. Die 5rage üer Einigung. Seitdem die Unabhängigen sich in Halle von den kom- munistischen Elementen ihrer Partei geschieden haben, noch mehr seitdem sie im Reich der Koalitionsregierung Wirth eins wohlwollende Neutralität wahrten und dadurch von selbst der Sozialdemokratischen Partei näherrückten, ist oft die Frage aufgeworfen worden, ob denn nun nicht die Zeit für eine Beendigung der Spaltung und eine Wieder- Vereinigung gekommen sei. Zweifellos ist der versöhn- lichere Ton, der seitdem zwischen beiden Parteien Platz gegrif- fen hat, ein erfreuliches Symptom. Zweifellos nähern sich auch die Wege der beiden Parteien wieder. Wie weit es aber noch bis zur Wiedervereinigung ist, das ist eine schwer zu entscheidende Frage, deren Lösung wohl erst die Ereignisse bringen werden. Das Problem der Wiedervereinigung behandelt eine soeben erschienene Allseitige Schrift des Genossen Victor Schiff :„Die notwendige Verständigung der Arbeiterklasse, Möglichkeiten und Voraussetzungen"(Verlag Buchhandlung Vorwärts). Der Verfasser geht an die Frage mit starkem Optimismus, aber gleichwohl mit külem Verstand. Daß eine Verschmelzung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten oder gar noch weiter linksstehenden Gruppen und Grüpvchen zurzeit nicht in Frage komme, ist ohne weiteres klar. Schiff schreibt: Wer zu einem Ergebnis gelangen, wer die Einigung wirklich erreichen will, der muh sich von vornherein damit abfinden, daß die absolute Einigung, auch die Einigung mit der Kommunistischen Partei außerhalb des Bereichs der Möglichkeiten liegt. Was wir zu erreichen versuchen müssen, das ist in einer mög- lichst kurzen Zeit das Maximum an Einigung, das m ö g- l i ch i st. Dieses gegenwärtig mögliche Maximum ist eine E i n i> gung zwischen SPD. und USP. Von diesem realpolitischen Standpunkt ausgehend, unter- sucht der Verfasser, was denn SPD. und USP. in der prak- tischen Politik trennt, und kommt zu dem Ergebnis, daß es vorwiegend die Frage des Zusammengehens mit bür- gerlichen Parteien ist. Die kommunistische Desperadopolitik, das Steuer des Staates eher den Rechtsparteien zu überlassen, als selber aus der unentwegten Opposition herauszutreten, ist ja von den Unabhängigen schon mit der Unterstützung des Kabinetts Wirth praktisch bereits ausgegeben worden. Aber dennoch scheuen sie den Eintritt in eine Regierung, in der auch bürgerliche Elemente sind, und rechneu uns einen solchen noch immer als Prinzipienverrat an. In der Broschüre wird nun nachgewiesen, daß von einem Prinzipienverrat gar keine Rede sein kann. Die von den Un- abhängigen gern zitierten Beschlüsse der internationalen Kon- gresse von Paris (1900) und von A m st e r d o m(1£04) beruhen auf ganz anderen tatsächlichen Voraussetzungen, was niemand zurzeit schärfer betont, als der Verfasser der Pa- riser Resolution: Karl Kautsky . Aber selbst die Pariser Resolution bezeichnet ausdrücklich die Frage des Eintritts eines Sozialisten in ein bürgerliches Kabinett(an eine gleich- w er t i g e oder gar überwiegende Vertretung der So- zialisten in einem Kabinett wagte man damals noch gar nicht zu denken) als eine Fxage der Taktik, nicht des Prinzips. In dieser Weise behandelt auch heute die Sozialdemo- kratie Koalitionsfragen. Tatsächlich ist in dem einen Jahr, in dem Deutschland infolge der unabhängigen Abstinenzpolitik nach den Juniwahlen 1920 rein bürgerlich regiert wurde, g e- w a l t i g c r Schaden für die Arbeiterklasse entstanden. Durch den Wiedereintritt der Sozialdemokratie in das Ka- binett Wirth ist die Gefahr keineswegs gebannt. Die inner- politische Lage ist höchst unsicher, schwere Kämpfe sind zu er-
warten. Die Reaktion verfügt dabei über manchen Trumpf, sie wird, worauf Schiff hinweist, um so günstiger dastehen, je unvernünftiger die Entente gegen Deutschland in der ober- schlesischen Frage und in der Reparationsfrage handelt. Un- endlich viel steht für die Arbeiterklasse auf dem Spiel. Kleine Wahlerfolge können die Situation nicht entscheidend beein- flussen. Ein großes entscheidendes Ereignis muß. so folgert die Broschüre> der durch die Zersplitterung und Kräftever» geudung entmutigten und apathisch gewordenen Arbeiterklasse neuen Impuls geben: Die Einigung. Soll, so fragt Schiff, diese notwendige Tat sche'tern, wegen einer arm- seligen theoretischen Meinungsverschieden- h e i t, die auf einer vc' atteten Formel beruht? Wir wünschen es sicher nicht. Aver wir sind uns klar darüber, daß eine Einigung nur dann ihren Zweck erfüllt, wenn alsbald die geeinigte Kraft der Arbeiterklilsse zur F e st i g u n-g und zum Ausbau der Republik praktisch in die Erscheinung tritt. Nur eine Einigung, die imstande ist, das Steuer der Republik alsbald nach links herumzuwerfen, wird der Arbeiterklasse den Wert der Einigung empfinden lassen. Dieser Erfolg ist aller- dings nur zu erzielen, wenn olle an der Einigung Beteiligten unbekümmert um doktrinäre Streitigkeiten ihr Augenmerk auf ihn einstellen. Insofern ist das eigentliche Problem der Eini- gung in der besprochenen Schrift richtig gekennzeichnet. * Einigung und Koalitionspolitik. Mit der wieder lebendiger werdenden Bewegung für eine Eini- gung mit den Genossen der USP. ist erfreulicherweise auch eine Vertiefung des damit in Zusammenhang stehenden Fragenkomplexes mcrkbor geworden. Es wäre ein Irrtum, wenn man annehmen wollte, daß dadurch Hindernisse beseitigt würden, man muß eher au- nehmen, daß deren Zahl zunimmt. Ein entscheidender Differenz- punkt ist, daß die Unabhängigen, zu den Methoden der SPD. der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückkehrend, jede Koa- lition mit irgendeiner bürgerlichen Partei bisher ablehnten. Wenn auch neuerdings in der Haltung der USP. ein Umschwung bemerk- bar zu werden scheint, so bleibt doch schon auf diesem Gebiet noch ein weiter Weg bis zur gemeinsamen Arbeit. Bon diesem Gesichts- punkt aus behandelt Genosse Rausch, der Leiter unseres Kott- buser Parteiblattes, in einer Broschüre d-e Frag«„R e p u b l i k a- nische Verantwortung, der Zwang zur Koali- t i o n s p o l i t i k". Rausch betont die Notwendigkeit der Koalitionspolitik, die i m Interesse der Republik zu leisten sei. Dabei behandelt er auch die Frage des Zusammengehens mit der Deutschen V o l k s p a r t e i als eine parteitattische Angelegenheit. Unterlage für seine kritischen Bemerkungen bietet ihm die jüngste preußische Kabinettsbildung. Er meint: „Wie sollen diese Aufgaben gelöst werden, wenn die Sozial- demokratie sich selber vcn der Macht ausschließt und freiwillig Post- tionen räumt, die sie halten könnte? Es ist ein auf die Dauer un- erträglicher Gedanke, die Republik von monarchistischen Elementen beherrscht und beschützt zu sehen, und eine Lebensnotwendigkeit für unser Volk, daß sich alle Elemente zusammenschließen, die zu post- tivcr, aufbauender Arbeit auf dein Boden der bestehenden Staats- orhniing bereit find. Wenn das ohne Deutsche Aolkspartei möglich ist, um so besser. Ist da« Ziel der Linkskoalition aber nicht erreich- bar. so ist es ein schwerer Fehler, das Feld den Rechtsparteien voll. kommen zu überlasten." Wir sind'mit Rkkufch darin eiber Meinung, daß es nicht darauf ankommt, wie eine Partei firmiert und was sie erklärt, es kommt daraus an, wie sie' handelt. Und da muß man doch sagen, daß das. was nianchcn und sicher keinen schlechten Parteigenossen noch vor einiger Zeit für Preußen möglich schien, heute aus- geschlossen i st. Die politische Haltung der Deutschen Volks- partei ist allein schon durch ihre Stellung zu den kommenden
Das Grab auf öem Gpbin. Don Edgar Hahnewald . Hoch oben auf dem Oybin , eingeschmiegt zwischen reinliche Sand- steinfelsen und bröckelnde Ruinen, beschirmt vom glasgrünen Gezweig alter Bäume, liegt der Friedhof des Dorfes. Die Toten der Jahrhunderte schlafen dort. Ritter der«instmali- gen Burg, Bauern und Handwerker aus dem Tale, Gäste von weit- her, dl« der rasche Tod der stillen Siedlung einreihte. Da ruht Peter von Igelschütz, bei Kaisern, Königen und Herren wohlverdienter Kriegsmann. Und über seinen Gebeinen schläft, im Leben um Jahr- hunderte von ihm getrennt, im Tode bis auf einige Spaten voll Erde ihm nahe, der Obermeister der Innung der Köche zu Leipzig . » Ueber flache Stelntreppen, durch kühl« Burgtore kommt man herauf und wird umfangen von der steinernen Petrarca-Romantit, die nach der Neigung Kaiser Karls IV. auf dem Oybin als Nach- bildung der Einsiedelei Daucluse Gestalt gewann und deren ent- schwundene Stimmung noch als leiser, letzter Hauch um die Ruinen schwebt. Von der Höhe malerisch getürmter Felsen schaut man hinab in die Ruine der Kirch«. Hinter den hohen Spitzbogen grünt der Wald, umrahmt von der französisch graziösen Gotik des zerbrochenen Maß- wertes. Die Sonn« flutet durchs Laub und macht es leuchten wie goldgrünes Glos. Grünes Dämmerlicht liegt über edles Gemäuer gebreitet. Jahrhunderte träumen in steinerner Kühl«. Gelbe Blumen blühen, wo einst die Mönche von Aoignon fromm« Messen zelebrierten. ♦ Im Schatten dieser Mauern schlafen die Toten des Dorfes. Durch ein« niedere Pforte im Kreuzgang, unter der man sich unwillkürlich verneigt, tritt man hinaus und steht vor den Gräbern. Eine frisch ausgeworfen« Grube warte:«. Es duftete nach feucht- kühlem Sand und nach Fichtenreisig. » Ms wir die Oybinkuppe auf der schmalen Felsengasse umgingen, weht« das Gebimmel der Totenglocke vom Bergkirchlein an den Steinwänden heraus. Drunten, im sonnigsten Tale, winzig und belanglos inmitten der grünen Sommerwelt, wartet« ein Trauerpeleit bei einer weißver- hängten Bahre. Eine kleine Kapell« spie?«: Ach bleib mit deiner Gnade... Di« Instrument« Nangen verstimmt. Sie blitzten im Licht. Und als der gelb« Sarg die schmale, steil« Freitrepp« des Sterbe. Hauses herabgetragen wurde, zogen die kleinen Menschen da unten die schwarzen Hüte. Neben uns stand eine Einheimische. Sie besah sich das Trauer- gefolge durchs Glas, ertonnte den und jenen und seufzte gedämpst. Zwischendrein sagte sie zu einem dicken Mann« neben ihr:„Ach ja, a guter Karle wor dar Fritze immer, 0 sihre gu:«r Karl«.", Der Mann sah railos traurig hinab. Und sie:»Da« hätte wärt- lich ne fein brauchen."
Sie richtete das Glas auf die Witwe, auf die Kinder und sagte: „Da stitts nu, sah d'r'sch ock oo— das Häuffel Unglick." Dann erzählte sie, durchs Glas guckend, uns die Geschichte. Der Tote da unten war der Postverwalter de» Dorfes. Er war ein stiller, verträglicher, hilfsbereiter Mann.„Aber a fenner Eh«— wissen Se, do wor n« immer all's, wie's«egcntlich sein füllte." So sagt« die Frau. Bor ein paar Tagen erst kam er aus den Ferien zurück. Er hatte geschrieben— er freute sich trotz allem aufs Heimkommen. Und als er an seinem Hause vorbeifuhr, winkte er.„Aber denken'sch ock«: tce eenzjer Mensch hult'n ab. De Froe ni, de gruß'n Kinder oo ni— ganz alleene stand'r do." Ein Briefträger hat ihm nach- her den Koffer nach Hause geholt— es find fünfhundert Schritt vom Bahnhofe bis zum Haufe. Di« Frau sah hinab aus den schwarzen Zug. der langsam die Dorsstraße entlang schlich. „Das hatt'r'ch zu Harzen genumm', da» tinn' Se gleeb'n. Er hat'ch vergifst. Wissen Se, was iich gemacht hätte? Iich hätt n, wen's mei Aoler gewast wäre, richt'g beim Schädel genumm un' hätte geseut: E kumm ock, Fritz«, loß all's gutt sein. Itz« fang' m'r nu' wieder« ganz ander Lab'n oo. Aber sahn S«, das bruchte seine Froe oben ne zuwag«. Un' am anderen Murg'n, da lag der Man tut a d'r Kammer." Die Geschichte, die die Frau da erzählte, lief auf den banalen Schluß hinaus: hätt die Frau den Mann nur gerade diesmal von der Bahn abgeholt, so lebt« er noch. So aber war dos der nichtige Tropfen, der ein Maß zum Ueberlaufen brachte. Di« Tragödien des Alltags sind manchmal lächerlich— aber den Berg herauf trugen sie einen Toten. 4° Er kam, in einem gelben Sarg auf den Schultern der Lebenden, durch die enge Ruinenpsorte, unter der das hohe, schwarze Kreuz, das der Chorknabe vorantrug, sich tief neigen mußt«. Briefträger in Uniform trugen ihn—„seine" Briefträger nannte sie vorhin voller Rührung die Frau. Feuerwehrleute im Helm, mit blanken eBilen am rot und schwarz gestreiften Gurt, bliesen die Trauer- choräle. Der Sarg sank in die Gruft. Der Pastor redet«. In den keuch- tenden Buchenwimpeln schlug ein Fink. Heraussordernd schmetterte er seinen Schlag immer wieder. Di« Witwe, die Kinder schluchzten— die haltlos lchütternden Schultern der unter Schleiern weinenden Frau erweckten tiefes Mitleid. Auf ihre fünfundvierzig Jahre sank eine schwer« Last., Sie tastete mit knickenden Knien die zwei, drei Brcttstufen auf die Sandböschung hinauf. Die Töchter stützten sie. Ihre Tränen fielen hinab auf den Sorg— lange stand sie. Ringsum, zwischen den sommerlich blühenden Gräbern, aus Felsen und Stcintreppen verhielten sich Touristen und Sommergäste still. Bunte Kleider leuchteten unter grünen Bäumen. Die Feuerwehrmänner bliesen„Jesus mein« Zurersicht" und blickten ernst am blanken Messing entlang. * Als die Traueroersammlung gegangen war, sprang der Toten- gröber in die Grube. Er stand aus dem Sarg« und riß die grüne
Steuern so eindeutig festgelegt, daß es sich ihr gegenüber wohl mehr um K a m p f als um irgend etwas handeln wird. Die Broschüre Rauschs ist dennoch lesenswert, weil sie uns eine abgerundete Anschauung eines Standpunktes gibt, den man nicht außer acht lassen soll, wenn er in unserer Partei auch nur von einer Minderheit geteilt wird. Aus der Meinungsfreiheit in der Dis- kussion ist bisher noch immer für die Partei nützliche Klärung ge- wonnen worden.
Ishiis Antwort. Paris , 20. August.(IBID.) Wie Havas mitteilt, erklärt Bicomle 3 s h i i, der derzeitige Borsilzende des Bölkerbuudes. in seiner Antwort an Driand, den Borsitzenden des Obersten Rates: Obgleich es ihm noch nicht möglich gewesen sei. seine sämtlichen Kollegen im Bölkcrbundsrot zu befragen, fei er doch über- zeugt, daß diese ans Grund des Wortlautes und des Geistes des Böl'erbundatles sich bcreit erklären werden, die Einladung a n z u- nehmen, die ihnen im Namen des Obersten Rates zugegangen ist, nämlich die Lösung bekanntzugeben, die sie für die Grenzführung in Obersch'.esien empfehlen. Paris , 20. August.(MTB.) Wie„Intransigeant" mitteilt, schließt der Brief des Bikomte I s h i i an Ministerpräsident Briand , betreffend Annahme der Aufgabe, ein Gutachten über die Grenz- führung in Oberschlesten zu erstatten, mit den Worten:„Ich hasse fest, daß diese Empfehlung(Anmerkung der Redaktion: Einer Grenze in Oberschlesten) einstimmig gemacht werden wird/ * Wir hatten in unserer gestrigen Abendausgabe auf dis ungeheuere Bedeutung der Frage hingewiesen, ob der Völker- bundrat lediglich c i n st i m m i g e Beschlüsse fassen dürfe oder ob auch'Mehrheitsbeschlüsse zulässig seien. Der „Petit Parisien" wollte positiv wissen, daß Ishiis Antwort die ausdrückliche Erklärung enthalte, er teile Briands Auf- fassung von der Notwendigkeit einer einstimmigen Entschei- dung. Wir hatten unsererseits, vorbehaltlich der Richtigkeit der Meldung des„Petit Parisien" gegen diese Verhängnis- volle Ansicht Stellung genommen, die den Obsttuktionsver- suchen des französischen Vertreters Tür und Tor geöffnet hätte. Nun schweigt sich merkwürdigerweise die Meldung der offiziösen Havas -Agentur über diesen wesentlichen Punkt aus. Aus ihr geht indessen hervor, daß Jshii bisher nicht einmal mit allen Mitgliedern des Rates Rücksprache gc- hatten hat, daß er jedoch glaubt, schon jetzt den Auftrag des Obersten Rates annehmen zu können. Die Vermutung, daß bei der Bersion des„Petit Parisien" der Wunsch der Voter des Gedankens war. wird indessen be- stärkt durch die Mitteilung des.�Intransigeant" über den Wortlaut des Schlußsatzes von Ishiis Antwort. Auch da ist zwar Vorsicht am Platze, da es sich noch nicht um einen offi- ziellcn Text handelt, aber es ist schwer anzunehmen, daß das letztere Blatt diese Schlußwendung einfach erfunden habe. Danach würden aber die Dinge ganz anders liegen: Jshii hätte lediglich die Hoffnung, bzw. die f e st e Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß die Empfehlung des Obersten Rates einstimmig erfolgen würde. Der wesenlliche Unterschied zwischen der Version des „Petit Parisien" und der des„Intransigeant" springt in die Augen: nach der ersten hätte Jshii erklart, Einstimmigkeit m üs f e erziell werden, noch der zweiten hätte er lediglich die Hoffnung ausgesprochen, daß Einstimmigkeit erzielt werde. Die erste Fassung hätte eine folgenschwere Bin» dung bedeutet, die zweite ist nur eine höfliche Redens- ort Wir zweifeln nicht daran, daß, wenn die Version des „Petit Parisien" richtig gewesen wäre, die offiziöse Havas , Agentur sich beeilt hätte, diesen Sieg des französischen Stand» Punktes urdi et ordi bekanntzugeben.
Fichtenverkleidung aus dem rieselnden Sand. Die abgegriffene Sol- datenmütze sah ihm im mageren Genick. In sporadischen Sätzen, die er unter seinem blassen Frans-rnbart hervorstieß, verteidigte er die Witwe. Die Leichenfrau schwieg mit zustimmender Miene und nahm die Kränze beiseite. Als er den Spaten zu sich hereinzog wie einer, der mit einer gewohnten Arbeit bald zu End« kommen will, sagte sie: „Un' itze muß se aus dar schün'n Dienstwohnung nu' oo na' raus— un' überall is siche Wohnungsnut..." * Der Totengräber meinte: verteilt keine Schuldsprüche— es ist sinnlos. Er sagte es nicht, aber er meinte es. Er schaufelte das Grab zu. Ein Grab mehr auf dem Friedhof, auf dem die Jahrhunderte schlafen. Im Leben bleibt die Frau, die Witwe, in Wirrsal, in Anfechtun- gen, im Sich-wehrcn-müssen. Wer deutet ihr Schicksal? War es das Leben einer Drangvollen, Vorwärtslebenden neben einem dumpf Beengten, Verharrenden? Und doch— er, er nahm das Gift. Rätsel umgeben uns.„Und nähm die Ewigkeit den Gänsekiel: sie kann nicht eines Menschen Stund « schreiben." Liliencron dichtete das: Geheimnisvoll ist unser Tun und Handeln, Geheimnisvoll verstummen wir ins Grab.
Und was wir binden auch und was wir bandeln: Geheimnis steigt wie Stein mit uns hinab. Und das Leben geht weiter. In der Camera obscura auf der Felsklipp« über den Oyb'n-. gräbern zwitscherten junde Mädchen entzückt um die weiß«, emaille- blank« Platte im verdunkelten Räume, auf die der Spiegel N-n Widerschein der bunten Landschaft da draußen als zärtliche Ge- mäld« zauberte. Eine Stunde später blickten wir vom Hochwald in den weitaus- getanen Glanz der Welt. Der Abendwind spielte in den Hopfen- ranken am Dcrandagebälk. Und wir tranken ein Glas Rüster auf das Leben.
Ttüdtikche Volt�kan�eetc des Philfmrntonischen Orchelter-Z finden in der nächsten Woche statt! Am ZZ. und 3S. in der Brauerei Köntgstodt, Schönhauser Alice lO/lt. und am 26. in der B h i l» barm, onie. Bernburger Str. 22/2Z. Beginn der Konzerte g Ubr— Der Dorvertauf ist bei A. Werldeim. Leipziger Straste. in der Berliucr Gewerlschaslskommisfion. Engcluser 15, im Zigarrengeschäft von Hor'ch und in den bctrefiendcn Konzritjülen. Die im Vorverkauf nicht unter- gebrachten Karlen merdcn abend? an der Kaste vertaust. Der Eintnil?- pret? beträgt 1,60 M. und da? Programm 25 Ps. Kafseneröstnung 7 Uhr <?rnft Friedrich ivlicht am Sonntag, den 28. August, vormittag? 11 Ubr, in der Volksbühne: Die„Armut", von Wildganz. Ferner Harmoniumkonzert, Rezitationen und Volkslieder. Die Veran- staliung ist zugunsten des hungernden Rußlands . Karten zu Z M. in der VorwörtS-Buchhandlung. Ernekt Daudet , der Sii-re Bruder deS französischen Romanschristst-Ier» Alpbonlc D.. ist im Alter von 85 ftabrcn gestorben. Auch er hat eine Rest,« von Romanen und daneben allerlei gelchichiliche und kuliurgeschichlüch« Werte ctijajst, ohne je feinen berühmten Bruder zu erreichen.