Str. 517 38. Jahrgang Ausgabe A nr. 261
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Mittwoch, den 2. November 1921
Rücktritt der preußischen Regierung.
Die demokratische Fraktion des Preußischen Landtages Berlin , 1. November. Der amtliche Preußische Presse hat gestern, 2 Uhr nachmittags, dem Ministerpräsidenten dienst meldet dazu: Das Preußische Staatsministerium hat Stegerwald folgenden Beschluß übermittelt: dem Präsidenten des Landtags seinen Rücktritt angezeigt. Nach der veränderten politischen Lage erscheint uns die Das Staatsministerium ist zu diesem Entschluß gelangt, nach Zwei- Parteien- Regierung nicht länger haltbar. Die bis- dem alle Bemühungen des Ministerpräsidenten, durch Umherigen Berfuche, zu einer Verbreiterung der Regierungs- bildung des Kabinetts eine neue Regierung zu schaffen, die grundlage zu gelangen, müffen wir als gescheitert be- fich auf möglichst weite Kreise des preußischen Volkes stüßt, trachten. Um freie Bahn zur Bildung einer tragfähigen Regierung zu schaffen, treten unsere Minister aus der fehlgeschlagen sind. In Anbetracht der wirtschaftlichen und politischen Anforderungen, die die nächste Zukunft an die jehigen Regierung aus. Auf Grund dieser Nachricht hat der Ministerpräsident Staatsleitung stellen wird, und geleitet von dem Wunsche, Stegerwald auf 4 Uhr nachmittags das preußische Kabinett ftetige und gesicherte Regierungsverhältnisse in Preußen zu versammelt. Dieses hat einstimmig den Rüdtritt schaffen, will das Staatsministerium dem Landtag die völlige des kabinetts beschlossen. Bewegungsfreiheit zurückgeben.
Drohung für den Putschfall.
Dem deutschen Botschafter in Paris wurde folgende Note der Botschafterkonferenz übermittelt:
Die Aufmerksamkeit der Botschafterkonferenz ist auf die Gefahren hingelenkt worden, die der Einfriff landesfremder Personen nach Oberschlesien für die Aufrechterhaltung der Ordnung in diefem Cande haben könnte. Die Konferenz ist überzeugt, daß die Ruhe, die augenblicklich im Abstimmungsgebiet herrscht, und deren Fortdauer von so großem Wert ist, nicht gestört werden wird, wenn keine von außen hereingetragene Aufreizung die Bevölkerung dazu treibt, von ihrer Haltung abzugehen.
Die Botschafterkonferenz glaubt, daß es die Pflicht Ihrer Regierung ist, auf ihrem Gebiete und ganz besonders in den Teilen, die an das Abstimmungsgebiet angrenzen, für eine täfige Ueberwachung zu forgen, um das Eindringen von Elementen nach Ober schlesien zu verhindern, die die Ruhe stören tönnten. Unter diesen Umständen würde die Konferenz Ihre Regierung als in hohem Maße verantwortlich betrachten, wenn Unruhen in Oberschlesien von Leuten, die aus dem deutschen Gebiet kommen, gefördert würden. Im Namen der Botschafterkonferenz habe ich die Ehre, Sie zu bitten, Borstehendes zur Kenntnis Ihrer Regierung zu bringen. Genehmigen Sie usw.
Ob eine Note gleichlautenden Inhalts auch der Warschauer Regierung übermittelt worden ist, ist hier nicht bekannt.
Die Teilung der Arbeiterschaft. Kaftowih, 1. November.( TU.) Gazeta Robotnicza"( Ar beiter- Zeitung) berechnet, wieviel fachkundige polnische Arbeiter in ben Bolen zuerfannten Teilen Oberschlesiens leben. Im Kreise Rattowig beträgt die Zahl dieser Arbeiter 63 060; im Beuthener Streife 52 135, im Königshütter Kreise 17 583; im Hindenburger Kreise 8944; im Rybnifer Streife 29 631; im Ratiborer Kreise 602; zufammen 189 532. Die Zahl dieser Arbeiter in den an Deutsch land gefallenen Teilen Oberschlesiens beträgt im Kreise Beuthen 20 609; Hindenburg 28 262; Tarnowig 3296; Gleiwitz 10 027; Rati bor 989; Groß- Strehliß 9821; Oppeln 728; zufammen 65 329.
Beftandaufnahme.
S
Saffowitz, 1. November. ( Dena.) Eine ganze Anzahl Werte im oberschlesischen Industriegebiet haben von dem Wirtschaftsstab der Interalliierten Kommission, an dessen Spiße der Franzose Denis steht, ben Auftrag erhalten, unverzüglich eine genaue Bestandaufnahme der Werke und Gruben nach dem Stande vom 20. Oftober einzureichen. Alle Maschinen und Einrichtungen müssen genauestens aufgeführt sein. Diese Bestandaufnahmen sollen als Unterlagen für die Uebergabe der Werte an Polen dienen.
Polnische Flaggen einziehen! Rybnik , 1. November. ( Dena.) Die JR. hat angeordnet, daß die seit der Genfer Entscheidung allerorts wehenden polnischen Flaggen eingezogen werden.
Ernste Irlandkrise.
Condon, 1, November.( WTB.) Die Abendblätter melben, bie
Deutschland bewaffnet Sinnfein?
Eine Beschuldigung Lloyd Georges. London , 1. November. ( TU.) Reuter. In seiner Rede über die irische Konferenz hat Lloyd George über die Berlegungen bes Waffenstillstandsvertrages durch die Sinnfeiner u. a. gesagt, ber Beweis fei geliefert, daß Borbereitungen getroffen wurden, um Waffen nach Irland zu verschiffen. Ein
Teil diefes Beweismaterials weise auf eine„ uffion" der deutschen Regierung hin. In demselben Augenblick habe Sinnfein versprochen, daß während des Waffenstillstands keine Waffen nach Irland abgeschickt würden. Wenn die Konferenz mißlinge, dann würde vielleicht das Unterhaus um die Genehmigung gefragt werden müssen, um die Streitkräfte der Krone in Irland bedeutend zu verstärken. Ein derartiger Guerillafrieg würde viel foften, eine große Macht erfordern und dürfte nur dann aufgenommen werden, falls fein anderer Weg mehr offen sei.„ Ich hoffe sehr," fuhr Lloyd George fort, demnächst mitteilen zu fönnen, daß die Konferenz erfolgreich gewesen ist. Es ist aber nicht unmöglich, daß das Gegenteil der Fall sein wird. England fann nicht dulden, daß Irland als fremder Staat England an feinen schwächsten Seiten bedroht und mit Englands Feinden gemeinfame Sache macht. Um das zu verhindern, darf kein Opfer für England zu groß sein. Aber erst muß England alle friedlichen Konzessionen machen, welche das Reich nicht schwächen und feine Ehre nicht verlegen." Asquith und Henderson erklärten, daß ihre Parteien für die Regierung stimmen würden. Die Tagesordnung der Unionisten wurde mit 439 gegen 43 Stimmen verworfen.
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Die Preußenkrise.
Das preußische Staatsministerium hat dem Präsidenten des Landtages seinen Rüdtritt angezeigt. mit diesem Entschluß hat das Kabinett Stegerwald nach fnapp halbjährigem Bestehen sich selbst ein Ende bereitet. Man tann nicht gut sagen, daß durch seinen Rücktritt in Preußen von neuem eine Regierungsfrise entstanden ist, denn diefes merkwürdige, offiziell mur von zwei Mittelparteien mit einem Viertel der Abgeordnetenziffer getragene Gebilde war in der ganzen Zeit seines Bestehens nur die Verschleierung einer tatsächlich ungelösten Krise.
Das Kabinett Stegerwald tauchte auf, als nach den preußischen Landtagswahlen vom 20. Februar d. I. das Zen
trum und die Demokraten die bisherige Mittelkoalition, die zwei Jahre lang in Breußen regiert hatte, kündigten. Eine fachliche Notwendigkeit hierzu lag nicht vor, denn die alte Koalition aus Sozialdemokraten, Zentrum und Demokraten war zwar geschwächt, aber nicht geschlagen aus den Wahlen hervorgegangen. Sie verfügte noch immer über eine Mehrheit und besaß außerdem durch ihre Mittelstellung gute Anlehnungsmöglichkeiten. Aber damals regierte im Reiche noch das Kabinett Fehrenbach Simons aus Volksparteilern, Zentrum und Demokraten, und im Intereffe der vielberufenen Homogenität" verlangten die bürgerlichen Mittelparteien eine Hinzuziehung der Deutschen Volks. partei auch zur preußischen Regierungsbildung. Die Sozialdemokratie lehnte diese Forderung entschieden ab sowohl aus prinzipiellen Gründen wie unter Berufung auf das Wahlergebnis.
Aus der langwierigen Regierungsfrise entstand schließlich Das Kabinett Stegerwald. Wie so oft taten die Mittelparteier das Gegenteil von dem, was sie als ihr Ziel nach außen hinstellten: unter Rufen nach der Koalition auf möglichst breiter Grundlage schufen sie ein Kabinett, das auf der denkbar ich mal sten parlamentarischen Grundlage stand, auf der 3entrumsfraktion mit 84 und der Deutsch - demokratischen Fraktion mit 26, also insgesamt 110 von 428 Abgeordneten. daß es im Geifte etwas anderes war als eine Regierung der Freilich zeigte schon die Entstehung dieses Ministeriums, beiden Mittelparteien. In Preußen wird der Ministerpräsi bent vom Landtag gewählt. Bei der ersten Wahl stimmten infolge irriger Boraussetzungen( der Streit um den Wortbruch foll hier nicht wieder aufgerührt werden) auch die Sozialdemo fraten für Stegerwald. Bei der zweiten entscheidenden Wahl aber wurde Stegerwald mit den Stimmen der bürgerlichen Mittelparteien und der beiden Rechtsparteien zum Ministerpräsidenten gewählt. Diese Unterstützung von rechts hat denn auch das Ministerium sechs Monate lang am Leben erhalten, ohne sie mären seine Tage noch viel rascher gezählt gewesen. Die Brücken nach rechts waren geschlagen Sämisch, den Landwirtschaftsminister armbold und durch drei unpolitische" Beamtenminister, den Finanzminister den Kultusminister Dr. Beder. Aus den politischen Barteien waren nur vier Minister hervorgegangen, der Ministerpräsident und Wohlfahrtsminister Stegerwald sowie der Diese Personalveränderungen sind das Ergebnis eines Ron- Juftizminister Am Zehnhoff aus dem Zentrum, der fliktes im Bölkerbund zwischen zwei rivalisierenden Körperschaften. Innenminister Dominicus und der Handelsminister Die eine ist die auf Grund des Art. 9 der Sagung eingerichtete Fisch bed aus der Demokratischen Partei. ständige Rüstungsfommission, die aus von den Regierungen Die Sozialdemokratie stand von Anfang an diesem ernannten Vertretern besteht, die diesen gegenüber verantwortlich Ministerium, das sich immer deutlicher als Exponent eines find. Die andere ist die auf Beschluß der ersten Bölkerbundstagung verfchleierten Rechtsblods herausstellte, eingefeßte gemischte brüstungstommission, die aus Berschärffter Opposition gegenüber. Um so liebevoller fönlichkeiten des politischen, sozialen und Wirtschaftslebens zusammen- murde es von den Deutschnationalen beschützt, und es gelegt ist. Die Mitglieder dieser Kommission sind nur dem Bölter- ist noch wohl erinnerlich, wie die Rechtspresse den Angstruf bunbrat, der sie ernannt hat, und nicht den Regierungen der Staaten, Rettet Stegerwald!" ausstieß, als das Ministerium zu stürzen benen fie angehören, verantwortlich. drohte.
Rüster und Abrüster.
Admirals& acaze als Mitglied der Rüstungsfommiffion des Bölter Genf, 1. November. ( WTB.) Der Rücktritt des franzöfifchen bundes bestätigt sich, und zugleich wird gemeldet, daß das englische Mitglied derselben Kommission, Großadmiral Calthorpe, durch einen Rapitän zur See ersetzt worden ist.
Schwierigkeiten entstanden, weil einige Mitglieder der Rüftungsfommiffion der Abrüstungstommiffion angehören, und diese nach Ansicht ihrer militärischen Mitglieder ihre Kompetenz zu weit erstreckt hat.
in
minifterium" bezeichnet. Aber er verpaßte die llebergänge. Stegerwald hatte fein Kabinett als llebergangsAls im Mai infolge des Londoner Ultimatums im Reich die alte Roalition wieder erstand, wäre auch in Breußen der Zeitpunkt für ihre Wiederherstellung gekommen gewesen. Aber bie bürgerlichen Mittelparteien hatten sich viel zu stark der Deutschen Voltspartei gegenüber engagiert, die Homogenität zwischen dem Reiche und Breußen schien ihnen jetzt nicht mehr üniche verwirklicht hätte. Stegerwald selber legte seine Benotwendig, als ihre Herstellung nicht mehr ihre geheimen reitwilligkeit zum Rüdtritt so aus, daß zuvor das neue Kabinett fir und fertig bestehen müsse. Würde dagegen fein Rüdtritt eine Regierungsfrise verursachen, so werde er um feinen Breis zurüdtreten. Er bezeichnete sich als„ Minister aus Trog", aber dies starke Wort hat doch nicht gehindert, daß er jetzt unter genau den Umständen abtreten muß, die er vor fünf Monaten als Grund seines Bleibens im Amte bezeichnete. Damals freilich hätte er in besserer Form sein Amt niederlegen fönnen als heute.
Massenverhaftungen in der Ukraine . irischen Verhandlungen hätten eine ernste Wendung genommen. Kopenhagen , 1. November. ( BTB.) Der„ Berlingske Tidende" Ein Abbruch sei jedoch bisher nicht erfolgt. Heute vormittag wurde wird aus Helsingfors telegraphiert: Das amtliche bolichemistische eine Sigung des Ausschusses der irischen Konferenz abgehalten, an Blatt Jfweftija" teilt mit, daß in der Utraine fünf gegen der Lloyd George , Chamberlain und Lord Birkenhead sowie auf revolutionäre Organisationen entbedt find. Aus trischer Seite Griffith und Collins teilnahmen. Eine weitere diesem Anlaß sind 475 Berhaftungen vorgenommen.. Unter den Sigung des Ausschusses werde wahrscheinlich heute abend stattfinden. Berhafteten befinden sich mehrere frühere Minister der Regierung Nach der Zusammenkunft am Vormittag wurde ein Stabinettsrat Betljura. In der 11. Sowjetdivifion find 58 Offiziere per abgehalten. In Regierungstreifen werde erklärt, daß die englisch - haftet und zu Strafarbeit verurteilt worden, unter der Anklage, irischen Berhandlungen während ber legten 24 Stunden ein äußerst unter den Soldaten antibolschewiftische Propaganda getrieben zu ernstes Stadium erreicht hätten, daß wichtige Mitteilungen zwischen haben. den Sinnfein- Delegierten ir London und de Balera gewechselt wor. ben wären und daß de Balera den irischen Bevollmächtigten in Verhaftung litauischer Kommunisten. Aus Königsberg meldet London sehr genaue Weisungen erteilt habe. Wie weiter gemeldet TB.: Bereits vor mehreren Tagen hatte die politische Abteilung Es ist dies nicht der einzige Bunft, in dem Stegerwald hat wird, würden bei einem Abbruch der Berhandlungen Neuwahlen des Bolizeipräsidiums Kenntnis davon erhalten, daß eine Anzahl fehen müffen, daß die Verhältnisse stärker sind als sein eigenvorgenommen werden. Lloyd George foll alle Hoffnung, am näch. litauischer Bolsche wisten nach Königsberg tommen würbe, inniger Wille. Sein schwaches Kabinett wurde durch die ften Freitag nach Washington reisen zu können, aufgegeben und zehn Männer, alle žitauer, festzunehmen. Außerdem wurde ein oberschlesische Krise von neuem erschüttert. Er, der bis dahin beschlossen haben, das Land nicht zu verlassen, wenn die Gefahr eines großer Stoß wichtigen Materials beschlagnahmt. Die zehn den Sah verfochten hatte, daß eine Berbreiterung der Grund neuen Bürgerkrieges in Irland nicht behoben sei, Berhafteten wurden in das Bolizeigefängnis gebracht. lagen feines Minifteriums nur gleichzeitig nach fints
um hier Besprechungen abzuhalten.