Nr.462+38. Jahrgang Ausgabe B Nr. 229
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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutfchlands
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Expedition Morihplah 11753-54
Freitag, den 30. September 1921
Vorwärts- Verlag G.m. b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Berlag Expedition und Inseraten. Abteilung Morisplatz 11753-54
England und das Wiesbadener Abkommen.
Die gefährlichen Reparationen.
London , 30. Septemer.( WTB.) Der„ Westminste. Gazette" zufolge sind zahlreiche Personen der Ansicht, daß die Finanz politik der Koalition schließlich deren Sturz herbeiführen werde. Wenn das der Fall sein würde, so würden Mac Kenna und die Großbankiers bei der Herbeiführung dieses Eu eignisjes teine geringe Rolle spielen.
Am 28. September beschloß die Pariser Botschafter tonferenz, Ungarn zu„, benachrichtigen", daß die Freigabe des Burgenlandes bis zum 4. Oftober bedingungslos zu erfolgen Paris , 30. September. ( EE.) Das Journal" veröffentlicht habe. An demselben Tage ließ Stefan Friedrich, persona heute einen Artikel, der sich mit den von England gegen die Wies grata der Kgl. ungarischen Regierung, durch das aus fgl. unga badener Abmachungen erhobenen Einwänden beschäftigt. Es werde rischen Offizieren bestehende Verteidigungskomitee" das zwar über die Erörterungen, die in dieser Angelegenheit in der Imperium( nach dem bisherigen Sprachgebrauch mit Kaiser- Reparationskommission gepflogen werden, strengstes Stillschweigen reich oder Weltreich gleichbedeutend!) Westungarn ausrufen. bewahrt, doch erklärt man, daß der Ton, in dem diese Debatten Auch das wird Europa ertragen fönnen. Man rühmt stattfanden, außerordentlich erregt war. Das Blatt fragt In einem„ Eine dringende Frage" überschriebenen Leitartike Napoleon I. nach, daß er mit den Duodezfürstentümern in sich, ob es überhaupt notwendig war, die Wiesbadener Abmachungen schreibt die Westminster Gazette", die Erfahrungen lehrten die Deutschland aufgeräumt habe. Der Ruhm der Herren von der Reparationskommission vorzulegen. Wenn Frankreich dies tat, alliierten Regierungen, daß die Mittel, die sie ergriffen haben, um Bersailles wird es vielleicht später einmal sein, das Duodez- so wollte es damit nur seine 2oyalität beweisen und dartun, die deutschen Reparationszahlungen zu erzwingen, es ftaatentum in Europa eingeführt zu haben. baß es nichts unternehme, ohne fich im Einvernehmen mit seinen äußerst unsicher erscheinen ließen, ob Deutschland überhaupt in
Ungarn fann man auf der Suche nach originellen Ein- Alliierten zu befinden. Aus zwei Gründen sehe sich Frankreich jedoch der Lage sein werde, zu zahlen. Innerhalb sehr furzer Zeit müßten fällen leider nicht den ersten Preis zusprechen. Es geht im in einer unangenehmen Lage: Einmal, weil Rathenau in der sich die Alliierten endgültig entscheiden. Man könne Deutschland nicht Burgenland getreulich die Wege, die fein größerer Bruder Lage war, im Namen der deutschen Regierung die Wiesbadener auseinanderreißen oder wirtschaftlich zerstören und zugleich ungeBolen in Litauisch - Wilna und Deutsch - Oberschlesien gegangen Abmachungen als bindend anzuerkennen, während Frankreich heures von ihm fordern. Bisher begnügten sich die Alliierten damit, ist. Früher hieß es einmal, Entente und Bölkerbund ließen verpflichtet ist, diefe der Reparationstommission vorzu- die Lage für einige Wochen auszuflichen und die Zukunft dem Schickfich den Schutz der fleinen Bölfer vor allem angelegen sein. Tegen, wie dies im ersten Satz des Wiesbadener Abkommens aus- fal zu überlassen. Sie müßten jedoch einsehen, daß das Leben von Aber die Zeitgeschichte läuft schnell, was soll ein Großmächte- drücklich hervorgehoben wird, und zweitens tam Frankreich dadurch der Hand in den Mund und die bauernde Ungewißheit, die es in der fonzern tun, wenn fleine Staaten auf dem Weltthaeter Ro- in eine ungünstige Lage, weil es in der Reparationskommission über ganzen Welt geschaffen habe, die Hauptursache ihrer eigenen mödie spielen! Schwierigkeiten sind. Die Lösung des Reparationsproblems sei bis
Wien , 30. September. ( WTB.) Die Blätter melden aus Budapest : Am Mittwoch wurde die Ausrufung des felbständigen west ungarischen Staates vollzogen. Der unter Führung Stefan Friedrichs stehende Landesverteidigungsrat hat eine Proflamation erlassen, in der es heißt:
eine von fünf Stimmen verfügt.
Marksturz und Ausfuhr.
Dem Journal" zufolge wurden der Reparationstommission her derartig gewesen, daß es ebenso verhängnisvoll sei, ob fie Erfolg vorgelegt: Das Projekt eines Abkommens bezüglich der Natural- habe oder fehlschlage. Wenn sie fehlschlage, feien politische Schwierig leistungen, das Projekt eines Abkommens über die über Rotterdam feiten die Folge. Gelinge fie, so bedeute dies einen Schlag für die und Antwerpen gehenden deutschen Kohlenlieferungen, das Projekt Industrie der Alliierten. Die Westminster Gazette" fordert, daß eines Abkommens bezüglich eines Erfahes der französischen Luftfahr- eine Konferenz zur Erwägung des Währungsproblems sofort einzeuge, das Projekt eines 2bkommens über die Tierlieferungen, das berufen werde. Projett eines Abkommens über die Einfuhr verschiedener französischer Infolge des uns von der Entente aufgezwungenen Friedens war Produkte, drei Projefte von Abkommen, durch die Deutschland verble ungarische Regierung genötigt, auf die Ausübung ihrer Hoheits- pflichtet ist, Industrie- und Eisenbahnmaterial sowie Vieh nach London , 30. September. ( WTB.) Laut Daily Expreß ist die rechte über Weftungarn zu verzichten. Nun hat der Landesver- Bauschaljähen an Frankreich abzuliefern gemäß dessen Ansprüchen. Spekulation in deutscher Mart in der City sehr groß. teidigungsrat das Imperium über Weftungarn übernommen und Von allen diesen Abmachungen werden nur die bezüglich der Natu- Ein hervorragender Citybantier erklärte der„ Times", es sei keines wird das Land bei felbständiger Regierung verwalten. Die alten rallieferungen getroffenen vor der Reparationskommission wegs ausgeschloffen, daß sich 10 Milliarden deutscher Mart in EngBeamten bleiben auf ihren Posten und werden ihre Arbeit fortsetzen. erörtert werden. Danach liefert Deutschland vom 1. Oktober 1921 land befinden. Sir Inchcape erklärte in einer gestern gehaltenen Für Gott , könig und Vaterland! Tue jeder seine Pflicht! bis 1. Oftober 1925 Waren für die. zerstörten Gebiete im Betrage von Rede, dem Fallen der deutschen Mart fönne nur durch FördeStefan Friedrich hielt gestern in der Liga christlicher Frauen in 7 Milliarden Goldmart; werden die Lieferungen, die gemäß An- rung der deutschen Ausfuhr Einhalt getan werden. Budapest eine Rede, in der er sagte, der Landesverteidigungsausschuß hang 5 und 6 des Friedensvertrages zu vollziehen sind, nämlich Amerika gegen Churchills Borschlag. hat in Westungarn das 3mperium übernommen und damit den Kohlen, Benzin, Farbstoff, Chemikalien, hinzugezogen, so wird sich weiteren Verhandlungen ein Ende bereitet und stehe auf dem der Wert der Gesamtlieferungen Deutschlands auf 9 Milliarden Gold- Churchills Borschlag einer Finanzfonferens im ZusammenLondon, 30. September. ( BTB.) Laut„ New York Times " hat Standpunkt, daß jedermann, der von nun an seinen Fuß nach West- matt belaufen. ungarn hineinseht, niedergeschossen werden wird. Ueber die Gegen diese Abmachungen wendet sich nun England, indem es einigten Staaten einen ungünstigen Eindruck gemacht. hang mit der Abrüstungskonferenz im November in den Ver westungarische Bevölkerung fann von nun an nicht mehr ver- behauptet, daß dadurch den englischen Kaufleuten die Möglichkeit Die amerikanische Delegation auf der Konferenz werde nicht in der handelt werden. genommen wurde, für die zerstörten Gebiete zu liefern. Außerdem Lage sein, das Problem der alliierten Kriegsschulden zu erörtern, habe sich Frankreich eine Priorität gesichert, denn es würde in bevor der okngreß die Bill zum Gesetz erhoben habe, die den Staatsden vorgesehenen vier Jahren mehr erhalten, als ihm die in den fefretär ermächtige, die ausländische Schuld neu zu fundieren. Die Londoner Abmachungen festgesetzten Bedingungen zugestehen. Sollte Mehrzahl der Abgeordneten scheine für eine Berzögerung der aber Deutschland nach vier Jahren zahlungsunfähig werden, Bill bis nach der Abrüstungskonferenz zu sein. Times" berichtet so müßte Frankreich das, was es durch die Wiesbadener Ab- außerdem, die Bereinigten Staaten würden wahrscheinlich keinerlei machungen mehr erhielt, unter die anderen Alliierten, Einwand dagegen erheben, daß eine internationale Ronferenz ge die weniger erhielten, aufteilen. der finanzwirtschaftlichen Fragen stattfinde. trennt von der Abrüftungskonferenz und nach ihr zur Erörterung
Italienische Vermittlung.
Die italienische Regierung hat, wie Agencia Stefani mitteilt, auf Ersuchen der ungarischen und im Einverständnis mit der österreichischen Regierung die Bermittlung in der west ungarischen Frage übernommen. Die Botschaftertonferen 3, die über die Sachlage unterrichtet wurde, hat die im Gange befind liche Vermittlungsaktion günstig aufgenommen, gleichzeitig jedoch Diesen englischen Einwänden gegenüber erklärt das Journal", zum Ausdrud gebracht, daß diese Aktion auf das Ungarn über- daß die englischen Fabrikanten unmöglich behaupten könnten, daß mittelte, bis zum 4. Oktober befristete Ultimatum teine auf ihre Unternehmen sich allein auf dem Absatz für die zerstörten Geschiebende Wirkung ausübt. biete aufbauten. Sollte Deutschland wirklich zahlungsunfähig werden, würde sich Frankreich an Englands Seite stellen, um gegen Deutschland die notwendigen 3wangsmaßnahmen durchzu setzen. Hätte Frankreich übrigens nicht gelegentlich den Eindruck gehabt, von seinen Alliierten verlassen zu sein, hätte es diefe Sonderabmachungen von Wiesbaden nicht getroffen, durch die es auch beweise, daß es Deutschland Vertrauen entgegen bringe.
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Genf , 30. September. ( EP.) Am Donnerstag nachmittag find die deutschen und polnischen Vertreter aus Oberschlesien von der Biererfommission angehört worden. Die deutsche Regierung hat vor einigen Tagen in Paris , London und Rom eine neue Denfschrift über die oberschlesische Frage überreichen lassen, die sich aus fünf Teilen über die oberschlesische Bergbauindustrie, die Handwerks. Frankreich und die Ueberwachungskommission. fammern, den oberschlesischen Landbund und die deutschen Gewerk- Paris , 30. September. ( WTB.) Journal" schreibt heute in schaften in Oberschlesien zusammensetzt. Beigefügt ist auch noch eine einer Betrachtung über die aufgehobenen wirtschaftlichen Santtionen, Denkschrift über die religiöse Seite des oberschlesischen Problems. das neue Regime über die Einfuhr werde jedenfalls nicht Wie man hier erfährt, soll sich die Meinung der Biererkom lange in Kraft bleiben. Das Abkommen Rathenaumission mehr und mehr dazu verdichtet haben, eine der zweiten och eur sehe die Aufstellung von Listen vor, die auf das genaueste Sforza- Linie nahekommende Teilung Oberschlesiens vorzunehmen und und ohne Mißverständnis die Waren bestimmen, die nach Deutsch auf die früher in Aussicht genommenen Vorbehalte einer weitgehen land frei eingeführt werden können, und die Waren, die nach den Sichtung der Autonomie der bei Deutschland oder Polen ver- gegenseitigem Abkommen für die Einfuhrkontingente bestimmt bleibenden fremdsprachlichen Nationalitäten zu verzichten. Man wird der Aeußerung des Korrespondenten über die Mei- London, 30. September. ( MTB.) Laut Daily Telegraph " ist nung der Biererfommission mit großer Stepfis gegenüberstehen die weit verbreitete Ansicht, daß das Endeder wirtschaftlichen müssen. Aehnliche Meldungen sind in den letzten Tagen des öfteren Santtionen auch das Ende der der militärischen Be. aus Paris verbreitet worden. Man wird in der Annahme taum legung der Ruhrhäfen bedeute, unbegründet. fehlgehen, daß es sich hier um französisch- polnische Be e. einflussungsversuche handelt. Die Biererfommission ift gerade durch ihr absolutes Stillschweigen der Deffentlichkeit gegenüber befannt.
Zürich , 30. Eeptember.( TU.) Nach der„ Neuen Zürcher Bei hmg" wird die Entscheidung des Bölkerbundrats in der oberSchlesischen Frage für den 5., spätestens für den 9. Oktober erwartet. Die Fühlungnahme mit den deutschen und polnischen Delegierten foll heute und morgen noch fortgesetzt werden.
wurden.
Der Freiheitstampf der franzöfifchen Beamten. Der Rongreß der gewertschaftlich organisierten französischen Beamten hat in seiner Schlußfizung eine Entschließung angenommen, in ber für die Staatsbeamten die gewertschaftlichen Rechte gefordert werden.
einem dort eingetroffenen türkischen Bericht zufolge hätten die Flantenstoß der Türfen. Reuter melbet aus Ronftantinopel, nationalistischen Streitkräfte in der Gegend von 35 mib eine neue Offensive begonnen.
Die Debatte im bayerischen Landtag.
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Die Aussprache im bayerischen Landtag wurde unter schwacher Be München, 29. September. ( Eig. Drahtbericht des Borwärts".) teiligung der Abgeordneten heute morgen fortgesetzt. Der Sprecher der USB., Neumann, arbeitete das Anklagematerial gegen die Regierung Rahr noch einmal mit aller Schärfe heraus und führte die Ursachen der Explosionstatastrophe in Oppau an Hand beachtenswerten Materials auf die vor feinem Raubbau an Menschenleben zurückscheuende tapitalistische Produktion zurück, die fich ohne Rücksicht auf die Gesundheit des arbeitenden Bolles zu sparsamen Arbeitsmethoden drängen lassen, welche die wahren Ursachen der Ratastrophen auf dem Schlachtfelde der Arbeit seien. Wenn die neue Regierung hier dem schaffenden Bolt die Hand biete, so könne fie der unterstützung aller Streife des Volkes, selbst unter Verzicht auf manches Parteivorurteil, sicher sein.
des Bürgertums von dem System Rahr noch einmal deutlich zum Der Redner der Demofraten brachte die Abkehr großer Schichten Ausdrud. Es habe der alten Regierung eine flare und zielbewußte Stellungnahme gefehlt, doch sei fie allmählich verantwortlich geworden für die ungeheuerlichen Auswich fedes politischen ebens in Bayern .
Ebenso wie Boehner hat eine Reihe seiner Heifershelfer sich zum Rüdiritt veranlaßt gefehen. Sowohl der Leiter des Fremdenamtes in der Münchener Polizeidirektion, Regierungsrat Lang, wie der Borstand der Polizeistelle für Nordbayern, Graf Soden, haben um ihre Amtsenthebung ersucht.
Bei seiner Amtseinführung als Justizminister schrieb Graf Lerchenfeld der Regierung Rahr folgenbe Worte ins Stammbuch: „ Der Beamte darf sich nicht abschließen von dem neuen, das überall zur Entwicklung drängt, von den Fragen, die auch ohne die staatliche bewußt sein, daß er seinen Dienst nicht vom engen persön Umwälzung ihre Entscheidung verlangen. Der Beamte muß sich stets lichen Standpuntt aus, sondern nur nach den großen Rightpuntten ber Staatswohlfahrt versehen darf."