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Nr. 527 Z8. Jahrgang

2. Heiloge öes vorwärts

Dienstag, S.November 1921

Kritik an Hermes' Steuerpolitik.

Auf der Tagesordnung der gestrigen Reichstagssitzung steht das Gesetz über das Branntweinmonopol sowie die 11 Steuer- vorlagen. Verbunden mit der Aussprache wird die deutschnationale Interpellation über die V a l u t o n o t. Abg. Edler 0. Broun(Dnat.) begründet die Interpellation. Wie will di« Regierung der völligen Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft verhindern? Wlr verlangen ein klares Programm, um aus der gegenwärtigen Finanznot herauszukommen. Präsident Löbe teilt mit, daß die Interpellation im Lauf der Debatte rom Minister beantwortet werden wird. �öolf Sraun(Soz.) Die Rede des cherrn Reichsfinanzministers hat wohl bei allen Parteien die äußerste Enttäuschung hervorgerufen, auch bei den- jenigen Parteien, die von seiner Tätigkeit in dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft alles andere als befriedigt waren und die stets wie unsere Partei Anlaß zur Kritik an dieser Tätig- keit genommen haben. Das Reichsfinanzministerium erfordert einen Mann, der mit voller Willenskonzentration, mit aller Energie, und ausgerüstet mit allen Kenntnissen unserer Wirtschaft und unserer Finanzen dieses Amt verwaltet. Daß diese Boraussetzung für den cherrn Reichsminister Hermes nicht gegeben ist, das ist in der letzten Sitzung des Reichstages auf das gründlichste erprobt worden. Die Red« des Reichsfinanzministers war bar jeder Originalität lSehr wahr! b. d. Soz.), eine Rede, inderkeineinzigerneuer G e d a n k e ist. Es ist gerade so, als wenn ein Kalkulator von seinem vorangegangenen Kalkulator die Rechnung übernimmt und einfach weiter fortfährt: auf der einen Seite die phantastischen Zahlen unseres Etats und auf der anderen Seite die Phantasie» l o s i g k e i t in der Darlegung dessen, was alles im Finanzministe- rium gewesen ist. bevor eben der neue Herr in seinen Dienst getreten ist. Das Rcichsfinanzministerium unter den Verhältnissen, unter denen wir heute leiden, ist nicht ein Amt, wo man einfach mit gegebenen Tatsachen rechnet, sondern ein Amt, wo den Tatsachen, die da gekommen stnd, ins Gesicht gesehen werden, und wo die Phantasie wirken muß, wo man sich überlegen muß, was denn eigentlich überhaupt möglich war und denkbar ist, und nich� einfach Altes, Ueberholtes wieder aufnimmt. Zu der Kunst, zu irgendeiner Steuer noch einig« Prozente oder auch ein Schock Prozente zuzu- schlagen, braucht man wahrlich nicht aus den höchsten Rangstufen des Beamtentums zu stehen: das würde auch ein Anfänger fertig bringen.(Sehr richtig b. d. Soz.) Es fehlt also irgendein leitender Gedanke, irgendein« große Idee, irgendeine treibende Krast, irgend- ein Verhältnis zu der Gewalt der Tatsachen und zu den ungeheuer- lichen Schwierigkeiten, die sich da auftürmen. Wenn der Herr Reichsfinanzminister mit einer Handbewegung alle die Vorschläge abweist, die an das Reichsfinanzministerium ge- kommen sind, die später vielleicht einmal geprüft werden könnten. so spricht das für eine ganz außerordentliche Bescheidenheit dieses Herrn, eine Bescheidenheit, die in gar keinem Berhältnis steht zu'der Größe der Aufgaben. Es sind ganz gründliche und ernste Vorschläge I gemacht worden, von denen wir leider der lleberzeugung sein müssen, daß, wenn sie nicht von einer deutschen Regierung durchgeführt und zu ihrem Programm gemacht werden, sie uns von anderen, viel Unangenehmeren als notwendig bezeichnet und durch- gesetzt werden.(Sehr richtig b. d. Soz.) Wenn ein neuer Reichsfinanzminister in das Amt tritt und uns zeigt, daß das Defizit dreimal so groß ist als die Summe, wie die Steuern, die er vorfästägt, einbringen können, so ist das meiner Meinung nach etwas anderes als ein Befähigungsnachweis. Wir werden selbswerständlich zu dieser oder jener Steuer in diesem Hause Stellung nehmen und Parteien auf dieser oder jener Seite werden die ein« oder andere Steuer befürworten, sie verteidigen, sie für notwendig halten. Aber daß die Steuer in ihrer Gesamtheit von einem der Vertreter in irgendeiner der Parteien akzeptiert wird, das ist, glaube ich. nicht die Meinung des Herrn Reichsfinanz- Ministers, besonders wenn er einen Blick in die P r e l se geworfen hätte, was nicht ganz unnötig für ihn gewesen wäre. Wir dürfen und wollen nicht Verstecken spielen, sondern wir mutzen mit der harten Tatsache rechnen, daß unsere Souveränität gerade hinsichtlich unserer Finanzen überaus stark eingeschränkt ist, daß wir nicht mehr Herr unseres eigenen Willens sind, daß nicht die Macht des deutschen Volkes und leiner Vertreter allein über das entscheidet, was unsere finanzielle Zukunft bedeutet, sondern Mächte, die außerhalb von uns stehen. Am 26. Oktober hat Herr B r i a n d eine Rede gehalten, ,n der er sagt: Entweder Erfüllung der Verpflichtungen Deutschlands oder die Gewalt Frankreichs . Es wäre außerordentlich wichtig, wenn der Herr Reichsfinanzminister seinen Restarts den Auftrag geben würde, sich doch um die Pläne zu kümmern, die andere mit unseren Finanzen haben, wenn sie auch außerhalb seines Honzonts liegen. Nach der Pariser Hmnanite" hat am 27. Oktober Herr Briand im Senate gesagt: In Deutschland haben sich tne Groß- besitzer, die großen Finanzherren, die Großindustriellen, riesige Ver­mögen erworben. Deutchsland hat Zahlung- Möglichkeiten besonders bei den Mitgliedern der Deutschen Volt spart ei (Hört, hört b. d. Soz.). Die Deutschen Volksparteiler sollen zahlen. (Zuruf v. d. DB.: S i e t u n e s g e r n!) Ich meine, das sind sehr unangenehme und auch für rmch sehr unerfreuliche Erklärung»» von fremden Staatsmännern. Aber wir sind nicht dazu in das Parlament geschickt worden, daß wir sie über- sehen können, daß wir die Politik des Vogel Strauß oder des ehr- würdigen Maulwurfs üben sollen, sondern wir müssen den harten und schweren Tatsachen ins Gesicht zu sehen begreifen.(Abg. Dr. Helfferlch: Gehören Sie eigentlich zur Opposition?)ia) gehöre zu dieser Opposition wie meine Partei, die ihr Steuer- Urogramm diesem Herrn so klar wie möglich vor Augen gefuhrt hat. Die vorgetragenen Zitat« sind von großer Wichtigkeit, und es ist sehr notwendig, sie hier vorzubringen. Denn im Vcißen Saale des hslels Esplanade scheint man diese Dinge gar nicht gekannt zu haben, als der Reichs- verband der Deutschen Industrie über die Frage des Devifen- a b k o m m e n s gesprochen hat. Di« Frage des Devisenabkommens ist eine ffraae von Leben und Tod der deutschen Industrie. Denn das bild-n Sie(nach rechts) sich doch nicht ein. daß die Franzosen , die Engländer und die Belgier einfach zufrieden sein werden, wenn Deutschland seine Zahlungsunfähigkeit erklart Ware Herr Helfferich zufrieden gewesen wenn er Sieger geworden wäre falls die Franzosen gesagt hasten: Wir können mcht zahlen? Rein, er hätte erwidert: Frankreich bat gewaltige Reichtümer, Frank- reich hat die Banque de France . Frankreich hat die großen Wem- berge. Frankreich hat die großen Hafen, bat seine Flotte usw Wenn die' R epa r a tion s k om Mission die Reise von Paris nach Berlin macht, dann sieht sie eben alle diese Schornsteine, aus denen die rauchenden Fahnen hervorkommen, die sie in Frankreich nicht gesehen hat. und dann wird die Reparationskommission sagen: diese rauchenden Fahnen beweisen, im Vergleich zu unseren still- stehenden Fabriken, daß Deutschland zahlen kann. Das sind Dinge, die Sie alle wissen. Es sind Dinge, die wir Ihnen alle erzählt haben, die Ihnen durchaus keine Neuigkeiten sind.(Zurufe rechts.) Das ist Ihrenationale" Politik, daß Sie sich das alles von der Rsparotionskommifsion erzählen lasten wollen, während unsere nationale Politik dahin geht, die Reparationskommission nicht sprechen zu lasten, sondern ihr zuvorzukommen.

Ihr Egoismus ist ebenso kurzsichtig wie Ihre Finanzpolisik während des Krieges gewesen ist, deren Folgen wir jetzt zu tragen haben. Ich meine, die Zahlungsunfähigkeit Deutschlands zu erklären bedeutet nur, die Zahlungsunfähigkeit der Ressorts zu erklären, die Herr Minister Hermes zu vertreten hat. Wir wollen gar keine Zahlungsunfähigkeit haben, und wir wollen deshalb, daß die deutsche Industrie das leistet, was notwendig ist, damit wir nicht zur

Zum 9. November! Die Demonstrationen finden auf folgenden Plätzen statt: Webcrwiese(Osken). Humboldthain(Norden). Witteabergplah(Weslea). Saiser-Friedrich-Platz. Hasenheide(Neu­kölln. Tempelhof , Nlarlendorf. Marienfelde ). Oberschöneweide . ZNarkiplatz(Oberschöne- weide. Niederschöneweide . Johannisthal ). Köpenick . Marktplatz(Köpenick . Grünau , Fried- richshagen). Spandau . Neues Rathaus. Um 2 Uhr nachmittags verkästen sämtliche Arbeiter. Arbeile- rinnen und Angestellte die Betriebe und begeben sich in geschlostenen Zügen zu den oben angegebenen Plätzen, so daß der Anfang iVa Uhr erfolgen kann. In 20 Alinuten langer Ansprache werden die Redner der Par- teien und Gewerkschaften die Bedeutung des Tage» würdigen. Be- ginn und Ende der Ansprache wird durch Trompetenflgnal bekannt gegeben. Um Z.SO Uhr hat die Demonstration ihr Ende erreicht, worauf sich die Züge auflösen, oder geschlosten in ihre Wohnbezirke zurückmarschieren. verkehr und die von der Arbeiterschaft als lebenswichtig aner kannten Betriebe werden nicht stillgelegt. Die Nachtschichtarbeiter begeben sich von der Demonstration aus wieder zur Arbeit. Ordner für die Züge haben die Betriebe selbst zu stellen und für Armbinden zu sorgen. Die Ordnung auf den Plätzen übernehmen die Parteien. « Referenten für den 9. November sind: Dsn der SPD. : Robert Breuer , Arthur Häußler, Karl Hetz schold, Kurt Heinig , Franz Krüger , Erich Kuttner , 5? ermann Lüde mann. Dr. Lohmann, Dr. Ostrowsskn, Dr. W. Zechlin. Von der U S P D.: Alfred Berger, Paul Brühl, Dr. Hertz, Richard Küter, Dr. Loewenstein. Dr. Moses, Otto Meier, Emll Ra- bald, Gerhard Seeqer. Von der Gewerksckaft: Emil Barth , Karl Polenske, Wilh. Reimann, Karl Vollmerhaus, Otto Ziska.

Anmeldung des Konkurses gelangen.(Zustimmung bei den Soz.) Es ist bester, wir verwenden einen Teil der deutschen Industrie, um eben diese Schuld zu bezahlen, als daß die deutsche Industrie uns weggenommen wird. Es ist die Aufgabe des Deutschen Reichs- tages, die fürchterliche Gefahr, das schwere Elend, das uns bedroht, abzuwehren.(Zurufe rechts.) Sie gehören immer zu den Leuten, die alles wisten, wie der Krieg bewiesen hat.(Zustimmung bei den Soz. Zuruf des Abg. Helfferich.) Im Kriege hätten Sie von einem englischen Schatzkanzler schon etwas lernen können. Sie, Herr Helfferich, haben aber nur bewiesen, daß Sie g ar nichts von ihm gelernt haben.(Zuruf rechts: Sehr geistreich!) Daß gerade Sie das Geistreiche monopolisiert haben, konnte man aus Ihren Reden im Deutschen Reichstage in den Iahren 1315 bis 1318 nicht erkennen. Sie haben damals ganz etwas anderes gezeigt, als Geistesreichtum, nämlich die Gewissenlosigkeit, wie sie im U-Boot-Krieg lag. Der Kurs des Dollars von 236 ist eine Erscheinung, die von ganz und garunabschbarenFolgenfür unsere ganze deutsche Volkswirtschaft ist, und es gehört zu den überaus bedauerlichen Lücken in der Rede des Herrn Reichsfinanzministers, daß er auf diese Probleme gar nicht eingegangen ist. Es ist leider kein Zweifel dar- über, daß dieser Dollarkurs weit mehr auf den inneren Märkten als auf den äußeren geschaffen wird. Es wäre zu erwägen ge- wesen, ob nicht die Reichsbant durch kleine Interventionen oder durch eine große Intervention durch das Hinwerfen von Dollars auf der Börse einen Schrecken unter allen Spekulanten hervorgerufen hätte.(Abg. Dr. Helfferich: Woher nehmen und nicht stehlen!) Wir haben jedenfalls mehr als 166 Millionen Dollar, und es würde vollständig genügen, um die Spekulation in Schranken zu halten und um den Mangel an lieferungsmöglichen Dollars auszugleichen, wenn die R e i ch s b a n k kräftig intervenieren und dafür sorgen würde, daß diese wilde Wut des Dollarkaufes durch die Angst ersetzt würde, ungeheure Verluste bei der Dollar- spekulation zu haben. Die deutsche Industrie ist zwar vorläufig glücklicherweise noch für einige Monats mit R o h st o f f e naversehen: aber wenn diese Rohstoffe einmal verbraucht sein werden, dann wird dieser Dollar- kurs eine solche Verengung der Kaufmöglichkeit Deutschlands herbeiführen, daß wir fürchten müssen, daß wir nicht mehr die Rohstoffe erhalten können, die zur Weiterbeschäfti- gung der deutschen Industrie unbedingt notwendig sind. Wir sind das Land, das alle Rohstoff« usw. einführen muß. Wir können es natürlich nicht ertragen, Materialien nicht kaufen zu können, daß wir dadurch unsere Industrie zum Stillstand bringen und Millionen von Arbeitern arbeitslos machen. Das sind alles katastrophale Folgen(Sehr richtig! bei den Dnat.) und es ist von Ihnen(nach rechts) niemals ein'Mittel angegeben worden, wie man diesen Ge- fahren begegnen kann.(Zuruf bei den Dnat.) Ich bin fern davon, Politik mit moralischen Erwägungen zu führen: denn wenn wir Politik mit moralischen Erwägungen führten, dann würden wir sagen: Aleine Herren, Sie sind an allem schuld. Sie sind am Krieg, an der Kriegsverlängerung, am Kriegsausgang schuld, Sie tragen alle Schuld: zahlt doch Ihr! Schafft doch etwas! Aber wir führen Politik nicht mit moralischen Erwägungen, sondern mit ö k o n o m i- schen Begründungen, und weil wir diese Politik führen, er- klären wir, daß die Arbeiterklasse das große Interesse ljat. daß der Zusammenbruch Deutschlands verhindert wird, daß die Arbeiterkiasie bereit ist, regelmäßig große und bedeutende Opfer zu bringen, damit wir vor dem Zusammenbruch verschont werden. Aber selbstoerständ- lich sind diese großen Opfer nur unter der Voraussetzung von der Arbeiterklasse zu schaffen, daß die besitzenden Klassen, entsprechend ihrem Besitz, entsprechend der sozialen Stellung, die aus ihrem Besitz erwächst, an der Rettung des Landes, an der Sicherung unserer Finanzen, an der Gesundung unserer Wirtschaft teilnehmen. Sehr wahr! bei den Soz.) Wir brauchen also einen Tell der Sach- werte, um aus den Schwierigkeiten herauszukommen, und wenn Sie uns diese Sachwerte nicht schaffen, werden Sie Ihnen auf der anderen Seite doch genommen werden. Mit Ihren nationalen Worten befreien Sie Deutschland nicht aus den Schwierigkeiten. Wir brauchen metallenen Klang, und der metallene Klang kommt nicht

aus Ihrer Kehle(nach rechts), sondern der kommt aus Ihren Banknoten. Wir müsien im Interesse aller Klassen der Gesellschaft, auch im Interesse der Schwerindustrie und der Landwirtschaft, aber vor allem im Interesse der Arbeiterklasse zur Stabilisierung unseres Geldwertes kommen. Wir müssen uns nicht nur über die katastrophalen Folgen klar sein, die der Zu- sammenbruch der Mark bedeutet, sondern wir müssen uns auch klar fein, daß von der Staatsgewalt längst hätte manches geschehen sollen. Wir haben viel zu viel an Einwirkung auf den Geldmarkt oufge- geben und haben die Gelegenheiten, das Fallen des Mark- k u r s e s zum Stillstand zu bringen, leider nicht benutzt. Wir er- kennen auch als Sozialdemokratische Partei an, daß das ungeheuer schwierige Aufgaben sind. Solange wir mit den alten Methoden der Finanzwirtschaft arbeiten, solange wir nicht den Mut haben, in den privaten K a p i t a l b e s i tz mit kräftiger, energi- scher Hand einzugreifen und zu nehmen, was notwendig ist, solange müssen wir fürchten, daß wir zugrunde gehen. Wir lehnen nicht das Prinzip für irgendeine Steuer ab, sondern wir erklären mit aller Entschiedenheit, daß wir bei aller Kritik der Steuern, wie sie uns vorgeschlagen werden, bereit sind, weitgehende Zugeständnisse zu machen und uns selbst vielfach zu überwinden, um zu leisten, was von der Arbeiterklasse geleistet werden kann. Aber Sie werden doch begreifen, wenn Sie auch den Massen noch so fremd gegenüber- stehen, daß diese Leistungen von dem Volke nur gebracht und ihm nur verständlich gemacht werden können, wenn die besitzenden Klassen, entsprechend ihrem Reichtum ihrer sozialen Machtstel» lung, ihrer gesellschaftlichen Position leisten, was sie irgend können. Wir sind uns also klar, daß die jetzigen Steuervorlagen allein nicht genügen können, sondern wir nur zu einer fruchtbaren Erledigung des Steuerproblems kommen werden, wenn zu all den steuerlichen Vorschlägen, die wir einzeln bereit sind, mit größter Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit zu prüfen, noch die kommen, die diejenigen be- lasten, die die Belastung am meisten vertragen.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Herold(Z.): Wir müssen oersuchen, durch die neuen Steuern die Schuld des Reiches zu tilgen: sonst sinkt der Wert der Mark weiter. Beim Umsatz st euergesetz müssen Doppelbe- steuerungen vermieden werden. Die Luxus st euer muß ver- einfacht werden. Wir müssen die Steuern so aufbauen, daß sie unsere Wirtschaft nicht zu sehr beeinttächtigen. Die Länder und Gemeinden müssen größere Anteile am Steuerertrage erhalten. Wir müssen erfüllen, so weit es möglich ist. Aber die Zahlen von Dr. Hermes beweisen, daß wir beim besten Willen die jetzigen Lasten nicht erfüllen können. Abg. Boehm(Bayr. Vp.): Zeit zu gewinnen, hat für uns keinen Zweck. Auf die Dauer können wir doch nicht erfüllen. Gegen die Ueberfremdung der deutschen Wirtschaft und gegen die maßlose Börsenspekulation müssen energische Mahnahmen ergriffen werden. Abg. Dietrlch-Baden(Dem.): Die Reparattonsverpflichtungen führen unsere Finanzen in den Abgrund. Schon belaufen sich die Reparationslasten auf 225 Milliarden Papiermark. Wie soll das jemals herausgeholt werden. Werden die Reparationsonsprüche im jetzigen Umfange ohne Stundung aufrechterhalten, so trägt die Entente die Verantwortung dafür, daß Deutschland nächstens nicht mehr zahlungsfähig ist. Es ist unverzüglich eine Kommission für die Prüfung der lleistungsfähigkeil Deulschland» einzusetzen, wie sie der Friedensvertrag vorsieht. Ohne die B«- seitigung der unmöglichen Bestimmungen des Friedensvertrages, insbfondere über Oberschlesien , gibt es keine Ordnung in der Welt- Wirtschaft.(Lebh. Zustimmung rechts und bei den Demokraten.) Wir fordern Vereinfachung der Steuergesetzgebung, denn die Steuer- zahler, die nicht zahlen wollen, freuen sich ja, je komplizierter die Steuergesetzgebung ist. Neichswirtsthastsminister Schmlüt: Die Reichsregierung war sich bei der Annahme des Ultimatums ihrer Verantwortung voll bewußt und hat niemals behauptet, daß wir alles erfüllen könnten, sondern nur, daß wir das Menschenmöa- liche zur Erfüllung tun müßten. Wäre das Ultimatum damals ab- gelehnt, so ständen wir jetzt nicht nur vor einem finanziellen, sondern auch vor einem industtiellen Zusammenbruch. Wir hätten das Ruhrgebiet verloren, während wir so wenigstens etwas ge- rettet haben.(Zustimmung links.) Ueber die Ursachen der üblen Verhältnisse, in die wir hineingeraten sind, ist man sich wohl aller- seit? klar. Seit Kriegsanfang haben wir das passive Saldo unserer Handelsbilanz um mindestens 2 Milliarden Goldmark vermehrt, und dazu kommen noch rund 3 Milliarden Reparationstoften und eine halbe Milliarde Besatzungskosten und dergleichen. Die 5 Milliarden Devisen, die jährlich aufzubringen sind, können natürlich nicht voll- ständig aus der Wirtschaft genommen werden; vielmehr wird die Notenpresse in Bewegung gesetzt werden müssen. Dieser Tat- fache muß man kühl ins Auge schauen und zur Vermehrung der Devisen die Einfuhr einschränken und die Aussuhr begünstigen. Darin sind wir leider durch die Entente be- schränkt, und besonders Frankreich schafft ungeheure Warenmengen über unsere Grenze. In den letzten vier Monaten sind über Em » französischer Wein und Liköre für 366 Millionen Mark hereinge- kommen,(Hört, hört!) Parfüms» Seife, Schminke usw. für HVji Millionen, Spitzen und ähnliches für 166 Millionen Mark. (Lebhaftes Hört, hört!) Es gibt nur zwei Wege: entweder wir trinken französischen Kognak und pfeifen auf die Repa- ration oder wir verzichten auf diese Genüsse und versuchen, unsere Verpflichtungen zu erfüllen. Dieser Druck ruiniert unfer« Valuta vollends. Trotz der augenblicklich günstigen Lage von In- dustrie und Handel muh man mit einer baldigen schweren Kris rechnen. Leider finden wir bei der Entente kein Verständnis unsere Wirtschaftsverhältnisse und haben nicht die Macht, ihr entschiedene Absage zu geben, die notwendig wäre. In der Sache selbst stimme ich mit Ihnen(nach rechts) völlig überein. Die Speku- lation ist auf dieser ungesunden Grundlage erwachsen und vergrößert die Rot immer mehr. Dem müssen wir Einhalt tun, wenn nicht weite Kreise unseres Volkes, die sich an dieser Spekulation beteiligt haben, eines Tages von der Krise schwer bettosfen werden sollen. Wir werden demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen, der da» freie Börsenspiel, besonders in Devisen, unterbindet. Die Auftraggeber sollen nur noch durch den Handelsminister eingetragene Firme n sein dürfen, die von Verkäufen dem Finanzamt Kenntnis geben müssen, damit es erfährt, welche Vermögenswerte in diese Spekulationsunternehmungen hineingesteckt werden. Allzuviel ver- spreche ich mir von dieser Maßnahme allerdings nicht.(Zustim- mung.) Ich erhoffe aber doch eine gewisse Verminderung der Spekulation. Zu prüfen ist auch der Vorschlag des Land- rats Dewitz, die Spekulationsgewinne an der Börse zu erheblichem Teil wegzusteuern. Die Regierung und die Reichsbank find bei der Beschaffung von Devisen aus dem Außenhandel nicht hin- reichend unterstützt worden. Diese Devisen müssen schärfer erfaßt werden. Die Erfassung von Devisen würde erleichtert, wenn man an die Sachwerte herankommt. Es fragt sich, ob wir nicht an die ausländischen Regierungen herantteten sollen mit dem Verlangen, uns nachzuweisen, welche großen Barbestände Deutsche im Ausland niedergelegt haben. Auch auf die praktische Durchfüh-