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die Roten zur Gewalt übergehen..., Sache dieser Gruppen ist es, den Führern und Hetzern ihr Handwerk sür alle Zukunft unauffällig zu legeu. Diese Gruppen müssen privat mit Pistolen und versteckt zu kragenden Vossen ausgerüstet sein. In den Erläuterungen zu Punkt 4 heißt es, nachdem die Maß- regeln zum Schutzenationaler" Versammlungen aufgeführt sind: Umgekehrt müssen Veranstaltungen antinationaler Redner, Friedensapostel usw. derart geslSrt werden, daß ihnen die Lust zu weiterem Reden vergeht. Auf eine gesunde Keilerei muh man e» dabei natürlich ankommen lassen.... 3" ollen solchen Veranstaltungen gehört jedoch eine außerordentliche Diszi- plin innerhalb der Gruppe, vorherige genaue Besprechung. Wäh- rend z. B. bei öffentlichen Versammlungen ziemlich gewaltiätiz vor- gegangen werden kann mit dem üblichen Schlachtruf:Was. Sie wollen mir eine runter hauen." muß bei Sprengung von Theater st ücken durch Pfeifen, ununterbrochenes K l a t- s ch e n, dauerndes Rufen:Weiterspielen" usw. gewirkt werden. Sonderanweisung mündlich durch erfahrene Herren. Niemals darf von vornherein bemerkt werden, daß die Störenfriede zusammen- gehören oder nach gemeinsamem Plan handeln. Mit ähnlichem"Material lassen stch noch Seiten füllen. So gibt es auch nochRichtlinien" in 12 Punkten, in denen unter vielem anderen zur Erfindung ganz neuer Kampfmittel auf- gefordert wird." Es muß etwas Unwiderstehliches fein, z. B. elektrische Fernwirkung auf Explosivstoffe." Alles zeigt übereinstimmend, daß es sich hier um Leute handelt, die vor nichts zurückschrecken, am wenigsten vor gesetzlichen Perboten. Daß sie vor gerichtlicher Strafe sich nicht fürchten, be- greifen wir, dann Justitia ist ja bekanntlich blind. * Leipzig . 4. November.(WTB.) Wie dieLeipziger Abend» post" erfährt, wurde der VereinDom Stein" durch eine Verfügung des sächsischen Ministeriums des Innern aufgelöst mit der Begrün- dung, durch staatsanwaltfchastliche Ermittelungen sei festgestellt, daß der Verein ein Verband militärischer Art sei. Der Vorsitzende des Vereins kündigte an, daß er gegen diese Verfügung Beschwerde er- heben werde. Ferner meldet das Blatt die Auflösung des Sport­vereinsSilberner Schild".

Kgl. bayerische Leichenparaüe. Gedächtnisfeier für die Kriegsgefallenen verboten. München , 4. November. (Eigener Drahtbericht.) Das äußere Bild der zum Empfang des ehemaligen Königspaares in einem nie Dagewesenen Festgewand prangenden Stadt München spiegelt an de'n heutigen Abend die große Spannung innerhalb der ein- zelnen Bevölkerungsschichten wider. Die Straßen sind vor Einbruch der Dunkelheit gefüllt mit Menschen. Der Bahnhof.und dessen Zu­fahrtsstraßen sind förmlich belagert von den Massen, welche. die Ankunft der Leichen des Königspaares erwarten. Im Universitäts - viertel und im Zentrum der Stadt bilden sich an den Straßenkreu- Zungen Aufläufe durch laut auf die Massen einredende S t u- denten und hakenkreuzler. Wilde Gerüchte von einem heute Nacht erwarteten Rechtsputsch durchschwirren die Stadt und unser Genosse Auer wird stündlich von den Redaktionen befragt, ob die Nachrichten von seiner Ermordung auf Wahrheit beruhen. Im übrigen werden die letzten Borbereitungen zu der Demonstration gegen die Republik und ihre Berfastung in der äußerlichen Form der Beisetzungsfeier des Königspaares ge- troffen. In einer Organisation ist ein sehr weitgehender Beschluß nach dieser Richtung gefaßt worden: andere wieder waren mit diesem Beschluß nicht einverstanden, well die Zeit hierfür noch nicht gekommen ist. Eins steht jedoch fest, daß die Münchs- ner Arbeiterschaft von diesen Vorbereitungen genau unter- richtet ist und sie abzuwehren sich vorbereitet. Gerüchte vom Erscheinen der altösterreichischen Generale Dan kl und höfer treten immer wieder von neuem auf. Die Leichen des Königspaares sind unterdessen vöm Erzbischof und Herrn v. Kahr empfangen und durch eine wahre Mauer von Menschen in das Innere der Stadt übergeführt worden. Die Behörden des Ministeriums Lerchenfeld geben sich unterdessen noch alle Mühe, durch ein schroffes Verhalten gegen die Arbeiterschaft Oel ins Feuer zu gießen. Der Minister des Innern verbietet die Abhaltung der geplanten Massen-

feier zum Gedächtnis der Kriegsgesallenen In den Abendstunden. Das Gesuch des Abg. Fischer um Bewilligung einer B e w ä h- rungsfrist wegen seines Verbrechens, in Nordbayern eine treu zum Reich haltende Republik ausrufen zu wollen, wurde abgelehnt wejjen ber_S ch w e r e der Verfehlung und der Kürze der bisher oerbüßten Strafzeit". Die Polizeidirektion verhöhnt den Antrag der sozialistischen Ge» meinderatsfraition auf stärkere Kontrolle zugereister, frem- der, unlauterer Elemente, wie z. B. der Erzberger-Mörder, mit der Erklärung, die beiden als Mörder in Frage kommenden Per» sonen hätten bei Privaten gewohnt und wären deshalb nicht unter die Fremdenkontrolle gefallen! Die Münchener Gerichte erdreisten sich, wegen der morgigen monarchistischen Demonstration einfach alle Sitzungen und Termine abzusagen. Lediglich der sozialdemokraüsche Stadtrat bleibt trotz wüster Beschimpfungen bei seinem Deschfuß bestehen, die Arbest im Rathaus in vollem Betriebe durch- zuführen._

Protest öer Spanöauer �rbeitersthast. Gegen die Bedrohung der Deutschen Werke(A.-G.) durch die Maßnahmen der Entente wurde gestern in zwei Versammlun- gen von der Arbeiterschaft und den Angestellten dieser Werke in Spandau schärfster Protest erhoben. In denBismarck- sälen" sprach L ü ck. imKasino " F r i e d r i ch. Beide Redner ge- hören dem Zentralbetriebsrot der Werke an. L ü ck führte in seinen, Referat im wesentlichen folgendes aus: Der Versailler Friedens- vertrag hat uns Lasten auferlegt, unter denen wir und unsere Kin- der noch lange seufzen werden. Dennoch haben wir uns bereit- erklärt, die harten Bedingungen getreulich zu erfüllen. In der neuesten Zeit sind aber von den Vertretern der Entente Forderun. gen gestellt worden, die wir unmöglich erfüllen können. Man ver- langt jetzt die Einstellung der Fabrikation von Gegen- ständen, die bisher ausdrücklich gestattet war. Man verbietet Mo- jchlnert, ohne die wir nicht arbeiten können, sogar die Blitzableiter sollen von den Dächern der Werke abmontiert werden und die Drehbänke, die aus ihrem Stand herausgerissen sind oder werden sollen, dürfen nicht durch andere ersetzt werden. Dadurch soll die Herstellung von Kriegsmaterial verhindert werden. Dieses Vorgehen hat nicht nur bei der Leitung, sondern ebeyso unter der Arbeiterschaft in den Werken große Erregung verursacht. Wir haben zur Ruhe ermahnt und auf Verhandlungen gedrängt. Wir erklären hiermit klar und deutlich, daß die Arbeiterschaft nie- mal? ihre Hand dazu bieten würde, Waffen herzustellen, di« gegen unsere Brüder im Auslande Verwendung finden könnten. Was wir wollen, ist Arbeit und zwar Kulturarbeit oerrichten. die allen zum Segen gereichen soll. Kriege zu führen lehnen wir ein für allemal ab. Und ausdrücklich erklären wir ferner, daß wir durch unsere Kontrolle selbst die Herstellung von Waffen zu Kriegszwecken verhüten wollen. Was in den Werken hergestellt wird, ist in keiner Weise für Kriegszwecke geeignet. Die Werke, hier haielhorst und Spandau , haben sich m i t Hilfe der Arbeiterschaft zur Leistungsfähigkeit entwickelt, es ist kein Pfennig Privatkapital darin angelegt; alle Aktien sind in den Händen des Reiches. Um so mehr wehren wir uns gegen die Lahmlegung dieser Betriebe, die den Jammer der Ar- beitslosigkeit weiter verstärken würde. Alle Zweige der Fabrikation haben der Ententekommission zur Begutachtung vorgelegen und sie hat damals erklärt, die Maschinen freigeben zu wollen. Trotzdem die jetzigen Forderungen! Ebenso wie hier, und zum Teil noch viel schlimmer, steht es in anderen Reichswerken aus. Dabei sind gerade die Arbeiter die besten Bürgen für die Wiedergutmachung. Man sollte doch soviel wissen, daß von der Arbeiterschaft nichts gegen den Frieden zu fürchten ist. Und wir rufen unseren Gegnern zu: Laßt ab von der Zerstörung. gebt uns frei, was wir brauchen. Aufbau hüben und drüben, dos soll unsere Parole sein.(Lebhafter Beifall.) Wie der Redner noch mitteilte, besteht die Absicht, mit G e- neral Rollet zu verhandeln, der sich auch bereiterklärt habe, eine Abordnung der Arbeiterschaft zu empfangen. Die Versammelten zeigten durch zustimmende Aeußerungen ihr völliges Einverständnis mit dem Referenten, und auch die nach- folgenden Redner brachten dies zum Ausdruck. Am Schluß der Aussprache gelangte eine im Sinne der Aus- führungen des Referenten gehaltene Entschließung, die auch in der zweiten Versammlung angenommen wurde, einstimmig zur An- nähme. Dann wurde noch beschlossen, bei der Leitung der Werke wegen der Feier des g. November vorstellig zu werden.

nötige Schwergewicht verlecht und den Bürgerlichen zum Bewußtsein bringt, daß man ohne oder gar gegen die Sozial- demokratie nicht mehr regieren kann. Die Koalition wird in Preußen weniger denn je eine Liebeskammer sein, und mehr denn je ein Boden, auf dem Klasseninteressen hart aufeinanderstoßen. Es heißt jetzt: Nicht Hader und Ohnmacht, sondern Einigkeit und mehr Macht.' » Berlin . 4. November.(WTB.) Das Zentrum nominiert für den Minifterpräsidenten nach wie vor Stegerwald.

Nationalarmee ChrharÜt. Der sächsische Innenminister L i p i n s k i hat am 2. November dem Sächsischen Landtag Mitteilungen von einer umfangreichen konterrevolutionären Organisation in Sachsen ge- macht, deren wesentlichen Inhalt wir bereits wiedergaben. Nun veröffentlicht dieLeipziger Bolkszeitung" auf vier Druckseiten das umfangreiche Material, das diesen Mitteilungen offenbar zugrunde gelegen hat. Die Schriftstücke und Akten der Geheimorganisationen sind im vollen Wortlaut wiedergegeben. Wir beschränken uns auf die Anführung einiger wichtiger Punkte, die ein Bild von dem Wesen dieser Geheimorganisationen geben. Am interessantesten dürfte die Nationalarmee Ehrhordt sein, die aus Angehörigen der Marinebrigade Ehrhardt entstanden ist und sich OC.(Organisation C.) abkürzt. Die OC. ist über ganz Deutsch- land verbreitet und zerfällt in Bezirke, die die Buchstaben A. bis W. tragen. Sachsen führt den Buchstaben M. Das Statut ist in nummerierten Exemplaren verbreitet, die den Vermerk tragen: Ganz geheim. Darf nicht aus den Händen der Vertrauensleute kommen, keine Ganz- oder Telwbschrift." Das aufgefundene Exem­plar trägt Nummer 12. Es lautet: Zweck: 1. Erhaltung einer zuverlässigen Truppe iu Brigade - stärke, die eingesetzt werden kann bei roten Zinssländen. bei außen­politischen Verwicklungen. 2. T e i! a k t i o n e n, mit oder ohne Wissen der Regierung, wenn es die nationalen Interessen erfordern. 3. Lokale Skoßkrupps zur sofortigen Verstärkung der Polizei, Reichswehr oder sonstiger Ordnungstruppen. 4. Lokale Stoßtrupp» zum Schuhe nationaler, zur Sprengung antinationaler Veranstaltungen. Unmöglichmachung ekelhafter Theaterstücke, Personen usw. 5. Erhaltung der Wehrfähigkeit und Erziehung der Jugend zum Waffengebrauch. K. Allgen, eine Stärkung der Widerstandstraft, des Bekenner- muts der Bevölkerung. Diesen Punkten find Erläuterungen beigegeben. In den Er- läuterungen zu Punkt 1 heißt es beispielsweise: Brigade unterstellt sich als eigener Verband der Reichs- wehr. Es dürfen nur Männer in die Brigade, die entschlossen sind, die keinerlei Hemmungen irgendweicher Art in sich tragen, die bedingungslos dem Führer gehorchen, die brutal genug find, rücksichtslos durchzugreifen, wo sie eingesetzt werden. Als Unter- führer kommen nur Offiziere in Betracht, die Krisgserfahrung »nd Erfahrung im Straßenkampf mit aufrührerischen Massen haben, vor allem, die eine hauptersahrung aus der Praxis be- sitzen: Nicht verhandeln, sondern schießen und rücksichtslos be- fehlen." Innerhalb der Brigade»ine Stoßtruppe aus kühnen, sportfreudigen Elementen, die erforderlichenfalls gewagtesle Unter­nehmen ausführen, unbekümmert um Folgen und eigene Verluste. Deshalb möglichst junge Männer, die keinen Anhang haben und denen niemand weiter nachtrauert. Die Dassen find in genügender Zahl bereitgestellt, ebenso Munition. Aus den Erläuterungen zu Punkt 2 heben wir hervor: Es können Fälle eintreten, wo einige hundert oder weniger ent- schlossene Männer vorübergehend gebraucht werden. Die Fälle können sehr vielfältig sein, sei es um eine Sache in Gong, ins Rollen zu bringen, fei es, um eine rasche Tat zu vollbringen. Solche Fälle können z. B. fein: die Frechheiten der Franzosen gehen ins Grenzen- lose, alles Nachgeben hat keinen Sinn, man ermordet organisiert diese Hunde durch Schuß oder Gist, jedes Mittel ist recht... Rote TeilaufstSnde stehen mit Sicherheit vor der Tür, Stoßtruppen sammeln sich unker irgendeiner Maske on bedrohtem Ort, greisen führend ein, sobald

Neue Kamz-6riefe. Solange es weder Film noch Phonograph gab, blieb von dem Lebenswerk eines Schauspielers nichts als die blasse Erinnerung der Zeitgenossen. Der Schauspieler, der wie kein anderer Sterblicher den Rausch des Augenblicks kostete, war ausgeschlossen von der Dauer der Wirkung seines Werkes. Josef Kainz ' künstlerische Lauf- bahn riß ab, gerade als die Technik jene Probleme zu bewältigen begann, die nun auch dem Mimen eine Nachwelt schafft. Blieb so nichts von seinem Werk, das Spätgeborenen Erlebnis werden könnte, so blieb doch manches von seinem Wesen zurück. Vor ein paar Iahren schon empfingen wir die Iugendbriefe des Künstlers, in denen sich sein Werdegang mit entzückender Frische aufbewahrt hat. Jetzt erscheinen neue Briefe von seiner Hand, die zeitlich stngefähr da anschließen, wo jene Jugendbriefe abbrachen.(Briefe von JosefKainz. Rikola-Derlag, Wien 1921.) Eine Freundin hat sie gesammelt und geordnet, Hermann Bahr mit Erinnerungen eingeleitet. Die Freundin hat dem Freunde ein liebenswertes Denkmal ge- ' setzt. Das äußere Schicksal von München und der seltsamen Freund- schaft mit König Ludwig an über den bitteren Konflikt mit Barnay, zuerst zum Deutschen Theater L'Arronges, dann zum Burgtheater und schließlich in die Hotz der Gastspiele hinein, bis zu den Schatten der heimtückischen Krankheit, wird klar von ihm selbst ausgezeichnet. Man stellt fest, daß dieser höchst subjektive Mensch die Fähigkeit, ob- jektio zu denten, sich erworben hatte. Bei aller Freude an dem rauschenden Beifall, mit dem er überall überschüttet wird, wahrt er sich Selbstkritik. Cr ist natürlich Stimmungsmensch. Augenblicks­mensch. er hat auch sein Pack Menschliches und Allzumenschliches mit sich auszumachen, aber er ist edel, gutartig, hilfreich und willig, niemandem ein Leid zu tun. Er ist nicht einseitig in seine Rollen verbohrt, er Hot literarischen Ehrgeiz, sammelt, liest, studiert, über- setzt. Cr ist ein Lebenskünstler, ohne daß ihm die solennen Kneipe- reien Arbeit und Pflichtbewußtsein stören. Er ist selbstbewußt, aber sein Stolz wird durch das Bewußtsein, daß seine Begabung eine Berpslichtung sei, das Höchste zu erreichen, vor Eitelkeit bewahrt. So wäre die Atmosphäre dieser Briefsammlung nicht ungewöhn- lich, wenn nicht von einem Briefe aus tiefere Schatten und hellere Lichter auf die übrigen fielen und manches, was sonst vielleicht nur alltäglich wirkte, bedeutungsreicher machten. Der Unbekannten und Ungenannten, die diesen Brief zum Abdruck hergab, sei Dank gesagt. Er bildet den Angelpunkt der Sammlung. Aus Venedig , 18!M. ist er datiert. Kainz hatte sich hierher geflüchtet die erste Flucht vor sich selbst und zu sich selbst.Ich war," schreibt er,zum ersten Male in meinem Leben in einer Gesellschaft, die ich bis jetzt noch gar nicht so genau gekannt habe meine eigene. Ich hatte Mühe genug, meinem innersten Ich so recht genau zuzuhören, und siehe da, aus mir sprach einer, der mit der Welt fertig ist ich meine sie, die Außenwelt ohne sie zu hassen, ohne sie zu ver- achten." Er will nun seine Innenwelt in Ordnung bringen. Er reißt sich von der geliebten Frau los, um sich auf sein Werk zu kon- zentrieren.Ich habe etwas in mir gefunden, das nicht von mir «in Teil, nein, von dem ich ein Teil bin: das will ich pflegen und , entwickeln, dem will ich ähnlicher werden. In dem will ich auf-

gehen." Und er rät der Freundin:Du mußt Dich zu trösten suchen. Zwinge Dich, zu denken, und Dein Gefühl wird zerfressen werden." hinter diesem Satze steht eine bittere Erkenntnis. Da spricht einer. der oft selbst mit dem Denken sein Gefühl zerfressen haste, soeben selbst zerfraß und noch öfter zerfressen sollte. Da spricht einer ein Urteil über sich selbst: jener Kainz, dem die Urkraft des Unbewußten nicht mehr zur Verfügung stand und der mit Geistigkeit ersetzen mußte, was anderen angeborene Natur ist. Durch diesen einen Brief, der ein Schicksal andeutet, verschiebt sich diese Briefsammlung von der Harmlosigkeit, die in vielen Stücken vorwaltet, zum Tra- gischen hin, und aus dem liebenswerten Menschen, als der Kainz meistens erscheint, wird der ringende Künstler, der nicht ohne Schuld und Grausamkeit gegen andere und gegen sich selbst, seinen Weg gehen konnte._ O. E. h. InCouleur". Vor der Staatsbibliothek Unter den Linden steht eine Bettlerin und singt. Sie steht gebückt und zittert vor Käste, zwei Kinder drücken sich oerängstigt an ihrer Seue. Sie singt mit heiserer unverständlicher Stimme, oft von husten unterbrochen. Ihre Augen sind entzündet vom scharfen Wind. Wie in demütiger Biste streckt sie ihre Hand aus. Aber sie erntet nur wenig, die Leute haben keine Zeit und es ist tall. Und dann gibt es so viele Betller, denen man helfen müßte. Da kommen zwei Studenten mit bunten Mützen. Sehr korrekt vom hohen Kragen ab bis zu den Lackstiefeln, in wohlerzogener Nicht- achtung des übrigen Publikums, so gehen sie ihres Weges. Der Aeltere von beiden, ein straffer Jüngling mit unzähligen Säbel- narben, erzählt gerade etwas Wichtiges vom legren Stiftungsfest. Der Jüngere hört achtungsvoll zu, aber plötzlich sieht er die Bettlerin und stutzt. Für einen Augenblick sieht es so aus, als wolle er stehen- bleiben und das Portemonnaie ziehen. Da fühlt er den mißbilligenden Blick seines Begleiters und gibt sich einen Ruck. Beide gehen weiter. Der Aeltere ist empört und sagt halblaut: Ich bitte Dich dringend, hier auf der Straße keine Skandalszenen zu verursachen. Vergiß gefälligst nicht, daß Du in Couleur bist" Der Jüngere ist sehr rot geworden, aber er geht vorschriftsmäßig und macht ein korrektes Gesicht. Abgelehntes Sachverständnis. In demReigen"-Prozeß. der heute vor der S. Strafkammer des Landgerichts III zur VerHand- lung kommt, hat das Gericht alle von der Verteidigung genannten S a ch v e r st ä n d i g e n bis auf einen abgelehnt. Unter den Abgelehnten befinden sich Alfred K e r r und Gerhart Haupt- mann. Unsere Strafrichter verfügen eben in Kunstdingen über ein derartiges Sachverständnis, daß ihnen Leute wie Hauptmann und Kerr nichts Neues erzählen könnten. DerReigen" als Buch beschlagnahmt. Obwohl in Berlin oll- abendlich SchnitzlersReigen" aufgeführt worden war, führt die Berliner Staatsanwaltschaft einen heftigen Kampf gegen das Buch. Im Jahre 1Ö13 wurde nämlich durch Urteil des Landgerichts 1 Berlin und des Landgerichts Leipzig die Unbrauchbarmachung de»

Buches beschlossen und sogar eine polnische Uebersetzung « i n g e z o g e n. Die dagegen unternommenen Schrille gerieten infolge des Krieges zunächst ins Stocken. Nach dem Kriege hat dann die ö. Strafkammer des Landgenchrs III, dieselbe Kammer, vor der sich heute Gertrud Eysoldt wegen der Ausführung desReigen" zu verantworten hat, im März d. I. anläßlich einer Verhandlung wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften gegen eine Mietbüchere, das BuchReigen als nicht unzüchtig angesehen und den künstle- rischen Wert für so überwiegend erachtet, dag es das Buch ausdrück- lich von der Beschlagnahme ausnahm. Trotzdem werden bis in die jung st e Zeit hinein auf Grund der alten Urteile von 1913 dauernd B e f ch l a g n a hm u n g e n vorgenommen. Die Syndizi desSchutzverbandes deutscher Schriftsteller" ver- suchen jetzt erneut, die Freigabe des Buches zu erzielen, indem sie sich auf die Gutachten der Herren Franz von Liszt, Albert Eulen- berg, Simmel, LUbe-mann und Fulda berufen, die sämllich den hohen künstlerischen Wert des Buches betonen. Die geistigen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich . In der Pariser ZeitschriftNouvelle Revue Franyoise" erörtert der französische Dichter Andre Gide die geistigen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland . Die Wiederaufnahme dieser Beziehungen werde jetzt schon von vielen Franzosen für möglich, ja sogar für wünschenswert und notwendig erklärt. Man fürchte, daß die geistige Isolierung,'n der man Deutschland hasten möchte, sich schließlich gegen Frankreich selber wenden könne. Niemand bestreite im Ernst, daß Frankreich seit Ende des Krieges in moralischer und geistiger Hinsicht Terrain ver- loren habe. Andre Gide kommt zu dem Schluß. Frankreich müsse im eigenen Interesse die Wiederaufnahme der geistigen B.e- Ziehungen zu Deutschland anstreben, unter Wahrung der Eigenart auf französischer und aus deutscher Celle .

Kupferstichkabinett. Die Dante- Aus st ellung wird am Mon­tag geschlossen. An ihre Stelle treten am ZZ. November eine Auslt-llunc, niedertändischerLandschastszeich nungen bei 16. unv 17. Jahrhunderts sowie eine Ausstellung von Radierungen uud Steindrucken Lovis CorinthS. Arbeiter. Kunstausstellung Petersburger Str. SS. Heute abend 7J/, Uhr liest der Malcr-Dichter Raul Hausmann aus eigenen Werte». Sonntag um 11, 4 und 71/, Uhr: Besondere Führungen durch die Ausstellung mit Vortrag. Bluthner-Lrchester. Sonntag, den 6., abends 7st, Uhr, findet im Vlülhner-Saal ein Richard Wager- Abend unter Leitung von Camilla Hildebrand statt. Ueber Dostojewski spricht im Deutschen Verein zum Studium Ruß. landS Eugen Zabel am TonnerSlag, den 10., abends 8 Uhr, in der Aula des Grauen Klosters. Klosterstr. 73. Eintrstt sür j-dcr. mann frei. Ueber Wesen und soziale Bedeutung der Film-Reklame spricht am Mittwoch, den 8., abends 8 Uhr. im HZrfaal des Kunstgewerbe- Museums, Arrnz-Albcecht-Str. 8, Herr Dr. Paul Mahlberg. Eine Selbstbiographie Felix WeingartuerS. Der große Komponist und Dirigent Felix Weingartner hat seine«LebenSerinnerungen" ge« lchneben, di« demnächst im Verlagefflilo*, der Wiener literarischen An» stall erscheinen werden.