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Nr.50238. Jahrgang Ausgabe B Nr. 249
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Montag, den 24. Oftober 1921
Karls Truppen zurückgeschlagen.
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Abteilung Moritplay 11753-54.
Nach dem Polenaufstand von 1830 und seiner blutigen Niederwerfung durch den Zaren Nikolaus gab es in deutschen Landen kaum einen Dichter, der den Freiheitskampf Bolens nicht in hallenden Rhythmen gefeiert, und kaum ein Bürgerhaus, das sich den polnischen Flüchtlingen verschlossen hätte. Das deutsche Bürgertum, dessen letzter Barde jegt die Ausdörrung und wirtschaftliche Vernichtung Bolens als höchstes Ziel deutscher Politit verkündet, lebte damals in diese Stimmung wirfte, zeigt sich an dem Umstand, daß das einem wahren Rausch der Polenbegeisterung. Wie nachhaltig liberale Bürgertum im Jahre 1848 bereit war, Teile des preußischen Gebiets freiwillig zu opfern, um zwischen Preußen und das Zarenreich einen Bufferstaat zu legen. Damals schrieb die„ Kölnische Zeitung ":
Bieberherstellung Bolens ausgesprochen. Auch Preußen Der Wille der deutschen Nation hat sich unzweifelhaft für die wird einen Teil seiner Brüder poleischen Ursprungs aufgeben müffen und wollen, um des großen Zieles willen, ein Zwischenreich zwischen So fich und Rußland aufzurichten.
Karl von Habsburg hat den Vormarsch auf Budapest auf- am Freitag in Dedenburg angekommen war, die Uebernahme perialismus, fiegreich nicht auf dem Schlachtfeld, aber genommen. Die ungarische Regierung, die mit Karl darin der Königsgewalt proflamiert und eine Regierung unter am Diplomatentisch, sich anschickt, abermals auf deutsches übereinstimmt, daß Ungarn von einem gefrönten Haupt re- Führung von Stefan Ratovszky ernannt hatte. Ministerpräsident Land den Fuß des Eroberers zu sehen, mag es manchem un giert werden muß, und die nur in der Bersonen- und Beit- Graf Bethlen berief den Ministerrat zusammen, der einen Be- passend erscheinen, wenn daran erinnert wird, daß das Verfrage mit ihm uneinig ist, begnügte sich zunächst damit, den schluß faßte, demzufolge König Karl auf Grund des Artikels 1 des hältnis zwischen Polen und Deutschen nicht immer so war, Vormarsch durch Aufreißen und Verbarrikadieren der Eisen Gesetzes vom Jahre 1920 die Ausübung der Königsgewalt nicht wie es heute ist. Aber da wir in Zorn und Schmerz nicht gleich bahnschienen aufzuhalten. Erst nach dem Eingreifen der Großen übernehmen fönne und das 2and unverzüglich verlassen die ganze Geschichte und die deutsche Literatur dazu verbrennen und der Kleinen Entente bequemte sie sich dazu, der Streit- müsse. Die Regierung wurde in diesem Entschlusse bekräftigt durch fönnen, die wir vielleicht noch zu anderen Zwecken brauchen, macht Karls, die schätzungsweise drei Divisionen umfaßt, und die Erklärungen der Budapester Vertreter der Großen und der läßt sich nun einmal die Erinnerung an diefe alten Zeiten inzwischen in Buda Ders angekommen ist, Regierungs- Rleinen Entente. Ministerpräsident Graf Bethlen unter- nicht auslöschen. truppen entgegenzustellen. Es wurden Scharmütel ge- richtete bavon wiederholt den Bertrauten des Königs Rakovszky liefert, bei denen es Tote, Verwundete und Gefangene gab, telephonisch und wies auf die unabwendbaren Folgen eines etwaigen und die durch ergebnislofe Verhandlungen unterbrochen Einzugs des Königs in Budapest hin. Doch antwortete Rakovszky wurden. Die Regierungstruppen scheinen vorläufig die Ober- ftets mit Drohungen. hand gewonnen zu haben. Die Regierung ftrebte eine unmittelbare Berständigung mit dem Aber es ist verhältnismäßig gleichgültig, melchen Rönig an. Um ihm den Ernst der Lage flarzulegen, entfandte fie Ausgang dieses militärische Zwischenspiel nimmt. Das Haupt- Sonnabend abend den Kultusminister a ß, der ein Schreiben gewicht liegt in den Maßnahmen der Kleinen des Reichsverwesers Horthy überbrachte, in dem sich der Entente. Die Meldungen von einem befristeten Ultimatum Reichsverweser auf die Baterlandsliebe des Königs berief an die ungarische Regierung, das den Abtransport Karls und ihn zu bewegen suchte, das Land nicht ins Verderben zu stürzen. binnen 48 Stunden fordert, widrigenfalls sich die Kleine Diesem Schreiben war auch die Note der Entente und die Bekannt Entente als im Krieg mit Ungarn befindlich betrachtet, ent- gab des Standpunkts der Kleinen Entente beigefügt. Baß wurde spricht nicht den Tatsachen. Ebensowenig die Meldung, daß nicht zum König vorgelassen. zwischen der Tschechoslowakei , Jugoslawien und Rumänien Indessen setzten die aufrührerischen Truppen den Vormarsch oder zwischen Italien und der Kleinen Entente Meinungs- gegen Budapest unter Führung des Obersten Lehar und des verschiedenheiten bestehen. Tatsächlich sind sich vielmehr die Majors Datenburg fort. Die Regierung wollte sie ohne Blutver Regierungen diefer Staaten vollständig klar darüber, daß mit gießen aufhalten und ließ daher die Schienen aufreißen, die jedoch dem Seuchenherdin Ungarn , der nun schon seit Jahr durch die Dhtenburgische Borhut wiederhergestellt wurden. und Tag eine Gefährdung des Friedens in Mitteleuropa dar erreichten die Aufrührer Budaörs , die Regiering war stellt, endlich einmal aufgeräumt werden muß. Ohne eine daher gezwungen, energische Maßnahmen anzuwenden. Nach einem ohne Mitschuld der Bolen, eine jähe Wendung nach dem entDas Verhältnis zu Polen machte dann später, sicher nicht militärische Intervention läßt sich das aber, wie erfolgreichen Gegenstoß bei Budaörs wurden wieder friedliche gegengesezten Ertrem. Erst im Weltkrieg begann sich die Erfahrung gelehrt hat, nicht erreichen. Da die Rückkehr mittel versucht, und General Hegedues, der sich in der Umge- die deutsche Politik wieder daran zu erinnern, daß das pol Karls für die Kleine Entente ohne weiteres den Kriegsfall bedeutet, und da es nicht wahrscheinlich ist, daß sich Karl nische Bolt, obgleich als Staatsvolt ausgelöscht, eine Realität zu einem fofortigen Rüdzug bewegen laffen wird, muß also und ein politischer Faktor geblieben, war, und mit noch Damit gerechnet werden, daß die Kleine Entente in Ungarn In Budapest wurde General Hegedues in Anwesenheit des schnellerer Wendung als einst entdeckte man wieder die alten einmarschiert. Die Vorbereitungen dazu sind im Gange. Ministerpräsidenten durch den englischen Gesandten Sohler über Sympathien. Jetzt sind es gerade fünf Jahre her, daß die im Benn es auch nicht richtig ist, daß der tschechoslomatische den Standpunkt der Entente und der Kleinen Entente unterrichtet. Often siegreichen Mittelmächte durch die Brotlamation Präsident die Einberufung sämtlicher Jahrgänge bis zum Der Ministerpräsident bat ihn, dem König wahrheitsgetreu zu be- Don arsch au den ersten entscheidenden Schritt zur Her 32. Lebensjahr angeordnet hat, die erst nach Zusage des richten und ihn zur Aenderung feines Borhabens zu überreden. stellung des felbständigen Bolen unternahmen, das, einmal Barlaments anberaumt werden könnte, so steht doch fest, daß Hegedues tehrte zum Stönig zurüd. Da jedoch eine Antwort auf die Beine gestellt, selbstverständlich nicht daran denken einige verfügbare Jahrgänge unter die Fahnen berufen worden erfolgte, mußten militärische Maßnahmen getroffen mer- fonnte, die polnisch besiedelten Teile Preußens unter preußischer sind und daß sowohl Jugoslawien als auch die Tschecho den, um die Gefahren eines Handstreichs abzuwenden. Die Regie Hoheit zu belassen. flowakei gewiffe Truppenkontingente an der ungarischen rung schiebt die Berantwortung dafür denjenigen zu, die bereit Grenze fonzentrieren und daß ein Einspruch Staliens gegen waren, aus felbstfüchtigen Gründen das Baterland in den Abgrund eine verbündete Aftion nicht zu erwarten ist. An der Attion zu stürzen. selbst wird sich Italien wahrscheinlich nicht beteiligen, da die Kleine Entente über genügende Truppen verfügt, um die Straferpedition durchzuführen. 3wed dieser Aftion ist es, dem farlistischen Unfug ein für allemal ein Ende zu machen und Ungarn , das noch immer über Truppen und Waffen verfügt, die ihm dem Friedensvertrag gemäß nicht zustehen, zu entwaffnen.
Wien , 23. Oftober.( WTB.) Das Wiener korr.- Bureau meldet aus Budapest : Seit den frühen Morgenstunden ist in der Umgebung von Budapest eine Schlacht im Gange. Von Zeit zu Zeit hört man dumpfen Kanonendonner. Es verlaufet, daß der Schauplah der Schlacht bei Budaörs fei.
bung des Königs befand, wurde nach Budapest gebeten, um fich perfönlich von der Lage zu überzeugen.
Ueberreichung der Ententenote.
Budapest , 24. Oftober.( BTB.) Die Vertreter der alliierten Hauptmächte überreichten der ungarischen Regierung eine Note, in der unter Berufung auf den Schritt am 3. April 1921 der Beschluß des Botschafterrates vom 4. Februar 1920 in Erinnerung gebracht wird, demzufolge die Restauration eines Habsburgers den Frieden gefährde. Die ungarische Regierung wird daher neuerdings aufgefordert, unverzüglich Maßnahmen zur Entfernung des Königs zu unternehmen.
Der Minister des Aeußern, Graf Banffy , teilte den Bertretern der alliierten Hauptmächte mit, daß die ungarische Regierung in dem heute vormittag abgehaltenen Ministerialrat beschlossen habe, daran festzuhalten, daß König Karl die Herrscherrechte in Un garn derzeit nicht übernehmen tönne und daher das Land Budapest , 24. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Die unga - unverzüglich verlassen müsse. Die ungarische Regierung habe zu rische Regierung ist durch das Eintreffen von Iruppen aus der Provinz in die Lage versetzt worden, die aufrühre tiefem Zwede alle Mcßnahmen getroffen. rischen Truppen unter der Anführung karls zurüdju- Den sodann vorsprechenden Vertretern Rumäniens , Süb. ichlagen. Die Truppen des Kaisers wurden mehrere Kilometer amiens und der Tschechoslowakei wiederholte Graf zurüdgedrängt und verloren dabei 9 Tote und cine Reihe von Ber- Banffy diese Erklärungen. wundeten und Gefangenen. König Karl hatte neuerdings
einen Parlamentär zur ungarischen Regierung gefandt mit Mangelhafte monarchische Solidarität. Aus München meldet der Bitte, den Kampf einzustellen und in Verhandlungen einzu- BIB. : Die Ueberführung der Leiche des früheren Königs ud treten. Nachdem aber die Bedingungen der Aufständischen unerfüll- wig von Bayern nach München , muß wegen der augenblickbar waren, sind diese Berhandlungen ergebnis los abgebrochen lichen politischen Lage in Ungarn auf unbestimmte Zeit ver worden. Die Truppen Karls haben sich darauf von Budapest hoben werden. 3urüdgezogen und haben die Eisenbahnlinie 3erstört. Die Regierungstruppen hatten eine Zeitlang feine Fühlung mit den Truppen Karls, doch scheint diese Fühlung wieder genom
Wilde Hausse an der Berliner Börse.
men worden zu sein. Nady allen bisher eingelaufenen Meldungen An der heutigen Berliner Börse wurden Dollarnoten im ift die Nacht in Budapest ruhig verlaufen, ebenso auf dem Lande, Hinblick auf die unklare innerpolitische Lage bei steigenden mit Ausnahme von Steinamanger , wo die Garnijen Karl den Kursen gesucht. Im Verlaufe der ersten Stunde wurde ein Treueid leistete und eine Anahl höherer Offiziere, die dies nicht Kurs von etwa 173 erreicht. Am Effektenmarkte entwickelte sich machen wollten, verhaftet wurden. eine stürmische Hausse. Bemerkenswert ist die starte Nachfrage nach Bantattien, die im Zusammenhange mit verschiedeDer Bericht der ungarischen Regierung. nen Fusionsgerüchten steht. Deutsche Bant gewannen rund 100 Proz Die Spekulation befundet neuerdings auch Budapest , 24. Dftober.( TB.) Ueber das neue Unternehmen stärferes Interesse für die Aftien der in der gemischten 3one des Erkönigs Karl verbreitet das Ungar. Telegr.- Korr.- Bureau liegenden oberschlesischen Werke. Man spricht von großen aus folgende zusammenfaffende Darstellung: Die ungarische Regierung ländischen Räufen. So sollen fich die Italiener für Rattowiger erfuhr am Sonnabend.norgen, daß König Karl mit Königin Zita Bergbauaftien interessieren.
Hatte das siegreiche Deutschland Polen gegeben, was es von Rußland wollte, fo war zwei Jahre später das fiegreiche Frankreich auf Kosten Deutschlands nicht weniger freigebig. Es hätte sehr vieler Rlugheit von seiten des jungen States be durft, um Berzicht zu üben und sich in der Erwerbung deut schen Gebietes soviel Beschräntung aufguerlegen, daß eine bauernde Bergiftung des Verhältnisses zum westlichen Nachbarn vermieden wurde. Polen hat diese Klugheit nicht beseffen, es hat genau so gehandelt, wie unter ähnlichen Umständen unsere alldeutschen Länderverschlucker gehandelt haben würden, die ja gleichfalls der Meinung waren, daß man bei gebotener Gelegenheit nehmen müsse, was man friegt, und mehr schlucken müsse, als was man verdauen fann.
Die blinde Politit Franfreichs, die ihre Sicherung darin suchte, daß sie Deutschland und Polen zu ewigen Feinden machte, hat diesen Eifer noch angestachelt. Denkt man sich in die Haut eines polnischen Staatsmannes, so tann man sich vorstellen, daß zu einer Politik der weisen Beschränkung mehr politischer Verstand erforderlich gewesen wäre, als augenblicklich in ganz Europa aufzutreiben ist.
Wollten wir darum heute die Hymnen auf Bolen aus unserer Literatur ausmerzen und sie durch Haß gesänge erjeßen, so wäre das ein furzfichtiges und wer weiß?- vielleicht auch furglebiges Beginnen. Wer zitiert heute noch gerne Lissauers Haßgesang gegen England? Damals hatte uns England noch nicht unsere Kolonien, unsere Schiffe, unsere Kabel weggenommen, hatte es noch nicht unseren politischen Einfluß aus der ganzen Welt mit eisernem Besen meggefehrt, aber heute, nachdem dies geschehen ist, möchten unsere Gott - strase- England- Fanatiker von damals am liebsten jeden als Baterlandsfeind verdammen, der nicht an die Be= freiung Deutschlands durch das nicht mehr perfide, sondern hochherzige Albion glaubt. Und Herr Stresemann, der ,, mit der Uhr in der Hand" Englands Bernichtung erwartete, martet jegt mit der Uhr in der Hand, bis er beim englischen Botschafter vorgelassen wird.
Womit gar nichts gegen die durchaus löbliche Befehrung des volksparteilichen Führers von seiner kindischen Englandfresserei gesagt, sondern nur bewiesen werden soll, wie rasch nationaler Haß und nationale Liebe Objekt und Richtung ändern.
Solche Erfahrungen ermutigen uns selbst bei ungünstigster Ronjunttur zu der Prophezeiung, daß wir unser Berhältnis auch zu Bolen schließlich nicht von auf- und abmallenden Gefühlen, sondern von unseren wohlüberlegten Interessen bestimmen lassen werden. Die Ausdörrungsartikel