Nr.515 38. Jahrgang Ausgabe A nr. 260
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
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London , 31. Oftober.( WTB.) Die Note der Sowjefregierung haltung des Sozialismus durch bewußte, also auch an die britische Regierung ist heute nachmittag bei dem Auswärtigen gewollte Aufpeitschung des Nationalismus.. 2mt eingetroffen. Reuter berichtet, daß die Note vielleicht zu Für die Kommunisten aller Länder ist Moskaus Rapiwichtigen Ergebnissen führen könne, indem sie von neuem die gesamte tulation natürlich sehr bitter. Sie versuchen, das Beste daraus ruffische Frage in den Vordergrund stelle. Laut„ Evening Standard" zu machen. So wird aus Paris gemeldet: herrscht in der City feinerlei Begeisterung für die in der Note Die kommunistische humanité" schreibt, die Boltstommiffare Tschitscherins enthaltenen Vorschläge. Der Vorschlag Rußlands laufe feien immer der Ansicht gewesen, daß Rußland nicht vom übrigen auf ein Ersuchen um Kredite hinaus; die Grundbedingung dafür müffe Teile der Welt getrennt werden könne, da es notwendig sei für das jedoch sein, daß Rußland selbst ein erzeugendes Cand werde und die Leben der Welt, wie dieses notwendig sei für das eigene Leben Kontrattgefehe anerkenne, wie sie in den westlichen Ländern bestehen. Rußlands . Das Abkommen Kraffin- Horne habe die erste Bresche Die Bereitwilligkeit der Sowjetregierung, Altrußlands wiederhole die Regierung von Moskau Vorschläge, die sie schon in in die chinesische Mauer gelegt. Heute, in der Stunde des Leidens, Borkriegsschulden als die ihrigen anzuerkennen, ist erzwungen der Vergangenheit wiederholt gemacht habe, die man aber nicht habe durch die grauenhafte Aussicht, die Hungerkatastrophe durch den russischen Winter ins Unbeschreibliche gesteigert und zur schwersten Gefahr für das Sowjetsystem, ja für jede Art geWie anders flingt dies als jenes wüste Geschrei von der sellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen werden zu sehen. entscheidenden Weltrevolution, von dem nur noch ein Ihre Hilfe hat die Entente von der Anerkennung der Schulden Ton aus der eingefrorenen Trompete der Berliner Roten Altrußlands an die Kapitalisten der ganzen Welt und insbe- Fahne" dringt, die von der west europäischen Revo sondere der französischen Rentner abhängig gemacht und lution erwartet, daß sie das neue Joch des Ententetapitals über Moskau muß nachgeben. Es will gleichzeitig durch eine inter- Sowjetrußland breche. Diejenigen, die diese Revolution machen nationale Konferenz zum Frieden gelangen und die Re- sollen, die reden wie die„ Humanité beweist gierungspresse Englands, das mit Schmerz und Zorn den französisch- türkischen Vertragsschluß dulden muß, beeilt sich, die Bschleunigung diefer Konferenz zu befürworten, um, wie schon bisher, möglichst viel für England aus Rußland heraus zuholen.
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hören wollen.
davon.
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nichts
Konflikt auf der Arbeitskonferenz. Genf , 31. Oktober. ( MTB.) Bei der Mandatprüfung wird die Internationale Arbeitsfonferenz eine wichtige Entscheidung zu treffen haben über die Auswahl der Bertreter der Arbeiterorgani fationen. Nach dem Versailler Artikel 389 find die Regierungen verpflichtet, die Bertreter der Arbeiter und der Unternehmer im Einvernehmen mit den bedeutendsten Berufsverbänden zu bezeichnen. Der bisherige Bertreter der holländischen Arbeiter in Genf war Dudegeeft, der zugleich Vorsitzender des Inter nationalen Gewerkschaftsbundes in Amsterdam ist. Obwohl die Freien Gewerkschaften auch heute noch die stärkste Arbeiterorganisa tion in Holland bilden, hat die Regierung jedoch ein Vorstandsmitglied Der Zweck der Entente das wird immer deutlicher-des Katholischen Arbeitersyndikats, Serrorenz, als bevollmäch ist neben der Sicherung ihrer Kriegsbeute die Nieder- ltigten Vertreter der holländischen Arbeiter nach Genf geschickt.
Ob die Entente wirklich helfen wird und wann das ist angesichts ihres Verhaltens zu ihrer glorreichen Schöpfung Deutschösterreich sehr fraglich. Mit 300 millionen Goldfranken wäre dem Staat Deutschösterreich für ein Jahr geholfen- aber dieselben Staaten, die phantastische Gold franfenfummen in ihre Armeen, Kommissionen und Völferbundvertretungen hineinstopfen, haben kein Geld für das Alpenland, das sie zudem noch ständig von Horthr- Ungarns diftatwidrigen Heeren bedrohen lassen.
Verschärfter Kampf im Gasthausstreit.
fönnen.
An die organisierten Arbeiter und Angestellten Groß- Berlins!
Erdrosselung des Koalitionsrechtes
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Steuerfrage und Außenpolitik.
Die trostlose Lage der deutschen Finanzen bedarf keiner liche Regierung zu feige, durch Anziehung der SteuerSchilderung mehr. Während des Krieges war die kaiser lichen Folgen der Verbrauchserzeß des Krieges für jedermann schraube dem deutschen Bolt klar zu machen, welche wirtschafthaben müßte, und zu ängstlich, wenigstens durch Erfassung der Kriegsgewinne in Landwirtschaft und Industrie einen Teil des jährlich steigenden Defizits zu decken.
ehrfamer Kaufmann nicht verantwortet hätte. Der unglüdliche Helfferich hinterließ also eine Erbschaft, wie sie ein Ausgang des Krieges steigerte schon an sich die Ausgaben erheblich; seine politischen Folgen aber verschärften die finanWährungsverhältnisse fast zur Katastrophe: waren doch alle zielle Lage des Staates ins Ungeheuerliche und führten die finanziellen Berpflichtungen an das Ausland zunächst in inländischem Gelde aufzubringen.
Erzbergers Finanzreform unternahm es, die notwendige Erhöhung der Einnahmen systematisch durchzuführen. Die Hauptschwierigkeiten lagen u. a. in der einer folchen Aufgabe nicht gewachsenen Organisation der Steuerbehörden, die nun ihren neuen Aufgaben entsprechend umgebaut werden sollten. Trok mancher Fehlgriffe im einzelnen war der eingeschlagene Weg der allein mögliche und richtige. Den Staatshaushalt auf weite Sicht zu balan zieren, war damals vor abschließender Klärung der wirt fchaftlichen Verhältnisse um so weniger möglich, als die ganze Reparationsfrage noch nicht entschieden war. dem Londoner Ultimatum zu übernehmen haben. Wir wissen, Inzwischen haben wir erfahren, welche Lasten wir gemäß baß( wie auch immer die Reparationsbestimmungen noch einmal abgeändert werden mögen) gewaltige Steuern notwendig find, um aus dem jährlichen Einkommen der Volkswirtschaft die Summen abzuleiten, die für die Deckung der Staatsaus gaben notwendig sind. Wir wissen, daß es im Interesse jedes einzelnen und der ganzen Volkswirtschaft notwendig ist, dem Staate diese Summen zuzuführen.
Steuern aufzubringen haben. Innerpolitisch geht der Kampf Trotzdem fönnen wir uns nicht einigen, wie wir die nun schon seit Monaten, alle Klasseninteressen fnüpfen sich an diese oder jene Lösung, und bei der Diskussion ist nicht die sachliche Erkenntnis, sondern Stimmungsrücksicht redes und federführend.
Es tommt hier nicht darauf an, ein Steuerprogramm zu verteidigen. Aber es verdient auch in dem hier aufzuzeigenden Zusammenhang Erwähnung, daß die durch das Londoner Ultimatum auf uns genommene Verpflichtung nach Ansicht aller Sachverständigen nur zu lösen sein kann durch einen Eingriff in die Substanz( selbst die Kreditaktion der Industrie seht das voraus).
Seit vier Wochen stehen die Angestellten im Gastwirts| Nachdem die Streifenden in einer geradezu vorbildlichen gewerbe im Streit. Sie fordern nichts anderes, Selbstbeherrschung bisher den Kampf allein als Kampf ihrer alseine Regelung ihrer wirtschaftlichen Ber- Gruppe geführt haben, damit aber auf der Gegenfeite feinerlei fahr hingewiesen werden, die in einer weiteren Ver Hier soll allen Ernstes auf die außenpolitische Gehältnisse, die bisher allen Arbeitnehmer Verständnis fanden, muß jezt der Kampf verschärft zögerung einer vernünftigen Steuergesetzgruppen gewährt wurde. Die Unternehmer im werden. Es gilt die beabsichtigte gebung liegt. Wenn die deutsche Regierung das Londoner Gastwirtsgewerbe benußen diesen reinen Lohntampf zu einem Ultimatum über die Reparationszahlungen angenommen hat Generalangriff gegen die organisierten Gastwirtsangestellten mit dem Endziel, den gewerkschaftlichen Zusammenschluß nunmehr in voller Geschlossenheit abzuwehren. Die und sich auch bei der neuen Regierungsbildung programmit dem Endziel, den gewerkschaftlichen Zusammenschluß dieser Gruppe zu zerreißen, um dann, noch brutaler als bis- Unternehmer im Gastwirtsgewerbe sind der Stoßtrupp motisch darauf festgelegt hat, den Versuch der Erfüllung mit dieser Gruppe zu zerreißen, um dann, noch brutaler als bis berübrigen Arbeitgebergruppen. Gelingt diesen allen Mitteln zu betreiben, so war sie sich darüber klar, daß her, ihren Willen den Gastwirtsangestellten diftieren zu unternehmern, die sich infolge der Verhältniffe in ganz furzer tatsächlich Deutschland die finanziellen Lasten des Krieges nicht Daß die Angestellten im Gastwirtsgewerbe wirklich nur fonnten, ihr Borhaben, dann wird in anderen Branchen ähn- nur noch die Leiden der ganzen Welt steigern müsse. Sie Beit auf Kosten der Allgemeinheit bereichern allein tragen könne, mud daß der in London gemachte Versuch eine den Zeitverhältnissen entsprechende Regelung ihrer liches versucht werden. Wir rufen deshalb die Ge- glaubte und glaubt, daß diese Erkenntnis sich in der ganzen Lohn- und Arbeitsbedingungen erstreben, beweist ihre allezeit famtarbeitnehmerschaft Groß- Berlins zur Welt, vor allem in den übrigen Industriestaaten, durchsehen gezeigte Berhandlungs- und Verständigungsbereitschaft. Solidarität für die Gastwirtsangestellten werde. Mehrere Millionen Arbeitslose in Amerika , 134 in England reden eine bezeichnende Sprache; die sozialen Schwierigkeiten in diesen Ländern, vor allem England, wachsen dauernd. Der immer weiter fortschreitende Zu= sammenbruch der deutschen und anderer europäischer Währungen stört immer aufs neue die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der ganzen Welt.
Die Unternehmer jedoch lehnen jede Verständigung und alle auf. Diese Solidarität muß praktischer noch als bisher und Verhandlungen ab,
fühlbarer für die Unternehmer in Erscheinung treten und zugleich den Behörden zeigen, daß ihre den Unternehmern gegenüber geübte Nachsicht falsch war.
zutreten,
Die organisierte Arbeitnehmerschaft Groß- Berlins hat fofort in den Belieferungsstreit für alle bestreiften Betriebe eindie Saalsperre ist mit äußerster Genauigkeit in den Betrieben, die nicht bewilligt haben, durchzuführen, ebenso find dort alle Vergnügungen abzusagen. Auf zur wirksamen Unterstützung der Streifenden! Gesamtarbeiterschaft Groß- Berlins! Der Kampf der Gastwirtsangestellten ist jetzt der Kampf
und sind sie wirklich, um den äußeren Schein zu wahren, erschienen, dann behandeln sie die Angelegenheit dilatorisch und benehmen sich provozierend. Sie brüsfieren alle Stellen, die sich um Berhandlungen bemühten. Sie brüstierten das Arbeitsministerium, das Preußische Ministerium des Innern, den Demobilmachungstommissar, das Polizeipräsidium, den Magistrat. Den Unternehmern fällt die Berantwortung zu für eine Verschärfung des Kampfes. Auf diese in der legten Berhandlung seitens der Arbeitnehmervertretung gemachte Feststei- der Iung haben die Unternehmerin bezeichnender Weise geschwiegen.
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Es lebe die Solidarität!
Afa- Bund. Ortskartell Groß- Berlin Flatau Otto Schitora
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Der Ausschuß der Gewerkschaftskommission Berlins und Umgegend Fritz Schmidt( Bant- und Handelsgewerbe; freie Berufe). Emil Thönes( Baugewerbe). Willy Lehmann ( Befleidungs- und Textilindustrie). Wilhelm Reimann( Chemische Industrie).- Peter Raspar( Graphisches Gewerbe). Karl Boese( Holzindustrie).- Wilhelm Schumann( Lebens- und Genußmittel- Industrie).- August Blume( Lederindustrie). Otto 3ista( Metallindustrie). Karl Polenste( Staatliche und fommunale Betriebe). Otto Ortmann( Berkehr). Eduard Bernotat( Landwirtschaft, Gärtnerei und Hausangestellte). Emil Barth ( Betriebsrätezentrale).- Heinrich Reinefeld( Bentralverband der Maschinisten und Heizer).-Als Borsigende des Ausschusses: G. Sabath, Carl Bollmerhaus.
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auch in den bürgerlichen und nicht nur den liberalen Blättern So ist es fein Wunder, wenn vor allem in England mun die Stimmen zunehmen, die diese Erschwerungen der Wirtfchaftslage den Reparationsbestimmungen zuschreiben.„ Daily Chronicle" spricht davon, daß die Entente den Zusammenbruch Deutschlands verschulde, weil sie das einzige Mittel, die„ Er. leichterung der Zahlungen, mit denen Deutschland fich quält", nicht anwende. Die Times" zeigt sich solchen Erwägungen der Vernunft zugänglich, und selbst„ Daily Mail" handelt über den Zusammenhang von englischer Arbeitslosigkeit mit dem fontinentalen Balutaelend. Und auf Churchill sind neuerdings Asquith und ein so einflußreicher Finanzmann wie McKenna gefolgt. Sogar aus Amerita und hier wird die Entschei dung letzten Endes liegen! fommen Stimmen, die erkannt haben, wie sehr durch die Folgen der bisherigen Reparationspolitit die solidarischen Interessen der in die Weltwirtschaft perflochtenen Völker benachteiligt werden.
Und doch können wir vorläufig dieser an sich so erfreu lichen Entwicklung nur mit großer Sorge für uns entgegen fehen! Es ist an der Zeit, sich endlich vollkommen flar zu machen, daß die nächste Folge nicht die Herabsehung der deuts