; ein großer Teil unserer Jugend bleibt auf dem Standpunkt vergangener Entwicklungsstufen stehen, wird innerlich tot; ihre Nachkam- men werden später von neuem den gleichen verzweifelten Kampf kämpfen, bis endlich eine Familie nacb der andern vom neuen Geiste erobert wird und ihre Kinder in einer anderen Lebenslust aufwachsen läßt, die ihre Entwicklung nicht bemmt, sondern fördert. Die S cb u l e ist in erster Linie eine Funktion der Gesell- schaft. Die Welt der Bedürfnisie und der Bedürfnisbefriedi- gung schuf im kapitalistischen System die„böbere" Scbule nach den Bedürfnisien. die Volksschule nach den Wünscben des Bourgeois, dasi feine Kinder gehorsam und unnachdenklick,, seine Diener gläubig und bescheiden würden. Run stehen wir im Wirrwarr des Üeberganges vom alternden Kapitalismus zum sich ankündigenden Sozialismus, und wie im Wirtschaft- lichen brodelt es im Schulischen. Das Schulideal der kommen- den— sozialistischen— Zeit formt sich immer klarer: die produktive Einbeitsschule, innerlich disserenziert und elastisch. Sie allein, getragen durch den Wirtschaftsvrozeß, kann die wirtschaftliche und geistige Bedürfnisbefriedigung des ge- samten Volkes planvoll vorbereiten und ermöglichen. Damit sich die neue Gesellschaft bllde, ist die neue SchulederGe- meinschafk nötig, die die Persönlichkeit jedes Volks- genosien sich sozial entwickeln läßt. Die alte Schule züchtete den rücksichtslosen Jndividuasis- mus auf Kosten der anderen, indem sie den Kampf aller gegen aste zum Prinzip des Schullebens machte, indem der Lehrer das Recht des höchsten-Mißtrauens gegen die Schüler, der Direktor das des böchften Mißtrauens gegen die Lehrer, der Schulrat das des höchsten Mißtrauens gegen alle fast Pflicht- mäßig besaß. Die Z u k u n f t s schule soll zur Gemeinschaft führen, die sich um fübrende Truppen bildet, die am Gesamt- werk der Erziehung tätig mitschafft. Gerade die sozialistische Gesellschaft wird den produktiven Führertyp, die Fülle be- freiender Persönlichkeiten schaffen, bis eines Tages das ganze Volk aus„Persönlichkeiten" besteht. Die zwei Gesellschaftsordnungen, die alte im Besitz, in skrupelloser, niederstampfender Verteidigung, die neue im wirren, getriebenen Haufen herannahend, sie ringen um das Schul- und Ernebungswesen, um die Jugend. Dort Kom- mandier- und Pariermenschen, hier Führer und freie,»n- gezwungene Kameradschaft; dort Klasse und auferlegtes Gesetz, hier Arbeitsgemeinschaft und Selbstnerantwortung. Es geht um unsere Zukunft! Lassen wir die Schule in die Hände der Konfessionen fallen, während einige„weltliche" Daten vom Sturme umbrandet sich mühsam behaupten, so fällt die Jugend wieder und noch mehr den„Jdeologismen", den Fetischen der Vergangenheit anheim, um Jahrzehnte werden wir ausaehalten! Dorum muß das ,.R e i ch s s ch u l- gesetz" zum Artikel 146 der Verfassung fallen oder so abgeändert werden, daß die„weit- l i ch e". die„Gemeinschaftsschule, die wahrhast zur Sittlichkeit und zur„Religiosität", zur Hingabe an die Ge- meinschaft erziehende, d i e R o r m w i r d! Sie übt k e i n e n Gewisienszwang, wo die konfessionelle und sogar die mit kon- fessionellem Religionsunterricht beglückte Simultanschule (die jetzt fälschlich„Gemeinschaftsschule" heißt) nach Seelen fischen wird! Die Linksparteien sollten einen Kreuzzug f ü r d i e Volksschule, für die Voltszukunft, ausschreiben. Mit formaler„Loyalität", mit nachgiebiger„Versöhnlichkeit" ist nichts zu retten gegenüber den Kampfmanövern und-Mitteln der kapitattstifchen Gesellschaft!„Sie ist rücksichtslos, egoistisch und profitgierig, aber noch mit heiserer Stimme krächzt sie: „Religion, Gott . Unsterblichkeit, Himmel", noch mit lahmender Hand webt sie mit der Fabne, auf der in Riesenlettern prangt: „Vaterland"." So schreibt Siegfried Kawerau in seinem fundamental wichtigen, soeben erscheinenden Buche „Soziologische Pädagogik"(Quelle u. Meyer), in dem er weitausgreifend und tiefschürfend die Zusammenhänge zwischen Wirtschafts-, Gesellschafts-, Herrschafts- und Er- zlebungsformen aufdeckt. Alle Erzieber und— alle Väter und Mütter sollten es lesen, damit sie Scheuklappen abtun, damit sie die süßen Täuschungen der rückständigen Kirchengewalten durchschauen und begreifen, was der Jugend nottt't, die unsere Zukunft bedeutet. Unvernunft und Torheit, Trägheit und Kurzsichtigkeit können die neue Schule und die neue Gesell- schaft zwar nur auf Zeit verzögern, aber auch diese Zeit dauert uns! Der Sozialist, die Elternschaft sollten alles ttin, daß nicht die Jugend der Muckerei überliefert wird; sie sollten einsehen, daß die neue Erziehung nur im Kampf gegen die alten Mächte zum Siege gelangt und daß es hier keine„Versöhnung" gibtl_ Waffenfunö. Arankfurk a. d. 0.. 11. August.(Eigener Drahtbericht des „Vorwärts".) Gestern vormittag war bei der Watfenerfaflungsstelle in Berlin eine Meldung eingelaufen, daß sich in Frankfurt a. d. O. ein größeres Wafsenloge r befinde. Gestern gegen abend trafen in Frankfurt a. d 0. im Auto mehrere Berliner Beamte von der Erfassungsstelle ein. Nachdem sie sich der Hilfe der hiesigen Krimi- nalpolizei versichert hatten, fuhren sie zu dem angegebenen Waffen- lager, das sie bei einem Gastwirt in der Oderstraße feststellten. Der Gastwirt leugnete anfangs. Die Beamten begannen sofort mit der Durchsuchung oller Räumlichkeiten und fanden größere Posten von Leuchtkugeln, Zündschnüren und außerdem 100 Stielhandgranaten. Das Lager wurde beschlagnahmt, der Gastwirt verhaftet, aber heute früh wieder freigelassen Die Angelegenheit ist der Staatsanwalt- jchast übennittelt wordci,
Arbeiterführer in Westpreußen verhaflet. Die L. L.-Korrespondenz meldet aus Schneidemühl : In meh- reren großen Industriestädten in Westpreußen wte»n Graudenz , Thorn -Dirschau und Neustadt wurden aus Anlaß des letzten großen Streiks eine ganze Anzahl polnischer und deutscher Arbeiter- führer durch die Polizei verhastet und teilweise unter scharfer Be- deckung noch Warschau überführt. Die Verhaftungen er- folgten auf Weisung aus Warschau und sollen angeblich in einem Zusammenhang mit dem Aufheben zweier bolschewistischer Propa- gandazentralen in Kongreßpolen stehen. Die polnische sozialdemo- kratische Partei Westpreußens hat beim Landtag schärfsten Protest gegen die Verhaftungen erhoben und die sofortige Freilassung der Arbeiterführer verlangt. Groß-�erlm tzochfommerfpmbol. Auf schlankem Stengel, hochaufgerichtet, leuchtet jetzt die Sonnen- blume aus den Gärten heraus. Vielfach hat sie sich selbst angesamt, und besonders die Kolonisten gewähren ihr Gastrecht. Viel Ertrag bringt sie in der Regel nicht, denn das freche Spatzcnvolk um- schwärmt sie bereits, lüstern nach den fetten Körnern. Wer die Blumen nicht mit einem Lappen oder Papier umwickelt, hat das Nachsehen; es bleibt ihm auch nicht ein Korn. Bon der Sonnen- blume hat sich die Sage herausgebildet, daß sie, mit dem Weiter- rücken der Sonne sich drehend, dieser immer ihr Gesicht zuwende. Es klingt sehr schön, ist aber leider nicht wahr. Bei Tausenden von Sonnenblumen hat man noch nicht an einer einzigen dieses stete Hinwenden nach der Sonne wahrgenommen. Tatsache ist nur, daß überall dort, wo sich die Blüte frei und nicht gehemmt durch Reben- blüten entfalten kann, die Blume sich stets dem Osten, dkr Morgen- sonne, zuwendet. Mit dem Laufe der Sonne sich zu drehen vermag sie jedoch nicht, das läßt schon die feste Struktur des Stengels nicht zu. j
Schwarz-Rot-Golü. Die Flaggen der Republik wehten heute aus Anlaß der Ver- fassungsfeier zum erstenmal von den Regierungsgebäuden. Ueber der Wilhelmstraße machten sich die neuen Farben besonders geltend. Ferner wehten sie vom Reichstag und Landtag und von den Dächern einiger Geschäftshäuser. Reichspräsident und Reichs- tanzler hatten ferner auf ihren Gebäuden zum erstenmal die ihnen zuerkannten gelben Flaggen mit der roten Umrandung und dem schwarzen Adler inmitten des Feldes gehißt— schwarz-rot-gold in der Standartenvariation. Die militärischen Dien st ge- b ä u d e zeigten die neue Kriegsflagge schwarz-weiß-rot mit dem schwarzen Kreuz in der Mitte und der schwarz-rot-goldenen vorge- schriebenen Gösch in der linken oberen Ecke.
25 hotelüiebstähle aufgeklärt. Festnahme eines Diebesquartetts. Der Schrecken der Berliner Hotelbesitzer waren vier Diebe, die in verhältnismäßig kurzer Zeit für mehrere hunderttausend Mark Wertsachen erbeuteten. Von den vier Mann, die seit einiger Zeit Berliner Hotels verschiedenen Ranges und in verschiedenen Stadt- vierteln unsicher machten, wurden zunächst ein gewisser Mali und ein Herbert B u tz f a h l, genannt der„schöne Herbert" festge- nommen. Butzfahl stellt« sich trank und erlangte so die Freiheit wieder. Weit es ihm zu unsicher war. allem zu„arbeiten", so sah er sich nach einem neuen Spießgesellen um und fand ihn m einem Kaufmann Karl Horn, der seinem Arbeitgeber in Köln a. Rh. mit 78 000 M., die er zur Bank bringen sollte, durchgebrannt war. In ganz kurzer Zeit brachten es diele Beiden dann auf 13 Hotel» diebstähle. Die wertvolleren Beutestücke machten sie bei Trödlern, Pfandleihen und in Kaschemmen, besonders in der M ü n z st r a ß e, zu Geld. Die Beamten der. Dienststelle B I 4, der die Bekämpfung der Hoteldiebstähle besonders obliegt, rickiteten ihr Augenmerk namentlich auf Gäste, dse zur Zeit der Diebstähle oder kurz vorher in den betreffenden Hotels abgestiegen waren. Di« Perstmenbeschrei- bungen solcher Gäste erinnert« sie sofort an Butzfahl. Die Beiden besuchten, wie die Beobachtung-n ergaben, regelmäßig nach getaner Arbeit das Kaffee.„National", um ein Stündchen Billard zu spielen. Nach einem solchen Erholungsstündchen wurde Butzfahl vor«inigen Tagen, als er das Kaffee verließ, von den Beamten ergriffen. Sein Bealeiter, der Defraudant Horn, der schon vor einem Jahr aus Köln verschwunden war. entwischte. Er fand sofort einen neuen „Mitarbeiter in einem Kaufmann Fritz H u b a s ch, der auf diesem Gebiete schon bewandert war und erst' vor kurzer Zeit das Straf- aefängni�verlassen hatte. Mich dielen Beiden gelanqen in kurzer Zeit wieoer eine ganze Reihe von Diebstählen, bis sie gestern mit ihren Mädchen In den Hotels, in denen sie wohnten, von den Be- amten des Dezernats ermittelt und ebenfalls sestaengmmen wurden. 25 Diebstähle konnten den Verhafteten nachgewiesen wer- den. Wahrscheinlich haben sie noch viel mehr auf dem Kerbholz, auch in den Ostseebädern, wie Swinemünde , wohin sie Abstecher zu machen pflegten._ �e«er in einer Moabiter Kaserne. Die Berliner Feuerwehr wurde von fast allen Feuermeldern Moabits heute früh gegen g Uhr nach der ehemaligen Kaserne des Garde-Feldartillerie-Regiments in der Kruppstraße 15 alarmiert und rückte sofort in großer Stärke aus. Als Brandmeister Lindner mit dem 15. Löschzug« an der Brandstelle ankam, brannte Wr westliche D a ch st u h l der jetzt vom 13. Reiterregiment benutzten Kaserne in großer Ausdehnung. Explosionen von Handfeuer- waffenmunition und brennende Handgranaten- t i e l e liehen Vorsicht geboten erscheinen. Da indes mehrere in der Kaserne wohnend« Zivilpersonen in Gefahr schwebten, wurde diesen schnell Hilfe gebracht. Es gelang, alle gefährdeten Personen über die total verqualmten Treppen in S i ch e rh e i t zu bringen. Mit 1 B-Rohr und 5 /�-Rohren von Motorspritzen wurde energisch längere Zeit gelöscht, wobei ein» auf dem Kasernen- Hof aufgerichtete mechanische Leiter ausgezeichnete Dienste leistete. Die in den Bodenräumen lagernden Handfeuerwaffen konnten zum größten Teil wirksam geschützt werden. Der Schaden ist nicht un- bedeutend. Die Entstehung tonnte noch nicht aufgeklärt werden. Gegen 11 Uhr war die Gefahr beseitigt und um Mittag konnten die letzten Löschzüge wieder abrücken. Der Qualm des Brandes war in Moabit weithin sichtbar gewesen und hatte zahlreiche Personen oer- anlaßt, nach der Kruppstraße zu eilen, die ober von der„Schupo" abgesperrt war. Das Dach der Kaserne und ein Teil der Boden- räume müssen erneuert werden.
Restwagen auf den(Güterbahnhöfen. Vom Betriebsrat des Anhalter Güterbahnhofe» wird uns ge- chrieben: Di« Stoatseisenbahnverwaltung scheint ihre Aufgabe darin zu erblicken, den Güterverkehr möglichst zu hindern. Zum Beweise für diese Behauptung wird das folgende angeführt: Seit langer Zeit stehen aus vielen Berliner Güterbahnhöfen Hunderte von n i ch t a u s g ela d e n en, sogenannten Rest wagen. Die Betri»bsräte versuchen seit 3 Wochen dem Uebelstand abzuhelfen. Die Zusage des einen Tages, endlich Arbeiter einz-astellen, wird am andern Tage zurückgezogen. Man hat die
ganze Güterannahme eines großen Bahnhofs für einige Tag« voll- ständig gesperrt. Als ob man einen Fluh absperren könnte! Der Erfolg war, daß nicht nur die Eisenbahn, die Arbeitslosen, sondern auch die Spedition und. dadurch Handel und Industrie schwer geschädigt wurden. Die Zahl dc-r Restwagen stieg gerade durch diese Maßnahme weiter. Nun hilft sich die Verwaltung damit, daß sie „Erhebungen" anstellt. Inzwischen ziehen die Dienststellen Packer zum Entladen heran, die unbedingt notwendig sind, damit die Wagen, die 500 Kilometer und mehr zurücklegen müssen, richtig ausgenutzt werden. Auf der einen Sette.werden wielleicht 10 M. Lohnersparnis erzielt, auf der andern aber für Tausende Mark Laderaum vergeudet. Wären z. B. auf einem Bahnhof allein vor 14 Tagen 20 Arbeiter eingestellt worden, so hät-e man damit die Restwagen entleert. Man hätte mit 100 Wagen gegen 300 000 M. verdienen können. Es steht also einer Arbeitslohnersparnis von rund 10 000 M. ein entgangener Berdienft von mindestens 300 000 M. entgegen. Die volkswirtschaftliche Seite ist noch viel bedeutender. Man weiß auch in der Verwaltung, daß der Verkehr in nächster Zeit wegen der Be. förderung der neuen Ernte noch mehr steigen wird. Jetzt sind die Wagen schon knapp, man weiß daß in nächster Zeit nicht nur das Wagen-, sondern auch das Maschinenmaterial nicht ausreichen wird. Man müßte jetzt versuchen, reinen Tisch zu machen und alle Güter schnell befördern, um sich au; den großen Herbstverkehr einzurichten. � Das Verantwortlichkeitsgefühl treibt die Betriebsräte, sich an die Oeffentlichkeit zu wenden, um auf diese Weise eine Besserung dieser Zustände zu erzielen._
»Winterfreuöen.� Der Verein deutscher Kürschner, Leipzig , veranstal- tete gemeinsam mit dem Verband der deutschen Modenindustrie an- läßlich der Herbstmodenwoche in Berlin im Theatersaal der„Skala" eine Pelzkleider- und Hüteschau. Man zeigte die Schöpfungen der verschiedenen Firmen im Rahmen eines„Modischen Spiels", erdacht und inszeniert von Rochus Gliese , der zu diesem„Wintertraum" die Theatcrkostüme und-dekorationen entworfen hatte.' Die Idee des„Wintcrtraums" war nicht sehr kompliziert: Ossi Oswalda , die Filmschauspielerin, gab eine Märchenkönigin aus dem fernen Osten: Albert Paulig war ihr Partner, der als schiffbrüchiger Passagier sich in das östliche Märchenland rettete und von den hilf- reichen Asiaten zu der chinesisch gekleideten Herrin gebracht wird. Hier entwickelt er eine rege Tätigkeit, indem er versucht, sie von der Kultur und Schönheit der europäischen Mode allerneuester Rich- tung pantomimisch zu überzeugen. Nachdem Tänzerinnen und Kin- der aus der Grimm-Reiterschule ihrerseits allerlei mehr oder weniger östliche Tänze zum besten gegeben hatten, zauberte Albert Paulig seinerseits aus Koffern und Kisten, die offenbar mit ihm den Schiff- bruch überstanden hatten, eine Unzahl europäischer Kulturträgerinnen heraus, die mit den Erzeugnissen der Kleider- und Pelzindustrie von 35 deutschen Großfirmen ausgestattet waren. Diese unwahrschein- lich schlanken Gestalten schritten zur Musik über die Bühne und zeigten den zahlreich erschienenen Ausländern Pelzwerk, Sportanzüge, Kleider und Hüte, deren Kosibarkeit, was Material, Verarbeitung und Schnitt anbelangt, ebenso märchenhaft erscheint wie das ganze Märchenstück. Sämtliche Kleidungsstücke waren so raffiniert, daß selbst die valutakräftigsten Ausländer erstaunt sein müssen, ein der- artiger Luxus kommt auch für den erfolgreichsten deutschen Kriegs- gewinnler nicht in Betracht, für die Kapitalisten aus der Vortriegs- zeit wahrscheinlich auch nicht. Es ist also alles für das Ausland bestimmt, die Pelze, die rechts und links getragen werden können, die Sportkleidung für Damen, in denen die enganliegende Hofe be- sonders betont ist, die filmhaft dekorativen Hüte und die seltsamen Kleider mit ihren vielen, vielen Garnituren, von denen die Sticke- reien und Spitzen am meisten bewundert werden müssen. Es steckt eine Menge Maschinen- und Handarbeit in diesen Kost- barkeiten, und das ist das Versöhnliche dabei, man hat eine gehobene Arbeit geleistet, als dieser vor allem durch das prächtige Material werwoll gewordene Kleiderluxus erdacht und, ausgeführt wurde.
Massenbesuch im Leichenschauhaus. Die Nachricht, der am Engelbecken gefundene Kopf der anscheinend einem Lustmorde zum Opfer gefallenen weiblichen Person sei von ärztlicher Seite präpariert worden und nun in der Schauhalle zur Rekognoszierung ausgestellt, veranlaßt große Scharen von Menschen, sich dorthin zu begeben. Heute vormittag wurde die Schauhalle gegen 1410 Uhr geöffnet, und sofort begann die Wanderung. Der Kopf erhob sich in einem Glaskasten, hatte eine graue Farbe und nur noch wenig Haar. Daneben lagen die Hände der Toten. An dem einen Finger befand sich die charakteristische Gestaltung des Nagels, welche vielleicht zur Feststellung der Persönlichkeit der Toten führen mag. Diese dürfte bei dem Zustande der Leichenteile sonst manche Schwierigkeiten haben. Beim Areibaden ertrunken ist ein« unbekannt« Frau. deren Leiche gestern zwischen Müggelhort und Prinzengarten aus dem Müggelsee gelandet und nach der Halle in Köpenick gebracht wurde. Die Unbekannte ist etwa 35 bis 40 Jahre alt und 1,70 bis 1,75 Meter groß und trug einen roteingefaßten grauen Badeanzug. Die Tote, deren PersönlichkAt die Polizei des 15. Bezirk jetzt fest- zustellen bemüht ist, trug einen Trauring mit den Zeichen R. P. A. W. 1903. Großer Geldschrankeinbruch. Große Beute machten Einbrecher, die in der vergangenen Nacht ein Geschäft in der Seydelstraße .heimsuchten und nach Art der gewerbsmäßigen Verbrecher das Spind aufknabberten. Außer 62 000 polnische Mark, sogenannte Kriegs- aoten, fielen ihnen-besonders goldene und silberne Wertsachen in die Hände, darunter eine ISbarätige goldene offene Herrenuhr mit rundem Bügel, 24 goldene Armbanduhr-Caletten, gestempelt 375 Carüre, dazu goldene Ziehbänder mit dem Stempel 333, alles von gelber Farbe, eine silberne Ankerherrenuhr der Marke„Haoila", Silber-Tula-Ziehbänder für Caletten, gelbe Ziehbänder usw. Für die Wiederbeschaffung der Beute ist eine Belohnung von 4000 M. ausgesetzt. Mitteilungen, die auf Wunsch vertraulich behandelt wer- den, nimmt die Kriminalpolizei gegen Belohnung im Zimmr 33 de» Polizeipräsidiums entgegen. Ansichkskarken mit mehreren Unterschriften sind auch dann, wenn sie sonst nur höchstens fünf Gruß- oder Höflichkeitsworte enthalten, wie gewöhnliche Postkarten zu frankieren. Es ist also nicht zu» lässig, daß für 15 Pf. Porto drei, fünf oder noch mehr ver- schiedene Personen unterschreiben. Dagegen werden Unterschriften wie„Schulze und Frau" oder„August Müller und Sohn Gustav" nicht beanstandet. Ter verein der Freidenker für Feuerbestattung e. B. Berlin bielt eine außerordentliche Generalversammlung im Zirkus Busch ab, die von ca. 4000 Mitgliedern besucht war und die sich in der Hauptsache mit der Reorganisation des Vereins beschäftigte, die die Einsührung des De- leglertensystems und eine Ausdehnung über daS ganze Reich bezweckt. Dem vorgelegten Entwurs wurde nach unwesentlichen Veränderungen zu- gestimmt. In Bezug aus die Entwickelung des Vereins berichtete der Vor- sitzende Müller, daß die Mitglicderzabl aus über 108 000 und das Vermöge» auf mehr als 4 000 000 Mark angewachsen sei. und daß anzunehmen wäre, daß durch die beschlossene Ausdehnung des Vereins über das Reich das 2. Hunderttausend Mitglieder bald erreicht werde. Die demnächst in Betrieb zu nebmenden Leichenautomobile, mit denen Seichen auch von weit her überführt weiden, dürsten dazu das ihrige beittagen.
Das Wetter für morgen. Berlin und Umgegend. Ein wenig kühler, zeitweise aufklarend, je- doch überwiegend bewölkt, mit leichten Gewitterregen und meist schwachen südlichen Winden._
Hroß-Serliner parteinachrichteiu 9. greis. Hallesche» Tor. Freitag, den 12. August erweiterte Kretsvorftand». iitzung 7 Uhr bei Reim, Urdanftraße SS Id. Abt. Heute abend 70, Uhr Funkionärsttzung bei Große, Blumenstraß« 88. Die Betrieb-vertrauensieute und Elterudelrllt« find hierzu eingeladen.