Einzelbild herunterladen
 

Nr. S8S AS. Jahrgang

Heilage öes Vorwärts

Ireiiag, S. Dezember lH2I

Nie Siadiverordneien zum Sireik der Wettangestellten

Oer Magistrat zwischen zwei Feuern.

3n der Stadtverordnetenversammlung gab es gestern sehr gründliche Sluseinaudersetzungen über den Streik der Werkange st eilten, der Berlin in der vorigen Woche so unangenehm überraschte. Zwei Magistrats- vorlagen über Lohn- und Besoldungsfragen standen auf der Tagesordnung, eine über Erhöhung der Löhne für Ar b s i t e r und der Vergütungen für nicht st än- ibig Angestellte und eine andere über die im Zusammen- hang mit dem Streik getroffenen Gehaltsvereinba- rungen zwischen dem Magistrat und den Ber - bänden der Werkange st eilten. Die Deutschnatio- nalen eröffneten die Debatte mit einem Angriff gegen den M a g i st r a t, der nach ihrer Meinungzuviel Ent­gegenkommen" gezeigt habe. Die linke Seite war der gegenteiligen Ansicht und warf dem Magistrat vor, daß durch seine anfängliche Unnachgiebigkeit der Streik verschuldet worden sei. Geirosse Haß, der für die lozialdemokratische Fraktion sprach, wandte sich scharf gegen die vonder rcchtenSeite gepredigte Gewalt- Politik. Er bedauerte, daß der Magistrat in diesem Bunkt anscheinend schon unter dem Einfluß der sogenanntenMehr- heit" der Stadtverordnetenversammlung gestanden habe. Unser Redner forderte, daß künstig der Magistrat vorher die Sachlage genügend prüft und beizeiten die notwendi- gen Zugeständnisse macht. In der weiteren Debatte kam es zu einem heftigen Zusammenstoß des an den VerHand- lnngen mit den Werkangestellten beteiligt gewesenen Stadtrats S ch l i ch t i n g mit der rechten Seite des Hauses. Ein Versuch der Deutschnationalen, die Vorlagen in einen Ausschuß hin- einzuschleppen, mißlang. Beide Vorlagen wurden a n- genommen. Mit den drei Fraktionen der Linken stimmten für die Lohnvorlage auch Zentrum und Demokraten, für die Gehaltsvorlage nur noch das Zentrum. Sitzungsbericht. Vorsteher Dr. Caspari eröfsnet die Sitzung\m 5Vl Uhr. Ein Trinalichkeitantrag der Kommunisten und der �Unabhängigen, der angesichts des Anwachsens der Zahl auf der Flucht erschosse­ner Häftlinge die sofortige Aushebung des Schießerlasses verlangt, stößt bei der Rechten auf Widerspruch. Ein weiterer Dring- lichkeitsantraz der Kommunisten, der u. a. zur Unterstützung der Rentenempfänger, Arbeitsinvaliden usw. als Notstands- Maßnahme gegen die zunehmende Teuerung und gegen die Un- bilden des Winters die sofortige Bewilligung von 1<X> Millionen Mark fordert, die noch vor Weihnachten zur Anweisung gelangen sollen, wird vom Vorsteher zur Verlesung gebracht. Die Verlesung unterbrechend, wendet sich der Vorsteher zu dem hinter ihm stehen- den Stadto. Dr. Rosenberg(Komm.) mit der Aufforderung, ihn nicht zu stören und die Präsidialestrade z» verlassen. Dr. Rosenberg lgno- riert diese Aufforderung, auch deren Wiederholung, worauf der Vor- st e h e r feststellt, daß Herr Dr. Rosenberg trotz der Aufsorderung siä) dervrdnungdesHauses nicht füg t. Nach Beendigung der Verlesung des umfangreichen Antrages teilt der Vorsteher noch mit, daß die Antragsteller auf Begründung verzichten wollen, wenn der Antrag an einen Ausschuß verwiesen wird. Gegen die Dring­lichkeit erfolgt Widerspruch aus den Reihen der Rechten.(Großer Lärm bei den Kommunisten. N a w r o c k i ruft: Bodenlose Frech- heit! Der Vor st eher ruft ihn für diesen Zuruf zur Ord- n u n g. Schumacher nimmt den Zuruf auf und wird eben- falls zur Ordnung gerufen.) Der Widerspruch wird zurück- gezogen. Schumacher ruft: Dann nehme ich auch den Zuruf zurück! Vor Eintritt in die Tagesordnung richtet der Vorsteher na- mens sämtlicher Fraktionen eine Erklärung an den Magistrot, die Versammlung nicht mit Dcinglichkeiisoorlagcn zu überschwemmen, womit die Arbeit der Versammlung nur gestört und erschwert werde. Bürgermeister Ritter gibt dem lebhasten Bedauern des Magi­strats über diesen durchaus unerwünschten Zustand Ausdruck: der Magistrat sei aber daran nicht schuld, sondern die Macht der Tat- fachen. Es werde nach Möglichkeit Sorge dafür getragen werden, dem Wunsche der Versammlung nachzukommen.

Nunmehr erstattet Merten(Dem.) den Ausschußbericht über die W a h l p r ü s u n g und die Verteilung der aus der Stadtliste gewählten Mitglieder auf die Bezirks- o e r s a m m lu n g e n. Die Wahlen sind sämtlich für gültig erklärt worden. Stadtv. Bissing(D. Vp.) hat seinen Antrag, dem Bezirk Berlin- Mitte zugeteilt zu werden, zurückgezogen. Bon Dr. Michaelis (Dem.) ist beantragt, den Magistrat aufzufordern, die Wahllisten sorgfältiger herstellen zu lassen und den Wählern eine Wahlkarte als Legitimation zu behändigen. Stadtv. Löroy(Soz.): Wir stimmen dem Ausschusie hinsichtlich der Gültigkeit der Wahlen und auch wegen der Zuteilung insoweit zu, alz sie nach dem Wohnsitz ersolgt ist. Auch den Ausschußvor- schlügen bezüglich der Zuteilung der Stadtvv. Busch, Dittmann und Merten treten wir bei. Anders liegt der Jall des Herrn koch. (Zuruf: Ist zurückgezogen!) Dann kann ich mir weiteres ersparen. ß 15 des Gesetzes Groß-Berlin enthält nach unserer Auffassung eine Lücke, insofern er für die Zuteilung im wesentlichen nur den Wohn- sitz als Kriterium aufstellt. Die weitere sehr ausgedehnte und lebhafte Erörterung des Ge- genstandes geht mit andauernd ungemein lebendig geführten Privat- Unterhaltungen im Saale einher, so daß die Verhandlung auf den ! Plätzen der Berichterstatter nur in Bruchstücken zum Verständnis ge- ' langt. Koch(Dnat.) erklärt, im Interesse des allgemeinen 5)ausfriede»s seinen Antrag auf Zuteilung zu Berlin-Mitte zurückzuziehen. Er beantragt jetzt seine Zuteilung zum Bezirk Kreuzberg. (Unruhe und Lachen bei den Kommunisten. Ruf: Ausgeschlossen!) Nach weiterer Debatte werden in der Abstimmung die W a h- len für gültig erklärt und sodann die Ausschußvor- schlage angenommen, wonach Busch(Wohnsitz im Bezirk II) noch Bezirk XX, Dittmann(Wohnsitz in XII) nach IX, Vir- ten(Wohnsitz in VI) nach I übernommen werden. Der Beschluß bezüglich Dittmanns wird mit 107 gegen 103 Stimmen gefaßt. Der Antrag Koch wird unter stürmischer Heiterkeit abgelehnt. koch bleibt im Wohnbezirk. Heber den Antrag Michaelis wird nach dein Antrag Löwy be- schlössen. Es geht ein Dringlichkeitsantrag Gäbel-Wegl ein, der die so- fortige Rehabilitierung des Stadtrats Stolt fordert. i In dem Antrag ist das Schreiben des Herrn v. Eynern an den Ober- 1 Präsidenten vom 7. Oktober alsvon Unwahrheiten strotzend" cho- rakterifiert; der Vorsteher hält diesen Ausdruck für lediglich ob- i jektiv gemeint, da er sonst im Interesse der Ordnung dagegen ein- ! schreiten müßte. Auch dieser Antrag scheitert für heute an dem ! von rechts erhobenen Widerspruch. Dr. Rosenberg(Komm.) legt Protest gegen die fchrllmeister- liche Geschäftsführung des Vorstehers ein. Er habe sich zu Ansang der Sitzung lediglich beim Schriftführer zum Wort gemeldet. Zu längerer Erörterung führt die Vorlage, in der der Magistrat die Mittel zur Beschaffung von 500 Pritschen für das Obdach er- bittet. Die Kommunisten verlangen, daß sofort 1500 Pritschen an- gekauft werden, und werden voir Dr. W e y l(U. Soz.) und Krüger (Soz.) unterstützt, während Koch(Dnat.) über die Vorlage nicht hinausgehen will. Es wird die Bewilligung des Betrages für 1500 Pritschen beschlossen. Hierauf werden die Vorlagen wegen Erhöhung der Löhne der Arbeiter usw. für Dezember 1021 und wegen der mit den Werksangestellten ge- troffenen Vereinbarung in gemeinsame Beratung genommen. F a b i o n(Dnat.): Der Magistrat hat uns hier, wie schon am i 28. November, vor vollendete Tatsachen gestellt. Das System der ! Nachbewilligungen bürgert sich mehr und mehr ein. Redner kriti- siert dann das Verhalten der Betriebsräte, die an der Sanierung der städtischen Finanzen nicht mitarbeiten wollen, und fragt, wie der ' Magistrat über die Deckungsfrage denkt. Die Vorlagen müßten in einem Ausschuß gründlichst geprüft werden. Die Wirtschaft dürfe - so planlos wie bisher nicht weitergehen. Hausberg(Dem.): Deckungsvorschlägc hat der Mogistrat sofort zu machen. Der Llrbeiteroorlage stimmen wir zu: die Ange- stelltenvorlage bedarf ernsllicher Erörterung im Ausschuß. Die Stil- legung der Straßenbahn, das Versagen der Beleuchtung, haben Millionen Unbeteiligter schwer geschädigt und die Allgemeivheit hart

betroffen.(Andauernde stürmische Gegenreden bei den Kommunisten und auf der Tribüne.) Haß(Soz.): Die Kritik an der Fülle der Dringlichkeitsvor- lagen ist an sich nicht unberechtigt: es ist aber auch zu beachten, daß der Magistrat heu»«: nicht durchweg so verfahren kann wie in j ryhjgen, geordneten Zeiten. Der Arbeiteroorlage, dem 8. Lohnarif, ' stimmen wir zu. Deckungsvorschläge alsbald zu machen, war dem Magistrat unmöglich; sind doch schon olle Quellen ausge­schöpft und bleibt schließlich nur die abermalige Erhöhung der Tarife übrig. Den ständigen Ausschuß, den Kollege Fabion vorschlägt, lehnen wir ob. Wir begrüßen, daß der Magistrat den Schiedsspruch angenommen hat. Die Rechte besteht aus ihrem Schein bezüglich der Deckung, immer nur dann, wenn Arbeiter in Frage stehen, nicht aber bei Gehaltserhöhungen für die Beamten. Wir müssen aus der Aera der Schiedssprüche und des Ultimatums heraus. Die Angestelltenvorlage braucht keine Ausschiißberatung: was dazu zu sagen ist, kann hier gesagt werden. Wir gebcn nicht sür alles, was zu beanstanden ist. die Schuld dem Magistrat. Die erste unheil- volle Wirkung ist vom Kommunalbeamtenverbond ausgegangen, und der Magistrat hat sich von den Werksdirektoren leiten lassen. Der Abschluß des Tarifvertrages hat sast neun Monate gedauert: da marschiert selbst der Krähwinkler Landsturm nicht so langsam. Nach dem Streikbeschluß ist der Magistrat unr gefallen; er hätte vorher sich gründlicher orientieren und seine Stellungnahme überlegen sollen. Will man die städtischen Betriebe Wirtschaft- i i ch gestalten, will man die Angestellten nicht an die Industrie v-er- lieren, so muß man ihnen das Gehalt geben, auf das sie Anspruch haben. Wir hatten bei den letzte» Ereignissen die Empfindung, daß auch ini Magistrat nicht alles gestimmt hat; auch will es uns beinahe scheinen, als ob hier die Rechte zum erstenmal ihre neue Macht in die Wagschale warf und io die eigentliche Urheberin des Streikes wurde.(Unruhe rechts.) Erfreulicherweise ist ja der Magistrat schließlich wieder zur Besinnung gekommen. Grund- sätzlich werden wir auf das Sireikreckt auch der Angestellten und Beamten nickt verzichten. Wir müssen den Organisationen bc- .zeugen, daß sie die ganzen Monate seit April eine große Lanqmuk und Gelassenheit bewiesen hoben. Aon einem Aufgeben des Ach-stundentages im Prinzip kann keine Rede sein. Vor Ausschußberatung warnen wir. Sie könnten damit die Urheber eines neuen Streiks werden. (Große Unruhe rechts.) Nicht die starke Hand gilt es zu zeigen, sondern einen kühlen Kopf!(Beisall bei den Soz.) B u b l i tz(U. Soz.): Wir sind dafür, daß beide Vorlagen noch heute verabschiedet werden. Redner polemisiert gegen den Ma- gistrat. Stadtrat Schi ich fing gibt eine ausführliche und eingehende Darlegung des Hergangs der Verhandlungen mit den Angestellten. Es sprechen weiter T e s ck k e(U. Soz.). K o s l o w z k i(Komm.), der in schärister Weis« die Forderung erhebt, die Vorlagen beute beide zu erledigen und die Angestellten in den Genuß ihrer Zulagen usw. zu setzen, Dr. Neu mann(D. Vp.), der dem Magistrat vor- wirft, kläglich vor den Angestellten und ihrer Streitdrohuna zurück. gewichen zu sein, und der aus Ausschußberatung besteht. Alle dieie Reden werden von den Besuchern auf der Tribüne mit den temxe- raineritvollsten Ausbrüchen begleitet. Einen neuen Slurm ruft Dr. Neu m a n n hervor, als er abermals hervorhebt, Stadtrot Schlichting habe als Interessent, als Voriißender des Verbandes der Maschinisten und Heizer, das erhöhte Pflichtbewußtscin empfinden müssen, daß er als Befangener nicht dcn Magistrat in den Verhand- lungen vertreten dürfe. Stadtrat Schlichting tritt dem Dr. Neumonn entgegen. Becker(Z.) hält Ausschußberatung für überflüssig und wendet sich gegen den Magistrat, Ein Schlußantrag wird unter heftigein Protest des Stadtv. Kunze über die Mundtotmachung der deutschsrziolen Partei und unter stürmischer HBterkeit der übrigen Versammlung gegen 10 Uhr angenommen. Fabian(persönlich): Wer schimpft, hat immer ein schlechtes Gewissen.(Lärm links. Ruf: Wo bleibt der Vorsteher?) Der Antrag auf Ausschußberatung beider Vorlagen wird abge- lehnt: mit der gesamten Linken stimmt auch dos Zentrum. Die Ar- beiterlohnvorlage wird mit großer Mehrheit angenom- inen. Der Antrag Fabia» auf Ausschußberatung der Angestellten- vorläge und einstweilige Vorschußzahlung wird init 100 gegen 98 Stimmen abgelehnt: gegen ihn stimmen die gesamte Linke und das Zentrum. Die Vorlage gelangt mit 107 gegen S-l Stimmen zur Annahme.(Stürmischer Beifall der Mehrheit, die sich genau wie bei der vorigen Abstimmung zusammensetzt.) Schluß: Vill Uhr.

Kolonisten aus Westschmerz von Wilhelm Rhenius. aber kriechen verstimmt in unsere Palmhutte, um uns umzuziehen. Beim Leeren der Taschen kommen dreizehn lce-e Pcu-oncnhnlsen zum Vorschein. Der Doktor sieht auf die dreizehn Hülsen.Ein Unglückstag," sagt er dumpf. Ein Unglückstag," echoet draußen Frau Lnisa,es fehlt eine Henne." Bleiben dreizehn," bemerke ich. Was für ein Datum haben wir heute?" fragt mich der Teilten beiläufig, mit seinen Schuhen beschäftigt. Der Dreizehnte," sagte ich kalt lächelnd. hNatürlich der Dreizehnte," ruft er hohl anflachend, mit einem unheimlichen Blick und klatscht seine nassen Alparpatas in die Ecke. 7. Der erste Fiebersall. U. September: Pedro schlägt vor, daß wir dcn Hühner« stell, zu dem er das nötige Material schon beschafft, nach seinen Llngaben herstellen, damit er ans Wohnhaus gehen kann. Uns kommt es vor, als hätte er die Sache schon über und möchte baldmöglichst aus dem Walde heraus. Er geht mit der ÄZst fort, um passendes Holz für Pfosten usw. zu suchen, und wir basteln an dem Hühnerstall herum. Der Doktor klagt über Kopfschmerzen. Ein heftiger Schüttelfrost zwingt ihn bald, die Arbeit einzustellen und in seine Koje zu kriechen. Frau Luisa ist sehr besorgt, wickelt ihn in Decken und ich verabfolge ihm auf seinen Wunsch eipe kräftige Dosis Ehinm. Er wünscht, daß ich mich seinetwegen nicht van der Arbeit abhalten lesse. und ich gehe wieder daran. Aber die rechte Stimmung fehlt. Ich sehe noch vor mir Frou Luisa, die e'mst so fescke kleine Frau, wie sie cm Lager ihres fiebernden Gatten sitzt und sich mit ihrer ärmlichen Schür-« zuweilen ver- stoh'en die Augen wischt, und mir wird dos Herz schwer. Bald darauf kommt Pedro, um meine Hille zu verlangen, die Hölzer beranzuschleppen. Erzähle von Doktors Erkran­kung. worauf er mit omHösem KonstchuiteknEhucho"-c?t. Er geht zu dem Kranken hinein, spricht ihm Mut zu und rat ihm allerlei, von dem ich weiß, daß der Doktor es nie und nimmer befolgen wird. Er hat feine Theorie und würde unter Umständen freudig für st- oder an ihr zugrunde gehe«.

Ich schleppe dann mit Pedro das Bauholz, was mich halbtot macht, und sehe dann wieder nach dem Doktor. Er hat jetzt große Hitze und redet ganz tolles Zeug. Bittet mich im Fieberwahn, ihm für fünfzig Pfennig doppelkohlen- saures Natron aus der nächsten Apotheke zu holen und seinen Kollegen Pennemann und Rübstiel zu sagen-, daß er diesen Abend nicht zum Skat kommen kann. Frau Luisa schluchzt gerade heraus und ich gehe, mich meines Auftrages zu entledigen. Da ich ruhelos bin, trotz meiner müden Glieder, gehe ich in den Waldschlag hinaus. Es ist beinahe Mittag, die einsamste Stunde an dem ein­samsten, weltverlorensten Platze. Eine bleierne Stille lastet auf allem, kein Vogelruf nichts. Während ich so in dem von der grellen Mittagssonne bs° sch-ienenen Waldschlags stehe» mit einem gefällten, angekohlten, phantastisch geformten Baumriesen, da denke ich mir, wie schön es doch wäre, wenn ein jovialer Apotheker gleich über dem Bach drüben wohnte und die Herren Pcnncmann und Rübstiel Arm in Arm aus dem Waldesschatten hervorträten. Nachdenklich gehe ich zurück, um Pedro bei seinem Mittags- mchl Gesellschaft zu leisten. Nachmittags baue ich an dem Hühnerstall weiter und helfe dazwischen als Handlanger mit cm Haus. Der Doktor ist gegen Abend ohne Fieber, aber sehr matt. Ich vermisse drei weitere Hühner, begrabe aber diese Ent- deckung in meinem Busen. 8. Maispflanzen. Ein Sonntag. Und die Hühner? 15. September. Der Doktor ist wieder auf den Beinen und geht Mais pflanzen. Pedro rät ihm, einen zugespitzten Stock zu benützen, um Pflonzenlöcher zu machen; aber jener schüttelt den Kopf und nimmt die Hacke. Er ärgert sich mit Wurzeln und Baumstümpsen entsetzlich herum und richtet die Hacke bös zu, aber er bekommt doch schließlich den Mais unter die E.de.! Am Abend ist das Haus im Gerippe fertig, bis auf die Wände, und der Hühnerstall steht als windschiefes, halb- vollendetes Kunstwerk da. E-3 fehlen wieder Hühner. Frau Lu-sa sind't es ans und ist verzweifelt. Es bleiben nur noch! sechs. Helten sie il-rem Transportkasten eingesperrt. 16. September. Sonntag. Pedro ist heute in aller Frühe 1 mit unserem Kahn stromab gefahren, um das an irgendeiner j Stelle schon bereitfiegende Dachstroh zu holen. Der Doktor'

fühlt sich nicht recht wohl und Frau Luisa sieht ihn besorgt an. Es geht auch richtig wieder mit ihm los. Rcpetition von borgestern. Ich muß Pedro heute in Besorgung der Pferde vertreten. Die armen Tiere sind irgendwo am Waldrand an- gebunden, wo sie am Röhricht knabbern können. Sie stehen jetzt mit hängenden Köpfen da. Das unsere ist besonders traumverloren und trübsinnig. Kein Wunder! Sie müssen sich am Tage von Stechfliegen und nachts von Fledermäusen das Blut abzapfen lassen und haben zuviel Zeit, an ihre schöne Kampheimat zu denken. Ich gebe ihnen ihre Ration Palmblätter und setze mich hin, ihnen zuzusehen. Aus purer Langeweile denke ich über einen Namen für unser Pferd nach und beschließe, daß es Jeremias heißen soll. Dann geh.: ich nach Hause und versuche, mir mit Frau Luisa durch Mate - trinken über den Rest des Tages hinwegzuhelfen. Ein trostloser Sonntag! Nichts, das einen daran erinnert, als ein Abreißkalender. Aber, wenn dieser eines Tages nicht mehr bedient werden wird, was ich init einen: leichten Schauder voraussehe, bleibe ich als Tagebuchführer die einzige Autorität. Sollte auch ich versagen, so erscheint mir unser fernerer Lebensweg wie jene monotone, endlose Papelallee, von der ein verzweifelter Wanderer singt: Rechts sind Bäume, links sind Bäume Und dazwischen Zwischenräume. 17. September. Der Doktor ist wieder munter, was er zunächst dadurch bestätigt, daß er die sorgfältig eingekerkerten Hühner losläßt. Wir arbeiten cm Hühnerstall weites. Er» warten Pedro am Nachmittage mit dem. Dachstroh. Frau Luisa hat schlimme Füße, geschwürige Stellen, die nicht heilen wollen. Auch bei mir fängt dieses Leiden an. Pedro kommt mit dem Stroh und wir schaffen es bündel- weise heran. Dann hilft uns jener, den unseligen Hühnerstall zu Ende zu führen. Am Abend ist er endlich fertig. Als wir nach eingebrochener Dunkelheit die Hühner auf ihrem Scklcf- platz einfangen wollen, um sie in ihr neues Logis zu stecken, ist bloß der Gockel da. Alles andere ist in den Mägen der Tigerkatzen oder Gott weiß wo verschwunden. Wir setzen den Hahn in sein einsames Schloß und wissen nicht recht, ob wir ihn oder uns mehr bedauern sollen. Die Träume von Eier» kuchen und Backhähnel zerflattern und Frau Luisa weint herzbrechend._ (Fortsi folgt.)