Meine Herren, Ich schlage Ihnen vor, eine Kommission zu �errn Kapp zu schicken und ihn fragen zu lassen, ob er unsere Forderungen bewilligen will. Will er das, dann meine ijerren, kann es uns ganz gleich sein, ob wir von Kapp oder Bauer regiert werden. In einem noch helleren Lichte erstrahlt der„Voraus". Die Leute, die heute in ihm das große Wort führen, brachten es noch im Jahre 1918 fertig, von ihrer Generalversammlung in Stettin nicht nur dem Kaiser, Hindenburg und Ludendorff, sondern auch dem Prinzen Eitel Friedrich chuldigungstele- gramme zu schicken, in denen sie ehrfurchtsvoll erstarben. Ein Jahr später, im Jahre 1919, anläßlich der Gründungsver- sammlung der Gewerkschaft der Lokomotivführer, wiesen sie einem sozialdemokratischen Berichterstatter die Tür, weil sie „ihre besondere Auffassung" von einer Gewerkschaft hätten! Ihre„besondere Auffassung" von einer Gewerkschaft schei- nen sie auch heute noch zu haben: denn die letzte Nummer des „Voraus"(vom 11. September 1921)— das wird die poli- tischen Parteien und die Parteipresse ganz besonders inter - essteren— nimmt bereits Stellung zu den kommenden Reichs- tagswahlen. In einem reichlich konfusen Artikel„Reichstags- wählen der Gewerkschaften" wird gesagt, daß ein alter tüch- tiger Beamtenstand auch künftig seine Pflicht über die Politik stellen muß, und deshalb ein geradezu zwingender Grund für eine politisch neutrale Stellung der Beamtengewerkschaften vorliegt. Zum Schluß wird dann — man höre und staune!— verkündet: dieKandidaten- listen zu den künftigen Reichstagswahlen müssen von den gewerkschaftlichen Großor- ganisationen aufgestellt werden. Das also sind die führenden Kreise der Reichsgewcrkschaft der deutschen Eisenbahnbeamten, die in dem Deutschen Bcam- tenbund eine einflußreiche Rolle spielen. Wir müssen die Be- antwortung der Frage, ob mit solchen gewerkschaftlichen und politischen Kindern ernsthaft eine Arbeitsgemeinschaft zur Führung gemeinsamer Kämpfe abgeschlossen werden kann, den führenden Männern des Deutschen BeamtenbmÄes und des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes überlassen.
Anfrage an Nax von Saüen. Die Redaktion unseres Karlsruher Parteiblattes ver- offentlicht einen o f f e n e n B r i e f an den Reichskanzler a. D. Prinz Max von Baden , in dem mit Bezug auf die jüngsten Veröffentlichungen in Berliner Blättern über die Vorgeschichte des Waffenstillstandes an ihn als den damaligen Kabinettschef die Anfrage gerichtet wird:„Hat Herr Erzberger sich zur Fuhrung der Waffenstillstandsverhandlungen gedrängt oder ist er von Ihnen oder anderen Kabinettsmitgliedern zur Ueber- nähme seines Amtes veranlaßt worden? Diese Frage gilt es nun öffentlich und präzise zu beantworten. Daß Sie bei den Rationalisten nichts mehr zu verlieren haben, dürfte Ihnen bekannt sein. Aber in anderen Kreisen hat man Ihnen bisher Achtung bewahrt. Viel steht auf dem Spiel, wenn Sie auch letzt noch schweigen würden."
Die Thüringer Lanötagswah!. Aus Jena schreibt man uns: Der„Vorwärts" hat in feiner Morgenausgabe vom Donnerstag, den IS. September, das Resultat der Thüringer Landtagswahl richtig wiedergegeben und daran einig« ganz treffende Bemerkungen geknüpft. Wenn wir diese Bemerkungen noch um einiges ergänzen, so aus folgenden Gründen: Am 20. Juni 1920 ist der erste Thüringer Landtag gewählt worden. Die größte Schwierigkeit, die dieser Landtag zu erledigen hatte, war die Re- gierungsbildung. Als es endlich am 10. November 1920 gelang, eine Regierung aus Sozialdemokraten und Demokraten zu bilden und die drei Rechtsparteien— Deutschnational«, Landbund und Deutsche Volkspartei — von der Regierung ausge» schaltet wurden, setzte eine wahnstnnige Hetze seitens der Rechts» Parteien gegen die Regierung und Landtagsmehrheit(Linksblock) ein. Fast bei jeder Vorlage ließ das reaktionäre Dreigestirn— der deutschnationale Junker v. Eichel-Streiber, der Landbündler-Häuptling Höfer und der reaktionäre
Rechtsanwalt Dr. Wcrnike verkünden, daß die Regierung sich nur auf die Kommunisten stützen könne. Der Landtag müßte aufgelöst werden, weil das Thüringer Volk solche Politik nicht ver- trage. Die Wähler würden schon im Sinne der Rechtsparteien ent- scheiden. Ja, die Reaktionäre waren ihrer Sache so sicher, daß der Landbündler Höfer am 8. April d. I. einen Antrag im Namen der Rechtsparteien stellte, der auch am 9. April verhandelt wurde und oerlangt:„Der Landtag muß aufgelöst werden, weil die Regierung nicht mehr arbeitsfähig ist und kommunistische Politik treibe." Herrn Höfer wurde eine gründliche Abfuhr zuteil, sein Antrag wurde abgelehnt, weil auch die Kommunisten dagegen stimmten. Aber es trat nach und nach zwischen den Rechts- und Linksbolschewisten eine Verbrüderung ein, die dazu führte, daß beim Grund steuergesetz die Kam- munisten mit den Rechtsparteien stimmten und die Auflösung des Landtages herbeiführten. Das mar natürlich für die Thüringer Re- aktion ein„gefundenes Fressen". Nun endlich war der Zeitpunkt gekommen, wo sie gemeinsam mit den Kommunisten die Sozialdemo- kraten niederreiten konnten. Wer in den letzten vier Wochen vor der Wahl mit den Rechtsbolschewistsn und den Kommunisten in den Wahlversammlungen zusammenstieß, weiß, in welch niedriger Weise gegen die Sozialdemokratie gekämpft wurde. Denn die Kommu- nisten, die ganz Thüringen verschlingen wollten und gehörig auf den Index gesetzt wurden, gingen in keine rechtsstehende Versammlung, sondern störten nur die Versammlungen der Sozialdemokratie. Die Rechtsbolschewisten kämpften auch nicht gegen die Kommunisten, auch nicht gegen Unabhängige, sondern gegen die Sozialdemokratie. Diese sollte niedergeritten werden, vor den beiden anderen Linksparteien hatte man keine Furcht.— Nun haben nicht nur die Kommunisten schlecht abgeschnitten, sondern die„Niedcrreiter" sind kläglich zusammengehauen worden. Hätte die Sozialdemokratie nicht so tapfer gekämpft, vielleicht hätte die Reaktion jetzt triumphiert. So liegt sie am Boden und ihre Zeitungen schreiben schon wieder wut- schnaubend:„Nachdem die Wahlen eine Linksmehr- heit gebracht, wird der Thüringer Staat doch aus- e i n a n d e r f a l l en, weil sich eine solche Koalition: Sozialdemokraten, Unabhängige und Kommu- nisten, auf die Dauer nicht ver ständigen kann." Ge- wiß, hätten gewissenlose Demagogen die Thüringer Arbeiter- bewegung nicht gespalten, so bestände heute in Thüringen eine So- zialdemokratische Partei, die in ihrer Stärke alle bürgerlichen Par- teien weit überragte. Dieses Resultat würde auch bei der Regie- rungsbildung in Thüringen maßgebend fein. Zunächst müssen wir damit rechnen, daß die Landtagsabgeordneten der drei Arbeiter- Parteien die Mehrheit haben. Sind die Vertreter der„Cinksradi- kalen" vernünftig genug, um an dem weiteren Aufbau des Thüringer Staates sich zu beteiligen, dann wird eine sozialdemokratische Regie- rung, vielleicht mit Einschluß der Demokraten, dauernden Be- stand haben, auch wenn die Reaktion nöch so sehr dagegen anrennt. Aber auch bei der Thüringer Wahl hat sich gezeigt, daß die alte Sozialdemokratische Partei , trotzdem man sie bei der Rcichstagswahl 1920 als eine Partei bezeichnete, die nur noch Trümmer gerettet, die Massen hinter sich hat und darum als stärkste Partei in den Landtag einzieht. Die Thüringer Partei hat gehalten, was fie sich auf ihrer Konferenz am S. August 1921 als Ziel gesteckt hat:„Eroberung einer weiteren Etappe auf dem Wege zum Sozialismus."
Münchener presiestimmeu. Die Tentschnatiimalen gegen die Wahrheit. München , 16. September. (Eigener Drahtbericht des„Bor- wärts".) Die rechtsstehende Preffe Bayerns bcugnet ungeachtet aller Feststellungen fortgesetzt das Bestehen außerparlamentarischer Kräfte im politischen Leben Bayerns . Die Meldung der„Augsburqer Post. zeitung", der zufolge das Landtagsgebäude während der hitzigen Ver- Handlungen der letzten Tage allerlei interessante Gäste gesehen habe, die sich ohne Befragung des Landtvgspräskdiums im Beratungszimmer des Finanzausschusses arrfgehalten und auch das Zimmer des Ministerpräsidenten förmlich belagert hätten, wird von ihr völlig totgeschwiegen. Sie versucht im Gegenteil, in der Lest ent. lichkoit den Glauben zu erwecken, daß die Bayerische Volkspartei sich nicht einig sei und Kohr gern wieder zurück haben wolle. Alle möglichen kleinen Versirre der Umgebung Münchens und der baye- rischen Provinzen werden von den Deutschnationalen mobil gemacht
. 1. internationale Tagung für Sexualreform Am Donnerstag wurde im Virchow -Langenbeck-Hause zu Berlin die erste internationale Tagung für Sexualreform eröffnet. Besonders erfreulich war die rege Beteiligung hervorragen- der Forscher des Auslandes, und zwar nicht nur des neutralen, fon- dern auch der uns früher feindlichen Staaten. Zum ersten Male nach dem Kriege erklangen von der Tribüne eines in Deutschland tagen- den Kongresses u. a. auch französische Worte wissenschaftlicher Be- gnißung: und unter den Ehrenvorsitzenden des Kongresses befand sich neben berufenen Vertretern aus Holland , Schweden , der Schweiz , Deutschösterreich, der Tschechostowakei und Rußland auch ein Italiener und ein Japaner. Die Begrüßungsansvrache hielt Dr. Magnus Hirschfeld . Als Ziel der Tagung stellt er hin, in voraussetzungsloser Erforschung an den Problemen des Geschlechtslebens dahin zu gelangen, Naturgesetz und menschliche Satzungen in Ueber- einstimmung zu bringen. Daß der erste internationale Kon- greß nach dem Kriege ein solcher der Sexualwissenschaft ist, scheint ihm kein Zufall: auf diesem Gebiet gibt es Fragen, an denen alles, was Menschenantlitz trägt, in gleicher Weise beteiligt ist. Zwei Welt- anschauungen ringen in der Bewertung des menschlichen Sexual- lebens miteinander, die metaphysische und die physische. Erbsünde nennen die Theologen, was bei den Biologen Erbfehler heißt. Hirsch- feld gibt ein anschauliches historisches Bild der biologischen Ent- deckungen in der Sexualwissenschaft. Auch das Liebesleben beruht auf Naturgesetzen; und nur im Zeichen der Naturwissenschaft können menschliche Normen wahrhaft gültig sein. In mehreren Leitsätzen saßt der Redner die naturwissenschaftlichen Feststellungen der Sexual- Wissenschaft zusammen. Ihr wichtigster ist: die Bedeutung der Liebe erschöpft sich nicht in einer ihrer biologischen Folgen, der Zeugung: vielmehr ist für den Menschen das ihm zusagende Sexualleben eine Grundbedingung innerer und äußerer , L e b e n s h a r m o n i e: sie steigert den Lebenswert des einzelnen, / sie bindet die Menschen aneinander, und sie läßt Mann und Weib körperlich und seelisch über sich hinauswachsen. Liebe ist poten- ! ziertes Leben, Leben ohne Liebe ist nur Dasein. Mit einem f Worte Dantes schließt der Redner. Sogleich ergreift ein Landsmann Dantes, Pros. M i e l i- Rom, das Wort. Auch er feiert den Internationalismus der Wissenschaft — und nach ihm tun dies warmherzig und begeistert alle Redner des Auslandes. Mieli weist auf die wissenschaftlichen Beziehungen Italiens zu Deutschland hin, aus alles das, was die italienische For- schung von Deutschland gelernt habe und noch lernen könne. Italien gehe mutig und nach deutschem Vorbilde ans Werk.— Prof. P e ci r k a- Prag, gesandt vom Ministerium für Kultus und Unter- richt der Tschechoslowakei , teilt mit, daß die junge Republik an der Universität Prag ein Staatsinstitut für Sexualforschung errichtet habe, dessen Leiter er sei.. Das Institut wurde nach dem Vorbilde des Berliner Instituts eingerichtet.— Prof. Lipschütz von der Universität Dorpat überbrachte Grüße des Unt«rrichtsmimsteriums der EMujcheu Republik und der Universität, Dorpat , durch lauge
Jahr« der Wohnsitz Karl Ernst Baers, hat besonders innige Bezie- Hungen zur Sexualwisienschast: ihr gelten auch die Forschungen des Physiologischen Instituts der Universität, das der Redner leitet.— Jscylondski- Moskau. Rutgers-Holland und der 80jährige Nestor der Sexualforschung, N y st r ö m. Schweden überbrachten die Grüße ihrer Länder. Besonders stürmischen Beifall fand Prof. Dück-Jnns- brück, als er der Sehnsucht aller Schichten Deutschösterreichs Aus- druck gab, in der deutschen Volksgemeinschaft aufgenommen zu wer- den. I o h n e r- Königsberg sprach als erster deutscher Vertreter eines Lehrstuhls für Sexuallehre an der Universität. Sodann folg- ten Ansprachen wissenschaftlicher und sexualreformischer Gesellschaften und Lerbände.*
Das„ünlime Theater". Kolportage und Kanthariden eröffnen das„Intime Theater". Das einfachste Theater, das in dem früheren Mäuschenpalais der Entschleierungstänzerin Cilly de Rheydt ein- gerichtet wurde, füllt eins wichtige Lücke im Berliner Kunstleben aus. Es fehlte bisher an einer theatralischen, mit Diele und Likör- stube verbundenen Oertlichkeit, die gleichzeitig die Säfte des Magens und das übrige, was von den Südpolen gewiegter Männer und ge- wiegter Damen abhängt, erbaplich anregt. Das«Intime Theater" will und darf also das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, daß es nebey den Bars der benachbarten Motzstraße die ausgezogenste Bühnenkunst pflegen wird. Es versucht das mit Hilfe eines knarren- den Bettes, siir dessen Poesie der sonst mit Recht geschätzt« Kultur. schriststeller Franz Blei verantwortlich ist. Es gelingt ihr serner mit einer Kaschemme, in der«s durchaus apachenmäßig zugeht, was gleichbedeutend ist mit einem Mord und einem Juwelenraub.' Wäh- rend in diesem übrigens von Maris Leyto und dem Direktor Gustav HeHppner routiniert heruntergemimten Nervenreißer die scge- nannte Nachtseite des Lebens gezeigt wird, lernt man alsbald dessen Rückseite kennen. Eigentlich nicht des Lebens Rückseite, sondern die der Dame Clarissa, die gewohm ist, im Hemd herumzugehen und in höchster Not ihrem Gatten und anderen Herren die halbmondförmige Seite ihres Körpers darzubieten. Das letzte Stücklein, das von Georges Feydeau stammt, führt den langen aber klaren Titel:„Lauft doch nicht immer nackt herum!" Es ist ein wenig, wenn dieses Wort gestattet ist, Afterkunst, es ist aber auch, da Feydeau einen witzigen Kopf besitzt, sekundenlang zum Totlachen, zumal Hanns Fischer und Agda Nilßen die Sadistenschweinchen sind. So stellt man schließlich fest, daß dieses neueste Theater mit Erfolg und sogar mit Lebe- mannsgeschmack jenen Weg beschreitet, dem die Devise voranleuchtet: Kolportage, Kanthariden unv vor allen Dingen Kasse! m. K. Eine neue Mssenschast? Die Philharmonie ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Rudolf Steiner spricht über die Be- deutung der Anthroposophie. Mit einem skeptischen Lächeln ist dieser Mann nicht abzuhrn. Er ist Erscheinung— und die tausend Menschen um ihn zeigen, daß er eine Erscheinung der Epoche ist. Neunhundert von tausend mögen um der Sensation wegen ge- kommen sein, nach Einstein, Steinoch und Spengler nun Steiner— ober hundert hängen mit glänzenden Augen an seinen Lippen. Di« Gemeinde verbreitet sich bereits über das ganze Land, hält in Statt-
und veranlaßt, in Versen und in Prosa Herrn von Kohr anztu telegraphieren, damit die Kcchr-Preffe, allen voran die„Münchencp Zeitung", diese Ergüsse in breiten Spalten wiedergeben kann. So, gar vor Fälschungen schreckt man nicht zurück. So wurde in Mün , chcn ein Flugblatt verbreitet, das behauptete, � der Adg. Held habe! Herrn v. Kahr gestürzt, um sich selbst und den sozialistischen Führer! Auer in die Regierung hineinzubringen. Als einziges bürgerliches Blatt stellt sich die„Süddeutsche Presse" in den Dienst der Aufdeckung der Jllünchener Mörder, zentral«. Sie schreibt, sie hätte nach dem Artikel über die Kappisten, zentrale in Salzburg und RojetrHeim, der durch idie gesamt« deutsche Presse gegangen sei, ein« Anfrage an die Regierung gestellt, ob che die Art der Einreise dieser Herren nach Bayern bekannt sei. Nun erhält sie ein Schreiben der Polizeidirektion, daß keine ge� nügenden Unterlagen zu einer weiteren Verfolgung v o r � Händen seien. Im übrigen erklärt sich das Blatt bereit, w e m t e r e s Material über die Mordzentrale und die Fäden, die sich von München nach Ungarn spinnen, bekanntzugeben. München , 16. September. (Eigener Drahtbericht des„Vor, wärts".) Gestern abend waren in sämtlichen Bezirken der Stadt Mitgliederversammlungen des Sozialdemokratischen Vereins Mün, chen. In allen Versammlungen kamen mit außerordentlicher Deut, lichkeit die Empörungen und der Ekel der Arbeiterschaft gegen ein Regierungssystem zum Ausdruck, das Bayern zum Sammelplatz einer Morderorganisation machte, die in ihrer Art die Abscheulich- keiten und die Unsicherheit sür das Leben des einzelnen wahres» der Rätezeit noch weit übertrifft. Einmütig kam die Entschlossenheit der Münchener Arbeiterschaft zum Ausdruck, eine Rückkehr der Regie» rung Kohr unter keinen Umständen zu dulden. Die„Münchener Post" bringt unter dem Titel„Die Herberge der Mörder" Ausführungen, welche die Unhaltbarteit des bestehenden Systems zum Ausdruck bringen. Sie schreibt über P o e h n e r ge- l-cgentlich der Besprechung des Stadtratsbeschlusses, an die Polizei» direktion eine Anfrage zu stellen, weshalb es ihr nicht gelingt, durch ihre Fremdenpolizei den Zuzug von Mördern nach München abzu- halten: Derselbe Poehner, der die Fremden, die nach München wollen, um ihrer ehrlichen Arbeit nochzugehen, drangsaliert und be» lästigt, hat innerhalb seiner Amtsräume Organ«, welche den Zuzug von' staatsgefährlichcn Elementen systematisch unterstützen. Wir haben in München , wie in allen Großstädten, eine ungeheure Wohnungsnot. Eine große Anzahl von Familien muß in Baracken Hausen, aber die Mörderbande— von Poehner in Gnaden«wfge» nommen— erhält bequemste Wohngelegenheit. Den Mördern Schulz und Tillessen ist es ein leichtes, je ein Zimmer im gleichen Hause aufzutreiben, während es Münchener Arbeitern unmöglich ist, in der Nähe ihrer Arbeitsstätte Wohnung zu finden. Die Deutschnationalen veranstalteten gestern abend eine Art Abschiedsfeier zu Ehren der gestürzten Minister Kahr und Roll). Der Redner stellte die Forderung auf. Kahr müsse zurückkehren und wenn man ihn kniefällig darum bitten müßte. Versage s-tzt Bayern , so würde Preußen der Weg nach rechts sehr erfchwen. Die Versammlung gelobte in einer Entschließung Herrn v. Kahr unwandelbare Treue und ließ ihn hoch leben. Ter Landtag verlangt Anfschluh. München , 16. September. (MTB.) Im Ständigen Land» lcgoausschuß des bayerischen Landlages wurde heule ein Antrag Dirr(Dem.) von allen Parteien einstimmig angenommen, der von der bayerischen Regierung verlangt, daß sie dem bayerischen Parlamente über die im Ueberwachnngsausschüsse d« Reichslage, gestern gegen den bayerischen Mnisler Dr. Roth und den Münchener PofizeiprSsidenteu Poehner erhobenen Auschuldignngcu Aaffchlufi gebe. ZeitnngSverbot. Das Ministerium des Innern hat das Nation als ozialistisck Organ, den„V ö l k i s ch e n B e o b a ch t e r", verboten. Wir empfehlen diese Notiz der„Deutschen Tageszeitung" zm. Studium, meint sie doch in ihrer heutigen Morgennummer, d! Nationalsozialisten seien keine Deutschnationalen.„Völkische Beobachter" sind doch deutschnationale Helden; in München nennen sie sich nur etwas anders.
Waffenbeschlagnahme in Sreslau. Nach einer Meldung unseres Breslau er Parteibtaktes stud sechs Lastauiomobile mit Dassen und Munition beschlagnahmt worden« ebenso ein Personcwmto, in dem der Stab dieser Kolonne sich be, fand. Sämtliche beteiligte» Personen sind verhaftet worden.
gart Kongresse ab und gründet«mchrvposophische Fbrsihmngsinstitvt« und schafft im Goethoarann zu Dernbach ein Haus der Weisheit. Aus diesem dunklen Mann ist ein Geist entsprungen, der die Masse bürgerlicher Sehnsucht packt. Für den Außenstehenden, nicht Hin- gerissenen kehrt sich allerdings der Gang der Dinge um. Nicht Steiner macht Epoche— sondern die Epoche Steiner. Der Weltkrieg war höchste Auswirkung und Symbol des Unter» ganges einer Zeit reiner verstandesmätziger Lebensführung. Er ist zu Ende, und die Gefchicht« fordert heute vom Menschenge-rst ihr Recht:— das Recht auf Äsitfthefe(den Gegensatz). Die Jugend hat den Kampf gegen alten Jntellektuak-mms aus chr Banner ge- schrieben— und das Alter folgt ihr langsam nach. SWmer will eine Brücke schlagen zwischen alter Wissenschaft und neuer Wissen« schaft, die.zur Mystik führt. Vielleicht est diese Mittlerste llnng daS Geheimnis von Steiners Glück. Der Erfolg ist da. Mit dieser Be, deutring haben die speziellen Ansichten Steiners über höhere Seelen, tätigkeit und ihre Uebnng. welche schließlich zur Erkenntnis über« sinnlicher Welten führen fall« nichts zu tu«. Das einzelne Wort ist nichts— die Stimmung, die über dem Ganzer liegt, ist alles. Diese rem kulturhistorische Bedeutung der Stimmung, welch« gewisse Ge- fellschoftsschichten unserer Epoche charokterifiert, macht es nötig, dem- nächst an Hand von Steiners Büchern genauer und kritisch auf die cmthropofophifchen Lehren einzugehen. Dr. V. E. Lesfing-Thealer:„Die Spielereien einer Laiserfa". Die Theater machen es sich leicht: nicht der literarische oder sonstige Gehalt eines Dramas ist mehr für eine Aufführung entscheidend, man sieht daraus, ob ein paar zugkräftige Rollen für die Stars darin sind, die man gerade hat oder für diesen Zweck engagiert. Ob in dem großen Kolportagestück aus dem Leben Katharinas das Dauthendey, Lyriker und Aesthet im Hauptberuf, filmend dichtete, diese Voraus- setzungen vorhanden sind? Tilla D u r i« u x, die seitdem mit der Vorlag« für ihre Künste gastiert, ist offenbar der Ansicht. Dauthendey zeigt bunte Bilder ohne Zusammenhang(trotz psycho- logischer Bemühungen). Start ist alles Brutale und Barbarische des Rußlands Peters ch herausgearbeitet. Das Ztind aus dem Volke, dessen tragisch angestrichene Liebesgeschichte— vom Soldatenweibchen zur Geliebten des Fürsten Menschikow und dann zur Kaiserin— der Verfasserin große Momente gibt, mag die Durieux immer noch reizen. Sie ist prachtvoll draufgängerisch, sie hat Krallen und Zähne und scheut keine Derbheit. Aber ihre Leidenschast(zp lieben und zu herrschen) reißt uns nicht mit, und ihre Tragik läßt uns kalt. In der gnßen Sterbeszene, die sie noch einmal mit dem nie vergessenen Tllenschikow vereint, entfaltet sie allen Prunk großer Könnerschaft. S t« i n r ü ck gibt den Menschikow , diese Mischung von Rohelt und Veifchlagenheit, den Schmerzen über den Verlust Katharinas leiht er den Ausdruck des verbissenen Ingrimms. S. M. den Zaren stellt Friedrich U l m e r mit erfrischender Urwüchssgkeit hin. Spielereien eines Dichters— Spielereien zu größerem berufener Künstler...— r.