Einzelbild herunterladen
 
We Vuischristbestimmunzeir gelten mit der Maßgabe, daß keine Jahresgutschrift höher sein darf als der il n t e i l Frankreichs  (S 2 P r o z.) an den gemäß Artikel 4 des Londoner Zahlungsplanes zur Verteilung unter die Alliierten gelangenden deutschen   Annuitäten. Vom 1. Mai 1SZS ab kann Deutschland   alle Leistungen ab. lehnen, soweit durch ihre Ausführung der von Frankreich   in einem Jahre äußerstenfalls gutzuschreibend« Betrag(52 Proz. der An­nuität) überschritten werden würde. Havas meldet, daß das Hauptprotokoll um 5 Uhr nach- mittags unterzeichnet wurde. Rathenau   drückte dabei den Wunsch aus, daß das Abkommen dem Wohle berder Länder dienen möge. Die lviesbaüener Besprechungen. Paris  , S. Oktober.(EE.) Ein Mitarbeiter Loucheurs, der über die Ansichten des französischen   Wicderausbauministers sehr gut unterrichtet ist, machte einem Vertreter desIntransigeant" über den Inhalt der Wiesbadener   Besprechungen folgende Angaben: Der Friedensvertrag wird durch diese Abmachungen in keinerlei Weise abgeändert. Frankreich   erhält weiterhin einen Teil der Reparationen in Geld, d. h. in ausländischen Devisen, wodurch sich Frankreich   seine Freiheit bewahrt und es ihm gestattet ist, sich einen Reservefonds anzulegen, der den französischen   Währungskurs zu stüben geeignet ist. Man kann dies« Abmachungen würdigen, ohne den Pessimismus von Keynes   teilen zu müssen. Denn das Ab- kommen über die Naturalleistungen gibt Frankreich   statt des Geldes sofort Waren, wenigstens zu einem Teil, wodurch ihm die Möglichkeit zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete gegeben ist. Deutschland   wird alles liefern, dessen die Geschädigten bedürfen. Sollte es sich herausstellen, daß es in ihrem eigenen Interesse liegt, so können sie diese Aufträge ebenso Deutschland  , auch anderen Län- dern oder französischen   Industriellen erteilen. Die Reparations» kommission hat gegen das Wiesbadener Abkommen keine offiziellen Bedenken geltend gemacht, doch erhob England Einwen- düngen, von denen man jedoch erhofft, daß auch sie schnell aus dem Wege geräumt werden können. Infolge dieser Einwendungen, die von der Reparationskommission erhoben werden könnten, werden die vier Anhangsprotokolle sofort redigiert werden, die die Liefe- rungen von Kohle, Farbstoffen und Industriematerial betreffen. Frankreich   wird in Wahrheit nur über diejenigen Teile der Entschädigungen oerfügen, die ihm nach dem Londoner   Ultimatum von den deutschen   Zahlungen'zukommen. England scheint zu fürch- ten, daß Deutschland   späterhin seinen Verpflichtungen nicht nach- kommen könnte. Es ist aber klar, daß sich Frankreich   in einem solchen Falle an die Seite Englands stellen würde, um die vollständig« Durchführung des Friedensvertrages zu erreichen. Ferner fürchtet England, daß es von der Belieferung der besetzten Gebiete ausge- schlössen wird, dies ist unrichtig: denn die deutschen   Waren werden Zoll- und Transportgebühren zu entrichten haben ebenso wie alle aus England kommenden Waren. Die Deutschen   haben ein wirt- schaftliches und politisches Interesse daran, daß das Abkommen zu- stand« kommt. Ihne Industrie, ihr Handel und damit auch ihre Arbeiterklasse werden nunmehr fortfahren können zu ar- beiten, und«in Stillstand ihrer Wirtschaft wird damit vermieden. Ein politischer Grund für Deutschland   liegt darin, daß es nunmehr zeigen kann, daß es Anstrengungen mache, um unseren Wiederaufbau zu fördern. Damit gibt es der Welt einen Beweis feines guten Willens, an dem die Alliierten nicht mehr zweifeln können. Was wir zahlen sollen! Paris  , b. Oktober.(IDIB.) Die Reparalionskommisfioa hat aus Ersuchen Frankreichs   beschlossen, die Lesahungskosten bis zum 2Nai 1921 nach dem Durchschnittskurfe des Diertelsjahres in Gold- itoark anzurechnen. Hieraus ergeben sich: Amerika   1 106 732 830 Gold­mark 12 Pf.. Frankreich   1276 450 838 Goldmark 42 Pf� England 991 016 859«oldmark 53 Pf.. Belgien   194 706 228 Goldmark 27 Pf� Italien   10 064 861 Goldmark 29 Pf., zusammen für die Zeit vom 11. November 1918 bis I.Mai 1921 rund 3 Milliarden 63 9� Millionen Goldmark.
Paris  . 6. Oktober.  (MTV.) Wie.Fhicago TriBune* mitteilt, ist die alliiert« Konferenz in Brüssel  , die über die BesetzungSkosten beraten soll, bis nach dem 14. Oktober verschoben worden. Die Verschiebung steht im Zusammenhang mit dem Umstände, daß am 14. Oktober erst die Verhandlungen des amerikanischen   Senats über den Friedensvertrag mit Deutschland   beginnen. Wie sieht es mit Oberschlesien  ? Es find bald zwei Monate verstrichen, seitdem die Pariser  Konferenz des Obersten Rates beschlossen hat, die oberschle- siche Frage dem Völkerbundrat formell zur Begutach- t u n g, tatsächlich aber zur E n t s ch e i d u n g zu überweisen. In den letzten Tagen hieß es wiederholt, daß die Entscheidung bevorstünde, und zuletzt war sie für Ende dieser Woche- Sonnabend oder spätestens Sonntag angekündigt. Zu­gleich wußte die Pariser Presse von Genf   aus allerhand über den Inhalt des Gutachtens zu melden, das für uns recht un- erfreulich klang. Obgleich wir nicht den Fehler eines leider unbegründeten Optimismus begehen möchten, glauben wir. daß diesen Versionen einzelner Pariser   Blätter nicht über- mäßige Bedeutung beizumessen ist. Ein Privattelegramm des Berliner Tageblatts" aus Paris   deutet an, daß diese ten- denziösen Nachrichten vielleicht den Zweck verfolgten, die Er- regung der Deutschen   in Oberschlesien   künstlich zu steigern und sie zu Handlungen zu verleiten, die Deutschlands   Stand­punkt nur sehr schädlich sein würden. Auch wir möchten vor irgendeiner vorzeitigen Aufregung warnen. Daß die Entschei- dung innerhalb des Rats noch keineswegs gefallen ist und daß daher die Verlautbarungen der französischen   Presse zumindest verfrüht sind, geht schon aus der Tatsache hervor, daß die Vertreter der oberschlesischen Deutschen   noch am 5. d. M. vom Rat empfangen und namentlich über die wirt- schaftlichen Folgen einer Teilung des Industriegebiets ein- gehend vernommen wurden. Der Grund zum Optimismus der französischen  Presse ist wohl darin zu suchen, daß sich zuletzt die Nachrichten über eine Annäherung zwischen dem französischen   und dem englischen Vertreter im Völkerbundrat häuften, nämlich zwischen Bourgeois und B a l f o u r. Vom letzteren be- hauptet die französische   Presse mit einer deutlichen Spitze gegen Lloyd George  , daß er zu einerunparteiischen" Auffassung des Problems gelangt fei. Diese Nachrichten werden nun durch andere gewissermaßen bestätigt, wonach U n- stimmigkeiten zwischen Lloyd George   und B a l f o u r vorliegen. Darauf ist vielleicht die Abreise des britischen Völkerbunddelegierten Fisher nach London   zurück- zuführen� Was an allen diesen Gerüchten wahr ist, läßt sich von hier aus schwer beurteilen. Indessen gewinnen die Nach- richten an Wahrscheinlichkeit, die besagen, daß die Entscheidung wiederum vertagt werden dürfte. Ja, es soll sogar eine erneute Zusammenkunft zwischen Briand  und Lloyd Georg« bevorstehen. Vor dieser neuen Be- gegnung, die offenbar zur Schlichtung der noch immer bestehen- den Meinungsverschiedenheiten dienen soll, wird wohl irgend- eine offizielle Mitteilung über das Gutachten des Rats nicht zu erwarten fein. Dafür sind aber um so mehr tendenziöse Nachrichten. und unkontrollierbare Gerüchte zu erwarten. Die deutsch  -oberschlesische wie überhaupt die ganze deutsche Arbeiterschaft wird gut tun, alle in den nächsten Tagen ein- laufenden Telegramme mit der größten Vorsicht aufzunehmen. Sie hält nach wie vor an der Ueberzeugung fest, daß eine jede Teiluna des oberschlesischen Industriegebiets eine U n g e- rechtTgkeit und ein Unglück wäre, und sie will die Hoffnung nicht aufgeben, daß allem diplomatischen Kuh- bandel zum Trotz, die unvernünftige und ver- tragswidrige Auffassung der Teilarbeit der Industrie- zone Oberschlesiens   schließlich doch nicht durchdringen wird. Uneinigkeit in der Viererkommissio»? London  , 6. Oktober.  (EC.) Der Pariser   Korrespondent des Daily Telegraph  " meldet: Die Entscheidung des Völkerbundes in
der oberschlesischen Frage darf nicht zu früh erörtert werden. Den Zeitungsnachrichten zufolge nähern sich die Arbeiten der Viererkommission ihrem Ende. Der Hauptgrundsatz dieser Arbeiten besteht darin, daß eine Teilung des Industriegebiets den Ergebnissen der Volksabstimmung Rechnung tragen müsse, wobei Deutschland   die wichtigsten Städte zufallen würden. Andererseits aber muß das Gebiet aus wirtschaftlichen Gründen in seiner jetzigen Einheit bestehen bleiben. Es soll provisorisch von einer interalliierten oder internationalen Kommission vcrwallel werden-. Gleiwitz  , Beuthen  , Tar- nowitz und Hindenburg   würden Deutschland   zufallen, Königshütte und Kattowitz   Polen  . Die Mehrheit der Mitglieder stimmt dieser Entscheidung zu. Demmch herrscht über sie innerhalb des Völkerbundrates keine Einigkeit. Bezüglich der Zuweisung von Königshütte an Polen   erheben gewisse Kreise Widerspruch. Außerdem wird erklärt, daß die wirtschaftliche Einheit der Gebiete erhalten bleiben soll, und zwar nicht nur pro- visorisch, sondern dauernd._ Die preußischen Koalitionsberatungen. Durch WTB. wird verbreitet: Die interfraktionellen Ver- Handlungen der vier Parteien, die über die Regierungs- btldung in Preußen zusammengetreten sind, wurden gestern früh fortgesetzt. Ein Abschluß ist noch nicht erzielt worden, doch ergab sich in den Verhandlungen Ueberein- stimmung in einigen grundlegenden Fragen. Die Verhandlungen sind im übrigen für streng vertrau» l i ch erklärt und werden im Laufe der nächsten Woche fortgeführt werden._ Eröffnung des Thüringer Landtages  . Erfurt  , 6. Oktober.  (TU.) Der Thüringer Landtag   wurde gestern eröffnet und zum Präsidenten der Sozialdemokrat Leber einstimmig gewählt. Zun, ersten Bizepräsidenlen wurde Baum (Tbüringer Landbund), zum zweiten Vizepräsidenten Drechsler (Unabh.) gewählt. Ein Antrag, einen dritten Vizepräsidenten zu wählen, was die Thüringische Verfassung zuläßt, um so auch der Bolkspartei, die ebensoviel« Sitze hat wie die USP., eine Ver- tretung in, Landtag zu ermöglichen, war von der Linien abgelehnt worden._ Domim'cus' Rechtfertigung. Der preußische Innenminister Dominicus veröffentlicht 8ine längere Erklärung, in der er sich gegen die vomVorwärts" und anderen sozialistischen   Organen erhobenen Vorwürfe, er habe die Orgesch vor ihrer Auflösung gewarnt, zu rechtfertigen sucht. Hier- bei gibt er zur Bekräftigung seiner Auffassung sein Schreiben an den Breslauer Polizeipräsidenten Liebermann zur Kenntnis, das von diesem alsstreng vertraulich" an den Breslauer Major Queiß weitergegeben wurde. Dominicus betont, daß sein Schrei- den das Licht der Oeffeutlichlcit nicht zu scheuen hatte, kann jedoch die Tatsache nicht aus der Welt räumen, daß es von Lieber- mann offenbar doch als Geheimschreiben aufgefaßt und in diesem Sinne weitergegeben wurde. Dadurch, daß Domini» cus jetzt seinen Beauftragten fallen läßt, ändert er nichts an der Tatsache, daß sein Erlaß durch die Art der Verwendung zum mindesten als außerordentlich bedenklich bezeichnet wer- den muh. Die unerquicklichen Verhältnisse, die durch das Treiben der oberschlesischen Orgesch hervorgerufen wurden, beweisen denn auch zur Genüge, daß, nenn auch nicht böswillig, so doch zum mindesten äußer st ungeschickt operiert wurde. Diese Art der Bekämpfung verfassungsfeindlicher Geheimverbände ist ßiicht geeignet, die Sicherheit der Republik   zu erhöhen. Der Klub der Harmlosen." Zu diesem Versammlungsbericht in Nr. 467 desVorwärts" teilt uns Herr Major Anker mit, daß er an jener Versammlung nicht teilgenommen, also auch die erwähnten Aeußerungen nicht getan habe. Von dem angeführten Zitat, für das also ein anderer dentsch-monarchistischcr Redner die Verantwortung zu tragen hat, rückt Major Anker selbst scharf ab, indem er betont, trotz seiner politischen Stellung in der Rechtsopposition niemals die Grenzen des Anstandes und Taktes überschritlen zu haben.
Der Voltsbühnentag. Die bürgerliche Kultur hat durch Krieg und Revolution eine in ihren Konsequenzen noch unübersehbare Erschütterung erlitten. Insbesondere sind die Theater wirtschaftlich und ideell bedroht. Die breiten Massen sind bei den dauernd steigenden Preisen nicht mehr in der Lage sie zu besuchen. Das literarische und kulturelle Niveau der Darbietungen sinkt: bloßer Unterhaltungskram und Nervenkitzel beginnt da» Repertoire zu beherrschen. Aber schon hat auch die�ion der Arbeiterschaft geschaffene Form des Theaters der Zukunft, die Volksbühne, ihr Erbe angemeldet und fängt an, mitten in der Zersetzung ihr« Kulturausgabe zu übernehmen. Was das kapitalistische Theater nicht vermochte, setzt die Volksbühne durch: es erobert der Mass» seinen Anteil am Theater, sichert den Weiterbestand des Theaters, garantiert ihm seine Pforten für die Dichter des Kommenden. Der vor einem Jahre in Verlin   begründete Verband der deutschen  Volksbühnenoereine hielt am 1. und 2. Oktober in Eisenach   seinen zweiten Vertreterrag ab, der von Organisationen aus allen Teilen Deutschlands   beschickt war. Die preußische wie die thüringische Staatsregierung hatten Delegierte entsandt, die in Begrüßungs- ansprachen die Bedeutung der Voltsbühnenbewegung würoigten. Der Vertreter des preußischen Kultusministeriums konnte darüber hinaus die Zusage einer positiven Unterstützung der Volksbühnen- Propaganda durch die preußische Staatsverwaltung übermitteln. Dem Geschäftsbericht des Gencralsekrelär» Dr. Nestriepke war zu entnehmen, daß die Volksbühncnbewegung im abgelaufenen Jahre kräftige Fortschritte gemacht habe. Nicht weniger als 15 neue Volksbühnenorganijationen entstanden und nahmen bereits ihre Tätigkeit auf. In zahlreichen anderen yrten wirken vorbereitende Ausschüsse. Insgesamt suchen heute mehr als 30 Volksbühnenoereine mit fast 300 000 Mitgliedern nach dem Muster der Berliner   Volks- bühne durch Zusammenschluß der kunstliebenden Kreise der werk- tätigen Bevölkerung die Basis zu schaffen für die Vermittlung künst- lerisch hochwertiger Theatervorstellungen zu ganz geringen Einheile- preisen für sämtliche Theaterbesucher, zugleich bemüht, durch Schulung des Publikums, durch feine Mitbeteiligung an der Gestaltung des Spielplans usw. den künstlerischen Darbietungen der Bühne eine stärker« Resonanz zu schaffen. Ein Bortrag von Dr. L u d w. S e e l i g. Referent im preußischen Kultusministerium, behandelte sodann die Möglichkeiten und Notwen- digkeiten einer Förderung der Volksbühnenbewegung durchGesetzgebung und Behörden. Im Reichsoergnügungs- steuergesetz sei bereits Vorsorge für die Befreiung der Volksbühnen- Veranstaltungen von der Lustbarkeitssteuer getroffen worden. Es (et_ aber noch mehr anzustreben: Im kommenden Reichstheatergesetz müßten die Bolksbllhnenvereine von jeder polizeilichen Konzessionie- rung und Beaufsichtigung entbunden werden: für die Erteilung der Spielerlaubnis im übrigen müsse das Kulturbedürfms entscheidend werden, damit die Dolksbühnenbestrebungen zugleich vor niedriger Konkurrenz geschützt würden. Das Reichstheatergesetz müsse auch die Forderungen zu erfüllen suchen, die seinerzeit von dem Verband der Bolksbühnenvereine zum Kommunalisierungsgesetz gestellt worden waren. Die anregungsreichen Ausführungen Dr. Seeligs gipfelten in ber Fessstellung, daß für den Aufbau des Theaters der Volks-
bühncnidee nicht mehr zu entraten sei. Die finanzielle Verelendung müsse den Zusammenbruch des Theaters befürchten lassen, wenn ihm durch Voltsbühnenorganisationen nicht ein« gesicherte Grundlage ge- schaffen werde. Deshalb seien künftighin Vertreter der Volksbühnen- beweguitg zu allen Körperschaften heranzuziehen, die sich mit Theater-, Konzessionsfragen und dergleichen beschäftigten, sei jede positive Förderung ihrer Bestrebungen durch Gesetzgebung und Be- Hörden geboten. HeberVolksbühne und Weltanschauung" sprachen sodann Karl Bröger  , Nürnberg  , und R i ch. Seidel, Berlin  . In überzeugenden Ausführungen wandte sich Bröger gegen die Be- strebungen, den Volksbllhnengedanken für eineWiedergeburt" des mittelalterlichen, von kirchlichen Dogmen beHerrichten Theaters frucht- bar zu maGen, und zu diesem Zweck Theatergemeinden auf dem Boden einerchristlich-deutschen Weltanschauung" zu gründen. In Berlin  , als Kind der modernen Arbeiterbewegung, sei die Volks- bühnenbewegung ensstanden. Im Sinn« einer sozialistischen   Kultur sei sie zu wirken berufen, indem sie an die Stelle der individuellen Anteilnahme am Theater das Kunsterlebnis einer Gemeinschaft setze und die gemeinsame Not der Massen in gemeinsame Freude wandle. Nicht sozialistisch im Parteisinn solle die�Bolksbühnengemeind« sein: aber indem sie die Zuschauer im Theater zu schöpferischer Anteil­nahme am Kunstwert wecke, den Menschen der großen Städte wieder die Tore zum Land der Freude öffne und der geistigen Erneuerung der Menschheit diene, wirke sie im Sinne eines weit- anschaulichen Sozialismus, dessen Sinn und Zweck die Erhebung aller Schaffenden sei. Rich. Seidel setzte sich zunächst mit den Verfechtern eine»Proletarischen Thealere" auseinander, das nur solche Werke zur Aufführung bringen dürfe, die geeignet wären, vi« revolutionäre Aktionslust des Proletariats zu"beflügeln. Er stellte fest, daß es ein« besondere proletarische Kunst noch nicht gebe und geben könne. Um so weniger dürfe dem Proletariat das, was die bürgerliche Kunst hervorgebracht habe, vorenthalten werden. So wenig es richtig sei, olle Maschinen zu zerstören, um den Sozialtsmus zu verwirklichen, so wenig dürsten die vorhan- denen kulturellen Werte ausgilchaltet werden, wenn man eine neue Kultur anstrebe. Indem ein Kunstwort das gesellschaftliche Sein in höchster Steigerung, in konzentriertester Fassung wider- spiegele, könne es auch ein« Kultur befruchten, die in einer neuen sozialen Schicht wurzelt. Es wäre deshalb von größter Wichtig- keit, dem Proletariat auch diebürgerliche Kunst zu erschließen, als Rohstoff für eine neue Kultur. Gegenüber dem Bühnenvolks- b»nd wandte Seidel ein, daß er sich wohl der Idee des Gemein. lchaststhcaters bemächtigt Hove  , es aber in der Praxis keineswegs durchführe. Schichten, die sozial gar nichts miteinander gemein hätten, sollten hier durch das Elem-nt der christlichen Weltanschau- irng miteinander oereint werden. Das spiegele nur die Zentrums- taktik, gewisse Teile des Volkes von der freien Volksbühnenbewe- gung abzulenken und an der Kirche festzuhalten, ähnlich wie sie einst bei der Gründung der christlichen Gewerkschaften zutage ge- treten sei Wie der Bühnenvolksbund sich auf die christlichen Gewerkschaften stütze, so könnten die im Verband vereinigten Volksbllhnenorganisationen in den freien Gewerkschaften ihre Stütze sehen: aber ihr Zi»l müsse in jedem Falle sein, den Massen die edelsten Werte der Kunst zu erschließen, ganz gleich, in welcher Nation und welcher Weltanschauung dies« wurzelten.
Die beiden eindrucksvollen Referate fanden wertvolle Ergän- zungen in der ausgiebigen Diskussion. In ihr wies Dr. Seelig auf die ernsten künstlerischen Tendenzen des Bühnenoolksbundes hin, in dem man doch nich» nur die Auswirkung einer politischen Machtpolitik sehen dürfe. Julius Bab   oerfocht gegenüber Seidel den Standpunkt, daß Klasse und Milieu doch immer nur das Aeußere eines Kunstwerkes bedingten, während sein Kern ein Ewig- Menschliches wäre. Privatdozent Dr. Liepe betonte, daß auch die Richtsozialisten sehr wohl im Sinne der beiden Referenten in der Volksbühnenbewegung mithelfen könnten, einem Sozialismus zu dienen, der auf nichts anderes hinausliefe als ein Bekenntnis zum reinen und freien Menschentum. Zwei weitere Referate b-handeltenKünstlerische Problem» der Volksbühne". Madeleine Lüders, Hamburg  , und Herm. Eßwein, München  , behandelten die Möglichkeiten der Vervollkommnung des künstlerischen Wirkens der Volksbühnen. Lei den Wahlen wurde der alte Vorstand des Verbandes mit Kurt Baak« als Vorsitzenden im wesentlichen wiedergewählt. Die Verhandlungen waren beseelt von dem ernsten Willen, im Sinne der Volksbühnenidee kräftig fortzuwirken, so daß mit einer raschen weiteren Ausbreitung der Volksbühnenbewcgung gerechnet wer- den kann. Ihre festliche Weihe erhielt die Tagung auf ber Wartburg  . Auf der denkwürdigen Stätte des Wartburghofes wurde der Ein- klang zwischen den Volksbühnengenossen und den Delegierten her- gestellt. Die großen Ziele wurden in begeisternden Ansprachen ge­feiert und der Impuls zu fortschreitenden Taten lebendig aus-
genommen.
AlS GedächtniSfel-r für Humpcrdinck deranssaltet die Staat«- o p e r am 15. d. Dt. eine Zlnfführung vonHönsel und©rclel" und des 3. Akts derKönigskinder'. Dem Gedächtnis Joles Manns wird die StaalSoPcr eine feierliche Veranstaltung am 23. d. M., mittags, widmen. MnfsuinSfülirungcn. An den Wintermonaten finden Sonntags wieder öffentliche wisscnlchaftliche Afihrungen durch Direktorialbeamte m den staatlichen Museen statt. Die ersten am 9. Oktober im Kaber-Friedrich- Museum(Deutsche   Bildwerte) und im Mulcum für Völtertunde(Amerika  - nische Abteilung). Beginn SV, Uhr. Karten zu 1 M. am Eingang. Die Kornscheucr, die sich mit der Wanderausstellung junger nieder- ländischer Kunst und mit anderen internationalen Kunstnnternehmungen einen Namen gemacht bat, will in diesem Bionat mit ihren ersten Aus- stellungen in eigenen Räumen in Berlin  . WilmcrSdorser Str. 55/56, hervor- treten. ES soll oersuchl werden, den Besuchern Gelegenheit zu geben, an gemeinschastlichen Abenden mit den Künstlern bekannt zu werden. Tic Oberammergaucr Passionsspiele, die seit 1910 nicht mehr stattgefunden haben, werden im nächsten Jahre wieder aufgenommen werden. Das neue Schlofimuseum in Kohlenz. In dem schönen alte» Koblenzer Residenzschlotz am Rhein   ist ein Schlotjmuseum eingerichtet worden. Di« rheinische RegierungShaupIstadt hat damit eine besondere Sehenswürdigkeit gewonnen. Dieser erste Bau des FrühtlafsizismuS im Rheinlande, von Sliiler später im Stil seiner Zeit im Inneren dergerichtet, bat einen Teil der bisher in zwei Koblenzer   Mnieen verstreuten Sanim- tungeu ausgenommen. Die«ttnftlerhilfe für die Hungernden in Rußland   vermittelt Künstler, die sich zur Verfügung stelle«, um in Matinö«, Borträgen. Theateraufführungcn. Reseraten usw. mitzuwirken. Anfragen an da» Sekretariat. Berlin  , WUHelmstr. 87/88.