" � E°l kam ver Tag 28. SepkemVer 1918—, an Bern General Ludendorff den Kopf verlor und die sofortige Entsendung eines Friedensangebots an Amerika durch eine neu zu bildende„verhandlungsfähige" dleichsregierung für unerläßlich erklärte. Die Reichsregierung des Prinzen Max wurde gebildet, das Angebot ging hinaus. Inzwischen wollte Ludendorff , durch irgendwelche lokale Abwehrerfolge wieder ermuntert, alles wieder rückgängig inachen und den Kampf von neuem aufnehmen. Das Kabinett, das nur unter dem stürmischen Drängen Ludendorffs und trotz stärkster Bedenken das Friedensangebot erlassen hatte, war der Ansicht, daß man dieses Spiel mit dem Schicksal des deutschen Volkes:„Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kar- löffeln!" nicht lediglich auf Grund der subjektiven Empfindun- gen und Anschauungen emes einzelnen Menschen treiben iönne. In der Kabinettssitzung vom 16. Oktober wurde vom Zentrumsführer und Staatssekretär G r o e b e r angeregt, noch andere kommandierende Generäle zu Rate zu ziehen, ehe man ein derartiges Vabanqespiel riskiere. Das Sitzung?» Protokoll oerzeichnet hierüber(Amtliche Urkunden über die Vorgeschichte des Waffenstillstandes, Seite 63 sf.): Gcoeber: Es genüge nicht, Exzellenz Ludendorsf zu fragen, sein I'rtcil sei nicht mehr allein maßgebend. Man müsse sich mit anderen Heerführern im Westen ins Benehmen setzen. Das Kabinett brauche diese Rückendeckung, und zwar alten- mäßig.. ... n. Payer unterstützt den Antrag, auch andere Heerführer zu bören und fragt, ob die f r ü h e r e n Angaben des Generals Luden- dorff seftgelgegt seien. ... Der Reichskanzler erklärte, wegen der Anhörung weiterer Heerführer habe er Seiner Majestät Dortrag gehalten und erwarte noch im Laufe des Tages die Entscheidung des Kaisers, ron der leine weiteren Schritte abhängig seien. Zu Beginn der Kabinettssitzung des folgenden Tages teilte der Reichskanzler Prinz Max von Baden mit, daß er ein Telegramm des Kaisers erhalten habe, wonach außer Ludendorsf noch andere Heerführer zu hören sein würden. Das Sitzungsprotokoll besagt sodann: „Dies habe er dem General Ludendorff mitgeteilt. Der General babs in großer Erregung geantwortet, dann müsse er sofort seinen Abschied nehmen und mit ihm Generalfeldmarschall hlnden- bürg." Ein weniger von sich eingebildeter Mensch als Ludendorff, ein Mensch mit einigem Verantwortungsgefühl gegenüber den Millionen von Soldaten, deren Existenz auf dem Spiele stand, hätte eigentlich froh sein müssen, daß man ihn durch Heran- ziehunz anderer Sachverständiger entlaste. In dieser kritischen Stunde Deutschlands bewies der kalte Egoist Luden- torff, daß seine Eitelkeit größer war als seine Sorge um das Schicksal von Heer und Heimat. Was ihm aber einst gegenüber dem ewig schwankenden, haltlosen Monarchen stets gelungen war, mißlang diesmal gegenüber dem Kabinett des Prinzen Max, das aus Männern bestand, die nicht gewillt ivarc», mit der Existenz ihres Volkes Schindluder treiben zu lassen. S o l s berichtete, daß ihn am gleichen Morgen in nller Frühe der Abgeordnete R i e ß e r aufgesucht und ihm gesagt habe, das Vertrauen der Ratio nallibe» ralen Partei auf General Ludendorff sei so erschüttert, daß sie erwarte, die Regierung werde sich bei diesem Entschluß nicht nur auf Hindenburg und Ludendorsf stützen, sondern auch ndere Feldherren anhören. Groeber berichtete über einen gleichen Schritt Stresemanns bei ihm. Der Vizepräsident des preußischen Staatsinmisteriums. der nationalllberale Führer Friedberg bestätigte, daß „das Publikum nicht begreifen würde, wenn hier das Schick- fal Deutschlands auf den richtigen Blick von zwei Augen gestellt würde". Prinz Mar erwiderte, daß er alles dies schon Ludendorff gesagt habe: es Habe nichts genützt! Im Grunde feines Herzens dürfte Ludendorff heilfroh gewesen sein, einen solchen Vorwand zu haben, die„Verant- wortung nicht weiter tragen zu müssen und andere die Suppe auslöffeln zu lassen, die er eingebrockt hatte.
Neben öer Kunst. Konzert-Umschau von Kurt Singer . - Wie der Spielende seinen ganzen Körper der Leidenschaft unter- tan macht, wie keine Muskelfaser unbeteiligt bleibt, wenn der Dämon über ihn kommt, so ist auch beim Hörenden Leib und Seele, -Bewegung und Empfindung in ausgleichende Parallele versetzt. Die gesesselie Rührung, Begeisterung, Erlebnissreude will in törper- licher Bewegung frei werden. Wir jubeln, rufen, klatschen, wir fallen in die Knie(vor Bach), wir breiten die Arme aus(vor Mo- zart), wir heben das Zluge(vor Beethoven ), wir falten demütig die Hände(vor Bruckner ). Was aber ist in uns gelöst, was ent- gleitet dem Bann, wenn wir ein Wert R e g e r s gehört haben? Wir stehen frierend stramm, wie vor einem großen Ingenieur, der uns Grund- und Aufriß, Gebälk und Maß einer Schöpfung er- inutert, mit Zahlen. Brüchen, Integralen. Nichts scheint oder das Wenigste nur von der Schöpferkraft eines Ingenieurs zu erzählen. Wohin Ihr hört und seht, Konstruktion, fchein-lebendiger, wandeln- der Generalbaß, mühselig klingend gewordener Beweis einer mufter- . hasten Harmonieschule. Was hat die übermäßig lange, virtuos komplizierte Paffacaglia und Fuge Dp. 127 mit dem Leben, mit dem Herzen, was gar mit Bach, dem Bater aller erdgelösten Orgel- tunst, zu tun? Fertigkeit ist alles, und im tiefsten Sinne unfertig alles. Der Interpret, Fritz Kleiner, ist einer der besten und sichersten Organisten, fptelgewandt, kraftvoll packend. Auch er ver- mochte nicht Andacht aus den Registern zu ziehen. Viel eher ge- lingt das Kurt Schubert, der eine kühl: Sachlichkeit durch einen ständig wachsenden klaoieristischen Spirlgeist well macht. Das Werk, chromatische Fantasie und Fuge von Bach, werfen ihn von der Objektivität in eine sich steigernde und überschwingende seelische Anteilnahme. Tscyaikowsky ist das Eden der Träumer, wird und soll es bleiben. Eine Liebe geht von ihm aus und ein sehnsüchtiges Moll, und alles ist russisch und heimatlich und volksseßhast. Seine Melodik, oft genug überzuckert und von französischem Parfüni, nähert sich doch dem phantastischeren und gedanklicheren Melos der deutschen Romantiker, sein« Redseligkeit ist Salon, aber niemals nüchtern, fein Tenwerament ist national, landschaftlich getrieben, ein Kosakenritt, etn Wirbelwind. Das Pathos, der Schwung, das Schluchzen seines B-Moll-Klaoierkonzerts weicht nicht mehr aus dem Ohr. Das eine Mal spielt es der junge Russe S i r o t a, feurig, mit zupackendem Schmiß und mit einer Menge Ungezogenheiten der mustkalischen Phrasierung. Das andere Mal FredericLamond, reif, von innen erhitzt, Nor disponiert, doch nur mit klassischer, außer- russischer Ekstase, die selbst im letzten Satz zwischen dem Solisten und dem Dirigenten Fried trotz deutlicher llngeprobtheit keine Differenzen schafft. Loeme d'eestase heißt Scriabines berühmtes Orchesterstück, das uns der von russischer Musik besessene, glutvolle und fclsensichere K u s s e w i tz k y vermittelt. Ein Stück der Halbtönungen, der Uebergänge, Vorbereitungen, der färberischen Wollust im Klang. Eine Fingerspitzen-Tristan-Chromatik, die, un- eblässig dämmernd, schließlich die große, mit Glocken und Trompeten begrüßte Erlösung bringt. Interessant im Detail, in der zarten Perwendmla.folistischer Instrumente, im Entfalten müde erregter
Mnige Tage später saß er in Schweden . Und fetzt schreibt er Bücher, hält er Reden, in denen er das deutsche Volk be- schimpft. Nach der politischen Erpressung die politische Verleumdung._
Die preußische Regierungsbilöung. Am gestrigen Mittwoch ist zur Neubildung der preußischen Regierung noch nichts Entscheidendes geschehen, es konnte auch nichts geschehen, da die Fraktionen der ausschlaggebenden Par- leien noch gar nicht zusammen sind. So wird z. B. die Zentrumsfrakiion erst am Donnerstag vormittag zur Re- gierungsfrage Stellung nehmen. Um so geschäftiger werden von einem Teil der Presse in gewohnter Art allerhand Kombi- Nationen verbreitet, bei deren Zusammenstellung meist der Wunsch, daß es so werden möchte, Gevatter gestanden hat. Tatsächlich handelt es sich nur um leeres Gerede. Der Vorstand der sozialdemokratischen Fraktion, der am Mittwoch zusammentrat, hat noch keinerlei endgültige Bs- schlüsse gefaßt. Es wurden nur die verschiedenen Eoentuali- täten besproohen, die an die Fraktion herantreten könnten, und die Stellungnahme, die man jeweils dazu einnehmen müßte. Man will aber zunächst einmal die Dinge an sich herantreten lassen, wozu die Fraktion um so mehr berechtigt ist, als der Sturz des Kabinetts Stegerwald nicht von ihr, sondern von den bisher im Kabinett befindlichen Demokraten ausgegangen ist. Das gegenteilige Gerede der Rechtspresse ist sinnlos. Denn die Sozialdemokratie hat vonAnfang an gegen das Kabinett � Stegerwald in schärfster Opposition gestanden. Wenn sein Sturz von ihr abgehangen hätte, so hätte das Kabinett nicht sechs Monate am Ruder bleiben können, sondern wäre schon nach d r e i T a g e n in der Versenkung verschwundem Eine wesentliche Rolle für die kommende Kabinettsbildung spielt die Frage, ob Herr Stegerwald erneut beabsichtigt, für den Posten des Ministerpräsidenten zu kandidieren. Nach einer TU.-Meldung beabsichtigt er dies nicht, sondern wünscht, sich wieder seinen gewerkschaftlichen Aufgaben zu widmen, denen er nach seiner Meinung schon überlang ent- zogen ist. Man darf aber diese Meldung keineswegs als sicher ansehen. Denn Stegerwald hat schon oft den Wunsch zur Rück- kehr in seine gewerkschaftliche Tätigkeit geäußer», ihn alsdann aber wieder fallen lassen. Sollte es ihm diesmal ernst mit seinem Entschluß sein, so würde die Situation dadurch Zweifel- los erleichtert werden. Der Ton der Rechtspresse ist am Mittwoch nach- mittag gegen ihre Morgenblätter, die noch unter dem Eindruck des ersten Staunens standen, um einige Grade tobsüchtiger geworden. Zu welcher Sinnlosigkeit ihre Wut sich gesteigert hat, illustriert am besten ein Sötzlein aus dem„Tag": ftvie Faust wird das normale politische Verkehrs- i n st r u m e n t und das normal st e Ueberzeugungs- mittel." Man müßte danach annehmen, daß das Ministerium Stegerwald, wie man in Oesterreich sagt, mit„Bracchialge- walt" gestürzt worden sei, wenn man nicht als konkrete Er- klärunq des Satzes läse, daß es einer Obstruktionsdrohung der Sozialdemokratie gewichen fei. Diese Obstruktionsdrohung gehört in das Reich der politischen Fabeln. Aber man sucht bekanntlich niemand hinter dem Ofen, wenn man nicht selber dahinter gesessen hat. Obstruktion ist in Preußen allerdings einmal getrieben worden, aber das geschah in der Preußischen Landesversammlung von den beiden Rechtsparteien, die durch Hinausgehen die Annahme > wichtiger Schul- und Kirchengesetze verhindert haben. Aber so weit können die gedächtnisschwachen 5)errschaften nicht mehr zurückdenken. Die„G e r m a n i a" plädiert für den Gedanken der! Großen Koalition und droht damit, daß auch die Geduld des Zentrums einmal zu Ende gehen könne, wenn sie nicht erreicht werde. Aber sie muß selber zugestehen, daß durch das Ver- halten der Deutschen Volkspartei im Reich die Aus- sichten auf ein Zustandekommen dieser Koalition äußerst schlecht
Süchte, streichelnd gedämpfter Ekstasen: K u s s e w i tz k y zeigte hier, wie in der„Petruschka"-Ballett-Musik, glanzvolle, aufs Große ge- richtete Begabung. Diese parodistischen Scherze Strawinskys gleiten absichtlich an den Grenzen ernster Kunst vorbei. Sie sind so bezaubernd gut instrumentiert, daß man lächelnd verzeihen möchte, oder wünschte, den Tanz dabei zu sehen, den ganzen Tummel und Rummel russischen Karnevals zu erleben. Hier also war der Spaß und der Rummel Absicht. Bei Herrn Czarniawsky war nur die Absicht ernst, als er eine Sinfonie Fis-Mall schrieb. Heraus kam eine ganz schlechte Mache, eine Leb- losigkeit in 4 Akten, ein Gemisch von Zigeuner -, Zelten- und Boston- Musik. Empfindung und Ekstase sind durch Spektakel, Lebcnsfarbcn durch grelle Schminke ersetzt. Eine Verlcgenhcitsthematik höchster Ordnung. Wie konnte sich M e y r 0 w i tz dafür einsetzen und die Sache so eifrig und feurig betreiben? Warum nicht vorher eine ordentliche Feuerprobe mit der Partitur? Fried hat als Dirigent viel zu sagen und herzugeben. Dem Komponisten der»Aus- wanderer" aber ist gerade nur ein ferner Stimungshauch ge- glückt, ein Abbild des Eich-Bückens vor einem geradlinigen, ins Orientale verlegten Schicksal. Das Untermalen kleiner Gedanken- und Satzpartien, das Ucberwuchern und Ueberschreien des pathe- tischen Sprachmaterials(von W ü l l n c r knapp gemeistert) ohne rechte persönliche Note läßt erkennen, daß dieses Melodram nicht im Zentrum musikalischer Empfindungswclt entstanden ist. Auch die anderen Hörer fühlten das instinktiv: sie riefen den Dirigenten und den Sprecher, nicht den Komponisten. Dann doch, lieber B a r t 0 k, dessen Quartett Dp. 7 uns der„M e l 0 s"-Kunftabend schon einmal gebracht hat, ohne davon zu überzeugen, daß hier ausladender Schwung und ekstatisches Temperament sich gerade an sehr faß- baren, fühlbaren, erlebten Noten entflammen. Und Bartok bleibt noch eine feste Kernqestalt und ein kerniger Gestalter gegenüber Kurt Francis, dessen unfpiclbare„Klangbilder" nur noch Noten- bild, nicht mehr Klang und Musik xu fein scheinen. Eine flatterhafte Irreleitung eigener, iunger Phantasie. Edgar R. Schütz hat seine (Tenor-)Stimme noch nicht frei gesungen: das Preislied war kein Mcistersinqer-Stück, doch wurde es stürmisch Dakapo verlangt. 5)eil Richard Wagner ! Earl Flesch bleibt im Ernst seiner Programme, im Geschmack ihrer Deutung, in der Stärke seines Musikergewisscns ein Dauergewinn für Erzieher zur Kunst und zur Fertigkeit.
Tribüne:«Die unbekannie Frau". Alexander Bisson hat einen Akt geschrieben, der ewig das Parkett unter Tränenwasser letzen wird. Die unbekannte Frau sitzt auf der Mklagebank zwischen den Gendarmen. Sie ist beschuldigt, den Gelifften mit Vorbedacht erschossen zu haben. Sie aber schweigt, dainit sie nicht gesteht, daß sie aus Liebe mordete. Und der eigene Sohn, den die Angeklagte nicht erkennt, plädiert als Advokat für die Unschuld der Mutter. Als der Gatte nämlich seine Frau wegen eines Fehltritts oertrieb, wurde sie leichtsinnig, Wanderdirne und Säuferin. Letzte Station ihres Zwanzigjährigen Abenteuerlebens ist der Lump, der ihre Schande bei dem einstigen Gatten und Sohn der Verlorenen zu Er- Pressungen mißbrauchen will. Die Ehrlose schweigt, um die Ehre ihrer Familie zu retten, und nur ein kriminalistisches Wunder bringt die Wahrheit dieser Frauentragödie an den Tag.
sind, während sie auf der anderen Seite der Sozialdemokratie das Lob spendet, daß sie „in diesen Tagen wiederum— zum zweiten Male innerhalb eines halben Jahres— em hohes Maß von staatspolitischem Ver» antwortungsgesühl bewiesen hat. indem sie im Reich unter schwierig- sten und undankbarsten Verhältnissen sich an der Regierungsbildung beteiligt hat." Damit gibt die„Germania " selbst zu, daß ihre allgemein gehaltenen Klagen über parteipolitische Kurzsichtigkeit auf die Sozialdemokratie nicht zutreffen. Daß das Zentrumsblatt auf die Demokraten schlecht zu sprechen ist, die im Reich wie in Preußen den entscheidenden Anstoß zum Regierungsrücktritt gegeben haben, können wir ihm nicht übel nehmen, und sicher hat es recht, wenn es die Verantwortung der Demo- kraten betont, über die sich die demokratische Presse allerdings nicht allenthalben klar zu sein scheint. Der P r e u ß i s ch e S t a a t s r at ist zum 8. November einbe. rufen worden: mit Rücksicht auf die Negierungskrisis steht es aller- dings noch dahin, ob dieser Termin wird innegehalten werden können. Der Präsident des Staatsrats, Oberbürgermeister Adenauer- Köln ist gestern in Berlin eingetroffen, um an den Fraktionssitzunzen des Zentrums teilzunehmen._ NeaktionäreGehelmorganisationinSachsen. Die Brüder vom Stein— Brigade Ehrhardt. Dresden . 2. November.(Eigener Drahtbericht.) Bor Eintritt in l die Tagesordnung der Mittwochsitzung des sächsischen Landtages machte der Minister des Innern L i p i n s k i aufsehenerregende Mit- teilungen über geschlossene Organisationen der Gegenrevolution in Sachsen . Nach der Ermordung Erzbergers erhielt der Minister Kenntnis von dem Bestehen einer Geheimorganisation in Sachsen . Die Ermittelungen ergaben, daß in Bautzen Major a. D. S ch n e i d e r Leiter einer Selbstschutzorganisation für Ostsachsen ist, die in zwei Polizeizüge eingeteilt war und eine glatte Fort- setzung der Orgesch genannt werden muß. Die Bautzener Haussuchung förderte Material zutage, das auf die Sperren der Organisation der„Brüder vom Stein" führte. Geldgeber der Orgesch und der„Brüder vom Stein" sind die Finanzausschüsse der sächsischen Industrie, die sich als Mitglieder des Bürgerbundes bezeichnen. Die Liga zum Schutze deutscher Kultur, der Verein zur Volksausklärung und ahn- liche politische Organisationen arbeiten mit den„Brüdern vom Stein" Hand in Hand und erhalten ihre Mittel aus derselben Quelle. Die Gelder der„Brüder vom Stein" wurden in Dresden und Leipzig in Höhe von ca. 700 000 M. beschlagnahmt. Weiter wurde sestge- stellt, daß die„Brüder vom Stein" Wassenlager In Sachsen angesammelt haben. In Dresden wurde jüngst der Fortbildungsschullehrer E b e r t b a ch aus Chemnitz verhaftet, weil er 13S„Pirschbüchsen" mit falschem B e st e l l s ch e i n in Dresden erworben hatte und sie in Sachsen verbreiten wollte. Sie wurden jedoch beschlagnahmt. Ein zweites Waffenlager hatte Ebertbach in Gunnersdorf bei Frankenberg angelegt, wo 600 Znfantcricgewehre und 4 Maschinen- gewehre am 27. Oktober beschlagnahmt wurden. Haussuchungen in Leipzig ergaben, daß die in München aufgestellte nationale Armee„Brigade Ehrhardt " auch in Sachsen eine Abteilung unterhält, die sich in eine geheime Kampforganisation und eine geheime Feme zliedert. Zweck der Organisation ist, im Falle eines Linksputsches die Massen niederzu- halten und eine nationaleRegierung einzusetzen. Die Feme hat den Zweck, Persönlichkeiten, die der Bewegung entgegenstehen, zu bestrasen, unter Umständen zu ermorden. Da» gewonnene Mate- rial läßt erkennen, daß die Brigade Ehrhardt und die Or- ganisation Escherich als„Brüder vom Stein" zusammen- arbeiten und eine geschlossene gegcnrevolutlonäre Macht in Sachsen bilden. Das Polizeiamt Leipzig ist angewiesen worden, die Auflösung des Vereins herbeizuführen. Sobald die Untersuchungen abge- schlössen sind, wird die Bestrafung der Beteiligten herbeigeführt werden.
Dieses Schauspiel von der unbekannten Frau wird jetzt in der „Tribüne" gegeben. Man kann das Stück mit Psychologie auf- führen, aber auch ohne Psychologie und nur mit Rücksicht auf den Effekt. Man kann das Stück in vier Akte ausdehnen, aber auch auf zwei Akte zusammenstreichen. Alles das spricht für die Unoermüst- lichkeit des Stoffes. Frau Rosa V a l e t t i spielt die fremde Frau mit einer außerordentlichen Geschicklichkeit. Sie versagt sich keine Wirkung, sie verfügt aber über so starke Komödiantenkräfte, daß sie selbst die unglaubliche Kolportage in ein klein Stücklein Lebens- Wirklichkeit verwandelt. M. H. Brunner wird schwach.. Der Streckcnrapport der Berliner Keuschheilspflege meldete am gestrigen Tage nur die belanglose Be- strafung eines Malers, eines Säiriftstellers und eines BucbhändlerS wegen der ortsüblichen Verbreitung unzüchliger Schriften. ES wurden lediglich Geldstrafen von 200, 50 und 20 M. erzielt und dem Dichter Max H e r m a n n»N e i ß e gelang es sogar, alSArei« gesprochener die Siätte des Gerichts zu verlassen. Noch bedenklicher stimmt eine Meldung, die soeben au? Wien eintrifft. Dort ist die Aufführung der Komödie„Der Hühnerhof" von Tristan Bernard dem Theater am Joieiplay verboten worden. Dasselbe Stück aber wird allabendlich in unseren Kammer spielen gegeben. Wo steckt Brunner? Fängt eiwa auch er an, in seinem sittlichen Empfinden lückenhaft zu werden? Die Berliner Künstler veranstallen gerade eine Sammlung, um ihm zu Weihnachten einen naturgetreu gearbeiteten Klapperstorch zu überreichen. Aber am Ende glaubt er jdtzt gar nicht mehr daran. Enthüllungen über die Socrdrup-Expedikion. Die Moskauer „Iswestija" treten mit der Beschuldigung hervor, daß die beiden im Eismeer untergegangenen sowjetrussischen Schiffe der Soerdrup-Expedition von vornherein dem Verderben geweiht waren. Die„Obs" habe die Fahrt angetreten, ohne ihre Reparatur beendet zu haben, und keines der beiden Schiffe habe die für das Eismeer notwendigen Vorrichtungen besessen. In Murmansk und Archangelsk hätte jedermann gewußt, daß die Schiffe für die gefährliche Fahrt durchaus ungeeignet waren. Die leicht- fertig organisierte Expedition werde alle bisher erfolgten Ausgaben für die Erforschung des nördlichen Seeweges und für die Aufstellung von Funkstationen an der Nordküste wertlos machen, da die infolge des Unfalls ins Ungemessene gesteigerten Versicherungs- t a r i f e weitere Fahrten verbieten werden. Eine ukrainische Hochschule in Prag . In Prag fand im Beisein zahlreicher Vertreter der tschechischen Professorenschaft und eines Vertreters des tschechischen Außenministeriums die feierliche Eröff- nung der Ukrainischen Freien Hochschule statt, die in- folge der polnischen Verfolgungen der ukrainischen Hochschuljugend in Ostgalizien gezwungen ist, hier in der Tschechoslowakei ein Ajyl zu suchen. Museumsführungen durch D i r e kt 0 ri a l b e a m t e finden am nächsten Lanntaz 9'/, Uhr im K a i l e r. K r i e d r i ch. M u l e u m(Ab. teilung; Deutsche Memälde), im Neuen Mnseum sKupserftichkabinett) und in der Zammluna sür deutsche Vollskunde sKtoster- straste 3S) statt.— Ewtrittslarten(1 M.) vor Beginn am Singang der Museen. -■-