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67 pßt. zu zahlen hatte und 10 pCt. als Depot ein- zuzahlen hatte. Der Angeklagte Winter fleht in gar keiner Verbindung mit den Angeklagten, sondern hatte eine feste kaufniännischr Am stellnng. Er ist nur an einem einzigen Falle betheiligt, in welchem er einen in Geldnoth befindlichen Kaufmann zu Trenherz geführt hat. Präs.? Woher kannten Sie denn gerade Treuherz? Angel l.: Das ist gerade so, als ob man Jemand srngl, ob er Rothschild kennt. Treuherz ist eben in Berlin als Geldmann allgemein bekannt. Präs.: Sie haben doch wohl dem Treu herz genau gesagt, zu welchen Zwecken der Mann das Geld brauchte? A n g ek l a g te r: Gewiß. Treuherz sagte, die Geschichte würde lW, bis 20 pCt. kosten, sonst mache er das ganze Geschäft nicht. Rechtsanwalt Dr. Fried- mann läßt durch Befragen des Angeklagten Bruck sest stellen und er meint, er selbst sei i», diesen Sachen einigermaßen erfahren daß man hier in Berlin überhaupt nicht billiger Geld erhalten könne. Im Gegentheil sei Trenherz als ein sehr koulanter Geldgeber bekannt gewesen, der weit unter dem üblichen Satz blieb. Speziell bestätigt Spiegel, daß er den Angeklagten Treuherz zu den solideren Geld- gedern Berlins rechne. Rechtsanwalt Fried mann betont namentlich noch, daß man bei den sogenannte» Genossenschafts danken nur unter großen Schwierigkeiten und unter allen mög� lichen Kautelen Geld erhalten könne. Auch der Angeklagte Aufrichtig ist nur bei einem Falle betheiligt. Er macht nur Haus- und Hypothekengeschäfte. In dem betreffenden einen Falle hat er einen Geldsucher zu Treuherz gebracht. Der Geldsucher, welcher sich in Verlegenheit befunden, konnte absolut nicht anderswo die Summe von 150 M.. die er brauchte, auftreiben und hat sie schließlich von Treuherz be kommen. Er hat dafür. Prolongationen zc. eingerechnet. etwa 40 pCt. opfern müssen und ist etwa 4 Jahre laug in den Händen von Treuherz gewesen. Der Angeklagte Ausrichtig hat für die Vermiltelung im Ganzen 4 M. von dem Darlehnsnehmer erhallen. Auf Befragen des Rechtsanwalts Dr. L ö w e n st c i n er- klären die vier letzte» Angeklagte», daß Trenherz sie niemals aufgefordert habe. Geldsuchende zu ihm zu führen. Die Beweisausnahme beginnt mit der Vernehmung des Kochs Rösch, der die 150 M. durch Aufrichtig's Vermittlung er- halten hat. Der Zeuge hat sich vergeblich bemüht, gegen Depo nirung eines Sparkassenbuches seiner Schwägerin den kleinen Betrag, den er zum Lebensunterhalt nöthig hatte, irgendwo anders zu erhalten. Er hat Treuherz nichts von einer Nothlage gesagt, dieser hat aber allerdings ihn einmal gefragt:Na, sind Sie aus Ihrem Dalles nun heraus?" R.-A. Dr. Fried- m a n n: Ich erlaube mir. daraus hinzuweisen, daß zwischen Dalle!" und derNothlage", wie sie das Gesetz verlangt, doch ein großer Unterschied ist.(Heiterkeit.) Der Angeklagte A u s r i ch t i g wird bis nächsten Mittwoch beurlaubt. (Fortsetzung folgt.) Udstsles. Die Sprechstunde des Rechtsanwalts wird heute Abend von 71,2 bis Si/, Uhr abgehalten. Der Boykott hat gewirkt, wirkt und wird weiter wirken. Daß der Boykott gewirkt hat und wie er gewirkt hat, davon wissen die Herren Ringbrauer nachgerade ein Liebchen zu singen. In den verschiedensten Melodien tönt der Boykott jammer aus allen Jahresberichten der Brauereigesellschaften her� aus, daß der Boykott weiter wirkt, beweisen die Veröffent- lichungen der Schöneberger Schloßbrauerei. Nach diesen stellt sich der Gesammtabsatz für die Monate Oktober und November d. I. auf 22 039 Hektoliter gegen 22 534 Hektoliter im Vorjahre, so daß sich der Ausfall gegen denselben Zeitraum des Vorjahres aus 405 Hektoliter beziffert. Da der bekanntenaffe Sommer" hier doch unmöglich vorgeschoben werden kann, darf man ge- spannt sein, zu erfahren, auf welchenatürliche" Weise dieser Ausfall an Absatz zu erklären versucht werden wird. Nach alle- dem ist es selbstverständlich, daß der Boykott auch weiter wirken wird. Auf die heute Abend 8»/, Uhr bei Gründe!. Brunnen- siraße 188, stattfindende Versa nimlung, in welcher Rechts- anwalt Dr. Herzfeld über die Strafgesetze gegen denUm- stürz" sprechen wird, machen wir unsere Parteigenossen ganz besonders aufmerksam. Zur Lokalliste. In Friedrichsberg schänken Tengler, Kronprinzenstr. 28. und Blätterich, Bürgerheim, boykottirtes Bier. Arbeiter-Weihuachten. In seiner ganzen klassischen Nacktheit heit und Rücksichtslosigkeit tritt das Wirken des modernen Unter- »ehmerthums bei den Renovationsarbeiten am königliche» S ch l o ß zu Tage. Auch die an diesen Arbeiten beschäftigten Klempner, die von dem Hosklempnermeister Thiele- mann. Ritterstraße 48, bislang zu 15 Mann gestellt waren, mußten den Sommer und Herbst hindurch unter stetigen Ueberstunden und fast ununterbrochener Sonntagsarbeit schassen, damit die Bauarberten möglichst schleunigst fertiggestellt würden. Nachdem die Klempner in der Nacht zum Bußlage und zum Theil auch den Feiertag über, sowie auch die Nacht zum vorletzten Sonntag hindurch gearbeitet hatten, sind am letzten Sonnabend acht von ihnen entlassen worden. Die Klempnerei liegt zur Zeit so, daß ungemein viele Arbeiter dieses Berufes beschäftigungslos sind; die am Sonnabend Entlassenen können, nachdem sie sich wochen- lang in übermäßig langer Arbeitszeit abgerackert haben, vorläufig auch nicht entfernt daran denken, wieder in Arbeit zu kommen. Wenn am Weihnachtsabend die Glocken am Echloßthurm etwa das Fest der Liebe einweihen, dann sitzen voraussichtlich die entlassenen Klempner hungernd mit Weib und Kind am leeren Tisch und gedenken in grimmigem Schweigen der Herrlichkeit des christlichen Staates, in dem Arbeiter erst auf's äußerste aus- genutzt und dann ohne Rücksicht dem Etraßenpflaster und der Winterkälte überantwortet werden. WeihnachtSwirken deS christliche» Staates. Am Rangir- bahnhof Pankow sind am 20. November etwa 50 Bahnarbeiter, von denen manche als ältere Leute sieben bis fünfzehn Jahre für «inen Tagelohn von 2 M. bis 2,30 M. beschäftigt waren, durch den Bahnmeister der zweiten Bahnmeisterei gekündigt worden. Die Entlaffung dieser Unglücklichen wird am 0. Dezember, also am zweiten Sonntag des Advents erfolgen, an dem männiglich in der frommen und satten Christenheit sich zur würdigen Feier deS herrlichen Festes der Liebe rüstet. Unter den Gerundigten befinden sich auch Invaliden der Arbeit, Leute, die im Bahnbetrieb zu schaden gekommen find, und die nun mit ihren zerquetschten Gliedern schwerlich daran denken können, anderswo Arbeit zugekommen. Was serner noch schwer ins Gewicht fällt, ist die Thatsache, daß unter diesen zur Entlaffung kommenden Arbeitern manche graubärtrge Leute ,m Alter bis zn 59 Jahren sind; etwa acht derselben mögen anfangs oder Mitte der Fünfziger stehe». Der Staat, der sie zum Theil lange Jahre ausgenutzt hat, kann sie nun, im Alter nicht mehr gebrauchen, u, du grundgütiger, christlicher Staat! Der Wohlthätigkeitssport sieht jetzt in üppigster Blüthe. Triumphirend berichten die staatserhaltenden Blätter, daß allein am Dienstag nicht weniger als sechs Weihnachts-Bazare eröffnet worden sind. Auf allen diesen Veranstaltungen amüsirt sich ein hoher Adel und ein verehrtes Publikum recht angenehni; die Herren spielen den Schwerenöther und die Damen üben, soweit deutsche Zucht und Sitte es zulassen und nicht zulaffen. nach Kräften alle Künste der Koketterie. Nachdem dies einige Stunden lang geschehen. geht Männlein und Weiblei» mit gehobenem Gefühl nach Hause, denn der Bazar hat ja der christliche» Wohlthätigkeit gedient, und wer fromm ist und arm dabei wird aus seinem Ertrage beschenkt. Eine hübsche Sache, bei der die Geber reichlich Muße haben, vor vielen Augen in modernem Christenthum zu schwelgen und bei der die Beschenkten ebenfalls vor vielen Augen Gelegen heit finden, recht demüthig zu thun und sich würdig zu erweisen zeitlicher und ewiger Gnade. Es ist wirklich komisch, daß bei so viel praktischem"Christenthlim die Blätter immer noch vom Nothstand berichten und von Leuten. die sich ganz unchristlich aus Hunger und Verzweiflung das Leben genommen haben O, du fröhliche, o, du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Die große Wärmehalle am Alexanderplatz ist gestern wieder eröffnet worden. Arbeitslosigkeit und Roth haben die 22 Jahre alte Stepperin Selmä Koßnich in den Tod getrieben. Seil längerer Zeit wollte es ihr nickt gelingen, Beschäftigung zu er­halten, sodaß sie am Montag Morgen in der Wohnung Zimmer slraße 97 zum Giftbecher griff. Sie wurde gegen g'/a Uhr als Leiche ausgefunben und hatte eine Substanz, die sich unter dem Namen Putzsalz im Handel befindet, zur Ausführung der That benutzt. So berichten die Abendblätter. Fast kein Tag vergast, ohne daß Arbeitslosigkeit und bitterste Roth Proletarier zum Selbstmord treiben. Das gehört zur Ordnung. Andererseits sieht man außer bei vielen sonstigen Gelegenheiten besonders drastisch an dem S ck l o ß b a u daß Proletarier in unmenschlich langer Arbeitszeit sich an Werk tagen, anTagen des Herrn" und an Tagen christlicher Einkehr aufs elendeste als Opfer rücksichtslosester Prositsucht ausbeuten lassen. Das muß ja wohl so oder so zu vereinbaren sein mit der christlichen Religion. Und wenn die Interessenten dieser Religion und dieser Ordnung weder aus noch ein wissen, weil sie zu selbstsüchtig, zu gewissenlos und zu dumm sind, um eifrig zu retten, was trotz aller furchtbaren Schuld möglicherweise noch zu retten ist, dann sühren diese Interessenten ein Posscnspiel auf, schreien schlotternd nach Gesetzes Paragraphen und suchen nach dem Polizeiknüppel, um den richtendenUmsturz", den Riesen Sozialisinus meuchlings mause- todt zu machen. Das ist Sitte, deutsche Sitte. Auf zum Kamps für Ordnung, Religion und Sitte! Die Zustände in der Redaktion deSKleinen Journals haben sich, wie noch erinnerlich sein wird, durch das bekannte Backpfeifen- Malheur, das dem Chefredakteur Herrn vr. zur Leipziger passiren mußte, der Oeffenllichkeit in recht unliebsamer Weise aufgedrängt. Daß die Sitten und Gebräuche in der Expedition dieses Blättchens sich denen der Redaktion recht sympathisch anschließen, beweist eine Brieskastennoliz, die wir in diesem beliebten Organ der Kokotten und ihrer resp. Herren Freunde finden. Sie lautet: Einer der drei R o w d i e s, die gestern in unserer Expe dition die ihnen gebührende Züchtigung erhalten haben, hat einen alten schwarzen Filzhut auf der Walstatt gelassen. Der uns unbekannte Eigenthümer kann denselben aus unserer Expedition jederzeit in Empfang nehmen, ohne daß er weitere Prügel erhält. Warum soll nicht auch Berlin feine Art Arizona - Kicker haben? Die gerichtsärztliche Oeffnung der Leiche der ermordeten Anna Mosler fand gestern(Dienstag) Nachmittag um 3 Uhr in dem polizeilichen Schanhnuse statt. Als Gerichtsärzte fungirten Medizinalrath Dr. Long und Dr. Straßmann. Der Mörder Ernst Bischoff wurde kurz vor 3 Uhr in einer Droschke gefesselt in das Schanhaus gebracht. Im Obduktionssaale hatten sich in- zwischen außer den genannten Aerzren ein Richter und ein Protokollführer eingefunden. Nachdem der Schlosser Kannenberg in der ihm gezeigten Leiche seine Stieftochter erkannt hatte, trat Bischoff an den Obduktionstisch und erklärte gleichfalls, daß die ihm gezeigte Todle das Mädchen sei. an dem er rn der Nacht zum Montag ein Sittlichkeitsverbrechen begangen habe. Dann wurde Bischoff unter großem Andränge des Publikums wieder zur Droschke geführt und nach dem Untersuchungsgefängniß zurückgebracht. Der Verbrecher macht einen sehr stupiden Ein- druck. Ueber das Ergebuiß der Leichenöffnung verlautet noch nichts Bestimmtes. Neber zwei furchtbare Brandkatastrophen, die sich am letztvergangenen Sonntag abspielten, gehen uns folgende Mit- theilungen zu: Einen traurigen Abschluß fand eine Hochzeitsfeier. welche der Tapezirer Marius, Neu-Kölln am Wasser Nr. 13, am Sonnabend beging. Zu den Gästen gehörte auch der bei dem Tapezirer als Chambregarnist wohnende tzöjährige Rentier D., welcher bis Sonntag früh gegen 5 Uhr dem Hochzeitsfeste bei- wohnte und sich um diese Zeit nach seinem hinler der Tapezirer- Werkstatt belegenen Geinach zurückzog. Gegen>/s7 Uhr Morgens spürten die noch anwesenden Hochzeitsgäste einen immer stärker werdenden Brandgeruch, ebenso vernahmen Nachbarsleute, deren Schlafzimmer an dasjenige des Renliers D. anstieß, heftiges Klopfen an der Wand, doch war es nicht möglich, bis zu dem D.'schen Zimmer vorzudringen, da der zu diesem Gemach führende Vorraum bereits völlig verqualmt war. Erst mit Rauchhelm ver- sehene Mannschaften der sofort herbeiaerufenenFeuerioehr gelanges, den Rentier ins Freie zu schaffen, leider war der Bedauernswerlhe infolge der Verqualmung erstickt. Die Ursache des Brandes dürfte darin zu suchen sein, daß D., als er die Tapezierwerkstatt durchschritten, ein brennendes Streichholz achtlos fortgeworien hat. Nicht minder entsetzlich ist eine zweite Brandkatastropde, die sich am Sonntag Nachmittag in Rixdorf abspielte. Die l 3jährige Tochter des in der Berlinerstrabe wohnenden Mechanikers T. wollte am Nachmittag gegen 4 Uhr Kaffee für die Ihrigen kochen. Um dies schneller zu bewerkstelligen, halte das Mädchen das zu entzündende Holz mit Petroleum getränkt und ein brennendes Streichholz darauf geworfen. In demselben Augenblick schlug eine fußhohe Stichflamme heraus und erfaßte die Kleidung der T., welche, von jeher an epileptischen Krämpfen leidend, in diesem Augenblick von ihrem Uebel wieder ersaßt wurde. So kam es, daß die Eltern der Bedauernswerthen erst zu spät das Stöhnen ihres unglücklichen Kindes wahrnahmen, das über und über mit Brandwunden bedeckt in die Charitee eingeliefert wurde. Dort ist die Aermste bereits in der daraus- folgenden Nacht unter entsetzlichen Qualen gestorben. Be- merkenswerth ist, daß die tiefgebeugten Eltern vor zwei Jahren einen Sohn, der ebenfalls krampfkrank war, auf fast die gleiche Weise verloren haben. Eine eigenartige Grippe- Epidemie soll gegenwärtig vielfach in Berlin herrschen. Die Krankheit äußert sick, wie dem B.-C." von ärztlicher Seite milgetheilt wird, in einer Ent- zündung der Augen. Tie statistischen Tabellen der Stadt ver» Zeichnen für die Woche vom 11. bis 17. November drei Todes- älle an Influenza. Arbeiterrisiko. Tödtlich verlaufen ist ein Unfall, der sich am Montag Nachmittag um 4 Uhr auf dem Neubau Müllerstr. 133 ereignete. Der 38 Jahre alte Tischler Karl Dahse aus der Danzigerftr. 8 war damit beschäftigt, Jalousiefutter an die Fenster des ersten Stocks zu bringen, als er von Schwindel befallen wurde, in der Fensteröffnung da« Gleichgewicht verlor und auf die Straße hinabstürzte. Er trug derart schwere innere Ver- letzungen davon, daß er nach etwa 10 Minuten todt war. Die Art und Weise der Vergebung der Gemeinde- Arbeiten wurde in der letzten Sitzung der Rixdorser Gemeinde- Vertretung einer eingehenden Besprechung unterzogen. Grund hierzu halte ein in einem dortigen Grundbesitzerverein gehaltener Vortrag, in welchem die Art und Weise der Vergebung von Gemeinde- Arbeiten scharf kritisirt wurde, gegeben. Namentlich war in jenem Vortrage beinängelt worden, daß die größten Av der Gemeindevertretung vergeben würden. Hierauf bezug- nehmend, erklärte Bmtsvorsteher Boddin in der Gemeinde- Vertretung, daß bei Vergebung von Gemeinde- Arbeiten in erster Linie die Gemeinde- Interessen gewahrt werden müßten, und daher komme es, daß mitunter auch auswärtige Unternehmer berücksichtigt werden müßten. Im allgemeinen sei man aber be- strebt. die Arbeiten an Rixdorser Unternehmer zu vergeben, wobei es nichts ausmache, ob der Betreffende Gemeindevertrctcr sei oder nicht. Die Letzteren von Gemeinde- Arbeiten gänzlich auszuschließen, sei nicht angängig, eine derartige Be- stimmung bestehe auch an keinem anderen Orte. An der leb« hasten Diskussion beiheiligten sich auch mehrere unserer Genossen. welche das Submissionswesen im allgemeinen scharf verurtheilten, denn Einer sei dabei immer der Geschädigte, entweder die Ge- meinde, der Unternehmer oder die Arbeiter. Genosse Müller beantragte, die Geindeverlretung möge beschließen, daß Gemeinde- Vertreter sich fernerhin nicht mehr bei Vergebung von Gemeiiide« Arbeiten betheiligen dürfen; man nenne die Gemeindeverlreler Väter des Ortes", ein Vater aber sorge zunächst für seine Kinder und schnappe denselben nicht das Brot weg. Aus dem anderen Lager wurde der Antrag cncrgiich bekämpft und war man dort der Meinung, daß namentlich die der Gemeinde- Vertretung angehörenden Baugewerbtreibenden sofort aus der Vertretung ausscheiden würden, wenn der Antrag Müller angenommen würde! Die Majorität beschloß daher, zur Tagesordnung überzugehen und die Sache für erledigt zu erachten. Von Irrsinn befallen wurde plötzlich am Montag Morgen um 4i/, Uhr der vierzigjährige verheiralhete Gürtler Ernst Baum- garten, der in der Soldinerftraße wohnte. Er nahm einen Theil des Inhalts einer mit Salzsäure gefüllten Flasche zu sich. Sehr schwer verletzt, wurde er nach einem Krankenhause gebracht. Schon wieder ist ein Kahn auf der Spree gesunken. Der Schiffseigner Karl Heise aus Annaburg a. Elbe wollte am Dienstag Mittag um II»/« Uhr einen mit etwa 8000 Zentnern Weizen beladenen Elbkahn nach dem Salomon'schen Speicher in der Mühleustraße 3 bringen. Das Fahrzeug wurde von einem Dampfer geschleppt. Der 22 Fuß breite Kahn wurde gegen einen Pfeiler der nur um sechs Zoll breiteren Durchfahrt der Eisendahnbrücke an der Pionierkaserne geschleudert und erlitt ein Leck. Die aus drei Personen bestehende Besatzung brachte sich inittels Rettungsbootes in Sicherheit und rief die Hilfe des 43. Polizeireviers an. Die Feuerwache aus der Köpnickerstraße wurde alariuirt, um durch Auspumpen des Wassers aus dem Fahrzeug die Ladung zu retten. Die Arbeit war bis in die späte Abend- stunde hinein nicht beendigt, obgleich eine Dampfspritze hl Thätigkeit war. Die Brücke war gesperrt. An der Reltungs- arbeit belheiligten sich auch Kornträger. Auch ein HochzeitSgeschenk. Am Sonntag feierte der in der Hochstraße wohnende Drechsler R. in seiner Behausung Hochzeit. Als die dazu geladenen Gäste fröhlich beisammensaßeu und sich Esse» und Trinken gut schmecken ließen, wurde die Flur- glocke heftig gezogen und laut an der Thür geklopft. Der Bräutigam und hinler ihm mehrere der Anwesenden gingen um zu öffnen. Draußen stand eine tief verschleierte Dame, die zoerrn R. ein großes Packet in die Arme legte und sich schleunigst und wortlos entfernle. Als der Bräutigam in die Stube zurück- kehrte, fand er in dem Packet in Kissen gepackt ein etwa vier Wochen altes Kind. An das Hemdchen des munteren Jungen aber war ein Zettel geheftet des Inhalts:Herrn Drechsler R. Seinem lieben Vater der Sohn". WitternngSiibersicht vom 4. Dezember 18V4. Wetter-Prognose für Mittwoch, de» S. Dezember k8S4. Zeilweis« heileres, vielfach wolkiges Wetter mit geringen Niederschlägen, mähigen südlichen Winden und langsam steigender Tewperatur. Berliner Wetlerbureau. Polizeibericht. Am 3. d. M. Vormittags wurde auf dem Orauienplatzr ein Mann durch einen Geschästswagen. dessen Pferd durchgegangen war, überfahren und am Unterschenkel schwer ver- letzt. Beim Anbringen von Jalousien in einem Neubau in der Müllerstraße stürzte Nachmittags ein Tischler aus dem ersten Stocke auf den Bürgersteig hinab und erlitt so schwere Verletzung«», daß er bald darauf starb. In seiner WoHnnng. in der Soldiner- straße, versuchte ein Man» sich mit verdünnter Salzsäure zu ver» giften. Er wurde»och lebend nach der Charitee gebracht. An der Bellealliancebrücke gerieth Abends ein Dienstmann unter die Räder eines Arbeilswagens und erlitt einen Bruch des Ober- schenkels. Ein in der Zimmerstrabe wohnhaftes Mädchen ver- giftete sich mittels einer Putzsalz-Lösung. Im Laus« des Tages fanden zwei kleine Brände statt. »evkainmUmuen. Die Freie Vereinigung der Burcan Angestellten hielt am 23. November ihre regelmäßige Mitgliederversammlung ab. Kollege C a S p e r referirte über: Weshalb organisiren wir uns? Redner zeigte die Nothwendigkeit der Organisation und führte hierzu einige Beispiele zum Beweise für den Nutzen der Organi» sation an. Hierüber wurde alsdann eins rege Debatte geführt und als Illustration für die Harinonie-Apostel und zum Beweise der im Berufe vorhandenen elenden Verhältnisse in bezug aus die Freiheit der Arbeit Einzelheiten von Kollegen vorgebracht. So waren zwei Kollegen beim Gerichtsvollzieher B., davon der eine ca. zwei Jahre dort beschäftigt, die ohne weiteres aufhören mußten, da der Herr billigere Arbeitskräfte haben wollte. Um die Weihnachtsgratifikation zu sparen, wurde bei einem Rechtsanwalt ein Kollege entlassen, weil er angeblich nicht sorgfältig arbeitete. Er hatte nämlich einige Blätter nicht mit Zahle» versehen. Außerdem übte der Herr folgende Praxis mit dem betreffenden Kollegen. Er verlangte, daß derselbe auf einen Theil seines Gehaltes verzichte, wofür er ihm als Gegen- leistung ein gutes Zeugniß versprach. Ein anderer Anwalt ent- lohnt seine Schreiber mit ca. 30 M. pro Monat. Diese wendeten ich gemeinschaftlich an ihren Herrn Arbeilgeber mit der Bitte. hnen eine kleine Ausbesserung ihres Gehaltes zu Theil werden zu lassen, sofort wurden sämmtliche Angestellte ohne weiteres gekündigt. Diese und ähnliche Vorkommnisse gehören leider nicht zu den Ausnahmen, sondern sie kehren in vielfacher Gestalt wieder. Nachdem hieraus noch einige interne Vereinsangelegen- heilen Erledigung gefunden hatten, wurde die gut besuchte Ver- 'ammlung geschloffen. Pankow . Der Arbeiterverein für Pankow und Umgegend hielt am Sonnabend, den 24. November, in Slör's Gesellschaftshaus eine gut besuchte Versammlung ab. Das .---- s Referat hatte Genosse Braun schweig übernommen, der über betten entweder an auswärtige Untern«hmer oder an Mitglieder das Thema:Die Macht des SazialismuS" sprach.