tcntnerfrage gesammelt, b'as Problem als Ganzes. Die Frage Mittelstand oder Proletariat löscht aus, an ihre Stelle tritt die eine große Lebens- und Eewisjensfrage: K a v i t a l i s- mus oder Sozialismus, Haftung aller für olle oder Haftung vieler für wenige. Die Not lehrt beten, gewiß, aber die Not lehrt auch sehen. Und wer ein- mal in die Not dieses Rentnerelends(es gibt keinen Wesens- unterschied mehr zwischen Proletarierrentnern und Mittel» standsrentnern) wachen Auges hineingeschaut hat, dessen Ge- wissen bäumt sich auf gegen eine Weltordnung, in der zwar Christentum und Nächstenliebe gepredigt wird, in der es aber keine Möglichkeit gibt, das Vermögen der Gesamtnation ver- antwortlich zu machen, wenn ein ganzer Aoiksteil Hungers stirbt. Kehren wir zu den Rentnern zurück. Ist Hilfe möglich? Die Antwort eines Anhängers der freien Wirtschaft, der Pri- vatwirtschaft, die Antwort jener Manchesterleute, die dem freien Spiel der Kräfte das Wort reden, kann nur hart und eindeutig lauten:„Nein! Hilf dir selbst! Es ist dein eigenes Unglück, wenn du falsch spekuliert hast. Uns geht das nichts an." Es ist die Antwort jener Leute, die den Menschen nur nach seiner Arbeitskraft einschätzet und auf die Straße setzen, wenn er verbraucht ist. Sie müssen diefe Antwort geben, denn sie wollen vor allem verdienen. Für sie ist der ganze Produktionsprozeß in erster Linie eine Verdienstmöglichkeit. Alle sozialen Fortschritte, sofern sie ihnen einseitig Lasten auferlegen, müsien ihnen naturnotwendig abgerungen wer- den. Das Nein des Privatkapitals wird den hilfesuchenden Rentnern nicht entgegenschallen. Wenn auch scheinbar die Lage der verelendenden Stände nach dem Kriege schlechter geworden ist, so bürgt doch die soziale Revolution dafür, daß ihnen weit größere Hilfsquellen offenstehen, als es unter einer rein privatkapitalistischen Regierung der Fall sein könnte. Den Invaliden und Krüppeln, den Waisen und Verzweifelten, deren Bezugserhöhungen mit der Geldentwer- lung nicht Schritt gehalten haben, ihrer wird sich der Reichs- tag annehmen. Den kleinen Kapitalrentnern, die nicht ein- mal mehr von der Hand in den Mund leben können, auch ihnen wird geholfen werden. Eine bei ihnen sinnlose Ver- mögeysabgabe muß verschwinden. Sie, die ihr Leben noch nicht einmal aus Eigenem fristen können, dürfen nicht nur nicht mit Steuern belastet werden, sondern auch sie müssen an den Zuschüssen des Reiches teilhaben, die auch anderen Bedürftigen zukommen. Hier vor allem muß jener Geist ein- setzen, der das Gesamtvermögen für das Wohlergehen der ganzen Nation verantwortlich macht. Aber wenn ihnen geholfen wird, so haben sie das lediglich dem Auf- stieg der sozialistischen Parteien zu verdanken und das eine darf nicht aus den Augen gelassen werden: Gleiches Menschenrecht und ganzes Menschenrecht auf ein auskömmliches Leben, das Recht der Gesamtheit auf gesunde Verhältnisse, ehe der einzelne seine Ansprüche über das Mittelmaß erhebt, gibt es nur im sozialistischen Ge- meinschafts st aat.
Volksparte! imü Golöwerterfajfung. In der„Nationalliberalen Korrespondenz", dem offi- ziellen Pressedienst der Deutschen Volkspartei , finden wir die folgende, außerordentlich bemerkenswerte Notiz: In der rechtsgerichteten Provinzprefle wird der Feldzug gegen die Deutsche Voltspartei systematisch fortgesetzt. Zu der gestern als lügenhaft gekennzeichneten Behauptung, Dr. Strefe- mann befinde sich in Meinungsverschiedenheiten mit der Frat- tion, tritt jetzt die Meldung, die Deutsche Loltspartei sei bereit, her sogenannten Erfassung der Goldwerte zuzustimmen. Auch diese Nachricht wird von einer zenttalen Stelle in Berlin in einer ganzen Anzahl von Provinzblättern untergebracht. Sie ist ous der Luft gegriffen, da— wie allgemein bekannt«st— die Deutsche volksparjei in der von der Sozialdemokratie beabfich. iiglen Erfassung der Soldwerte keine annehmbare Form der Besitz. slener erblickt.
Die Energie, mit der die Deutsche Dolkspartei von einer gerechten Vesitzbesteuerung abrückt, verdient beachtet zu wer- den. Welch großen Wert die Deutsche Volksparti auf ihren Standpunkt in dieser Angelegenheit legt, beweist die Ueber- schrift:„Weitere systematische Unwahrheiten", die sie dieser Notiz gibt.__ Cm Kapitel rhelnifther wirtschafisnot. Die wlrtschafllichen Sanktionen sind nun endlich aufgehoben. Das Rheinland darf wieder in ungehinderten Wirtschaftsverkehr mit dem Reiche treten. Die Wunden jedoch, die seit Mitte Mär; dieses Jahres der rheinischen Industrie durch die Abdrosselung von seinem Hauptabsatz- und Rohstoffgebiet zugefügt morden sind, wer- den nur langsam vernarben können. Ganz lasten sich die Folgen möglicherweis« nicht beseitigen, denn die rheinische Wirtschaft muß abgerissene Verbindungen wieder aufzunehmen versuchen und den während der siebenmonatigen Strangulierung ver- lorenen Teil ibre� Absatzmarktes neu zu gewinnen trachten. Die schweren wirtschaftlichen Schäden, die der Arbeiterschaft im besetzten Gebiet aus Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Betriebsstillegung und Unterernährung infolge von unglaublicher Verteuerung der not- wendigen Lebenshaltung zugefügt worden sind, sind kaum wieder gutzumachen. Im Verlag der Deutschen Derlagsgesellschaft für Politik und Wirtschaft ist soeben eine Broschüre von Erich K ö h r e r erschienen, in der dieser seine Beobachtungen über die Wirkungen der Sank- ticmen auf Reisen kreuz und quer durch das besetzte Gebiet nieder- gelegt hat. Es ist die einzige Druckschrift, die über diesen Gegen- stand in Deutschland existiert. Wenn die wirtschaftlichen Sanktionen nicht eben ausgehoben worden wären, müßte man diese Schrift als Anklag« in allen deutschen Zeitungen ungekürzt abdrucken. Aber die militärischen Sanktionen bestehen noch ohne jeden Rechtsgrund fort. Düsseldorf , Duisbiwg-Ruhrort, mit dem für das rheinisch-westfälifche Industriegebiet unentbehrlichen Hafen, dem größten Linnenhafen der Welt, der vor dem Kriege etwa doppell soviel Gütertonnen Umschlag hatte als der Hamburger Hofen, sind noch fest in den Händen fremder Soldaten. Unter militärischem Schutz arbeitet ein weitverzweigtes Netz der französischen Handelsspionage und spinnt seine Fäden bis ins unbesetzte Indu- sttiereoier hinein. Der Uebergang zu? offenen Konttolle und offen organisierten Registtierung der wirtschaftlichen und technischen Be- tricbsangelegenheiten durch französische Jndustrieoffiziere ist erst unlängst durch einen entschiedenen Vorstoß der rheinischen Gewert- schaften oerhindert werden. Noch immer stehen an ISO MO Mann fremder Soldaten im Rheinland , davon allein annähernd 25 0 0 0 Mann in Düssel dorf und Duisburg-Ruhrort . Die Städte müsten Säle und Schulen als Unterkunftsräume hergeben. In Duisburg ist zell- weif« annähernd die Hälfte der Schüler ohne Unterricht geblieben. Die Quartierlasten sind unerhört drückend. Nach einer Berechnung aus französischer Quelle soll Deutschland im Jahr« 1921 etwa 120 Milliarden Mark für die Besatzungsttuppen aufbringen müsten. Das wäre auf den Kopf der Bevölkerung 2000 M.; dies« Angaben stim- men übrigens mit der Goldmartbcrechnug der Reparationskommission überein. Im Intereste des Recht» muß die sofortige Auf- Hebung der miNtärischen Sanktionen und im Intereste der Wieder- gutmachungsfähigkell Deutschlands muß der schleunige Aban des Besatzungsunfug» gefordert werden. Das sind offene Wunden und schwere Gefahren für die Befriedung Europas . Köhrer schreibt von dem„ungebändigtcn, schrankenlosen Haß gegen Frank- reich, der da» Rheinland durchglüht, und der für einen pazifistisch gestimmten Soziallsten geradezu etwa» Erschreckendes hat". Auch auf dem Görlitzer Parteitag ist durch die Resolutton Sollmann vor den Folgen der Bedrückung des Rheinlandes ernst gewarnt worden.
Staffelung üer Cifenbahntarife. Anregungen der SPD. -ReichstagSfrattto«. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktton hat an da» Reichs- vertehrsministerium die folgend« Eingab« gelangen lasten: Nach uns zugegangenen Mitteilungen werden die Personen- tarife der Reichsbahn in Bälde um weitere SO bis SS Proz. erhöht.
Obwohl wir die Notwendigkeit einer solchen Matzucchm« m« Micks ficht auf die safortige Deckung der entstehenden Mehraufwendungen der Reichsbahn durchaus anerkennen, müsten wir uns doch mir aller Entschiedenheit dagegen wenden, daß die Fahrpreise, genau wie das letzte Mal, auch jetzt wieder generell rn allen Wagentlassen die gleiche Erhöhung erfahren. Die sozialdemokratische Fraktion des Reichstage» hat sich mit dieser Angelegenheit beschäftigt und ist mll Rücksicht auf die Ber- hältniste unter denen insbesondere die minderbemitte I t e n Volksschichten zu leiden haben, der Auffassung, daß bei der dies- maligen Erhöhung der Fahrpreise unter allen Umstanden eine Staffelung dergestalt eintreten muß, daß_ die finanziecke Leistungsfähigkeit des einzelnen Reifenden berücksichtigt wird. wird. Dies kann geschehen, wenn nachstehende Vor- schläge durchgeführt werden. Dochenfahrkarten: Wir stellen anHeim, van einer Erhöhung g a nz a b z u- sehen, well die letzte Erhöhung der Preise der Wocheiffaht- karten von 200 bis SOO Proz. eine ungewöhnlich und unerttagllch hohe war. IV. WagenNaste: Die Preise für diese Wogenklaffe wurden bei der letzten Tarif- änderung um 40 bis 50 Proz. erhöht. Es muß deshalb verlangt werden, daß an Stelle der beabsichttgten 80 bis 35 prozenttgen Er- höhung ein« solche von höchstens 10 Proz. durchgeführ: wird. III. wagenklaste: Hier schlagen wir vor, die Preise nur um 25 Proz. zu erhöhen. Wi « im Norden de- Reicks, so wüsten auch im Süden für dm tag- lichen Verkehr beschleunigte Personenzüge oder wenigstens Eilzüge mit allen Wagenklassen und ohne Zuschläge gefordert wer- den. Insbesondere trifft dies für Baden zu. II. und I. wagenkkastei Nach unseren Beobachtungen beim täglichen Verkehr war auch nach der letzten starken Tariferhöhung ein Rückgang in der Besetzung dieser beiden Wagenklassen nicht zu oerzeichnen Im Gegenteil, diese Wagenklassen sind heute zum großen Teil überfüllt, nicht nur mit Reisenden des In-, sondern zu einem erheblichen Teil mit solchen des Auslandes, so daß hier eine schärfere Heranziehung zur Aufbringung der erforderlichen Mittel unter allen Umständen gefordert werden muh. Eine Erhöhung der Fahrpreise um 40 Proz. in der und um 5 0 Proz. w der I. Wagenklaff« erscheint durchaus gerechtferttgt. Zeitgemäße Richtererziehung. Am Freitag, den 14. Oktober, beginnt ein« Vortragsreihe für Richter und Staatsanwälle des Kammergerichtsbezirks, in der eine Reih« von Juristen und Politikern über praktische Rechts- und Wirt- fchaftsfragen der Gegenwart spricht. Ueberblickt man di« Namen der Vortragenden, so kann über den Charakter der Kurs« nicht der leiseste Zweifel bestehen. Daß man den Berliner Völterrechtslehrer Triepel über das Thema.Glossen zur preußischen Verfassung" sprechen läßt, wirkt selbst wie eine Glosse über diesen Herrn, dessen reaaktionär-monarchistische Einstellung ihn.schon während des Krieges zu einem Schrecken für die echt« Dölkerrechtswistenschaft machte. Ueber Herrn R ö s i ck e braucht man kein Wort zu verlieren. Ge- nannt ist ferner Dr. Jenny, der über die.Möglichkeiten Wirtschaft- lichen Verkehrs zwischen Deutschland und Rußland ' sprechen wird. Jenny gehört in den Kreis der wenig erfreulichen Bolschewistentöttr, so daß die Behandlung gerade diese« Thema» aus diesem Munde als eine Verhöhnung der Wirffchastsannäherung zwischen Deuffchland und Rußland wirken muß. Ferner spricht der Vor- sitzende des Rcichsoerbandes der deuffchen Presse, Heinrich R i p p l e r, der sich erst kürzllch durch seine ouigär-antisemitischen Ausführungen um den letzten Rest des Ansehens der deutschen Presse brachte. Zu den Rednern gehört schließlich d«r Deuffchnationale Professor Hoetzsch. Bei der bekannten polllischen Mentalität unserer Richter braucht man sich nicht zu wundern, wenn sie e» vorziehen, sich über Fragen der Republik von den größten Feinden der Republlk belehren zu lassen. Die Angelegenheit gewinnt jedoch dadurch ein öffentllches Interesse, daß die Tellnehmerkarten im Präsidialgebäude des Sammergerichts abzuholen find, woraus der Schluß zu ziehen ist, daß sich die Kurse an höherer Stelle, d. h. beim preußischen Justizminister, besonderer Sympathie und Förderung erfreuen. E» besteht begründete Vermutung zu der Annahme, daß Kurse von Republikanern nicht die gleiche Unterstützung zu gewärtigen hätten.
Raimunö:„Die gefeffelte Phantasie". (Schauspielhaus.) Karl Ettling er. ein früheres Mitglied des Deuffchen Thea- ters. der in der Aufführung den bierseligen, abwechselnd närrischen und sentimentalen Harfenisten des Raimundschen Zauberspieles gab. hat das Stück bearbeitet und es als Regisseur mit künstlerischem Feingefühle inszeniert. Die von Fellx Mottl unter Benutzung alter Schubertscher Weisen komponierte Musik umwob das Ganze mit einem stimmungsvollen Rahmen. Die Naivität und der leichte harmlos spielerische Geist altwienerischer Zeiten kam zu lebendigem Ausdruck. Das Stück eines der späteren Raimunds, Ende der l820er Jahre geschrieben und erst wenig beachtet, knüpft an Traditionen der beliebten Wiener Zauberposse an und wendet sie ins Allegorische. Man spürt in der Berherrlichung der Phantasie den Einfluß der Romantik, die aus der Prosa dumpfen Alltagslebens gerne in Märchenwelten flüchtet und sich«v diesen ihren Träumereien selber spottend ironisiert. Ein Ton ironisierter Wehmut mischt sich ein. Raimunds selbstquälerischer Geist war sich bewußt, daß die Göttin, der er huldigt, ihn selbst mit Gaben nicht allzu reichlich ausgestattet. Seine Einfälle strömen nicht, sie sickern nur. In den Klagen der Poeten auf der Dichterinsel, die, nach Fesselung der Göttin durch ein griesgrämig� böses Schwesternpaar, vergeben» ihr Gehirn zermar- tern, ein würdiges Festlied auf Hermione, des Reiches Fürstin, zu ersinnen, klingt vernehmlich auch ein Schmerzenzhauch des eiaenen Unvermögens an. Ein Schäfer, der sich später dann nach Märchenrecht als Prinz entpuppt, hat durch besonders wundervolle Verse die Gunst der Königin gewonnen. Im Derttauen, daß er beim Wettbewerb den süßlich-faden Hofpoeten und alle anderen Kollegen überflügeln werde, erklärt sie feierlich, daß sie demjeniggen die Hand zum ewigen Bunde reichen werde, der cm dem nächsten Abende sie mit dem Aonsten Preisgesange erfreue. Indes, die beiden schlimmen Schwestern Vioria und Arrcgantla. die die hämische Bosheit und Niedertracht der Prosawelt verkörpern(von Elsa Wagner und Paula Conrad in ulkig-übertteibender altjüngferlicher Karikatur Ur glücklich dargestellt), sinnen Unheil. Sie attackieren die Göttin Phantasie, die Schutzheilige der Poeten, und liefern sie dem arm- seligen versoffenen Harfenisten als Beute aus. Sie soll ihm ein Poem diktieren, das all« anderen aussticht und ihn der Königin als Gatten aufzwingt. Die reizvoll duftige Szenerie der Dichterinsel mit einem B.iumchen, iii� dessen leicht geneigtem Stamm Lyrasaiten au�gespont sind— wie alle anderen Dekorationen nach Entwürfen von Hans Ehlers—. gab gleich dem ersten Bilde einen Hinter- «rund, der zu willigem Mitgehen einlud. Aehnlich stimmungsvoll malerische Kunst unterstützte die Szenen in der Waldschenke, wo der Harfenist in rührendem Gesang der eigenen schönen KinÄerzeit unÄ seiner stolzen H,ffnungen gedenkt, um dann den Schwärm der EöstL wie üblich mit platten Gassenhauern und Schnadcchüpferln zu belustigen. Hier war Herr Ettlinger vortrefflich. Dieses Lied in»
mitten der allegorischen Maskerade, die leicht ermüdet, rief tiefere« menschsiches Empfinden wach. Auch der im Text recht schwache Auf» ttitt, in dem die von den Schwestern herangeschleppte Göttin den trägen Geist des Harfenisten im Walde inspirieren soll, gewann durch die ganz eigenartige, im expressionistischen Stile komponierte Fabellandschaft Farbe. Natürlich löst sich alles in Wohlgefallen auf. Die Göttin(Anna-Marie Seidel), die die Hilf« der Himm- lischen anruft, wird durch Theaterzauber prompt befreit und flüstert ihrem Lieblinge, dem Schäfer, ein Gedicht zu, durch dessen Vortrag er die Hand der Königin gewinnt. Zuguterletzt erscheint der oberste Dichterschirmherr Apollo selbst mit freundlich wohlgenährtem Ant» litz hoch auf Wolken thronend, die Wiener Stadt im Hintergrunde, und gibt seinen Segen. Die bösen Schwestern werden nach Ler- dienst in die Unterwelt verbannt. Das Publikum spendete starken Applaus. Ctttlnger und die anderen Mitspielenden mußten wieder und wieder vor dem Vorhang erscheinen. fft.
Im Märchenhevse. An der großen Heeresstraße, die von Thüringen kommend über Kassel noch Marburg und Frankfurt führt, steht genau eine Meile ron Kassel ein einsames Gasthaus mll einer Brauerei. Sein Spitzname ist»die Knallhütte", weil ehedem die Fuhrleute hier, um Vorspann zu bestellen, mit der Peitsche knallten. In diesem Hause wurde 1755 die svätere Schneidersfrau Katharina Dorothea Liehmann aus Nieoerzwehren geboren, di« den Brüdern Grimm , die Bibliothekare in Kassel waren, die schönsten Märchen des zweiten Bandes überlieferte. Wilhelm Grimm berichtet von ihr, daß ihr die Gabe des Erzählens in reichsten» Maße verliehen war. Sie erzählte die schönsten Märchen fließend and schnell, dann auf Wunsch langsamer und zwar so. daß bei einige? Uebung gut mitgeschrieben werden tonnte. Ihr Bildnis, wie es Ludwig Grimm von einer Radierung aufnahm, ist in Medaillen an dem Kasseler Wohnhaus der Brüder Grimm festgehalten. Der Vater dieser Frau Viehmann, die 1815 in den dürftigsten Verhältnissen starb, war Wirt der.Knallhütte". Er hieß Jean Isaac Pierson und stammte aus Metz . Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes waren seine Vorfahren nach Hessen gewandert. Das Töchter- chen war stets die Oberste In der Schule von Rengershausen . Auf- merksom folgte es den Erzählungen der Fuhrleute, die in der oäter- lichen Wirtschast ausspannten. Noch heute sind darin die alten Tische und Bänke erhalten. Die Tische lassen sich zusammenklappeu und an Haken der Wände befestigen, während die Bänke nach unten zu- sammengeklappt werden. Abends wurden die Tische hochgeklappt. Sttoh kam in die Wirtsstube, die Bänke dienten als Kopfpolster und fertig war die Herberge. Neuerdings ist nun festgestellt worden, daß verschiedene der Grimmschen Märcken keine echt deuffchen oder hessischen find. Sie haben vielmehr, wie das vom Ritter Blaubart, französisches Wesen, und ein Göttinger Literaturf»rfcher hat die Spur gefunden, indem er die Geschichte der Familie Pierson nach Frankreich zurück verfolgte. Aber die Märchen sind ja überhaupt wahrhaft internationales Gut, da» bei vielen Völkern wiederkehrt und nur immer neu gefaßt ist.
Rene Fundstätten der Skeiuzeit. Der bekannt« Prähistortker Dr. 0. Hauser veröffentlicht in der.Umschau" einen oufsehener- regenden Bericht, in dem er betont,»daß wir in Deutschland min- bestens ebenso interessante Siedlungen au» der Steinzell finden wie in Frankreich , wenn wir uns nur di« Müh« machen wollen, sie zu suchen." Er hat in dem Gebiet von Halle a. d. S. bi, zum Kyffhäuser und Unsttut-Tal zwölf wichtige Fundstätten«ntdeckt und schreibt darüber:„Mitteldeutschland hat heute schon mindestens ein Dutzend wichtiger Alffteinzeitssedlungen, von denen man bis- lang leider nichts gewußt hat. Interesselosigkeit ist schuld daran, wenn Eisenbahndämme, Chausseen und Sttaßen mit den schönsten Feuersteinwerkzeugen belegt, und wenn fett mehr al» 15 Iahren von den herrlichsten Fundplätzen solche Stücke waggonweis« abge- fahren worden sind. So sammelte ich am 28. August d. I. auf oer Bahnhoffttaß« in Hettsttdt«ine Reih« hervorragend gut ge- arbeiteter Alffteinzeitfund«. Und die Bahndämme von Halle bis Kassel und alle Seitenweg« bergen zerftteute Schätze attstewzeit- lichen Materiales, wie sie in Frankreich , in der Dordoone, nicht besser und wichtiger zu finden waren. Die Kiesgrube.Feldbahn" bei Tenffchenthal(Halle a. d. E.) ist meines Erachtens«ine Paläo- llthsiedlung von allergrößter Vedeunmg: sie stellt sich würdig den mir enttissenen Fundplätzen Südwestfrankreichs an die Scste. Hoffentlich werden die Annahmen Hausers bestätigt.
Erstanfführnuge« der Woche. Dt. WrseS volMheater- Die Wildente. Schiller» Theater: Meine Frau, d i» tz o N ch a u» I p i e I« r i n. Fr. Neues Theater am Zo«: Da« Ewig-Männ- ficht. Sonnab. Theater i. d. Könlggräher Str.: Manon LeScaut . Urania -vortrSge. Sonntag, DIenStafl, Donnerstag:.Di« deutsche Donau ". Montag, Mittwoch, Frellag, Sonnabend:„Unser schönes Riesengebirge ". Der freie Tag im Gchloßnmsenm. Um der immer zunehmenden und von der Polizei beanstandeten Uebersapung des SchlohmuiriiniS an dem bisher eintrittSfreten Mittwoch abzuhelfen, soll bis ans weiteres am Mittwoch ew SintriUSgeld von IM. erHoden werden.— Da die arbeitende Bevölkerung sowieso öm Mittwoch von 9— 3 daS Museum nicht besuchen ionnte, wird sie nicht allzu stark von dieser Maßregel getroffen. Warum führt die Berwaltung nicht zwei freie Tage ein. wenn einer überfüllt ist? Für später, wenn der Strom der Neugierigen fich verlaufen hat, mutz aber auch der Sonntag, der einzige Tag, der jür die Waffe als Besuchstag in Frage kommt, frei sein. Tanzmatiuee. Sascha Leonffew, der zurzell ein Gastspiel als Joseph in der StaatSopcr absolviert, gibt am S. Ottober in den Kauunerjälen eine Matinee. Gastspiel Michael Wohnen. Im Deutschen Opernhanfe eröffnet am IS. Oktober Michael Bohnen ein aus fünf Abende berechnete« Gastspiel als Mephisto in GounodS»Margarethe--. Die weiteren Gastfoiele sind: Dienstag, den IS.:.Die Meislersänger von Nürnberg -(HanS Sachs ); Sonnabend, den 22.:.Margarethe- lMephtfty): Mittwock. den 28.:.Wallürt- (Wotan) und Sonnabend, den 23. Ottober:„ToSca -(Scurpia)., Der Porti eriauf beginnt Sonntag, den 3. Oktober. Deutsch « Oper» in New-Uor?. DaS Metropolitan Opera Horte kündigt an, datz es wieder deutsche Opern aufführen werde. Amerika hat eS also glücklich dahin gebracht, al« letzte» Land d«« lächerlich ea Boykott gegen den deuffchen MußlgeniuS zu breche».