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Balfour erNärte zum Schluß: Ich kann nur persönNch die ernste Hoffnung ausdrücken, daß das deutsche Volk und das polnische in jedem Aalle die Aufrichkigkeii, die Einsicht und von ihrem eigenen Standpunkt aus gesehen, die Klugheit zeigen werden, zu er- kennen, daß wenigstens ein ernster Versuch unternommen wurde. um die Bestimmungen des Friedensvertrages in fairer weise und voll auszuführen. Ich ersuche die Deutschen und die Polen keines- wegs zu denken, daß in diesem Industriegebiet keinerlei Ungelegen- heit erzeugt werden wird, aber ich ersuche sie und insbesondere die Deutschen , sich zu überlegen, was ihre Lage gewesen wäre, wenn wir uns nur damit begnügt hätten, die Linie zu ziehen und zwar die beste Linie, die wir gemäß der Verteilung der Vevölke- rung ziehen konnten. Balfour wiederholte, daß die i n d u st r i e l l e n Anstrengungen Deutschlands anerkannt und in Ober- schlesien gesichert worden seien. Es fei für die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenzlinie gesorgt worden, und man habe eine Maschinerie gegründet, um den gegenseitigen Verkehr zwischen den beiden Hälften'Oberschlesiens zu fördern. Der Völkerbundrat habe den aufrichtigen Wunsch gehabt, nach bestem Können die Bestim- mungen des Friedensoertrages auszuführen. Der Völkerbundrat erwarte keine Dankbarkeit für seine Arbeit, er hoffe je- doch, daß mit der Zeit in dem geteilten oberschlesischen Gebiet der Geist des Mißtrauens beseitigt werde. Noch immer Unstimmigkeiten zwischen Paris und London . Paris , 16. Oktober. (WTB.) In einem Bericht über die diplo- matische Lage beschäftigt sich Havas mit den Einzelheiten, die in der gestrigen Sitzung der Botschafterkonferenz noch nicht geregelt wurden. Die Engländer verstäten den Standpunkt, daß die Lösung von Gens ein unteilbar«, Ganze» darstelle. Die Grenzziehung müsse notwendigerweise zu gleicher Zeit mit dem provisorischen Regime wirt» schaftlicher Anpassung erfolgen. Wenn auch der Vertrag den Alliierten das Recht gebe, den beiden Staaten eine territoriale Trennung in Oberschlesien aufzuzwingen, so sei ee ihnen nicht g e. stattet, diesen beiden Staaten diese oder jene politische oder wirt» schaftliche Konvention aufzunötigen. Der Abschluß eines derartigen Abkommens betreffe nur Polen und Deutschland , die in voller Un- abhüngigkeit entscheiden müßten. Die englischen Vertreter fragten deshalb, was die Alliierten tun könnten, wenn eine der beiden Parteien s i ch w e i g e r n würde, die in Genf anempföhle» nen wirtschaftlichen Konventionen abzuschließen. Man scheine nach dieser Richtung in London hauptsächlich am guten Willen Polens zu zweifeln. Man frage ferner, ob denn eine Frage noch offen gelassen werden könne, die, wenn sie noch länger in der Schwebe bleibe, den Weltfrieden in Gefahr bringen würde. Von französischer Seite antwortete man hierauf: gewiß nicht, man erkläre jedoch, daß die Genfer Vorschläge zwei Teile enthalte� die sich ergänzen, die aber voneinander unabhängig seien. Der eine betreffe die Grenzabstimmung und könne Polen und Deutschland auf- gezwungen werden, der andere das provisorische wirtschaftliche Re- gime, das nur anempfohlen werden könnte, weiter nichts, da der Vertrag den alliierten Mächten nicht gestatte, einen Zwang zur Annahme auszuüben. Aus diesem Grunde schlage man in den französischen Kreisen folgendesVerfahren vor: Man benachrichtige Berlin und Warschau formell über die neue Grenzlinie. Nach Artikel 88 Absatz 6 seien die polnischen und die deutschen Behörden verpflichtet, im Lause eines Monats nach Notifizierung die Verwaltung der zugesprochenen Gebiete zu übernehmen. Sei das geschehen, dann nehme die Befugnis der Interalliierten Oberkommisston ein Ende. Es wär dann wünschenswert, daß im Laufe dieses Monats Polen und Deutschland die vom Völkerbund anempfohlenen wirt- jchaftlichen Konventionen abschlössen. Zu diesem Zweck teile man ihnen die Vorschläge des Völkerbundes mit und die Botschafterkonferenz l»erpflichte die beiden Regierungen, sofort Bevollmächtigte zum Ab- schluß der für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Lebens not- wendigen Abkommen zu ernennen. Warschau und Berlin sollten dann aufgefordert werden, auch ihre Delegierten für die gemischte Verwaltungskommission zu bestimmen, und der Völkerbund seiner- seits werde unverzüglich den Präsidenten neutraler Nationalität für dijse Kommission ernennen. Mit einem Wort, man appelliere an die Weisheit der beiden Völker, damit sie nach ge- meinsamem Uebereinkommen das Ucbergangsregime, das die neue Lage verlange, fesllegten. Polen könnte sich dieser Verpflichtung nicht entziehen, da es nach Artikel Sl) des Friedensvertrages die Verpflichtung übernommen habe, während der Dauer von 15 Jahren den Export von Vodenerzeugnissen der ihm übertragenen Gebiete

Unsere Hochschulen. Don Prof. A. F o r e l, Zürich . Man muß selbst Professor gewesen sein, um am besten die ganze Höhe oder besser den reellen Tief st and unserer Hoch- schulen, trotz ihres äußeren Nimbus, ermessen zu können. Nimbus und Macht berauschen meistens alle Menschen, und die Professoren sind eben Menschen wie die anderen. Eine treffliche kleine Studie:Das juristische Studium und seine Erneuerung" von Dr. Fritz D e h n o w, vormaligem Staatsanwalt- schaftsrat(Konrad Hanf Verlag D. W. B., Hamburg 8), illustriert die Sache bei der j u r i st i s ch e n Fakultät. Bei der theologischen dürfte es kaum anders sein; wie kann man heute über einen meta- physischen unerkenbaren Gott eineLogie" einführen, ohne in einen Wortschwall zu geraten! Das Sammelsurium genanntphilosophische Fakultät" ist eher besser, ist ober so heterogen, daß seineFächer" einer gründ- lichen Revision bedürfen. Bleibt die Medizin, der ich näherstehe und der ich hier einige Worte widmen möchte. Die medizinische Fakultät bildet einen Zwitter zwischen wissenschaftlicher Forschung und einträglichem praktischen Beruf. Theoretisch sollte sie im Dienst der leidenden Menschheit stehen; prak- tisch beuten ihre Lehrer und Schüler öfters mehr oder weniger im Dienste Mammons die Kranken aus. Dies taten und tun noch die Hexenmeister der wilden Völker wie allermodernste Priester des Aeskulap: nur mit anderen Mitteln, die sie einer uneigennützigen Wissenschaft verdanken. Um dieses Uebel zu umgehen, bezahlen die Chinesen ihre Aerzte nur, so lange sie gesund sind; die Kranken müssen von den Aerzten unentgeltlich behandelt werden. Das hat aber auch gewisse Haken, so rationell die Sache angesichts der erblichen mensch- lichen Natur an und für sich erscheint. Wie steht es heute in unseren Kulturländern aus? Bezeichnend ist ein Spruch, der an deutschen Hochschulen von Mund zu Mund ging: ihattl Wenn die Karriere geschlossen ist!" Was heißt dieser spöttische Vergleich mit der Eisenbahnbckrriüre? Ein witziger Professor sagte, ein Privatdozent müsse mindestens jähr- sich einmal etwas Gedrucktes schreiben, gleich wie der Inhalt auch sei, umanzukommen", d. h. um Karriere zu machen, Professor zu werden. Fügen wir die offizielle Stufenleiter hinzu: Student, Korpsstudent, Privatdozent, Professor: oder: Adliger, Leutnant, Hauptmann, Major, Oberst, General: oder: Korpsstudent, Staats- beamter, Geadelter, Staatsminister. Dann wird man verstehen. So

nach Deutschland zu gestatten. Durch die Lage der Dinge aber habe Deutschland ein Interesse daran, so wie vorgeschlagen zu verfahren. Von englischer Seite glaube man nicht, daß die wirt- schaftlichen Abkommen innerhalb eines Monats geschlossen werden könnten. Aus diesem Grunde empfehle man, die Notifizierung der Grenze hinauszuschieben, um im vornhinein die deutsch -polnischen wirtschaftlichen Verhandlungen vorzunehmen. Am kommenden Mon- tag werde der französische Justiziar Fromageot der Botschafter- konferenz seine Beschlüsse über die der polnischen und der deutschen Regierung zu machende Mitteilung vorlegen. Eine aufsehsnerregenöe Kundgebung. London , IS. Oktober,weslminster Gazelle" veröfsenMcht ein von Edo Aimmen, hobson, Senworthy. Longuet. Sir George P a i s h und Lord Parmor unterzeichnetes Schrei­ben, in dem diese aks Teilnehmer an der internationalen Wirkschaflskonferenz. die in der lchten Woche hier tagte. versichern, die Völkerbundentscheidung in der oberschlesischen Frage sei ein neuer, vielleicht der schwerste Schlag für die Aussichten auf den Frieden und die wirlschajisiche' Wiederherstellung Europas . Lloyd George Habs im Unlerhause am 20. Zuli erklärt, daß es einen beträchtlichen Unterschied für die Zahlungs­fähigkeit Deutschlands machen würde, wenn das wichtige oberschlesische kohlengebiet aus Deulschland herausgerissen und Polen ausgehändigl würde. Die Unterzeichner des Schreibens er­klären, es sei vollkommen klar, daß der jetzt drohende Verlust die Forldauer der deutschen Zahlungen in der augenblicklichen höhe unmögsich mache. Die vorgeschlagene Grenzlinie spreche Polen die gesamten oberschlesischen Zink-, Blei- und Eisenlager zu und annähernd neun Zehntel der oberschlesischen Kohlenerzeugung. Die Aussichten auf Frieden ln Oberschlesien selbst. Aufrechterhaltung der Ordnung und einer demokratischen Regierung in Deutschland , der Erfolg der Washingkoner Konferenz und eines durch die Aufnahme Deutschlands gestärkten Völkerbundes scheine z e r- stört. Der Tag. an dem Deulschland unfähig sein werde, seine Reparationen zu bezahlen, sei viel näher gerückt worden. Zum Schlüsse des Schreibens heißt es. niemand werde mit den Vorschlägen des Völkerbundes weniger einverstanden sein, als die oberschlesische Vevölkerung selbst, und zwar weder der deutsche noch der polnische Teil der Vevölkerung. Es würde daher, wenn die Entscheidung angenommen werden solle, nur recht und billig sein, wenn zugleich eine neue Abssimmung vorgeschlagen würde, durch die die Vevölkerung Oberschlesiens die Möglichkeit erhielte, zu wählen erstens zwischen der T e i l u n g. wie sie jetzt vorgeschlagen wird, zweitens einem ungeteilten deut- schen Oberschlesicn, drittens einem ungeteilten pol- nischen Oberschlesien , und viertens einem u n a b h S n- gigen Oberschlesien unter Leitung des Völkerbundes.

bürgerliche Krifenmacher. Heute nachmittag findet eine Sitzung des i n t e r f r a k t i o- nellen Ausschusses statt, der mit Recht große Bedeu- tung beigemessen wird. In ihr wird sich entscheiden, ob die Meinung der Sozialdemokraten und eines Teiles der Bürger- lichen Oberhand behält, nach der über das Bleiben oder Gehen des Kabinetts W i r t h der Reichstag selbst be- stimmen soll, oder ob die Meinung jenes Teils der Bürger- lichen siegt, nach der das Kabinett gar nicht erst vor den Reichs- tag treten, sondern schon zuvor seine Demission geben soll. Im ersten Fall ist es gewiß, daß das Kabinett Wirth in den nächsten Tagen ein Vertrauensvotum erhalten und bleiben wird. Im zweiten Fall wird der Reichstag erst zusammen- treten können, wenn die Regierung umgebildet oder neuge- bildet sein wird. Wann dies der Fall wäre, vermag dann niemand zu sagen, und ebensowenig läßt sich voraussehen, ob Wirth und die sozialdemokratischen Minister dem neuen Kabinett angehören werden und ob überhaupt die Sozialdemo- kratie dann noch in der Regierung sein wird. Sachlich wird die um- oder neugebildete Regierung wenig- stens nach außen hin keine andere Politik treiben können, als Wirth sie getrieben hat. Man spricht davon, daß nach dem Kabinett deru n bedingten Erfüllung" ein Kabinett derb e- hatte sich Bismarck seine Renovierung des Feudalismus ") gedacht, die er so trefflich unter der Obhut des deutschen Kaisers ins Werk setzte. Er selbst fiel aber als Opfer sxines modernisierten Feudalis­mus. AlsSchwimmer gegen den Menschheitsstrom" richtete dieser bismarckische Versuch das ganze Deutsche Reich im Weltkrieg schließ- sich zugrunde. Unbewußt hat somit Bismarck nach Orden und hohen Stellen kriechende Streber geschult, keine selbständig denkenden Menschen, und das hat sich in den Hochschulen gerächt. Leider waren die deut- schen Hochschulen und ihr System fast überall tonangebend, während die geistige Zentralisation der französischen Hochschulen in Paris die letzteren schon früher mumifiziert hatte. Ueberall werden die allmächtigen Hochschullehrer mehr oder weniger aus Strebern zu Bonzen: die Ausnahmen sind dünn gesät. Mit Hilfe der Gedanken anderer schreibt man Aufsätze und Lehrbücher und wird Professor alsdann: Halt, denn die Karriere ist geschlosien: man kann aus- ruhen oder gar ab und zu schweigen. Kein Wunder, wenn dieses System Mittelmäßigkeiten züchtet, die aus Routine und Vorurteil leben und jede Reform von vornherein perhorreszieren. Eine ganze Reihe ehrlicher und tüchtiger Professoren muß aber ausgenommen werden: dies soll auch betont werden sowie, daß die oben ange- führte Stufenleiter weder immer noch überall zutrifft. Beispiele: Dre berühmte Professor B i l l r o t h sagte 1885 in Wien ; man solle das Studium der Psychiatrie aus den medi- zinischen Studien entfernen! Mir selbst erklärte einst der berühmte Professor Kölliker: die Experimente Gubens(Neroenausreißung bei neugeborenen Tieren) seien nicht rein anatomisch, er könne sie in seinem Lehrbuch der Histologie nicht berücksichtigen. Und den- noch hatten jene Experimente zum erstenmal den anatomischen Sitz der Nervenkerne im Mittel- und Nachhirn endlich klar bewiesen. Da sie ebenfalls nichtrein physiologisch" waren, fanden sie mei- stens auch keinen Platz in physiologischen Lehrbüchern. So weit treiben es berühmte Professoren mit der Fachsimpele!! Der be- rühmte Psychologe Prof. W u n d t hat den Hypnotismus ganz und gar mißverstanden und mißdeutet: lange Zeit hieß es in Deutsch - land:Die deutsche Wissenschaft verhält sich ablehnend gegen den Hypnotismus." Als ob die Wisienschaft überhaupt ein Vaterland hätte und Tatsachen«ablehnen dürfte! Die Folge davon ist aber, daß der Hypnotismus, seitdem er im Jahre 1884 als Suggestion allgemein durch Bernheim bekannt wurde, soviel ich weih, bis heute an keiner Hochschule der Welt gelehrt wird. In den Jahren 1888

*) Siehe 21. Forel:Die Vereinigten Staaten der Erde". Lausanne Schweiz 1914 bei Ernest Reytrequin, ru« du Pont 11, Kap. XV(S. 95).

dingten Erfüllung" gebildet werden soll, aber diese Unter- scheidung ist Unsinn. Auch die Politik Wirths ist oder war keine Politik derunbedingten" Erfüllung, die gibt es über- Haupt nicht, sondern auch sie ist bedingt durch den Rechtsgrund- satz, daß niemand über sein Können hinaus verpflichtet werden kann. Jeder Versuch aber, die Erfüllungspolitik an andere Be- dingungen zu knüpfen, würde an den bestehenden Macht- Verhältnissen scheitern und katastrophale Rückwirkungen herbei- führen. Wollte jedoch eine neue Regierung, weil sie muß, genau so handeln wie die Regierung Wirth gehandelt hat, ihre Hand- lungen aber durch nationalistische Redensarten zu verschleiern suchen, so könnte sie wohl dadurch innerpolitisch auf das Gefühl eingestellte Kreise für sich gewinnen, die auswärtige Lage Deutschlands würde sich aber dadurch ohne jeden Gegen- wert verschlechtern. Daraus geht hervor, daß die Sozialdemokratie eine Aen- derung des außenpolitischen Kurses nicht mitmachen kann. Soll sie herbeigeführt werden, so müssen wir dafür sorgen, daß die Verantwortung für sie ausschließlich auf die Schul- tern derer fällt, die sie gewünscht haben. Ebenso kann die Sozialdemokratie auf keinen Fall einer Regierung angehören, die ihren innerpolitischen Kurs weiter nach rechts dreht. Lassen sich für eine Politik des verstärkten Schutzes der Republik und des sozialen Fortschritts neue zuverlässige Stützen gewinnen, so kann uns das nur recht sein. Eine nach rückwärts gerich- tete Entwicklung wird die Sozialdemokratie auf keinen Fall mitmachen. Und ebensowenig ist von ihr zu erwarten, daß sie sich an einer Steuerpolitik beteiligen wird, die es unterläßt, für die Heranziehung des Besitzes zu den Lasten des Reichs realste Garantien zu bieten. Auf keinen Fall soll man sich darauf- verlassen, die So- zialdemokratie werde, wenn die Not offenbar werde, schon wieder einspringen. Wenn durch das Verhalten der bürger- lichen Parteien eine Notlage geschaffen wird, dann mögen sie auch die Mittel der Abhilfe schaffen. Wenn sie ein künstliches Labyrinth erzeugen, dann mögen sie auch den Ausweg fin- den. Wenn irgend jemand glauben sollte, die Sozialdemo- kratie als den Pudel behandeln zu dürfen, der gehorsam ap- portiert, was andere mutwillig ins Wasser geworfen haben. dann hat er seine Rechnung nicht nur ohne den Wirth, sondern auch ohne die Sozialdemokratie gemacht. Wie es heißt, haben die bürgerlichen Krisenpolitiker zwar noch keine neue Reichstagsmehrheit, aber schon einen neuen Reichskanzler. Er heißt Adenauer , ist Oberbürgermeister von Köln , Lorsitzender des preußischen Staatsrats und poli- tisch rechtsgerichteter Zentrumsmann. * Die Monarchisten wollen Wirth in die Wüste schicken, weil ein Stück Oberschlesien verloren gegangen ist. Aber die Feststellung desVorwärts", daß die Monarchie und nicht die Republik , daß Ludendorff und nicht Wirth die Schuld an diesem Verlust trägt, ist ihnen stark auf die Nerven gefallen. Zu diesem springenden Punkt der ganzen Angelegenheit äußert sich Graf W e st a r p in derKreuzzeitung " äußerst behutsam. Er schreibt: DerVorwärts", dem man eine gewisie Genialität In der agi- tatarischen Ausgestaltung der jeweiligen Lage nicht absprechen kann, fand alsbald die richtige Wendung zu dem Thema, das ihm wichtiger ist als alles: Ludendorff und der Militarismus, das alte System und die nationalistischen Kreise trügen die Schuld an dem Verluste Oberschlesiens , also liege gar kein Anlaß vor, Herrn Wirth deshalb in die Wüste zu schicken. Es gehört schon die ganze Verbortheit dazu, mit welcher die Sozialdemokratie die Anschuldi- gung der eigenen Volksgenossen betreibt, über die sie am 9. November auf der ganzen Linie gesiegt hat, um nicht zu sehen, daß es sich bei der Frage des Rücktritts gar nicht um Schuld und Sühne, sondern darum Handell, ob die bisherige Politik mit Erfolg fortgesetzt werden kann oder eine ander« Politik andere Personen erfordert. Nachdem uns die Monarchisten tagelang die Ohren voll- gebrüllt haben. Wirth, die Republik , die Revolution trügen Schuld an dem Verlust, wird auf einmal entdeckt, daß es sich gar nicht um die Schuldfrage handelt.

Arbeilerunruhen iu Men. Sonnabendabend kam es im Wiener Arbeiterviertel Favoriten zu neuen Demonstrationen von etwa 3999 Personen. Die Polizei wurde mit Steinen beworfen und mußte 29 Verhaftungen vornehmen. bis 1898 las ich selbst in Zürich einen Krusus darüber, der jedoch von meinem Nachfolger nicht fortgesetzt wurde. Es ist allerdings richtig, daß die Behandlung mit Hypnose und mit Psychanalyse viel Mühe erfordert und meistens weniger einträgt als Rezepte schreiben. Doch genug Beispiele. Ich habe abstchtsich nur sonst verdienst. volle und wirkliche Berühmtheiten erwähnt: die Legion der an- deren wäre zu groß. Auf der anderen Seite sind nur wenige bahn- brechende Entdecker neuer Gedanken Hochschullehrer gewesen, oder sie wurden erst nach ihren Entdeckungen zu Profesioren ernannt. Charles Darwin , Frau Curie. Stephenson, Guten- berg, Palissy , Beethoven , Sokrates , Jesus Christus , Luther und Zwingli waren keine Professoren. R. Semon war nur außerordentlicher Profesior und dankte als solcher ab. Die Konkurrenz der Hochschulen miteinander frischt sie etwas« auf, genügt aber durchaus nicht: die Reform muß viel tiefer greifen. Eine solche Reform hat bereits lange vor dem Weltkrieg in Eng- land und in Deutschland (Jlsenburg, Haubinda usw. mit Dr. L i e tz) von unten an begonnen. Sie ist dann bereits bis zum Gymnasium(Schloß Biberstein) hinaufgestiegen und greift langsam um sich: sie hat bereits glücklicherweise gewisse Volksschulen da und dort angesteckt. Hocherhaben über alles blieben jedoch die Hoch. schulen mit ihrem Eigendünkel von ihr unberührt.Frei genug sind unsere Studenten", behaupten sie stolz,freier können sie nicht werden!" Ja frei genug sind sie, um zu saufen, zu huren, und um Wen- suren auszufechten! Aber in Ketten liegen sie vor alten feudalen Vorurteilen, sowie vor den heute noch allmächtigen Fach- Professoren, von welchen jeder nur sein eigenes Fach mit der Lupe vergrößert und die anderen Fächer unterschätzt, und vor deren affektiven Launen: in Ketten aus Angst vor den meistens auf reinem Gedächtniskram beruhenden Prüfungen. Das muß anders werden. Weg mit den Prüfungen durch Fachprofessoren. Weg mit dem Gedächtnis als Maß. stab: die selbständige Urteilskraft muß vorangehen! Das Duell und das Saufen müssen verboten, d. h. in Acht und Bann getan werden. Man sollte zwar Präsenzlisten von den bei Vorlesungen und prak- tischen Kursen anwesenden männlichen und weiblichen Studenten aufstellen, aber nicht der Studenten, sondern der Lehrer wegen, um feststellen zu können, ob sie ihre Hörer anregen und wirklich bc- lehren oder sie nur einschläfern. Im letzteren Falle>st das erste beste Lehrbuch bester als der Professor. In Deutschösterreich hat der stühere Staatssekretär für Unter- richt, Otto Glöckel , in den unteren Schulen eine glänzende Reform

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