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Heilage ües Vorwärts

Sonaabenö,?Z. August 1921

Erwerbslosenfürsorge. Von Regierungsbaumeister B a r d o w. Referent im Reichsamt für Arbeitsvermittlung. Die erheblichen Ausgaben, die eine unterstützende Erwerbs- lofenfürforge der Allgemeinheit auferlegt, ohne daß irgendeine Gegenleistung die Aufwendungen erträglich macht, haben zur Schaffung derproduktiven Erwerbslosenfürsorge" geführt. Letzter« hat die Ersparnis an sonst gezahlter Unterstützung zum Zweck. Darüber hinaus will ste ihre Mittel in Form von Zuschüssen rder Darlehn so verwenden, daß Arbeiten Zustandekommen, die sonst an- gestchts der Finanznöte bzw. der Kaufkraftminderung des Geldes unterblieben wären. Daneben kommt zur Arbeitsbeschaffung als größter Auftraggeber in dem durch die Finanzverhältnisse gebotenen Umfange das Reich in Betracht. Dieproduktive Erwerbslosenfürsorge' war viel umstritten, weil man sich darüber nicht klar war, daß sie ihrer Natur nach nur ein Notbehelf sein kann. Immerhin hat sie es zuwege gebracht, daß zurzeit eine Arbeitsmäglichkeit rund 40 Proz. aller Er- werbslosen geboten ist, deren durchschnittliche Beschäftigungz- dauer etwa 4% bis 6 Monate währt. Durch Verfeinerung und Ver- edelung der Anwendungsmethoden wird weiterhin das Wirtschaft- liche Moment gewahrt, indem je nach dem wirtschaftlichen Wert der Notstandsmaßnahme der Zuschuß aus der produktiven Erwerbslosen- fürsorge in den Grenzen von 15 bis 5l> Proz. der Gesamtkosten ab- gestuft wird. Ein Bild von dem Umfang des bisher Geleisteten geben die Werte nach dem Stande vom 25. Juli 1921, wonach bis- her rund 390 000 Erwerbslose bei rund 8600 Maßnahmen beschäftigt wurden. Unter den Maßnahmen der produktiven Erwerbslosenfürsorge verdienen besondere Beachtung die Meliorationen im weitesten Umfang des Begriffs, als da sind an Erfchliehungsorbeiten: Moor- und Oedlandkultivierungen, Durchforsten. zwecks Gewinnung von Ackerland, Landgewinnungsarbeiten: sowie an Verbesierungsarbeiten: Bodenkultivierungen, Borflutverbesserungen, Eindeichungen, An- läge von Schrebergärten u. vgl. Während nämlich bei fast allen sonstigen Notstandsmaßnahmen die beschäftigten Erwerbslosen im Augenblick der Beendigung der Arbeit wiederum erwerbslos werden, bieten die Meliorationen neben der hochwillkommenen Hebung der landwirtschaftlichen Produktion die Möglichkeit, die Ueberführung von Großstädtern in ländliche Tätigkeit und weiterhin in den land- wirtschaftlichen Beruf einzuleiten. Zwar werden auch mit Mitteln der produktiven Erwerbslosenfürsorge Umschulungskurse geförden, die den Uebergang in einen anderen Beruf ermöglichen bzw. er- leichtern. Doch ist die Zlufnahmefähigkeit, mit Ausnahme des Bau- gewerbcs und einiger Berufszweige für weibliche Personen, so ge- ring, daß die Ergebnisie nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Ein wirksames Ventil, das uns unter den gegebenen Verhältnissen bleibt, den Berufsüberzähligen nicht nur vorübergehend Arbeit, sondern einen neuen Beruf zu schaffen, ist eine großzügige Umschulung der sich hauptsächlich in den Großstädten zusammenballenden Erwerbs- losen über die Meliorationsarbeiten hinweg in landwirtschaftliche Berufe. Dielfache erfreuliche Versuche nach dieser Richtung hin sind unternommen worden. Tatsache ist, daß neben einer Reihe von Erfolgen auch Mißerfolge stehen, die einen noch jetzt spürbaren, schlechten Eindruck hinterlassen haben. Es geht nicht an, wie dies tn der ersten Zeit geschehen ist, daß wahllos ohne jede Vorbereitung, Anleitung und Ueberwachung eine Schar Erwerbsloser auf ein An- wesen losgelassen wird, die nach wenigen Tagen zur Großstadt zu- rückfluten. Ebenso kann es zu keinem guten Ende führen, wenn Ansiedlungslustige ohne sorgfältige Prüfung ihrer Eignung und unter starker finanzieller Bindung seßhaft gemacht werden. Die stufenweise Ueberleitung kann nachstehend nur knapp um- rissen werden. Den Kommunen, Genossenschaften, Zweckverbänden u. dgl. werden vom städtischen Arbeitsnachweis ausgewählte Er- werbslose überwiesen, die, wenn erforderlich, mit der notwendigen Kleidung von der absendenden Stelle bzw. dem Landesarbeitsamt ausgestattet und fortlaufend betreut werden. Zu dieser Betreuung, die durch geeignete Fürsorgepersonen, gelegentlich durch einen auf diesem Gebiet schon bewährten Bauaussührenden erfolgen kann, ge-

hören auch die Fragen der Unterbringung, der Verpflegung und der Unterhaltung. Ist die erste Melioration beendet, so werden die sich freiwillig Meldenden je nach ihrer Bewährung als Gruppenführer bei weiteren Meliorationen beschäftigt. Erwünscht ist, wenn neben den Meliorationen Straßenbauten erforderlichenf ills über die Frcst- zeit hinweghelfen. Bei dieser weiteren Beschäftigung hat eine sorg- fältige statistische Erfassung einzusetzen, um neben dem Familien- stand eine event. besondere Eignung für landwirtschaftliche Tätigkeit auch der Frau festzustellen(z. B. Verrichtung> ländlicher Arbeit während der Jugend, Betätigung in Laubenkolonien, Schrebergärten u. dgl.). Zweckentsprechend erscheinen Unterweisungen nebst Be- ratung. die in Form von örtlichen Kursen aus der produktiven Er- werbslosenfürsorge gefördert werden, sowie die Aushändigung eines Merkblattes, das Angaben über den weiteren Werdegang enthält: über die Vermittlung als Landarbeiter und die vermittelnde Stelle, Hinweis in faßlicher Form auf die Reichssiedlungsgesetzgebung, wo- nach derjenige, der ein Jahr lang in ländlicher Tätigkeit ist, Anspruch auf ein Stück Po.chtländ hat, sowie Hinweis darauf, daß er dieses Land später zu Eigentum erwerben und daß er zu einer Klein- bauernstelle kommen kann. In diesem Zusammenhange ist bemerkenswert, daß die staatliche Kultivierung und Besiedlung der Hochmoore erfreuliche Fortschritte macht, so daß am 1. November 1920 bereits 14,7 Proz. der 23 443 Hektar umfassenden 24 Hochmoore kulturfähig gemacht waren. Ferner ist beachtenswert, daß die Möglichkeit der Förderung des Baues von Landarbeiterwohnungcn aus der produktiven Erwerbslosenfürsorge besteht. Bisher hat allein Preußen nicht weniger als rund 1000 Meliorationen, davon rund 100 in der Provinz B r a n- den bürg, mit 33 000 Erwerbslosen, einem Gesamtkostenaufwand von rund 250 Millionen und rund 100 Millionen Gesamtzuschuß aus der produktiven Erwerbslosenfürsorge ausgeführt. Bemerkenswert ist die zurzeit ihrem Ende entgegengehende Melioration im Roten Luch bei Dahmsdorf-Müncheberg an der Ostbahn, bei der 620 Groß- Berliner Erwerbslose täglich mittels Sonderzug zur Arbeit gefahren werden und nach Ueberwindung anfänglicher Schwierigkeiten im Akkord eine über die normale Leistung hinausgehende Arbeit verrichten. Nach den oben ausgeführten Grundsätzen werden die im Noten Luch bewährten Kräfte bei weiteren Meliorationen beschäftigt, dergestalt, daß demnächst voraussichtlich rund 4000 statt obiger 620 Groß-Berliner Erwerbsloser in gleicher Weise tätig sein werden. Auch bezüglich der zu überwindenden Schwierigkeiten, Finanzierung, Abneigung ländlicher Kreise gegen großstädtische Er- werbslose sowie Unterbringung liegen bereits günstige Erfahrungen vor. Auch der durchaus verständlichen Abneigung der häufig polittsch anders gerichteten ländlichen Kreise kann durch sachgemäße Propa- ganda unter Hinweis auf die neuerdings guten Erfahrungen begegnet werden. So berichtet das Brandenburgische Landesarbeitsamt im Arbeitsmarktanzeiger vom 14. Juni 1921 von guter Bewährung Dresdener und Chemnitzer Erwerbsloser in der Landwirtschaft. Das Landesarbeitsamt und der Arbeitsnachweis in Breslau oerdanken methodischem Vorgehen das Ergebnis, daß nur 10 Proz. von weib- lichen, in die Landwirtschaft vermittelter Breslauer Erwerbsloser zurückkehrten. Schließlich ist auch ein bemerkenswertes Entgegen- kommen und beachtenswerte Anregungen leistungsfähiger Einzel- beisitzer zu verzeichnen, denen nach den preußischen Bestimmungen für Meliorationen Zuschüsse gegeben werden können, wenn die All- gemeinheit neben der ihr nur mittelbar zugute kommenden Ertrags- fteigerung noch einen unmittelbaren Nutzen hat(durch billige Der- Pachtung des meliorierten Geländes an Minderbemittelte, Natural- lieferungen unter dem Marktpreis an Gemeinden auf bestimmte Zeit usw.). Weiterhin werden die Schwierigkeiten der Unterbringung dadurch überwunden, daß da, wo keine Bahnverbindung vom Wohn- ort vorhanden ist und die örtliche Unterbringung auf Schwierig- leiten stößt, durch die preußische Landesaustragsstellc preiswerte Ba- racken, die vorschußweise aus. der produktiven Erwerbslosenfürsorge bezahlt werden, zur Lieferung gelangen. Die Beschaffung der leicht oersetzbaren Baracken, die in den Besitz der Genossenschaft übergehen, beläuft sich aus rund 1400 Mk.(ohne Nebenräume) bis 2000 Mk. (mit Nebenräumen) pro Kopf der Belegungsziffcr. Schließlich sei noch auf die erleichterte Erlangung der Mittel der produktiven Er- werbslosenfürsorge hingewiesen, die durch eine erhebliche Erweite-

rung der Zuständigkeit der Regierungspräsidenten für Groß» Berlin des Obcrpräsidenten von Brandenburg mit Wirkung ab 1. August 1921 eingetreten ist. Obige Ausführungen haben für Groß-Verlin besondere Bedeutung. Das zurzeit in ländlichen Gegenden schnellere Sinken der Erwerbslosenziffcr hat nunmehr bewirkt, daß in der Reichs- Hauptstadt nicht weniger als 38 Proz. sämtlicher Erwerbslosen Deutschlands bzw. 61 Proz. sämtlicher Erwerbslosen Preußens zu- sammengeballt sind! Die Verhältnisse drängen dazu, daß Groß» Berlin im Gegensatz zu früher, wo es das Zuströmen weiterer Steuerzahler nur begrüßen konnte, im Interesse seines Stadtsäckels organisatorisch und aktiv teilnimmt an seiner eigenen Entlastung. Zwar gestattet der städtische Haushaltsplan angesichts der schwierigen Finanzlage leider nicht die Durchführung einer Reihe baureifer Not- standsprojekte. Um so mehr wird es sich nicht umgehen lassen, daß neben der Leistung des bestimmungsgemäßen Gemeindesechstels we» nigstens dem neuerdings zusammengetretenen städtischen Aus- schuß für Meliorationen die Mittel an die Hand gegeben werden, um eine wirksame Erkundung von Arbeitsmöglichkeiten, Pro- paganda und Betreuung des vermittelten Erwerbslosen zu crmög- lichen. Das Reichsarbeitsministerium hat in Anbetracht der Bedeutung der Groß-Berliner Erwerbslosenfrage einen Siebenerausschuß zusammenberufen, der in diesen Tagen zum ersten Male zusammen- tritt. Er besteht unter dem Vorsitz des Reichsamts für Arbcitsver- mittlung aus dem preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt, dem Oberpräsidenten als Demobilmachungskommissar für Groß-Berlin, den Landesarbeitsämtern Berlin und Brandenburg , dem Magistrat Berlin und einem Vertreter der Gewerkschaften. Die Aufgabe des Ausschusses wird es sein, auf breiter Grundlage die bisherigen Erfahrungen und die oben gegebenen Anregungen auszuwerten. GroßGerlm Rings um üie Nolle. Der Ausflug weit ins Grüne, wo es am schönsten ist, kann trotz der hohen Fahrkosten auf Eisenbahn, Dampfer und Motorboot immer noch unternommen werden, wenn man auf olle unnützen Nebenausgaben verzichtet. Lieber soll man weitere Fußtouren machen Es ist eigentümlich, daß wunderschöne Waldgcbiete immer noch nur aus Bequemlichkeit, aus Angst vor dem Laufen gemieden werden. Eine solche genußreiche Tour ist die Umgehung eines der schönsten und stillst m märkischen Seen, des Möllen -Sees hinter Alt- Buchhorst. Wir sind zur Verbilligung der Fahrt auf Bahnhof Erkner in den Fürstenwalder Anschlußzug umgestiegen, verlassen ihn nach einer Viertelstunde auf der ersten Station Fangschleuse, biegen hinter der Löcknitzbrücke, von der sich ein entzückender Ausblick in das Löcknitztal bietet, in den Wald ein, erreichen in einer halben Stunde die zwischen Wald und Pactz-See eingezwängte hübsche Ko- lonie Reiherhorst, gehen hinter ihr am Forsthaus vorbei nach der kleinen Brücke, die den Paetz-See mit dem Möllen-See verbindet. DieMülle" hat den Vorzug, an ihren Ufern fast gar nicht bebaut zu sein. Neben dem tief gelagerten Moorboden an den Ufern, der stellenweise unter jedem Tritt schwankt, fällt der Ouellenreichtum auf. Man braucht nicht lange zu suchen, um allenthalben natürliche Quellen. lustig sprudeln zu sehen. Kurz vor der erwähnten Brücke betreten wir die Kurpromenade, die nach dem Gebiet der schongefaßten" und industriell ausgenutzten Mineralquellen führt. Einst war der für jedermann frei zugängliche Kurpark mit Brunnenhäuschcn, Römerbrunnen und Gradierwerk in seinem herrlichen Blumenschmuck eine vielbesuchte Altbuchhorster Sehenswürdigkeit. Seit dem Kriege ist alles verwildert. Wie wir hören, soll aber im nächsten Jahre der Brunnenbetrieb, der Tausenden für einen nur die Unkosten decken- den Nickel eine köstliche Erfrischung bot, wieder in alter Schönheit erstehen. Hinter dem Kurpark mit dem Freibad hat ein vor acht Iahren angelegter Stichkanal, der zu neu entdeckten Kiesgruben führt, leider den Landschaftsreiz stark zerstört. Auch das an der Mitte des Seeufers liegende Kaler-Luch wird jetzt ausgebeutet. Hunderte von Arbeitcrhänden graben nach Torf. Dann aber um-

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Die Rächer. Roman von Hermann Wagner. Und anerkennen Sie alle Folgerungen, die aus meiner Erklärung hervorgehen?" Dann, bitte, unterschreiben Sie dies Duplikat." und Lehrens reichte Mannheimer das Duplikat hin. Der unterschrieb es. Behrens lächelte.Gut, und nun wollen wir warten, denn vielleicht nicht wahr? gelingt auch... jene große Sache!" Es war Mittag, und Behrens stieg zu Aschinaer in den ersten Stock hinauf, wo er an einem der ungedeckten Tische zwischen einem Ladenmädchen und einem Angestellten mit schmutzigem Kragen und schwarzen Fingernägeln einen Platz bekam. Für sechzig Pfennige gab es ein Mittagesien, zu dem man Brot in beliebiger Menge essen durfte. Behrens staunte, wie- viel Brötchen sowohl das junge Mädchen wie der Mann mit dem schmutzigen Kragen vertragen konnten. Ihre Magen schienen eine Grube ohne Grund, die alles oerschlang und doch nie voll wurde. Es regnete. Behrens ging auf eine Droschke zu, und der Kutscher, der ihn kommen sah, nabm die Decke von seinem Pferd und sagte:Nu, Männekcn, wohin?", und er war gar nicht erstaunt, daß er nach dem Norden hinaus fahren mußte, die Elsasser Straße weit hinauf. Auch hier waren die Häuser trübe und düster, aber es fehlte ihnen das Schweigen das Behrens so liebte. Allen Geräuschen haftete etwas Krächzendes an, dem Husten ahn- lich, der alte schwindsüchtige Männer schüttelt, nur daß es ein Husten von vielen war, trostlos und niederdrückend und doch voll kalten Gleichmuts. Er arbeitete sich durch üble Dünste hindurch, in ein Hinterhaus, da, Neigung zeigte, einzufallen, ohne auch nur dazu die Kraft zu finden. Er stieg vier Treppen hoch und mußte auf jedem Absatz über verwahrloste Kinder steigen. die ihn nicht ansahen uno die auch keinen Lärm machten, als fühlten sie, frühzeitig Erwachsene, schon jetzt die Nutzlosigkeit alles Redens. Er klopfte an eine Tür. tmd eine dünne Stimme rief: �Herein!"

Das Zimmer war düster. Aus dem Hintergrund, den das Fenster bildete, löste sich eine Frauengestalt los, schlank, mager, mit einem Gesicht, das nicht zu erkennen war. Die dünne, erloschene Stimme fragte:Wer ist da?" Bin ich hier recht bei Frau Gutzeit?" fragte Behrens. Ja, was wünschen Sie?" Behrens nahm das Zimmer, das zugleich die Küche war, in Augenschein. Allmählich gewöhnten sich die Augen an die Düsterheit. Er sah ein Bett, einen Tisch, eine Nähmaschine, einen Schrank. In einer Ecke stand der Ofen. Eine Schnur war quer über die Ecke gezogen, aus der Wäschestücke zum Trocknen hingen. Es roch feucht. Ich war ein Geschäftsfreund Ihres verstorbenen Mannes," sagte Behrens,ich möchte Sie sprechen." Die magere Frau zögerte zu antworten. Sie legte einiges Näh.zeug beiseite, an dem sie gearbeitet hatte. Schämte sie sich? Behrens räusperte sich.Es geht Ihnen nicht zum besten, i Frau Gutzeit?" Sie schob den Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, näher zu ! ihm heran, was für ihn eine Aufforderung war, sich zu setzen. Er tat es, obgleich ste nun selbst stehen mußte. Er wollte sie nicht beschämen. Er konnte sie jetzt sehen. Sie schien schwindsüchtig. Ihre Augen flackerten wie zwei unnihige Lichter. Und sie bewegte auf verlegene Art ihre Hände, als wüßte sie nicht, was sie mit ihnen anfangen solle. >Ja. es geht einem manchmal dreckig." sagte Behrens derb, mit einem Anflug von Schadenfreude in der Stimme. Zum Beispiel ich! Ihr Mann hat mich Gott, wie lange ist es her? Zwöls, dreizehn Jahre! ja, er hat mich damals nicht sanft angepackt!" Er redete, redete immerzu. Er redete mit einer Erbitte- rung, die sich langsam wandelte, aus der eine Gutmütigkeit wurde, die es liebte, zu poltern. Ja, es war ihm eine Zeitlang schlecht gegangen, mise- rabel, hundsmiserabel, nicht besser wie jetzt ihr, die ja nicht auf Rosen gebettet scheine, nein, noch viel schlechter,... viel, viel schlechter. Sie dürfe es ihm glauben! Nicht zum wenigsten sei er durch die Brutalität zugrunde gegangen, mit der Gutzeit Gott habe ihn selig, er trage ihm nichts nach, denn nach dem Tode sei Ruhe! seine For­derungen gegen ihn eingetrieben habe! Hatte Gutzeit das nötig? Und hatte er etwas davon? Nein!" rief Behren» aus und lachte.

Er habe doch nicht bezahlen können niemandem, keinen Pfennig! Und bei Nacht und Nebel sei er verschwunden. Ausgewandert sei er, weit fort, es tue nichts zur Sache, wo- hin, denn alles Alte sei begraben und vergessen. Nun gehe es ihm wieder gut, unberufen! Er habe ein Geschäft, eine Holzhandlung, er wolle nicht sagen, wo, wen ginge das auch etwas an? Immerhin und er räusperte sich hier selbstgefällig sei er ehrlich genug, seine alten Schulden. zu bezahlen. Nicht auf einmal, das könne er nicht. Dafür nach und nach, in monatlichen Raten... Es sei ihm sauer genug geworden, Frau Gutzeit aus- findig zu machen. Er frage sie nun, ob sie damit einverstanden sei, wenn er seine Schuld die freilich schon verjährt sei durch monatliche Abzahlung von je hundertfünfzig Mark, all- mählich er habe es nun einmal nicht dazu, sie auf einmal zu bezahlen! tilge? ,.He?" fuhr er Frau Gutzeit an. Sie schwieg. Da wurde er grob.Wenn Sie nicht wollen, ich meine, wenn Sie nicht zufrieden damit sind, daß ich über- baupt überhaupt etwas bezahle, dann-- also, ich frage Sie noch einmal: nehmen Sie an?" Da löste sich die magere Frau von der Wand, an der sie stand, los und glitt, als trügen sie ibre Beine nicht mehr, auf das Bett hin. Sie stützte den Kopf in die Arme. Aber sie schwieg noch immer. Wollen Sie?" fragte Behrens noch einmal. Ich weiß nicht," sagte sie mit erloschener Stimme,Sie reden von einer Schuld?" Es find sechstausend Mark," sagte Behrens trocken,in den Büchern Ihres Mannes muß es zu finden sein." Ich weiß nicht," flüsterte siemir kommt alles so über- raschend..., machen Sie keinen Scherz?" Erlauben Sie?!" rief er drohend aus. Verzeihen Sie," sagte sie mühsam,dann wird es schon stimmen..." Er wurde Zugänglicher.Frau Gutzeit," riet er ihr, man soll immer nehmen, was man kriegt, und wenn es noch so wenig ist... Wissen Sie. es wird mir nicht leicht, alle Monat die hundertpinfzig Mark zu bezahlen, aber... Also noch einmal: wollen Sie oder wollen Sie nicht?" Ja," sagte sie matt. (Forts, folgt.)