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stische von bürgerlicher Erziehung trennt. Sie stellt kein Ziel auf, das alle erringen müssen, dessen Besitz für alle nötig ist, sondern sie befriedigt die kulturellen Lebensbedürfnisse.Die Persönlichkeit als Glied der Gemeinschaft" ist noch kein Ziel, das nicht auch bürgerliche Parteien, namentlich die äußere Rechte, anerkennen würden. Predigt doch die rechtsstehende Jugendbewegung heute laut genug die Hingabe an das Ganze, an den Staat,wie sie ihn verstehen". Und das selbst gestaltende Gemeinschafts- und Arbeitsleben(nebenbei bt merkt: Wen gestaltet das Gemeinschaftsleben? Sollte nicht richtiger das Wörtchensich" einzufügen sein?) als Mittel der Erziehung zu bezeichnen, bedeutet einen Widerspruch gegen den wohl von jedem Sozialisten unterschriebenen Ausdruck in Paulsens Programm: Die Schule istschlechthin die Lebens statte der Lugend, beherrscht von ihrem ureigenen Lebens- gesetz.... Die Schule sei darum eine Stätte sinnvoller Arbeit." Es wäre hier noch vieles zu sagen über die Art, wie im Entwurf die Bildungsstätten für erwachsene Volksgenossen neben" den einheillichen Bau des Bildungswesens gesetzt werden, in den sie sich vielmehr eingliedern müssen, wie weiterhin die Jugendhilfe mit dem eigentlichen Erziehungs- wesen zu verbinden wäre, das sie ergänzt und zum Teil ab- löst; aber diese Hinweise müssen hier genügen. Nur eins möchte ich nochmals erwähnen: In den vielen Versammlun- gen, in denen ich über Schulfragen vor Parteigenossen ge- sprachen habe, ist mir immer wieder die Frage entgegen- getreten: Wie kommen wir zu dieser sozialen Gemeinschafts- schule? Es wäre schon gut, wenn wenigstens durch ein Wort gesagt würde, daß der Weg nur im Gegensatz zu der von oben geordneten bisherigen Schule, von unten her durch freie Gemeinschaftsbildungen der von neuer Gesinnung durchdrun- genen Menschen aufwärts führt. Aus den schönen Erläuterungen, die Antonie Pfülf dem Entwurf beigegeben hat, geht hervor, daß sachlich zwischen den hier vertretenen Auffassungen und denen der Programm- kommission kein Widerspruch besteht. Um so notwendiger er- schien es mir, darauf hinzuweisen, wie mißverständlich die ge wühlten Formulierungen sind.

Unö öle Golüwerte? Die Reichsregierung dementiert, daß der Gedanke an die Erfassung der Sach- und Goldwerte zum Zwecke der Wiedergutmachung aufgegeben sei. Wir hegen berechtigte Zweifel, daß dieses Dementi ernst zu nehmen ist. Hat doch der Reichskanzler W i r t h erst kürzlich erklärt, daß man diesen Gedanken nur für die industriellen und gewerb- lichen Körperschaften weiter verfolgt. Es handelte sich, wie wir seinerzeit mitteilen konnten, um den Plan, die K ö r p e r- s ch a f t s st e u e r für eine Reihe von Jahren durch eine ein- malige Zahlung in Besitzanteilen abzulösen. Eine solche Steuer würde natürlich den überwiegend in Privathänden be- findlichen landwirtschaftlichen und städtischen Grundbesitz un- berührt lassen. Sie wäre ein kleiner Substanzsteuerersatz, von dem außerdem fraglich ist, ob er der Reichskasse auch wirklich größere Erträge bringen wird, als es die Körperschaftssteuer vermag. Im übrigen hat bei dieser Frage, soviel uns bekannt ist, im Reichskabinett, der von Gothein geführte Demo- kratenflügel gesiegt, der im Gegensatz zu westdeutschen Demo- traten für die äußerste Schonung des Besitzes ist. Wenn das Rcichskabinett also ernsthaft die Sachwerte zu Steuern heran- ziehen will, so muß sie schon zu einer Steuerreform greifen. die mit der Erfassung der Goldwerte mehr als den schlagwort - artigen Namen gemeinsam hat. Das arbeitende Volk wird sich jedenfalls nicht damit zufriedengeben, daß nur ein Teil des Goldkapitals der Wiedergutmachung dienstbar gemacht

wird, während die indirekten Steuern und die Preiserhöhung für Getreide mit rücksichtsloser Härte auf ihm lasten. * Aber wenn der Steuerplan in dieser Form weiterbera- ten werden sollte, so wird wenigstens das Kapital der Industrie und der Banken herangeholt. Das ist wie gesagt der Standpunkt der Reichsregierung, soweit er sich aus den kümmerlichen Mitteilungen amtlicher Stellen herleiten läßt. Um so befremdlicher ist es, wenn dieDeutsche Tages- zeitung" noch vor wenigen Tagen ihren Lesern einzureden suchte, daß durch die Erfassung der Goldwerte die Kriegs- und Revolutionsgewinnler gar nicht betroffen würden.Diese prachwolle Sorte von Oberschicht", so schreibt sie,ist ja doch eine Degenerationserscheinung des demokratischen Deutsch- lands, und sie lacht den Steuererheber aus, auf welchen Wegen immer er sich ihr nahen will." Herr H e l f f e r i ch wird sich schönstens bedanken, daß ihm hier die Vaterschaft an den Kreaturen seiner eigenen Finanzpolitik streitig gemacht und dem demokratischen Deutschland zugeschoben wird. Aber wie dem auch sei. Tatsache ist, daß sich eine große Zahl von Schiebern vor der Besteuerung dadurch zu schützen ver- sucht hat, daß sie ländlichen und städtischen Grundbesitz er- warb. Damit haben sie freilich die Anwartschaft auf den Schutz durch dieDeutsche Tageszeitung� erworben. Und man versteht, warum dieses Blatt jetzt von einer Erfassung der Goldwerte nichts wissen will. Das ist diese Art von na- tionaler Würde, die sich nicht scheut, dem eigenen Interesse das Staatswohl hintan zu stellen. Noch aufgeregter aber benimmt sich dieKreuzzeitung ". Der Gedanke, daß die vom Reiche erfaßten Goldwerte, sei es verpfändet, um Kredite zu gewinnen, sei es p l a n m ä ß i g ans Ausland veräußert wür- den, um sie nicht durch wilde Kapitalflucht den Reichshänden entgleiten zu lassen, bringt sie vollends in Auf rühr, und so schreibt sie:Sozialistischer Irrwahn der Besitz' feindschaft und Unterwürfigkeit unter die unmöglichen For derungen des Feindes reichen sich in dieser Denkschrift in einer Weise die Hand, die nur zu dem Ergebnis vollständiger und nie wieder gutzumachender Versklavung des deutschen Volkes führen kann." Tönendes Blech im wahrsten Sinne des Wortes. Alle Kriegsmärsche wurden bisher auf Blech ge- blasen. Klüger ist der Reich slandbund. Er gibt sich we- nigstens die Mühe, mit ein paar hockitönenden Phrasen seinen Steuerprotest zu begründen. Die Landwirtschaft hat bisher immer zu den Steuerprotestanten gehört. Wenn nun die zentralen landwirtschaftlichen Verbände in einer Kundgebung davon berichten, daß das Betriebskapital durch eine Erfassung der Goldwerte vernichtet werde, so können wir wenigstens keinen Einwand dagegen finden, daß ein Teil des landwirt- schaftlichen Betriebskapitalsvernichtet" und dem Reichsgan- zen dienstbar gemacht wird, das sind die Millionen und aber Millionen, die bisher zur Unterhaltung der Orgesch und anderer kriegerischenArbeitsgemein- s ch a f t e n" verwendet wurden, ferner die Riesenbeträge, die zum Unterhalt einer mit den niedrigsten Verdächtigungen gegen die deutsche Republik und mit der schmählichsten Re- vanchehetze arbeitenden Presse dienten, und die alle oder doch zum allergrößten Teil aus den Goldrenten der Landwirtschaft aufgebracht werden. Wenn der Reichslandbund gar in der Erfassung der Goldwerte den entscheidenden Schritt zur fort- schreitenden Sozialisierung des produktiven Volksvermögens sieht, so wäre das.für uns ein Anreiz mehr, daraus hinzuar- beiten. Aber wir bedürfen dieses Anreizes nicht und wir müssen, weil wir die Dinge besser kennen, leider gestehen, daß auch von dem leisesten Sozialisierungsversuch in den Plänen des Reichswirtschaftsministers nichts zu merken ist. Die Gründe für diese Auffassung haben wir kürzlich an dieser stelle dargelegt. Es entbehrt nicht eines bitteren Beigeschmacks, daß wir hier einen Kampf gegen die

Eigensucht des Kapitalismus führen müssen, ohne daß disfek uns dem sozialistischen Ziele näher bringt. Sieht etwa der Reichslandbund G o l d p f a n d b r te f e, die in New Bork- Wallstreet verkauft werden, als sozialisiert an? Wir nicht. Der Landbund natürlich auch nicht. Und so bleibt uns nur die Frage, ob es angeborene Dummheit oder Lügenhaftig- keit ist, die derartigen deutschnationalen Agitationsschwindel zeitigt. * Natürlich findet sich unter den Gegnern der Erfassung der Goldwerte auch dieB o s s i s ch e Z e i t u n g". Sie bringt Gedankengänge, die von dem Willen zur Sachlichkeit getragen sind. Nur sind die Goldwerte natürlich schlagwort- artige Phantasien, die erst so ausgelegt werden müssen, daß man sie bekämpfen kann. Aber ein richtiges Wort fällt in ihren Ausführungen. Wir lesen da:Die Erfassung und Ver- äußerung oder Verpfändung der Substanzwerte ist in der Tat gar nichts anderes als eine Versilberung künftiger Staatseinnahmen." Sehr richtig! Wenn das Ülti- mawm aus den gegenwärtigen Staatseinnahmen gedeckt wer- den könnte, so wäre derjenige ein Verbrecher gewesen, der gegen die Annahme des Ultimatums gestimmt hat und damit das Volt der Besetzung des Ruhrgebiets auszuliefern bereit war. Für solche Verbrecher halten wir unsere Koalitions- freunde und die Parteigänger derVoss. Ztg." nicht. Und deshalb müssen wir sehen, künftige Staatseinnahmen zu versilbern, wo die gegenwärtigen noch nicht ausreichen. um das eigene Reichsdefizit zu decken. Hierzu bedarf es des ersten energischen Schrittes. Ist er getan und hat er Erfolg gehabt, dann wird man mit doppelter Energie darauf hin- arbeiten müssen, auch die Besteuerten für die Besteuerung tragfähig zu machen, dann wird man auch die Maßnahmen steuer- und wirtschaftspolitischer Natur einer näheren Prüfung unterziehen müssen, die die Produktionsfähigkeit und zugleich die steuerliche Leistungsfähigkeit des ganzen Volkes steigern, denen aber jetzt, wo die Zahlungstermine drängen, nachzu- gehen, utopisch wäre._ Saperns Getreiüeforgen. Die bayerische Negierung hat ihre Bemühungen noch nicht eingestellt, Ausfuhrbeschränkungen für das in Bayern erzeugte Getreide zu erwirken. Gegenüber dem ablehnenden Be- scheid, den sich die Kahr-Leute beim Reichsernährungsministerium zweimal geholt haben, erklären sie jetzt, daß noch weitere Berhand- lungen im Gange sind, die man erst abwarten muh, ehe man ent» scheiden kann,ob die bayerische Regierung genötigt ist, von sich aus Maßnahmen zu treffen". Man droht also auch hier, ähnlich wie seinerzeit in der Frage der Einwohnerwehren, unverhohlen mit einem eigenmächtigen Vorgehen, das gegen die Reichs- g e s e tz e verstößt. Wie man schon jetzt Schleichwege sucht, um die Reichsgetreidcordnung zu umgehen, darüber teilt dieMünchen- Augsburger Abendzeitung", ein offiziöses Organ der Kahr-Regie- rung, wit, man könne ja den Getreidehandel konzessiv- nieren und die Kontrolle des Verkehrs mit Getreide durch a m t- liche Frachtbriefe durchführen. Es wird Ausgabe des Reichs- ernährungsministeriums sein, diesen Versuch zur Wiedereinführung einer ungesetzlichen Zwangswirtschaft in Bayern zu ver- hindern. Es bleibt asso dabei, daß Bayern sein billiges Getreide für sich behalten will, und gar nicht daran denkt, anderen Landesteilen etwas abzugeben. Der Versuch, damit wieder einmal eine Preußen- Hetze einzuleiten, ist allerdings fehlgeschlagen. Das genannte Blatt stellt fest, daß Brotgetreide schon deswegen nicht aus Bayern hin- ausgegangen sei, weil der Preis für Brotgetreide in den ersten Tagen nach der neuen Ernte in Bayern höher war als außerhalb. Nut Braugerste sei über die blauweißen Pfähle geschafft worden, und diese ging nach Württemberg. Es ist wesentlich, diese Mit- teilung festzuhalten, um auch fernerhin die gegen das Reich gerichtete Propaganda der bayerischen Separatisten in der Broffrage auf das richtige Maß zurückzuschrauben.

Gsöorf ein Sommererlebnis. Don Toni Pfülf . Genossinnen, wißt Ihr wie das ist? Man hat es lange erträumt und wartet immer noch auf den jenigen, der einem mit der nötigen Million helfen soll, es in die Wirklichkeit umzusetzen. Da macht man eine kurze Sommerreise, auf der man nur blödeln will nur ja nichts denken, nichts denken! Und da steht es plötzlich vor einem. Ein langer, schön geglie- derter einstöckiger Bau mit ausgebautem Dachgeschoß mitten in wogenden Aehrenfeldern. Eine alte schattige Allee führt hin. Ist es ein Herrensitz? Ein Erholungsheim? Ach nein, Genossinnen, es ist wirklich und wahrhaftig ein Haus für verlassene, heimatlose Kinder, was uns da anlacht. Was sag ich da: heimatlos? Mögen sie es gewesen sein durch Unglück oder Schuld ihrer Eltern. Die dort landen, haben eine Heimat gefunden. Ich kam zufällig und unangemeldet am frühen Mittag. Schon beim Eintreten eine Freude: zwölf kleine Kerle unter 6 Iahren, nur mit HösHen oder Röckchen an es war in den heißen Iulitagen dieses Jahres wanderten zum Mittagsschlaf. Zwei Mädels von 11 und 12 Iahren begleiteten sie, und schon au» ihrer behutsamen mütterlichen Art leuchtet der Geist des Heims. Bald fallen den kleinen, satten Leuten die Augen zu. Sie sind in guter Hut ihre Mütterchen halten treue Wacht. In den Gängen und den Gruppenzimmern da» fröhlichste, ge- schäftigste Leben. Buben und Mädel räumen auf, und man sieht ihnen den Stolz an, wenn die Stube fein hergerichtet ist. In jeder Wohnstube hausen ungefähr 16 Kinder mit ihrer Helferin, auf den Tischen grüne Sträuße, die ganze Vorderwand ein breites nicht zu hohes Fenster, durch das das weite Land hereinlacht. An den Wän- den eingebaute Kästen, in denen jedes Kind seine kleinen Habselig- keiten verwahrt. In einer Ecke des Zimmers die Nähmaschine, mit der, wie ich sah, die älteren Mädchen schon gut umzugehen verstehen. Und junge lachende Helferinnen mitten unter den Kindern. Man sieht ihnen an. sie sind nicht überarbeitet und überhetzt, sie haben Zeit und auch das Herz dazu, mit der Jugend jung und froh zu sein. Es war ganz die tolle Ferienstimmung, wie sie eben in einer glücklichen Familie um die Sommerszeit herrscht. Dort ein Trupp Indianer in Badehosen mit selbstgemachtem prächtigen Kopfputz, die sich von den echten Brüdern nur durch ihren blonden Haarschopf und die blauen Augen und wohl auch durch die Zutunlichkeit unterscheiden, mit der sie uns begrüßen. Das Geschrei und die Freude am Leben und auch der Schmutz war jedenfalls ganz echt. Ja, für alte Spießbürger ist die Anstalt freilich nichts. Aber es ist eine Anstalt, bei derem Besuch jedem Kinderfreund das Herz aufgeht, bei der der wirkliche Pädagoge sagen wird:So muß es sein In einem Kinderheim, und nicht anders."

Im Schweinestall, im Kuhstall, in der Tenne, bei den Pferden, in der Küche überall Jungvolk, das aus eigenem Wollen mit an- griff. Nirgends war derZutritt verboten". Der Inspektor des Heims und seine wackere Frau wurden über- all mit jener natürlichen Ehrfurcht begrüßt, die gütigen und tüch- tigen Menschen von selbst zufällt. Sie erzählten mir, daß sie bei ihrem Amtsantritt in Osdorf erst Bündel von spanischen Rohren entfernen mußten: heute gibt es auf Osdorf keine Prügelstrafe, aber gute willige Menschenkinder dafür. Ein kleines Altersheim ist angebaut: es vertritt die Stelle des ehemaligen Armenhauses der Gemeinde. Ein Alter zeigt uns voll Stolz sein letztes Kunstwert. Er ist ein Parteigenosse und hat Ebert gemalt er ist zum Erkennen. Run bittet er um frische Farben und einen kleinen Arbeitstisch. Beides wird ihm freundlich zu- gesprochen. Auch die anderen alten Leute suchen sich noch Arbeit in der Oekonomie. So haben sie nicht das Gefühl der Nutzlosigkeit und manchen kleinen Dorteil davon: für Dauerleistungen Taschengeld und bessere Kost. Und die Kinder sind um sie herum. Für sie ist das Altersheim wertvoll: denn dort lernen sie ihre junge starke Kraft den Hilflosen anbieten und die Liebe, die sie selbst empfangen, weiterzugeben an solche, die es nötig haben. Da? Schönste ist es scheint gar keine Lohnarbeiter zu geben auf Osdorf . Von der Inspettorsfamllie bis zur Küchenmagd ist alles innerlich mit dem Heim und seinem Gedeihen verbunden. Und doch soll es hier einmal ganz anders ausgesehen haben, soll auch hier der finstere Geist des Duckmäusertums arme verwaiste Kinderherzen vergewaltigt haben. Aber der heutigen sozialistischen Stadtverwaltung ist es gelungen, aus einem Waisenhaus der alten Zeit mit all seiner Bigotterie, all' seiner Heimatlosigkeit und Lieb- losigkeit eine sonnige Kinderheimat zu schaffen eine vorbildliche Stätte der Erziehung zu praktischer Arbeit und gütigem Menschen- tum. Was in Altona möglich ist, muß wo anders auch gehen. Stadtväter und Stadtmütter vor!

Kunstpflege ln der Provinz. Das bayerische Kultusministerium hat jüngst über einen sehr löblichen Plan Mitteilung gemacht. Es will einen Teil der Mittel des Etats zur Förderung von Kunstaus- stellungen verwenden, um alljährlich eine sorgfältig zusammen- gestellte Auswahl ausgezeichneter Bilder, gegebenenfalls auch' Pla- ftiken, auf eine Wanderung durch die bayerischen Kunstvereine zu schicken. Dabei ist in erster Linie an die Neuerwerbungen, aber auch an älteren Besitz gedacht. Man will der Wanderausstellung ferner aus staatlichem Besitz eine Auswahl graphischer Blätter mitgeben. Das bedeutet eine Neuordnung, die den kleineren Städten sehr zu- gute kommen wird. Es ist geplant, die zum Teil sehr wertvollen Bestände der Münchener Galeriedepots zu selbständigen kleineren Gelerien für die Provinz zusammenzustellen. Was da in Bayern durchgeführt wird, ist feit langem auch in der Absicht der preußischen Kunstverwaltung. Auch hier sind mehr- fach Wanderausstellungen aus Berliner Galeriebesitz zusammen-

gestellt worden, z. B. neuerdings von Handzeichnungen Menzels, und in Orte mit kleineren Museen gesandt worden. Die Depots der Museen älterer Kunst hoben eine ganze Anzahl von recht beträcht- lichen Bildern für kleinere Sammlungen in den Prooinzhaupt- städten usw. abgegeben, ohne damit dort immer rechte Gegenliebe zu finden. In unserer Zeit, wo sich auch auf dem Gebiete des Sammlungswesens die Aufgaben sehr spezialisiert haben, setzen sich die kleineren Museen eben eigene Programme, die durch Leihgaben aus Berlin nicht zu erfüllen sind. Trotzdem können solche Wander- ausstellungen, wenn sie nicht nur in die größeren Städte gehen, einen sehr guten Zweck haben. Gerade im Hinblick auf solche Ab- sichten hat ja erst neuerdings das Ministerium für Wissenschast, Kunst und Volksbildung eine beabsichtigte Versteigerung von Dou- bletten von Rembrandt -Radierungen aus Berliner Mufeumsbesttz im letzten Augenblick verhindert. Ein jüdischer Alpenverein? Schwere Erschütterungen hätten beinahe die Hauptversammlung des Alpenoereins, der in Augsburg tagt, heimgesucht. In Wien hat sich, vermutlich infolge der antisemi - tischen Hetze in Alpenvereinsgruvpen, eine SektionDonauland, die fast ausschließlich aus Juden besteht, gebildet und ist trotz des Ein- spruchs von 30 österreichischen Sektionen vom Hauptausschuß aus- genommen worden. Darauf lebhaftes Sturmrennen in dem angeb- lich unpolitischen Alpenverein. Schließlich siegte die Neutralitätser- klärung und die Juden blieben. Andererseits hätten sie austreten und einen jüdischen Alpenverein gründen müssen. In diesem Falle wäre billigerweise Vater Noah zum Schutzheiligen erkoren worden. denn er ist wohl mit feiner Schiffsbesteigung des Ararat der älteste Alpinist gewesen. Schließlich hätten bei sortgesetzter Konfes- sionalisierung des Alpenvereins auch die Berge konfessionell aus- geteilt werden müssen und Jodler hätten sich gegen Iüdler aus- gespielt. Man sieht: schwere Konflitte sind vorläufig vermieden worden. Die Arbeiter haben sich von dem bürgerlichen Alpenverein längst emanzipiert und ihre eigene Touristenorganisation geschaffen, wo man sich natürlich mit solchem Trödel nicht abgibt. Die Berge haben ihre eigene Konfession. Ein Eheverbot für kranke. Der Landessanitätsrat von Wien beschäftigt sich, wie dieDeutsche Sttafrcchtszeitung" berichtet, mit einem Gesetzentwurf, der die Gefahr einschränken soll, daß die an besonders vcrcrbbaren Krankheiten leidenden Personen Ehen ein- gehen. Personen, die mit Geschlechtskrankheiten behaftet sind, soll die Ehe zeitlich oder auch dauernd verboten werden. Es soll ein Gesetz ausgearbeitet werden, nach welchem jede Person, die heiraten will, ein ärztliches Gutachten einholen muß. Der Ehekonsens soll der Vorläufer eines Gesetzes über die Zwangsbshandlung der Ge- schlechtskrankheiten sein. Ein absolutes Eheverbot wird es für Ge- schlechtskranke nicht geben: sie werden nur angewiesen, sich erst heilen zu lassen und dann erst zu heiraten. Ferner soll Tuberkulösen die Ehe verboten oder deren Abschluß wenigstens aufgeschoben werden. Schließlich soll unheilbaren Kranken, etwa solchen, die mit Unheil- baren Geisteskrankheiten oder mit nicht behebbaren physischen Ge- brechen behaftet sind, die Eheschließung untersagt werden. Der Berliner Bolkschor veranstaltet für die Mitglieder des GfiorS und der Fichte-Keorginia am Montag, den 22. d. M., abends 8 Uhr im Köntgslädlischen Gymnasium, Elisabelhitr. 57, einen Einsührungsvorttag über Lerlioz und seine Faustmusik, den Dr. Ernst Joll hallen wird.