Nr. 523 ❖ ZS.Iahrgang
Das waffenüepot in öer //Viktoria Zusammenbruch der Landfriedensbruchanklage.
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3n dem Landfriedensbruchprozeß g.egen Z eh n„V i k i o r i a"- A n g e sk e l l i e wurde gestern irl später Abendstunde das Urteil verkündet. Sämtliche An- geklagten wurden von der Anklage des Land- sriedensbruchs, die der Staatsanwalt sel- der fallen lieh, freigesprochen. Ebenso wurden auch sämtliche Angeklagten von der Anklage der vorsah- llchen Sachbeschädigung freigesprochen. Am zweiten Berhandlungstag wurde zunächst die Beweis- «Hebung fortgesetzt. Die Frage, ob die angebliche„Zusammen- rorrung" der„Virtoria"-Angestcllten auf dem chof des Bureau- Hauses in der Lindenstraße, bei der die im Keller aufgefundenen Waffen zerstört wurden, eine„öffentliche" war. wurde bejaht von einem Aufsichtsratsmitglied, einem Herrn Hartmann, der gegenüber den ihn examierenden Bertcidigern sich sehr kratzbürstig gab. Verneint wurden sie aufs bestimmteste durch den Zeugen Rektor Fischer, der im Dezember 1913 Mitglied des Vollzugsrats der Berliner Arbeiterräte war und während des Tumultes tele- phonisch nach dem„Diktoria"-Gebäude gerufen wurde. Er be- kündete, daß� der Haupteingang durch eine jeden Fremden zurück- weisende Postenkette der Angestellten versperrt war und daß er nur zugelassen wurde, weil man ihn als Vollzugsrats- Mitglied erkannte. Ein anderer Zeuge sagte aus, daß vor dem ab- gesp«rten Eingang sich ein Mann einfand, der mit einem Re- ooloer umherfuchtelte, ihn auf energisches Verlangen hergab, sich dann als Mitglied der Einwohnerwehr auswies, aber nicht hinein- gelassen wurde. Einige Einblicke in die Verhältnisse der Einwohnerwehr gestattete die Aussage des Majors a. D. Janssen, des früheren Leiters der Zentralstelle d« Einwohnerwehren beim Preußischen Ministerium des Innern, der nach dem Kapp-Putsch aus dem Staatsdienst entlassen wordeti ist. Die Einwohnerwehr war ur- sprünglich eine ganz militärische Einrichtung, mußte auf Verlangen der Entente im November 1913 e n t m i l i- t a r i s i e r t werden und wurde dann ins Ministerium des Innern üb«nommen. Janssen hob hervor, daß er sich stets als Beamter des Ministeriums betrachtet habe. Die Waffen der Einwohnerwehr feien damals fiskalisches Eigentum gewesen. Von besonderem Reiz ist übrigens, daß einer der Angeklagten selber da- in als Mitglied der Einwohnerwehr Wilmers- dorf war. Unt« den Zeugen, die der Anklazebehörde besonders wertvoll schienen, waren ein paar, die sich in böse Widersprüche ver- wickelten. Dem Versicherungsangestellten Springfeld, der im Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband Funktionär der Ver- sicherungsangestellten ist, mußte sogar vom Vorsitzenden mehrfach vorgehalten werden, daß er immer wieder seine zunächst mit großer Besiimmtheit gemachten Aussagen einzuschränken sich genötigt sah. Dieser Zeuge mußte auch allen Ernstes gefragt werden, ob er über- Haupt weiß, was bei einem Maschinengewehr vorn und hinten ist. Ein anderer Zeuge der Anklazebehörde wußte nicht mal mehr, daß er früher auch vom Untersuchungsrichter vernommen worden ist. Er bestritt das und glaubte es erst, als ihm das Unterfuchungs- Protokoll mit seiner Unterschrift vorgelegt wurde. Die Zeugen der Verteidigung bekundeten unter anderem, daß die Situation auf dem Hof bedrohlich wir, so daß ein Angriff auf die Direktion befürchtet wurde, dem man dann durch Zerstörung der Waffen vorbeugen wollte. Aus de? zusamineuge- strömten Menge der Angestellten sielen drohende Aeußerungen, z. B. die, man solle die zweite Etage(in der die Direktion sitzt) m' t d e n M.-G.„abkämmen". Danach erst sei die Waffenzerstörung cr- folgt. Nach Schluß der Beweisaufnahme erklärten alle Angeklagten, die Zerstörung der Waffen sei. nicht schon in dem Augenblick beab- sichtigt gewesen, als sie aus dem Keller auf den Hof geschafft wurden.
Der Vorsitzende formulierte dann die S ch u l d f r a g e n für die Geschworenen. Die Hauptfrage lautete auf Landfriedensbruch mit dem erschwerenden Umstand der Zerstörung von Sachen, für die Angeklagten Händfchke auch auf„Rädelsführerfchaft". Dazu kam dem erschwerenden Umstand der Zerstörung von Sachen, für den Fall der Verneinung der Hauptfrage lautete auf Sachbeschädigung. Staatsanwalt Dr. Burchardy eröfnete feine Anklagerede mit dem Eingeständnis, daß er die Anklage auf Landfriedensbruch fallen lassen müssen. weil die Teilnahme an der„Zusammenrottung" nicht jedem frei- gestanden habe, so daß die„Oeffentlichkeit " fehlte. Dagegen hielt er acht Angeklagte für überführt der vorsätzlichen Sachbeschädi- g u n g. Die Verteidig« Dr. K o r a ch, Dr. Ball. Dr. Walter Richter , Dr. Züllichauer bestritten auch vorsätzliche Sach- beschädigung. Es handelt sich um einen N o t w e h r a k t, um zu- lässige Abwehr eines auf andere Personen beabsichtigten Angriffes. Auch Ueberschreitung des Notwehrrechts aus Bestürzung müsse straf- frei bleiben. Mindestens habe den Tätern das erforderliche B e- wußtsein der Nechtswidrigkeit gefehlt. Bei einigen Angeklagten wurde überhaupt die Tat bestritten. Für einen Ange- klagten wurde seine Zugehörigkeit zu einer rechtsstehenden Partei betont. „Rädelsführer" H a e n d f ch k e erklärte in einem Schlußwort, es erfülle ihn mit Belrud-güng, daß er durch seine Tat, zu der er als Obmann der Vertrauensleute sich verpflichtet fühlte, Unheil verhütet habe. Nach der Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden zogen sich die Geschworenen um 8 Uhr abends zur Beratung zurück. Nach einer einstündigen Beratung verkündete der Obmann, daß sämtliche Schuldfrageu verneint worden seien. Damit waren die Ange- klagten freigesprochen.
- Die örillanten in öer öutter. Ein Gerichksverfahren ohne Angeklagkea. Wegen verbotener Ausfuhr von Brillanten und Schmuck st ücken wurde vor der 7. Strafkammer des Land- gerichts l gegen den holländischen Kaufmann Pollack aus Amsterdam verhandelt. Gegen P. selbst konnte keine Anklage erhoben werden, da er sich in Holland befindet, wohl aber wurde zur Einziehung der beschlagnahmten Juwelen zu- gunsten des Reiches das sogenannte„objektive Ver- fahren" eingeleitet, das gestern seinen Abschluß fand. Der Kaufmann P. wurde auf Veranlassung von Kriminal- beamten, die ihm auf der Spur waren, an der Grenze in B e n t- heim festgehalten. Bei der genauen Untersuchung fand man 4 4 lose Brillanten in einem Feuerzeug verborgen. Als P. bei der Durchsuchung in auffälliger Weise zu früh- stücken begann, schöpfte der Beamte Verdacht und unterzog das Butterbrot einer Kontrolle. Zur allgemeinen Ueberraschung befanden sich in die Butter eingedrückt weitere lose Brillanten und sogar drei Brillant- ringe und eine Brosche. Pollack erklärte diese eigenartige Transportmethode damit, daß er Furcht vor den internationalen O-Zug-Dicben gehabt habe. Dies rettete jedoch die Juwelen, die einen Wert von W* Millionen Mark hatten, nicht vor der Befchlagnahnie. Vor Gericht machte Rechtsanwalt Dr. Brandt für den Angeklagten geltend, daß die Schmucksachen ausschließlich zum persönlichen Gebrauch des P. und seiner Ehefrau bestimmt ge- wesen sind, auch schon längere Zeit getragen gewesen seien. Sie seien deshalb nicht als dem Ausfuhrverbot unterliegende und anmeldepflichtige Handelsware, sondern als Reisegepäck im Sinne des Zolltarifgesetzes anzusehen. Das Gericht hob in Anlehnung an dos Gutachten des Finanzsachverständigen Regierungsrat B r a n- d i o w, dem Antrage des Verteidigers entsprechend die Beschlag- nähme der losen Brillanten aus und erkannte lediglich auf Ein- ziehung der drei Brillantringe, die der Angeklagte nach
seiner eigenen Angabe kurz vor sein« Abreise in einem Schieberkaffee in der Friedrich st raße gekauft hatte._ Ter„�ahnenraub" von Dahme . In dem Prozeß wegen Landfriedensbruchs vor dem Potsdamer Geschworenengericht begann gestern die Zeugenvernehmung. Dabei wurde zum erstenmal in Potsdam die religiöse Eides- formet abgelehnt. Während der Apothekenbesitzer Jakob gestern erklärte, daß er den Angeklagten Otto Friese beim Fahnenkampf gesehen habe, beeidete heute der Kassenbote Richard Schmidt, daß er mit Friese in der fraglichen Zeit Billard gespielt hatte. Der Zeuge Jakob will genau gesehen haben, daß Friese mit Schaum im Munde wütend auf dem Kampfplatz herumgetobt hatte. Alle Zeugen bekundeten, daß es bei dem TumuU unmöglich gewesen sei, einzelne Personen genau zu erkennen. Einstimmig wurde erklärt, daß der Angeklagte Zacke immer wieder auf die Menge be- ruhigend eingesprochen hattet Trotzdem der Iugendbund gesehen hatte, was das Mitführen der schwarzweihroten Fahne an- gerichtet hatte, hefteten gleich nach dem Fahnenkampf mehrere deutsch - nationale Jünglinge wieder einige Fahnenfetzchen an einen Spazier- stock, um damit durch die Stadt zu ziehen. Auch diese Herausforde- rung wurde unterdrückt. In später Abendstunde begannen die Plä- doyers. Es wurden von feiten der Verteidiger Hilfsfragen nach Nötigung und Sachbeschädigung gestellt. Stille Tage. Am Bußtag sind die Theater. Konzertsäle, Kabaretts, Licht- spieltheater usw. grundsätzlich geschlossen zu halten. Bei den Thealern findet eine Ausnahme zugunsten ernster Stücke statt. Ebenso darf in Konzertsälen geistliche sowie weihe- volle ernste Musik vorgetragen werden. Für den Totensonntag gilt die Bestimmung, daß in allen genannten Unternehmungen nur ernste Darbietungen stattfinden dürfen. Jedoch soll die Bestimmung nur>m Rahmen der gegebenen Möglichkeit gelten, so daß also alle Theater, die schließen müßten, wenn sie ihre Repertoire-Stücke nicht geben dürften, an dessen Aufführung nicht gehindert werden sollen. An beiden Tagen sind Nachmtttagsvorstellungen verboten.
Eines gefährlichen Brandes wegen, der in einem Kesselhaus Zionskirchstraße 27 entstanden war, wurde die Berliner Feuerwehr am Freitag früh alarmiert. Es gelang, die Flammen auf das Kesselhaus zu beschränken. Grober Unfug lag zwei Feuermeldungen aus der Stettiner Straße 48 und Werneuchener Straße 17 zugrunde. In der Landsberger Straße 112 mußte ein Kellerbrand gelöscht werden. Die Einführung der neugewähllen Skadlocrordneien erfolgt durch Oberbürgermeister B ö ß am Donnerstag, den 1». November, nachmittags S Uhr, im Stadtverordneten -Sitzungssaale des Berliner Rathauses. Die Vneinigung für Religion und Dölkerfrleden veranstaltete am Dienstag in der Leibniz-Oberrealschule vor einer üb«aus großen Zuhörerschaft einen Vortrags- und Gesangsabend zugunsten der hungernden Bevölkerung in Rußland . Alwine W e l l m a n n schilderte in ihrer Einleitung die Qual und die Verzweiflungstaten ! der Hungernden, die nach Angaben zuverlässiger russischer Statistiker 4<, Millionen betrügen. Man möge zu den politischen Verhältnissen in Rußland stehen, wie man wolle, das eine sei klar/ daß durch die ,■ jahrhundertelange Unterdrückung und Knechtschaft des russischen ! Volkes und durch den Krieg die jetzigen Wirrnisse in Rußland her- vorgerufen seien. Heute sei es Pflicht des deutschen Volkes, das russische Volk, das auch als Kulturvolk Anspruch auf Leben habe, vor der restlosen Verelendung zu retten. Ferner hielt Pfarrer Bleier einen Vortrag über den Dichter Dostojewski . Der Abend war ein großer Erfolg für die Rußlandhilfe. Es konnten 18 9 9 M. an die Berliner Gewerkschaftskommission abgeführt werden. Die Kriegsgeschädigken tschechoslowakisch« Slaaksangehörigkcii, die auf Invaliden- oder Hinterbliebenenrente Anspruch erheben. können sich nur bis Ende dieses Monats bei dem tfchechoslowa- tischen Konsulat in Berlin , Hildebrandstr. 11, melden, dann erlöschen ihre Ansprüche. Als Kriegsgeschädigte gelten Kriegsinva- lide und Hinterbliebene von Gefallenen, Vermißten usw. In der Konferenz der TPT.-Vertraucnsleute für Handel und Industrie am Donnerstag, den 3. November, ist ein S ch i r in stehen ge- blieben. Er ist im Bureau des Bcziilsverbandrs. Lindcnstr. 8, abzuholen.
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Fräulein.
Von Paul Enderling . Ahnen sie eigentlich, was sie so inmitten des Schoßes der Familie sich heranziehen? Daß sie Feinde im eigenen Lager heranziehen? Was wissen sie von uns? Wenn sie es ahnten, würden sie aufschreien vor Schreck. Sie wollte Hermann helfen mit eigenem Geld, mit den kümmerlichen Ersparnissen schwerer Jahre. Sie hatte für ihn borgen wollen. Sie hatte den Oberlehrer bitten wollen, seinen Einfluß beim alten Görke einzusetzen. Vielleicht lachte Her- mann zu dieser Stunde über sie und ihre Aengste. Ein anderer Wucherer half ihm schon aus der Hand des ersten.„Er ist ja der Sohn des' reichen Görke," hatte der Wucherer gesagt. Sie hatte Thea zurückgeführt ins Haus, in die ruhende Zukunft, und behütet vor dem_Faustschlag des Geschicks, das sie draußen zusammenhauen mußte. Und Thea höhnte über die Gouvernante, das Fräulein, das man doch nicht heiratete,— und keinem fiel es ein, das sofort auszugleichen. „Wer hinderte mich, ihre Tochter ins Verderben rennen zu lassen,' kopfüber? Wer hinderte mich, ihren Sohn an mich zu ziehen und ihn nicht loszulassen? Herrgott, laß mich nicht schlecht werden!" Tausend kleine Demütigungen, erlebte und in der Phantasie lebendia gewordene, zerrten nun an ihr und rissen sie hinab in eine Tiefe, von der sie sich früher kein Bild hätte machen können. War sie nicht eine wehrlose Gefangene, die stündlich neue Gewalttat und Roheit erwarten mußte? Aber wie sollte sie heraus aus dem Kerker? War das ganze Leben nicht ihr Kerker? Eine andere Stelle suchen, das war leicht. Aber würde es da anders sein? Mit Grauen dachte sie an die prüfenden Blicke der Damen, die sie engagieren wollten. Sie war eine arme Sklavin, nm daß �sie noch mehr verkaufte und schwerer trug. „Aber wenn mich Lothar so sieht, so als arme, kleine, i-'-nmerliche Sklavin. — kann er mich dann lieben? Und wenn ich fort bin und er mich hier nicht mebr findet— was dann?" Sie war in ein Netz verstrickt. Sie hotte anderen helfen wollen, den Menschen zu entgehen, und saß selber darin. rettungslos und hilflos.
Wie haßerfüllt Thea gewesen war— wie besinnungslos! Und bei dieser Erinnerung überflutete es Fräulein: Thea war eifersüchtig. Sie wußte vielleicht von Lothar mehr als sie selber... Wäre sie sonst so maßlos gewesen? Fräulein lächelte. Sie lächelte, wie nur eine Frau lächelt. Und nun wußte sie. sie würde aushalten: bis— ja bis � wann? Bis Lothar kam— bis er um sie warb— bis er fort- . gegangen? Ach, es war kein Ende von Schmerz und Qual abzusehen. Als sie schon einschlafen wollte, klang Geigenspiel zu ihr i herüber. Das war der junge Hilmer, der mit seiner Mutter! im vorderen Haus wohnte. Er war blind, aber nicht von Kind an: er hatte sich, als er im Abiturentenexamen durchfiel, zu 1 töten versucht: die Kugel hatte aber nur das Augenlicht ver-- nichtet und ihm ein dunkles Leben gelassen. Nun griff er ab und zu zur Geige und sprach da Dinge, die er nicht mit den Lippen sprechen" mochte. Er hatte schon lange nicht gespielt. Warum heute? Die Klänge spannen eine Brücke zu ihr herüber, eine Brücke leicht und vielfarbig wie ein Regenbogen. Sie ging im Mondlicht durch verwilderte Gärten: aus den dunklen Hecken schimmerten marmorne Bilder herüber. Sie ging an verwunschenen Palästen und stillen Brunnen vorbei, aus denen sich ernste, fremde Geschöpfe mit klagenden, fragenden Augen neigten. Die Bäume wurden lebendig. Es waren am Ende gar keine Bäume mehr. Es waren dunkle Gestalten, die etwas in den Händen trugen: Gold. Weihrauch und Myrrhen.� Und herbe, schlanke Epheben kamen aus maurischen Hallen. In den Händen trugen sie Girlanden aus weißen, weißen Rosen. Und nun— schrill und hart sprach jetzt die Geige. Sie schrie in wildem Schmerz. Es war wie verzweifeltes, aussichtsloses Aufbäumen gegen ein Schicksal, wie der Trotz eines, den man den Sabbat"seines Herzens nicht feiern lassen will und der lieber zugrunde gebt, als daß er ihn läßt. Sie hatte das Deckbett abgcst'-eift und laß auf dem Lager, die Hände um die Knie gefaltet. Es fror sie. Aber sie achtete dessen nicht. Sie hörte dem Singen der Geige zu. und ihre Augen weit-ten sich in Angst und Not. Durch die verwilderten Gärten brauste der Sturm: er � brach Aeste von den Bäumen, Glieder und Köpfe von den > Marmorbildern und zerriß die weißen Rosenranken. Am Brunnenrand bockte ein unförmiges Wesen mit grünen Glotz- ' mlgen und lächelte hämisch.— Und wiederum wie durch einen
Spruch des Zauberers war alles wie vorher. Die weißen Rosen, der Brunnen, die Marmorbilder und das Mondlicht, das alles umglänzte. Und dies Letzte, die milde Verklärung, der lächelnde Ausklong war vielleicht das Weheste an dem Bild und an dem Lied des blinden Geigers drüben. Fräulein brach— sie wußte nicht warum— in Tränen aus. Sie kauerte bewegungslos und schluchzte leise, um die kleine Eva nicht zu stören, vor sich hin. In dieser Stellung schlief sie endlich ein. „Sind Sie mir sehr.böse?" fragte Thea am nächsten Morgen. Fräulein schwieg. „Ich war ein dummes Hundchen gestern. Ich weiß nicht. was mich plagte. Es kam so über mich. Ach Gott, ich weiß ganz gut. was mich plagte. Ich will nicht lügen, ich weiß es nur zu gut." Fräulein sah zu Thea hinüber. Thea stand am Fenster. Das helle Morgenlicht zeigte unerbittlich in ihrem Gesicht Fält- chen, die Fräulein noch nie bemerkt hatte. „Ich bin nicht glücklich, Fräulein," sagte Thea leise. Fräulein nickte. Man sah es Thea wohl an, daß sie nicht glücklich war. „Ich wollte, ich könnte irgend etwas tun, irgend etwas er- greifen, um frei zu sein." Um frei zu sein...„Und Doktor Henning?" sagte Fräu- lein. Es war dos erste, was sie zu Thea sagte. „Er tut mir leid." sagte Thea.„Und auch wiederum nicht. Er hat ja den Menschen, den er liebt. Was will er noch? Meine Liebe? Er muß doch wissen, daß ich nicht gefragt wurde— damals. Er muß doch Vater kennengelernt haben." „Ist es nicht dennoch schön für Sie?" „Ich weiß nicbt, ob es schön ist. Es quält mich." Sie öffnete rasib das Fensier und rief in d-n Garten hinunter: „Gehst du schon zum Baden. Mutter? Warte einen Augenblick" Sie schlug das Fenstr wieder zu und nabm Fräuleins R-'chte.„Ick bin ein böses Luderchen. Ich wußte aar nicktt, daß ich so böse sein kann. Aber Sie sind vernünftig, nicht wahr, und tragen'? mir nicht nach?" „Ja." sagte Fräulein. „Ich mache es auch wieder gut. Soll ich Ihnen Kuchen von Haueisen mitbringen?" Do mußte Fräulein lachen.(Forts, fo'a�