Luüenöorffs Protektoren. Die Königsberger medizinische Fakultät ist, wie wir er- fahren, in den letzten Jahren zwar nicht auf dem Gebiete der Wissenschaft, aber in der Politik schon des öfteren merkbar geworden In den K a p p- Tagen f l a g g t s n die Direktoren aller Königsberger Kliniken, nur das physiologische Institut und die Frauenklinik blieben damals das, was sie ja auch sein sollen, wissenschaftliche Institute, die sich nicht um Politik zu kümmern haben. Das Königsberger politisch- medizinische Kleeblatt setzt sich aus den Herren M a t t h e s, K a y s e r l i n g und K i r s ch n e r zusammen. Kirschner ist nicht nur der kleine Nachfolger eines großen Wissenschaftlers, er ist auch der kleine Sohn des früheren Berliner Ober- bürgermeisters, der einmal erklärte, als feine Bestäti- gung durch den König ausblieb:„Ich kann warten." Kirschner ist in seinen Fachkollegs schon verschiedentlich durch die lächerlichsten politischen Reden aufgefallen. Es hat des- wegen in seinem Kolleg sogar schon politische Diskussionen gegeben! Kirschner ist überdies, und das erklärt wohl alles, der Schwiegersohn des Herrn Kapp. Seinem Schwiegervater hat er es wahrscheinlich mit zu verdanken, daß er während des Krieges in Königsberg glänzend anvan- cierte. Wenn sich einmal in jenen Jahren von ihm Behan- delte melden, im besonderen diejenigen, die er so gern per „D u" kurierte, dann kann es passieren, daß noch allerlei andere politische Geistesblitze des Herrn Kirschner junior bekannt werden._ Unabhängige Bekenntnisse. In der sozialistischen Partei links von uns ringen feit Halle die Kräfte nach einer politisch geraden Linie. Der Weg zu ihr geht durch Erkenntnisse. Sie sind oft genug mit bitteren Wahr« heiten verknüpft. In der gestrigen Äbendnummer der„Frei- heit" schreibt so z. B. Dittmann über die gelben„Moskauer ". Er meint: „Aber viele Kommunisten, die von den freien Gewerkschaften als von„Gelben" reden, spotten ja meist ihrer selbst und wissen nicht wie! Diele von ihnen, die sich heute so überradikal gebärden, waren bis zur Revolution indifferent oder gar gelb! Sie waren Speichel- lecker und Schmarotzer beim Unternehmer, liehen sich von ihm„or- ganisieren" und mit Geldmitteln aushalten in den Werkvereinen, deren Zweck es war, die Gewerkschaften zu bekämpfen und Streik- brechergarden heranzubilden. Die Geschichte der gewerkschaftlichen Bewegung seit der Revo» lution ist sehr unheilvoll beeinflußt worden von diesen gelben„Revo- lutionären". Im November 1918 drohten zirka 50 009 bis dahin meist gelbe Arbeiter der Siemens-Werke, vor die Reichskanzlei zu ziehen, wenn der Rat der Dolksbeauftragten(I) die Firma Siemens nicht zur Erfüllung der von der Belegschaft aufgestellten Forderungen zwinge. Bei den Verhandlungen, die ich für den Rat der Volksbeauftragtcn deswegen mit Herrn von Siemens führte, verwies ich darauf, daß sich feine bisherige Gelbenzucht jetzt räche. Gerade die bisher indiffe- renken und gelben Arbeiter, die sich sonst in Knechtseligkeit geduckt hätten, erhöben jetzt die unüberlegtesten Forderungen. Hier bewahr- heitete sich wieder das Schillerwort:„Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, vor dem freien Menschen erzittere nicht!" Es seien die Gelben, die sich jetzt wie losgelassene Sklaven gebürdeten, während die bisher schon organisierten Arbeiter wüßten, daß politische Freiheit allein noch nicht den Sozialismus be- deute. Dasselbe Bild kopflosen und unsinnigen Vorgehens bot vor Monaten der zusammengebrochene Streit bei den Farbenfabriken von vormals Friedrich Bayer u. Co. in Leverkusen im unteren Kreise Solingen. „Jammerkusen" war jahrzehntelang eine Hochburg der Gelben. Wie mühsam haben Sozialdemokratie und Gewerkschaften dort um jeden Schritt Boden kämpfen müssen, bis 1918 der Zusam- menbruch da war und die bisherige gelbe Hochburg sich in wenigen Monaten zu einer kommunistischen Hochburg entwickelte. Ein in Blut getauchter Gelber ist aber noch kein Roter, und so kam es, daß das Gros der Pseudo-Revolutionäre in Leverkusen die Feuertaufe des kommunistischen Machtstreiks nicht bestand und jetzt in die alte Knechtseligkeit zurückzusinken droht." Also bis dahin meist gelbe Arbeiter der Siemens-Werke waren es, die dem Rat der Volksbeauftragten Schwierigkeiten machten. Dittmann hat nur zu recht. Wir erinnern uns dabei nur, daß wir die Siemens-Arbefter auch einmal als Hort der — Unabhängigen erlebt ha�en. Darin lag ja der Fehler und das Unglück der US.-Bewegung daß sie sich nahezu zwei Jahre lang auf den plötzlichen Zuwachs stützte, der ihre alten Anhänger und ihre Führer einfach an die Wand drückte, wenn sie nicht wollten, wie diese Masse mochte. Sobald wir das in jenen Zeiten aber festzustellen wagten, dann waren wir die- jenigen, die die Majestät der revolutionären Masse nicht an- erkennen wollten. Jeder von uns, ob jung oder alt, hat einmal den Tag er- lebt, da ihn die Erkenntnis erschütterte� so sind wir alle Sozia- listen geworden. Die Auswirkungen des Weltkrieges und der Zusammenbruch haben dem sozialistischen Gedanken viele neue Anhänger zugeführt, und wir freuen uns darüber. Zeigte das doch wieder die Werbekrast unserer Ideen. In der Zwischen- zeit ist schon so mancher der neu zu uns Gestoßenen zu einem durchgebildeten Kämpfer geworden. Wir wollen aber doch nicht vergessen, daß auf der anderen Seite so vieles, was erst großartig aussah, sich sehr bald als Strohfeuer herausgestellt hat. Darauf bleiben wir stolz, daß w i r den Unterschied ge- sehen haben. Aber unsere Arbeitsbrüder von links sind allzuoft versucht gewesen, das Strohfeuer als das leuchtende Finale beim Untergang des Kapitalismus und als Morgenrot der sozialistischen Welt zu sehen. Das hat sich bitter gerächt.
ßehlbestänüe an tzeeresgeräten. Eine merkwürdige Quelle meldete kürzlich unter Benutzung eines großen Depeschenbureaus, daß die Regierung und die sonstigen ver- antwortlichen Stellen bei der Erfüllung des Londoner Ultimatums weiter gegangen seien, als ihnen vorgeschrieben worden war. Sie hätten Handwaffen, Jnfanteriemunition und allgemeines optisches Gerät weit über die geforderten Mengen hinaus an die Interalliierte Militärkontrollkommission abgeliefert. Es war klar, daß aus dieser Mitteilung in der Rechtspresse allerlei gemacht werden würde. Dies- mal ist es die„Deutsche Tageszeitung", die mit einer ihrer un- appetitlichen Beleidigungen den Bogel abschießt. Wie steht es nun mit der Sache in Wirklichkeit? Zuviel ab- geliefert worden sind— 500 Gewehre, 300 Mannschaftssäbel, 50 Scherenfernrohre usw. Die Differenz ist daraus ent- standen, daß in der Zeit zwischen der Unterzeichnung des Ultimatums und dem Ablauf der Ablieferungsfrist von der Heeresverwaltung eine weitere Reihe Anträge auf Erhöhung der zugestandenen Aus- rüstungsmengen gestellt wurden. Die Ablieferungsfristen Nefen jedoch ab, ehe die deutschen Forderungen zugestanden waren, so daß nichts anderes übrig blieb, als diese Geräte vorläufig an die Reichs- treuhandgefellschaft abzuführen. Da nachträglich die Ententekom». T
Mission die deutschen Anträge auf Erhöhung bewilligt hat, so hat das Reichswehrministerium nunmehr beantragt, aus den an die Reichstreuhandgesellschaft zuviel abgelieferten Beständen die Lücken wieder ausfüllen zu können. Wenn von den Freunden der„Deutschen Tageszeitung" in den vergangenen zwei Jahren weiter nichts als 500 Gewehre und 300 Mannschaftssäbel zu wenig abgeliefert worden wären, dann hätten wir heute mehr Frieden im Lande.
Segnaüigungen in Sachsen . Die„Deutsche Allgemeine Zeitung" läßt sich aus Dresden mel- den, daß sämtliche Verurteilten des außerordentlichen Gerichts für Sachsen begnadigt worden seien und sie führt dieses von ihr be- klagte Vorkommnis auf den s o z i a l i st i s ch e n Charakter der sächsischen Regierung zurück. Zunächst ist es nicht richtig, daß sämtliche Verurteilten be- gnadigt worden sind. Dann aber könnte das große Stinnesblatt wohl wissen, daß die Sondergerichte Einrichtungen des Reiches gewesen sind und daß infolgedessen das Gnadenrccht für die von diesen Gerichten Verurteilten ausschließlich dem R e i ch s p r ä s i- d e n t e n zusteht. Die Vorbereitung solcher Gnodenentscheidungen liegt allein beim Reichs-, nicht bei einem einzelstaatlichsn Justiz- Ministerium. Die sächsische Regierung hat also mit diesen Begnadi- gungen nichts zu tun. Die Grundsätze für die Ausübung solcher Begnadigungen sind durch die seinerzeitige Veröffentlichung all- gemein bekannt. �ahlungsunfähise LanSgemeinöen. Auf der Konferenz der Gemeindevorstände und Rechnungs- führer des Kreises Sonneberg am 14 August d. I. in Sonneberg , zu der 50 Gemeinden des Kreises Vertreter entsandt hatten, wurde nach eingehender Debatte einstimmig beschlossen, ab 15. August d. I. sämtliche Zahlungen für Straßen und Brücken, Kreisumlagen, Schul- und Kirchenlasten und Schuldzinsen, die für laufende Ausgaben ohne Schaffung von Gegenwerten aufaenommen werden mußten, einzustellen. Andere hier nicht aufgeführte Aus- gaben werden nur soweit beglichen, falls bei den Zahlungen die Ge- meinden nicht als Vermittlungsstellen auftreten, als dementsprechende Einnahmen zur Verfügung steben. Als Grund dieses Beschlusses wurde die unzureichende Zuweisung von Mitteln seitens des Reiches und die Schwierig- keiten, die bei Aufnahme von weiteren Darlehen gemacht werden, angegeben. Das Verfahren ist nicht mehr ganz originell: auf diesem Wege versuchten auch schon andere Gemeinden, ihrer Schwierigkeiten Herr zu werden und das Reich an ihre Notlage zu erinnern.
Die Stockholmer Konferenz. Stockholm , 17. August. (WTB.) Die Teilnehmer an der inter - parlamentarischen Konferenz trafen gestern im Sonderzuge hier ein. „SocialdeMokraten" widmet ihnen einen Begrüßungsartikel und bedauert darin das Fernbleiben der französischen und belgischen Gruppe.„Svenska Tagbladct " tritt scharf dafür ein, daß die Konferenz gegen diese Manifestation des K r i e- ges nach dem Kriege ebenso wie gegen die versuchte Jsvlie- rung der deutschen Wissenschaft Stellung nehme. S ch ü ck i n g be- sprach in einem Interview die in der holländischen Presse geäußerte Anregung, durch ein Bekenntnis der deutschen Schuld am Kriege die Franzosen und Belgier milder zu stimmen. Cr be- zeichnete die Erfüllung dieser Anregung als unmöglich. An der Konferenz nehmen auch die Genossen Hermann Müller und Adolf Köster teil.
Soll Washington Paris revidierend Paris , 17. August.(MTB.) Nach dem„Eclair" wird in gut- unterrichteten Kreisen versichert, daß im Gegensatz zu dem, was früher gesagt wurde, Briand in Washington die Debatte nicht einzig und ollein auf die Entwaffnungsfroge zu beschränken versuchen wird. Der französische Ministerpräsident soll der Ansicht sein, daß die Gelegenheit günstig wäre, die meisten großen inter - nationalen Probleme zur Sprache zu bringen und bei den ameri- konischen Freunden Frankreichs eine Darstellung der loyalen Absichten der französischen Politik aller Welt gegenüber zu geben. Der Zlüchtlmasstrom gestaut. Terifokl, 17. August.(OE.) Ter Auswanderungsstrom der Hungernden ist mit graßer Mühe zum Steben gebracht worden. Es werden schleunigst Verpslegungsstationen errichtet, in Moskau selbst auf vier Bakmhöfen und an der Chaussee nach Wla- dimir. Die Lag« in den Hungergcgenden ist nach wie vor äußerst kritisch. Es besteht ein kalasirophaler Mangel an Heilmitteln. die Sterblichkeit erreicht erschreckende Dimensionen. Der Vorsitzende des Zentralexekutivkomitees Ka'inin hat sich mit einer Gruppe ame- rikanilchsr Journalisten in das Wolgaaebiet begeben.— Nach einem Bericht der Moskauer „Prawda" haben sich an sämtlichen Wolga - Häfen, von Kasan stromabwärts, groß« Flüchtlingslager unker freiem Himmel gebildet, die mit Hab und Gut aus ihren Dörfern ausgewandert sind und Verpflegung sowie Abiransport nach Sibirien verlanoen. Ihr« Stimmung fei erbittert. Sie werden nur unter großen Schwierig- keiten verpflegt und müssen zur Rllckkebr bewogen werden, da ihr Abtransport nach Sibirien unmöglich sei und ihnen am Wolga - ufer der Hunger- und Seuchentod droh«. Die Hilfsaktion. Chrlstwnla, 17. August.(EP.) Fritjof Ranfen ist heute nach Riga abgereist, um mit den russischen und englischen Vertretern zu verhandeln. Paris , 17. August. (WTB.) Die französisch? Regierung wird in der Internationalen Konserenz zur Bekämpfung der russischen Hungersnot durch den früheren französischen Bot'chaster in St. Pe tersburg , Noulens, den früheren Präsidenten der französischen Handelskammer in Moskau , Girala, und den Vorsitzenden der franzö- sischen Roten-Kreuz-Organisationen, General Pau, vertreten sein. Die polnische Choleragefahr. Warschau . 17. August.(OE.) Dii«„Rzeczospolita" verweist auf die Gefahr der Einschieppung der Cholera durch polnisch« Heim- kehrer. In Baranowitschi sind am 15. August fünf C h o- l e r a f ä l l e festgestellt worden. Das Blatt beklagt, daß keine Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen worden seien:«s fände keine Isolierung der Barackenlager von den umliegenden Ortschaften statt. Von den Grenzorten drohe die Verseuchung des Landesinnern. Breslau . 17. August.(BS.) In Warschau und den anderen großen Stödten sollen Cholera und Hungertyphus in geradezu erschreckender Weis« wüten. Di« polnische Regierung h a t strenge Maßnahmen zur Sperrung der russischen Grenz« angeordnet. Starke Kavallerieabteilungen sind nach der Ostarenz« abgegangen. Desgleichen hat die P o s e n e r Regierung ein« strenge Quarantäne an der kongreßpolnischen Grenze«ingerichtet, da sie angesichts der in Polen und an der oberschlesischen Grenz« versammelten
starken Truppenmassen ein Uebersprlngen der Seuchen auf ihr Gebiet befürchtet. Nur noch der Schnellzug Warschau— Posen— Verlin— Paris wird durchgeführt, alle anderen Züge und besonders die Truppentransporte unterliegen der Quarantäne. Es macht sB) ein empfindlicher Mangel an Desinfektionsmitte'ln be- merkbar.
Abrüstung. Eine belgische Militärkommission bereist die „Hohe Fenn" in den Kreisen Eupeu und Malmedy , um geeignete Plätze für die Anlage einer B e f e st i g u n g S g r u p p e zu er- künden, die die Festungen Lüttich und PervicrS, sowie einen Aus- marsch der belgischen Armee hinter diesen Festungen sichln soll. damit Uebcrraschungen wie im August lOll bei Lüttich unmöglich sind. Wenigstens kein Giskkrieg soll nach dem Wunsch Englands in Kleinasien geführt werden, wenn auch sonst Lloyd George dt" Mci- nung vertritt, Griechen und Türken müßten Krieg führen, bis sie genug haben. Chamberlain hat im Unterhause mitgeteilt, daß die englische Regierung beabsichtige, die Ausfuhr von giftigen Gasen und Granaten sowohl nach Griechenland als auch nach der Türkei zu verbieten. Uebrigens meldet Griechenland wieder Vormarsch. Das großmütige Polen . Am Schluß der Wirtschaftsverhand- lungen zwischen Danzig und Polen gab der polnische Eeneralkom- missar Plurinski dem Senator Jewclowski gegenüber amtlich die Erklärung ab, daß Polen auf das Recht, Danziger Vermögen in Polen zu liquidieren, Verzicht leiste. Der Senator betonte, daß nach Auffassung der Danziger Regierung eine solche Liguidie- rung überhaupt nicht statthaft sein könne. Immerhin sei es erfreulich, daß die polnische Republik vor der Unterzeichnung des Vertrages diese das ganze Wirtschaftsleben Danzigs berührende Er- klärung abgegeben habe.— Im Halbjahr November 1920— März 1921 sind im polnischen Korridor 170 beladene Güterwagen Richtung Pommern— Ostpreußen verschwunden. Der deutsche Gesandte in Polen , Herr v o n S ch ö n, ist in Warschau cinaetroffen Im Porlamentsgebäude tagte eine Konfe- renz der deutschen Scjmabgeordneten mit den Delegierten der beut- schen Organisationen Polens . Das Ergebnis der Tagung ist die Gründung einer Hauptgeschäftsstelle der deutschen Verbände Polens . Am 11. September findet in Lodz der erfie Kongreß der Deut- schen Polens statt.— Es handelt sich hierbei um die bürgerlichen Organisationen. Portugal und Deutschland . Der portugiesische Handelsminister hat die Absicht geäußert, die Aufhebung der Kriegsmaßnahmen in Portugal vorzuschlagen, soweit sie nicht unter die Bestimmungen von Versailles fallen. Es handelt sich um jene Maßnahmen, die den Wohnsitz, die bürgerlichen Rechte, die industriellen Unterneh- mungcn und das Eigentum von Deutschen in Portugal betreffen. Die portugiesische Regierung hat die Absicht, alles zu tun, um die guten Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Portugal in jeder Weise zu fördern. Reichskanzler a. D. Fehrenbach hat feine Frau verloren: sie ist nach längerer Krankheit gestorben. Wir sprechen Herrn Fehrenbach unser Mitgefühl aus. Deutschnaklonale Erkenntnisse. In der„Krenzzeitung" hat eine neue Gesinnung Einzug gehalten. Sie will erfahren haben, daß Leipziger Arbeiter sich an die sozialistische Vereinigung der Hafen- arbeiter in Buenos Aires gewendet hätten, damit diese der Ein- fahrt des Stinnes-Dampfers„L u d e n d o r s s" Schwierigkeiten bereiten sollten. Wir wissen nicht, was an dieser Geschichte wahr ist. Aber wir stellen fest, daß die„Krenzzeitung" aus diesem Anlaß einem südamerikanischen Blatte freudestrahlend folgende Sätze ent- nimmt:„Uebrigens kennen wir nichts Lächerlicheres', als gegen Nomen zu protestieren.... Es ist u n s i n n i g, sich gegen eine bloße äußere Form zu empören." Dieser Ansicht pflich» tet die„Kreuzzeitung " bei, die natürlich niemals gegen die Um- benennung von Siraßenzügen nach der Revolution, niemals gegen die„schwarz-rot-goldene Judenfahne", niemals gegen die Ent- fernung kaiserlicher Jnsignien usw. protestiert hat. Wir nehmen mit Bestimmtheit an, daß die„Kreuzzeitung " demnächst auch die 1 deutschnationalen Proteste gegen die Einführung der republikcmi- schen 5)andelsflagge als lächerlich und unsinnig bezeichnen wird.
Wirtschaft Dle Teuerung. Die amtlichen Teuerungszahlen verzeichneten bekanntlich«kne Erhöhung der Lebenshaltungskosten im Monat Juli auf 963. So groß ist der verrechnete Mindestbedars einer vierköpfigen Familie an Nahrung, Wohnung, und Beheizung im Reichsdurchschnitt. Der Bedarf an Kleidung ist dabei nicht berücksichtigt. Ebenso kommen in den Zahlen für den Monat Juli die erst später«rfolgien Preis- aufschläg« für Brotgetreide infolge der neuen Preisregelung und die für Einfuhrwaren, die sich infolge der Balutaverschlechterung weiter verteuerten, noch nicht zum Ausdruck. War der Juli also der bisher teuerste Monat nach den für di« Lebenshaltung der breiten Massen wichtigen Feststellungen, so zeigten auch die amtlichen Großhandels Preisberechnungen die wachsend« Teuerung. Die Meßzisser des Statistischen Reichsamtes für Großhandelspreise ist von 1365 im Durchschnitt des Monats Juni auf 1425 im Durchschnitt des Monats Juli gestiegen. An der Erhöhung sind ausnahmslos all« Gruppen beteiligt. Die Grup« Getreide und Kaitossel stieg von 1043 auf 1096. die Gruppe Fleisch, Fisch und Fette von 1626 auf 1633, die Gruppe Kolonialwaren von 1273 auf 1447, die Gruppe Häute und Leder von 1640 auf 1729, die Gruppe Textilien von 1823 auf 1991, die Gruppe Metalle von 1551 auf 1581 und die Gruppe Kohlen und Eisen von 1671 auf 1740. Da die Großhandelspreise Im allgemeinen den Kleinhandels- preisen vorauszueilen pflegen, deutet sich in diesen Zahlen die weitere Verschlechterung der Lebenshaltung der breiten Masse an, wie sie jetzt schon zu spüren ist.
Die Dalula hat sich gestern wieder g e h o b e n, und zwar fielen die Devisenkurse etwa auf den am Dienstag erreichten Stand. Der Dollar aing somit von 90,90 auf 86,41 zurück. Der Preis von 100 bolländifchen Gulden sank von 2882,10 auf 2717,25, der von 100 schweizer Franken von 1498,50 auf 1453,50 M. Nachrichten von den Auslandsbörsen lassen darauf schließen, daß dieselben Kreise, die sich am inländischen Markt durch Valutaspekulationen ouk Reichs- und Volkskosten„gesund machen", auch im Ausland durch Markver- kaufe den Wert der Mark drücken. Dos nach Gothein durch die Steuern längst vernichtete Kapital flicht ins Ausland und legt das Vaterland auf den Altar seiner Gewinne. Auch die Frankfurter Börse legt Feierstunden ein, um mit der Unzahl von Aufträgen der Spekulation fertig zu werden. Der dortige Börsen vorstand ließ gestern die Abendbörse ausfallen— in Frankfurt tritt die Börse zweimal täglich zusammen. Ebenso findet heute und morgen keine Abendbörse statt.— In Frankfurt waren es die Bankbeamten, die die Einschränkung der Börse ver- anlaßten. Der Deutsche Bantbeamtenverein drohte für den Fall. daß der Börsenvorstond nicht alsbald geeignete Maßnahmen zur Verminderung der ungeheuren Flut der Börsenaufträge ergreift, seinerseits gewerkschaftliche Maßnahmen an, um dem jetzigen unerhörten Zustand ein Ende zu bereiten. In Arbeitgeber- und Maklerkreisen wurde der Standpunkt des Deutschen Bank- beamtenverelns geteilt, woraus der Börsenoorstand die Schließung der Abendbörse bis zum 26. August veranlaßt hat.